141. Amts- und AuzeigeblaLL für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.
Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamtsbezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg.» außerhalb desselben 12 Pfg., Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.
Freitag, de« 20. Juni 1013.
Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.LS vierteljährlich, Post- bczugSpreiS für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. I.ro. Bestellgeld in Württemberg M Pfg., in Bagern und Reich 4L Pfg.
Amtliche Bekanntmachungen.
Besuch der Internationalen Baufach-Ausstellung in Leipzig.
Wir haben uns schon vor zwei Monaten bereit erklärt, einzelnen Gewerbetreibenden, deren Betrieb in näherer Beziehung zu der Ausstellung steht, Beiträge zu den Kosten des Ausstellungsbesuchs zu gewähren. Gesuche um solche Beiträge wollen uns durch Vermittlung einer gewerblichen Vereinigung oder des Ortsvorstehers vorgelegt werden. Die Vereinigungen und die Herren Ortsvorsteher ersuchen wir, mit der Vorlage kurze Angaben über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Gesuchsteller zu verbinden.
Wir machen darauf aufmerksam, daß der Verband Württemberg. Eewerbevereine und Handwerkervereinigungen einen Sonderzug nach Leipzig veranstaltet, der voraussichtlich am 28. d. M. abends in Stuttgart abgehen und in der Nacht vom 2. zum 3. Juli dahin zurückkehren wird. Die Beteiligung an diesem Sonderzug bietet eine besonders günstige Gelegenheit zum Ausstellungsbesuch. Die Benützung des Sonderzugs ist jedermann, also auch Nitmitgliedern des Verbands, gestattet.
Stuttgart, den 14. Juni 1913.
Zentralstelle für Gewerbe und Handel:
M o st h a f.
sozialdemokratischen Resolution übergehen, die völlige Freiheit der religiösen und politischen Gesinnung im Heer und das Verbot der Auskunfterteilung darüber verlangen. Heine führte eine Reihe von Fällen an, um seine Behauptungen zu illustrieren. Dabei kam er auch auf den Fall des Dichters Liliencron zu sprechen, der einen bereits im Druck angefertigten Roman im „Hamburger Echo" zurllckziehen mußte, weil ihm sonst seine Offizierspension entzogen worden wäre. Quarck (N.) lehnte strikte die sozialdemokratischen Anträge ab. Vogtherr (S.) dagegen unternahm es nochmals, die sozialdemokratischen Resolutionen zu verteidigen, während Kreth (Kons.) den Sozialdemokraten die straffe Disziplin in ihren eigenen Reihen vorhielt. Nachdem noch Giebel (S.) die Praktiken der Zivil- und Militärbehörden bei der Auskunftserteilung über die politische Gesinnung kritisiert hatte, stimmte man ab mit dem Erfolge, daß die sozialdemokratischen Resolutionen abgelehnt wurden. Ein weiterer sozialdemokratischer Antrag forderte, daß die Militärsperre gegen Gewerbetreibende oder Angehörige anderer Berufe wegen Zugehörigkeit zu einer Partei oder religiösen Gemeinschaft oder wegen Hergabe von Räumen zu Veranstaltungen nicht verhängt werden darf, und daß den Betroffenen gegen jede an dem Verbot beteiligte Behörde oder Militärperson Klage auf Unterlassung oder Schadensersatz bei den ordentlichen Gerichten zusteht. Ueber diese von Frank (Soz.) begründete, wie über eine zum Kapitel „Beförderung" eingebrachte Resolution der Sozialdemokraten, begründet vom Abgeordneten Bernstein (Soz.), entspann sich noch eine lebhafte Debatte, die bis in die späten Abendstunden hineinreichte. Die Abstimmung hierüber wurde auf morgen verschoben. Um l^8 Uhr vertagte sich das Haus auf Freitag.
Aus dem Landtag.
Stuttgart, 19. Juni. Die Zweite Kammer setzte heute die Beratung des Etats der Berg- und Hüttenwerke fort und nahm zunächst den Antrag Graf (Z.) an, betreffend die Schaffung etatsmäßiger Stellen für die Meister der Hüten und Salinen. Sodann knüpfte sich eine eingehende Debatte an die Arbeits- und Lohnverhältnisse der Arbeiter. Der Ausschuß beantragte hiezu Erhöhung der Löhne, Schutz gegen ungerechtfertigte Entlassung, Verbesserung der Wohnungsverhältnisse und Revision der Satzung der Knappschaftsvereine, Ausdehnung der freien ärztlichen Behandlung auf die Familienangehörigen und zeitgemäßere Zusammensetzung des Knappschaftsvorstands. Berichterstatter war Graf
(Z-). Für die Interessen der Arbeiter, zumeist im Sinne des erwähnten Antrags, traten Groß (Z.) und Schlegel (S.) ein. Finanzminister v. Geßler stimmte dem ersten Teil des Antrags betreff, die Lohnerhöhung zu. Er versprach die Wohnungsfrage zu fördern und wies darauf hin, daß die Vergverwaltung bereits Arbeiterwohnhäuser errichtet habe. Was die Knappschaftssatzung anlange, so frage es sich, ob die Arbeiter einer Erhöhung des Beitrags zustimmen, die notwendig werde, wenn die ärztliche Behandlung ausgedehnt und die Pensionen erhöht werden sollen. Keil (S.) sah in selbstverständlichsten Wünsche der Arbeiter und erklärte die Zustimmung seiner Partei zu den Ausschußanträgen. Finanzminister v. Geßler ergriff dann nochmals das Wort und erklärte, er würde gerne eine größere Lohnerhöhung befürworten, aber man müsse sich eben nach den Verhältnissen richten. Der Fall Bosch zeige, daß die Reduzierung der Arbeitszeit nicht immer das beste sei. Fischer (V.) und Andre (Z.) sprachen sich im Sinne der Ausschußanträge aus. Nach weiterer Debatte wurde der Antrag angenommen. Das Kapitel „Salinen" wurde ohne erhebliche Debatte erledigt. Morgen Fortsetzung.
Stadt» Bezirk und Nachbarschaft.
Talw, 20. Juni 1913.
Vom Rathaus.
Unter dem Vorsitz von Stadtschultheiß Conz hielt der Gemeinderat am gestrigen Donnerstag nachmittag eine Sitzung ab, der 9 Gemeinderäte anwohnten. In einer Bausache des Schreinermeisters Schäfer in der Vorstadt kam es nach eingehender Erläuterung durch den Vorsitzenden zu einstimmiger Billigung von dessen Vorschlägen. Dann besprach man eine Eingabe von Handelsschuldirektor Zügel um Einräumung weiterer Badestunden im städtischen Flußbad für die Schüler der Neuen Höheren Handelsschule. Diese sollen nun künftig Dienstags von 4 bis 6 Uhr, Mittwochs von 2 bis 4 Uhr und Samstags ebenfalls von 2 bis 4 Uhr baden. Der Badeplan für die Allgemeinheit findet entsprechende Abänderung. Bei der Besprechung wurde hervorgehoben, daß die Frauen und Mädchen der Stadt namentlich sehr fleißig das Bad aufsuchen. — Die Bitte von Stadtpfarrer Schmid, die hälftigen Kosten des Versicherungsgeldes für die Vorsteherin der Kleinkinderschule auf die Stadtpflege zu übernehmen, wurde bereitwillig erfüllt. Es sind 37 ^//., die aus Stiftungsmitteln gedeckt werden können. — Heute vormittag findet Sitzung statt mit der Tagesordnung: Erweiterung des Elektrizitätswerks.
-y Parlamentarisches.
Aus dem Reichstag.
Berlin, 19. Juni. Einen stürmischen Beginn hatte die heutige Sitzung des Reichstages. Der Kriegsminister ergriff gleich zu Anfang das Wort, um die Angriffe und Beschuldigungen des Sozialdemokraten Zubeil auf den mittlerweile verstorbenen Major von Roon als frei erfunden und als Ammenmärchen darzustellen. Der im Jahre 1890 verstorbene Bataillonskommandeur sei entgegen den Angaben des Sozialdemokraten weder wegen Menschenmißhandlungen im Avancementsverhältnis zurückgestellt worden, noch habe er seinen Burschen erstochen oder erschossen. Zubeil verlangte in seiner Erwiderung eine Vernehmung des damaligen Jahrganges in Guben, wodurch seine Angaben bestätigt würden. Der Kriegsminister aber bedauerte, auf eine derartige Vernehmung von Vorgängen, die 23 Jahre zurllckliegen, sich nicht einlassen zu können. Hiergegen erhoben die Sozialdemokraten lebhaften Widerspruch. Aber damit war die Angelegenheit für das Haus erledigt und man konnte zur Besprechung der
Das Wirtshaus im Spefta^.
35) Erzählung von Wilhelm Hauff.
Alle Gegenvorstellungen Kaspars waren vergebens. Falke ward nur um so heftiger, je mehr jener ihn anflehte, von seinem verzweifelten Vorhaben abzustehen. Und der gute, schwache Mensch willigte endlich ein, ihn zu begleiten und ihm seinen Plan aussühren zu helfen. Beider Herzen zogen sich schmerzhaft zusammen, als sie einen Strick um die Hörner einer schönen Kuh, ihr letztes Eigentum, legten, die sie vom Kalbe aufgezogen, und die sie sich immer zu verkaufen geweigert hatten, weil sie's nicht übers Herz bringen konnten, sie in fremden Händen zu sehen. Aber der böse Geist, welcher sich Wilms bemeisterte, erstickte jetzt alle besseren Gefühle in ihm, und Kaspar wußte ihm in nichts zu widerstehen. Es war im September, und die langen Nächte des schottländischen Winters hatten angefangen. Die Nachtwolken wälzten sich schwer vor dem rauhen Abendwinde und türmten sich wie Eisberge im Clyde- strom, tiefer Schatten füllte die Schluchten zwischen dem Gebirge und den feuchten Torfsümpsen, und die trüben Bette der Ströme blickten schwarz und furchtbar wie Höllenschlünde. Falke ging voran, und Strumpf folgte, schaudernd über seine eigene Kühnheit, und Tränen füllten sein schweres Auge, so oft er das arme Tier ansah, welches so vertrauensvoll und bewußtlos seinem baldigen Tode entgegenging, der ihm von der Hand werden sollte, die ihm bisher seine Nahrung gereicht.
Mit Mühe kamen sie in das enge sumpfige Vergtal, welches hier und da mit Moos und Heidekraut bewachsen, mit großen Steinen übersäet war, und von einer wilden Gebirgskette umgeben lag, die sich in grauen Nebel verlor, und wohin der Fuß eines Menschen sich selten verstieg. Sie näherten sich auf wankendem Boden einem großen Stein, welcher in k > e
stand, und von welchem ein verscheuchter A, V-
zend in die Höhe flog. Die arme Kuh brüll...x 'pf, als erkenne sie die Schrecknisse des Ortes u, , ihr bevorstehende Schicksal. Kaspar wandte sich um
sich die schnellfließenden Tränen abzuwischen. ! olickte hinab durch die Felsenöffnung, durch welche sti heraufgekommen waren, von wo aus man die ferne Brandung des Meeres hörte. Und dann hinauf nach den Berggipfeln, auf welche sich ein kohlschwarzes Gewölk gelagert hatte, aus welchem ma von Zeit zu Zeit ein dumpfes Murmeln vernahm. »s er sich wieder nach
Wilm umsah, hatte dieser bereits die arme Kuh an den Stein gebunden und stand mit aufgehobener Axt im Begriff, das gute Tier zu fällen.
Dies war zuviel für seinen Entschluß, sich in den Willen seines Freundes zu fügen. Mit gerungenen Händen stürzte er sich auf die Kniee. „Um Gottes willen, Wilm Falke!" schrie er mit der Stimme der Verzweiflung, „schone dich, schone die Kuh! schone dich und mich! schon deine Seele! — Schone dein Leben! Und mußt du Gott so versuchen, so warte bis morgen und opfere lieber ein anderes Tier als unsere liebe Kuh!"
„Kaspar, bist du toll?" schri» Wilm wie ein Wahnsinniger, in dem er noch immer c.ic Axt in der Höhe geschwungen hielt. „Soll ich die Kuh schonen und verhungern?"
„Du sollst nicht verhungern," antwortete Kaspar entschlossen. „So lange ich die Hände habe, sollst du nicht verhungern. Ich will vom Morgen bis in die Nacht für dich arbeiten. Nur bring' dich nicht um deiner Seele Seligkeit und laß mir das arme Tier leben!"
„Dann nimm die Axt und spalte mir den Kopf," schrie Falke mit verzweifeltem Tone, „ich gehe nicht von diesem Fleck, bis ich habe, was ich verlange. — Kannst du die Schätze des Carmilhan für mich heben? Können deine Hände mehr erwerben als die elendesten Bedürsnisse des Lebens? — Aber sie können meinen Jammer enden — komm, und laß mich das Opfer sein!"
„Wilm, töte die Kuh, töte mich! Es liegt mir nichts daran, es ist mir ja nur um deine Seligkeit zu tun. Ach! dies ist ja der Piktenaltar, und das Opfer, das du bringen willst, gehört der Finsternis."
„Ich weiß von nichts dergleichen," rief Falke wild lachend, wie einer, der entschlossen ist, nichts wissen zu wollen, was ihn von seinem Vorsatz abbringen könnte. „Kaspar, du bist toll und machst mich toll — aber da," fuhr er fort, indem er das Beil von sich warf und das Messer vom Steine aufnahm, wie wenn er sich durchstoßen wollte, „da behalte die Kuh statt meiner!"