139. Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw. 88. Jahrgang.
Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts- bezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Psg.» außerhalb desselben 12 Psg., Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.
Mittwoch, de« 18. 3uni 1913.
Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohu Mk. 1.2S vierteljährlich, Post- bezugSpreiS für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.
Amtliche Bekanntmachungen.
Bekanntmachung,
betr. den Ausbruch der Schweinepest in Liebelsberg und Althengstett.
Von einem Schweinetransport des Händlers Kön- geter in Herrenberg sind verschiedene Tiere in den hiesigen Bezirk verkauft worden. Von diesen Tieren kamen 2 Stück in die Stallung des Fritz Ziegler in Liebelsberg und 3 Stück in die Stallung des Chr. König, Bäckers in Althengstett. Diese Tiere sind ebenfalls an der Schweinepest erkrankt.
Dies wird gemäß K 292 Min.-Verf. vom 11. Juli 1912, betr. Ausführungsvorschriften zum Viehseuchengesetz, Reg.Bl. S. 293, unter Hinweis auf die dort vermerkten Schutzmaßregeln bekannt gegeben.
Calw, den 16. Juni 1913.
K. Oberamt:
Amtmann Rippmann.
Bekanntmachung,
betreffend Abhaltung eines Unterrichtskurfes für Fleischbeschauer in Gmünd.
Zu dem am 25. d. Mts. beginnenden Unterrichtskurs für Fleischbeschauer in Gmünd können noch einige Teilnehmer zugelassen werden.
Anmeldungen sind alsbald bei dem Unterrichtsleiter, Stadttierarzt Schenzle in Gmünd, einzureichen (vergl. im übrigen die Bekanntmachung des K. Medizinalkollegiums, Tierärztliche Abteilung, vom 18. Dezember 1912, Staatsanzeiger Nr. 304).
Die Schultheißenämter werden auf vorstehenden Erlaß aufmerksam gemacht.
Calw, den 16. Juni 1913.
K. Oberamt.
Amtmann Ri pp mann.
Deutschlands Interessen in der Mongolei.
Von Erdmann.
X.-X. Während der letzten Reichstagsverhandlungen fanden auch Erörterungen über die Entwicklung der Verhältnisse in der Mongolei statt, die darin gipfelten, daß Deutschlands Interessen im Augenblick zwar nicht
sehr groß, aber entwicklungsfähig sind und daß darum das Reich ein Interesse an der Offenen Tür in der Mongolei habe. In der Tat kann man im Augenblick von irgendwelchen ausgedehnten deutschen Handelsunternehmen in der Mongolei nicht reden. Die Versuche eines großen deutschen Handelshauses (Carlowitz und Co.), im nordwestlichen Jeholgebiet Eoldvorkom- men auszubeuten, sind seit einer Reihe von Jahren wieder zum Stillstand gekommen. Der Grund hierfür war weniger die ungenügende Abbaufähigkeit, als vielmehr die Eigenart der chinesischen Verhältnisse und der passive Widerstand der chinesischen Lokalbeamten, die sich bisher jedem derartigen Unternehmen widersetzten, weil sie sich benachteiligt fühlten. Ob in absehbarer Zeit unter dem neuen Regime die Arbeiten wieder ausgenommen werden, steht dahin, immerhin würde es lohnen, die Angelegenheit im Auge zu behalten. Das Jeholgebiet ist nicht arm an Eoldvorkommen und würde bei Eröffnung von Konzessionen immerhin dem deutschen Bergbau Aussichten eröffnen.
Ein anderes Unternehmen, das jetzt leider in seinen besten Anfängen durch den Tod des Leiters, des ehemaligen Oberleutnants Jobst, eine empfindliche Einbuße erlitten hat, war ein von Jobst in Verbindung mit der Firma Teige und Schröter eingerichtetes Gestüt in der inneren Mongolei, unweit Kalgan. Jobst beabsichtigte, aus dem mongolischen Pferd durch Kreuzung mit russischen und europäischen Hengsten ein besonders für militärische Zwecke besser geeignetes Soldatenpferd aufzuziehen, wie überhaupt durch systematische Zucht die Güte der Tiere zu heben. Obwohl erst im Jahre 1911 eröffnet, standen dort jetzt wohl schon an 700 Pferde auf der Weide mit zahlreichen hoffnungsvollen Fohlen. Jobst hat leider seine ersten Erfolge nicht mehr weiter verfolgen können, da er kurz nach Weihnachten letzten Jahres verstarb. Die genannte Firma hat nun die Leitung selbst in die Hand genommen und als Direktor einen ehemaligen Sergeanten der Schutzwache in Peking, Hoffmann, angestellt, damit die Anlagen nicht ohne europäische Kontrolle bleiben. Damit sind die deutschen Unternehmungen in der Mongolei erschöpft. Bergbau und Pferdezucht sind die beiden Zweige des Erwerbslebens, die am meisten Aussicht auf Entwicklung in diesen Teilen der Mongolei versprechen. Vorbedingung dafür ist aber, wie überall in China, im Augenblick die Schaffung klarer und geordneter Verhältnisse, sowie die Erschließung durch Eisenbahnen, deren wichtigste die Verlängerung der Strecke Peking—Kalgan bis nach Urga, sowie der Bau einer Bahn von Peking nach Jehol sein würden, wie sie auch
letzthin der Gouverneur des Jeholgebietes Hsiung-Hsi- lin der Regierung vorschlug. Da das Geld hierfür aber durch innere Anleihe kaum aufzubringen sein wird, bleibt nur abzuwarten, ob nicht auf eine oder die andere Weise doch noch die geplante große äußere Anleihe unter Dach gebracht wird. Mittelst der genannten Strecken würde die nördliche und nordöstliche Mongolei aber an das nordchinesische Eisenbahnnetz angeschlossen und damit würden sich für Tsingtau neue Ein- und Ausfuhrmöglichkeiten ergeben.
Parlamentarisches.
Aus dem Reichstag.
Berlin, 17. Juni. Mit einer freudigen und mit einer traurigen Mitteilung hatte der Präsident Dr. Kaempf der heutigen Sitzung die Einleitung zu geben. Die Dankllbermittelung des Kaisers auf die Glückwünsche des Reichstages zum Regierungsjubiläum und ein Nachruf auf den verstorbenen Zentrumsabgeordneten für Landshut, Freiherrn von Malsen-Wald- kirch. Hierauf veraschiedete man ohne jegliche weitere Aussprache das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz im Königreich Bayern in dritter Lesung, um dann in der Wehrdebatte fortzufahren. Im wesentlichen beschäftigte man sich heute mit dem sozialdemokratischen Antrag auf Verminderung der Militärdienstzeit, der die allgemeine Einführung des einjährigen Dienstes verlangt. Graf Praschma (Zr.) begnügte sich mit einer kurz gehaltenen Erklärung, während der konservative Ostpreuße Nehbel im Namen seiner Parteifreunde den Antrag lebhaft bekämpfte. Seine dabei eingeflochtenen Angriffe auf die Sozialdemokratie riefen große Unruhe und stürmischen Widerspruch bei dieser Fraktion hervor, was den Präsidenten des öfteren veranlaßt^ klingelnd einzugreifen. In einer halbstündigen Rede gab der Kriegsminister v. Heeringen die Gründe der Regierung bekannt, die vom Standpunkt der Heeresverwaltung aus gegen die verkürzte Dienstzeit sprechen. Auch er ließ es nicht an Angriffen auf die Sozialdemokraten fehlen und die an diese Adresse gerichtete ministerielle Attacke wurde von der äußersten Linken wiederum mit lärmender Eegenkundgebung beantwortet. So meinte der Kriegsminister, die Sozialdemokratie würde die Verkürzung der Dienstzeit im Interesse der Demokratie anstreben, und sie wollte damit die Macht der Regierung schwächen. Durch eine
Das Wirtshaus im Spessart.
33) Erzählung von Wilhelm Hauff.
Die Männer lachten über diese Geschichten, aber der Student fuhr fort: „Ich war zu jung, als daß ich hätte einsehen können, dies alles sei unwahr und erfunden. Ich fürchtete mich nicht vor dem größten Jagdhund, warf jeden meiner Gespielen in den Sand; aber wenn ich ins Dunkle kam, drückte ich vor Angst die Augen zu, denn ich glaubte, jetzt werde der tote Mann heranschleichen. Es ging so weit, daß ich nicht mehr allein und ohne Licht aus der Türe gehen wollte, wenn es dunkel war, und wie manchmal hat mich mein Vater nachher gezüchtigt, als er diese Unart bemerkte! Aber lange Zeit konnte ich diese kindische Furcht nicht los werden, und allein meine törichte Amme trug die Schuld."
„Ja, das ist ein großer Fehler," bemerkte der Jäger, „wenn man die kindlichen Gedanken mit solchem Aberwitz füllt. Ich kann Ihnen versichern, daß ich brave, beherzte Männer gekannt habe, Jäger, die sich sonst vor drei Feinden nicht fürchteten, — wenn sie nachts im Wald aufs Wild lauern sollten, oder auf Wilddiebe, da gebrach es ihnen oft plötzlich an Mut; denn sie sahen einen Baum für ein schreckliches Gespenst, einen Busch für eine Hexe, und ein paar Glühwürmer für die Augen eines Ungetüms an, das im Dunkeln auf sie laure."
„Und nicht nur für Kinder," entgegnete der Student, „halte ich Unterhaltungen dieser Art für höchst schädlich und töricht, sondern auch für jeden; denn wel
cher vernünftige Mensch wird sich über das Treiben und Wesen von Dingen unterhalten, die eigentlich nur im Hirn eines Toren wirklich sind? Dort spukt es, sonst nirgends. Doch am allerschädlichsten sind diese Geschichten unter dem Landvolk. Dort glaubt man fest und unabweichlich an Torheiten dieser Art, und dieser Glaube wird in den Spinnstuben und in der Schenke genährt, wo sie sich enge zusammensetzen und mit furchtsamer Stimme die allergreulichsten Geschichten erzählen."
»Ja, Herr!" erwiderte der Fuhrmann, „Ihr möget nicht unrecht haben; schon manches Unglück ist durch solche Geschichten entstanden, ist ja doch sogar meine eigene Schwester dadurch elendiglich ums Leben gekommen."
„Wie das? An solchen Geschichten?" riefen die Männer erstaunt.
„Jawohl an solchen Geschichten," sprach jener weiter. „In dem Dorf, wo unser Vater wohnte, ist auch die Sitte, daß die Frauen und Mädchen in den Winterabenden zum Spinnen sich zusammensetzen. Die jungen Bursche kommen dann auch und erzählen mancherlei. So kam es eines Abends, daß man von Gespenstern und Erscheinungen sprach, und die jungen Bursche erzählten von einem alten Krämer, der schon vor zehn Jahren gestorben sei, aber im Grab keine Ruhe finde. Jede Nacht werfe er die Erde von sich ab, steige aus dem Grab, schleiche langsam und hustend, wie er im Leben getan, nach seinem Laden und wäge dort Zucker und Kaffee ab, indem er vor sich hin murmle:
Drei Viertel, drei Viertel um Mitternacht Haben bei Tag ein Pfund gemacht.
Viele behaupteten ihn gesehen zu haben, und die Mädchen und Weiber fingen an, sich zu fürchten. Meine Schwester aber, ein Mädchen von sechzehn Jahren, wollte klüger sein, als die andern, und sagte: Das glaube ich alles nicht; wer einmal tot ist, kommt nicht wieder! Sie sagte es, aber leider ohne Ueberzeugung, denn sie hatte sich oft schon gefürchtet. Da sagte einer von den jungen Leuten: Wenn du dies glaubst, so wirst du dich auch nicht vor ihm fürchten; sein Grab ist nur zwei Schritte von Käthchens, die letzthin gestorben. Wage es einmal, gehe hin auf den Kirchhof, brich von Käthchens Grab eine Blume und bringe sie uns, so wollen wir glauben, daß du dich vor dem Krämer nicht fürchtest!
Meine Schwester schämte sich, von den andern verlacht zu werden, darum sagte sie: O! das ist mir ein Leichtes; was wollt ihr denn für eine Blume?
Es blüht im ganzen Dorf keine weiße Rose als dort; darum bring' uns einen Strauß von diesen, antwortete eine ihrer Freundinnen. Sie stand auf und ging, und alle Männer lobten ihren Mut, aber die Frauen schüttelten den Kops und sagten: Wenn es nur gut abläuft! Meine Schwester ging dem Kirchhof zu; der Mond schien hell, und sie fing an zu schaudern, als es 12 Uhr schlug und sie die Kirchhofpforte öffnete.
Sie stieg über manchen Grabhügel weg, den sie kannte, und ihr Herz wurde bange und immer banger, je näher sie zu Käthchens weißen Rosen und zum Grab des gespenstischen Krämers kam.
Jetzt war sie da; zitternd kniete sie nieder und knickte die Bumen ab. Da glaubte sie ganz in der Nähe ein Geräusch zu vernehmen; sie sah sich um: zwei