brachten 8000 Schulkinder dem Kaiser ein Morgenständchen. Vormittags fand im Lichthof des Zeughauses Paroleausgabe im Beisein des Kaisers, der Prinzen und der Offiziere der Berliner Garnison statt. Daran schloß sich die Eratulationscour der Bundesfürsten und Abordnungen aus dem Reich im Rittersaal des königlichen Schlosses. — Zwischen 5 und 6 Uhr nachmittags unternahm das Kaiserpaar im offenen Automobil eine Spazierfahrt durch die Straßen der Reichshauptstadt, um sich die Ausschmückung der Stadt anzusehen. — Der Kaiser hat aus Anlaß seines Regierungsjubiläums für Zivil- und Militärpersonen, sowie Angehörige der Marine, die zu ihren Straftaten durch Not, Leichtsinn, Unbesonnenheit oder Verführung veranlaßt worden sind, eine Amnestie erlassen. Ferner bewilligte der Kaiser für 600 Kriegsveteranen ein Gnadengeschenk von je 50 Mark.
Berlin, 16. Juni. Bei der Jubiläumsfeier der Universität Berlin teilte der Professor für preußische Verfassung und Verwaltungswissenschaft Dr. Otto Hintze in seiner Festrede auf Grund einer schon vor Jahren erteilten Kais. Ermächtigung mit, daß der Kaiser ein politisches Testament König Friedrich Wilhelm IV, das den Thronfolger in den stärksten und beweglichsten Wendungen auffordert, die Verfassung noch vor der Vereidigung umzustoßen, bei seinem Regierungsantritt habe vernichten lassen. Der Text war von Friedrich Wilhelm mit der Verfügung hinterlassen, es jedem Thronfolger unmittelbar bei seinem Regierungsantritt zu geben. Kaiser Wilhelm II habe aber erwogen, daß die Möglichkeit nicht ausgeschlossen sei, daß in Zukunft einmal ein junger, unerfahrener Herrscher zur Regierung kommen könnte, auf den dieses Testament doch vielleicht einen verhängnisvollen Einfluß würde machen können. Seitdem sei es ihm gewesen, als ob er ein Pulverfaß im Hause hätte und es habe ihm keine Ruhe gelassen, als bis das Testament vernichtet war.
Berlin, 16. Juni. Eine allerhöchste Kabinettsordre bestimmt, laut Armeeverordnungsblatt, daß das pommersche Jägerbataillon Nr. 2 künftig die Bezeichnung „Jägerbataillon Fürst Bismarck" zu führen hat.
München, 16. Juni. Der Flug „Rund um München" wurde gestern beendet. Der Gesamtleistung nach ist der Flieger Linnekogel Sieger. Er erhielt den 1. Preis von 6000 Den zweiten bekam Hirth.
Straßburg i. E., 16. Juni. Zwei Soldaten des Infanterieregiments Nr. 105 fanden auf dem Schießplatz ein Geschoß und nahmen es mit in die Büchsenmacherei, um sich ein Andenken daraus zu machen. In dem Glauben, das Geschoß sei leer, versuchten sie es auseinander zu sägen. Plötzlich erfolgte eine schwere Explosion, bei der beide Leute entsetzlich zugerichtet wurden. Der eine Mann starb unmittelbar darauf, der andere im Laufe des Tages.
Berlin, 16. Juni. Eine in der Geschichte des Pferdesports groß dastehende Leistung ist gestern dem bekannten Herrenreiter Leutnannt v. Egan- Krieger gelungen. Er war für den Nachmittag auf der Erunewaldrennbahn im Preis von Leipzig als Starter gemeldet, hatte aber vorher noch einen Ritt im Jagdrennen von Magdeburg übernommen. Als er dieses Rennen gewonnen hatte, stieg er um 3 40 Uhr in einem von Leutnannt Stoll geführten Jeannin-Eindecker auf und gelangte um 5.15 Uhr auf der Erunewaldrennbahn an. Vom stürmischen Beifall begrüßt, ging dann v. Egan-Krieger's Pferd Dragoner durchs Ziel. Der Herrenreiter schlug
damit den Rekord eines doppelten Sieges auf zwei verschiedenen Rennplätzen an einem Tage. Seinem Regimentskommandeur, dem Kronprinzen, wurde von diesem Vorfall telegraphisch Mitteilung gemacht.
Rennes» 16. Juni. Bei einem Festessen gelegentlich eines Preisschießens hielt der Kriegsminister Etienne eine Rede, in der er unter anderem ausführte: Man stehe vor der Tatsache, daß Frankreich gegenwärtig nur 400 000 Mann gegen 880 000 habe, die Deutschland nächstens haben werde. Da Deutschland seine Effektivstärke plötzlich von 700 000 auf 800 000 Mann vermehre, so müsse es irgend welche Pläne haben; welche, das habe er nicht zu ergründen, aber als französischer Kriegsminister müsse er Maßnahmen treffen, und deshalb habe die Regierung den Mut, von dem Lande so schwere, aber nötige Opfer zu verlangen. Wollt ihr, rief der Minister aus, Vasallen oder Trabanten Deutschlands werden? (Rufe von allen Seiten: „Nein! Nein!") Nun, ich auch nicht! Wir werden aber unser Ziel verfolgen und bis zum Ende gehen. Wie groß auch die Anstrenngungen sein mögen, wir werden sie überwinden. Frankreich will ruhig und zurückgezogen sein Friedenswerk betreiben, aber es verlangt einen würdigen Frieden. Und wenn doch einmal unglücklicherweise ein Krieg ausbricht, so werden wir mit dem ganzen Lande, mit unseren vortrefflichen Führern, mit unserem unvergleichlichen Offizierkorps, das die Bewunderung und die Eifersucht aller fremden Nationen hervorruft, da es gebildeter und eifriger als jedes andere, mit unseren vorzüglichen Unteroffizieren zum Siege schreiten. (Donnernder Beifall.)
Sofia, 16 Juni. Der griechische Gesandte hat der bulgarischen Regierung einen mit dem serbischen Abrüstungsvorschlag übereinstimmenden Vorschlag unterbreitet. _
Landwirtschaft «nd Märkte.
Neuenbürg, 14. Juni. Dem heutigen Schweinemarkt waren 26 Stück Milchschweine zugefllhrt, welche zum Preise von 42—45 -4t pro Paar verkauft wurden.
Herrenberg, 14. Juni. Auf den heutigen Schweinemarkt waren zugeführt: 78 Stück Milchschweine; Erlös pro Paar 40—54 -4t. 34 Stück Läuferfchweine; Erlös pro Paar 60—90 -N. Verkauf flau.
Freudenstadt, 14. Juni. Trotz des schönen Wetters war der heutige Wochenmarkt nicht sehr gut besucht. Es herrschte rege Nachfrage nach alten Kartoffeln. An Preisen wurden bezahlt: für Butter 95—105 Eier 2 Stück 15 Kisteneier 7 das Stück, Kirschen 40 bis 60 L, Aprikosen 60 L, Tomaten 40 Prestlinge 60—70 Spinat 20 Brockelerbsen 25 je per Pfund, Zitronen 10 Stück 60—90 Orangen 10 St.
90—100 Blumenkohl 60—80 Gurken 30—35 Salat 10 Weißkraut 20—25 je pro Stück, Kohl
rabi 40—45 ^, Eelbrüben 25 L je per Büschel, Zwiebel 10 Pfd. 80 neue Maltakartoffeln 10 Pfd. 1.20 -4l, alte Kartoffeln 2.50 °4l pro Zentner.
Heilbronn, 14. Juni. Schweinemarkt. Zugeführt wurden 311 Milchschweine und 6 Läufer. Verkauft wurden 260 Milchschweine und 4 Läufer; erstere kosteten 38—58 -4l, letztere 105—111 -4t das Paar. Der Verkauf ging langsam.
Württemberg» lm Kampfe mit Lötzows Freikorps am 17. Juni 1813.
II. Nachdruck verboten.
Von Professor Karl Bauder in Stuttgart.
Oberstleutnant von Kechler traf den Major von Lützow bei dem Stunden entfernten Dorfe Kitzen
und entledigte sich des ihm gewordenen Auftrags. Lützow zeigte viel Unruhe und äußerte, daß er es für ein besonderes Glück halte, von Württembergern sich begleitet zu sehen, daß er aber Ursache habe, mißtrauisch gegen die Franzosen zu sein. Die Unterredung wollte Kechler mit folgenden Worten schließen: „Herr von Lützow, ich habe mich bei Ihnen hiemit meines Auftrags entledigt, machen Sie jetzt, was Sie wollen. Wollen Sie fortmarschieren, ohne den Offizier vom Herzog abzuwarten, so halte ich Sie meinerseits gar nicht davon ab, ich werde Sie aber im Auge behalten." Dann richtete Lützow folgende Frage an Kechler: „Kann ich denn ganz ruhig sein? Darf ich versichert sein, daß man gegen mich nichts Feindseliges unternimmt: Können Sie mir Ihr Ehrenwort geben?" Darauf erwiderte Kechler: „Herr Major, ich kann Ihnen mein Ehrenwort geben, daß ich von nichts Feindseligem gegen Sie weiß, sonst hätte ich ja selbst schon Sie angreifen und feindlich behandeln müssen." Dann reichte Lützow dem Oberstleutnant von Kechler die Hand und sagte: „Ich glaube Ihnen, ich ehre Sie als Deutschen; ich werde mit meiner Kolonne in dem Dorfe Kitzen halten und den Offizier vom Herzog von Padua ab- warten. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich mich ruhig in meinem Dorfe verhalten und nichts Feindseliges gegen Sie unternehmen werde; Sie werden mir auch das Ihrige geben, daß Sie nichts Feindseliges gegen mich unternehmen." Hierauf erwiderte Kechler: „Ich hänge von Umständen und Befehlen meiner Höheren ab, gebe Ihnen aber mein Ehrenwort, daß ich ebenfalls in meinem Dorfe keine Bewegung machen werde, ohne Sie vorher zu benachrichtigen."
Inzwischen hatte Herzog von Padua seine Ränke geschmiedet: er legte die Netze um Lützow, der die Franzosen solange geärgert hatte und ihnen unfaßbar geblieben war. Ob der Herzog selbständig oder auf Befehl Napoleons, mit dem er verwandt war, gehandelt hat, ist nicht feststellbar. Bezeichnend ist, daß Napoleon am 24. Juni über das Entschlüpfen Lützows sehr ungehalten sich ausdrückte und daß Marschall von Berthier den Anfragen auswich, die von seiten der Verbündeten über die Affäre bei Kitzen an ihn gerichtet wurden; er bezeichnet^ den Vorfall als ein Mißverständnis.
Ehe der Herzog von Padua Kechlers Adjutanten nach Zeitz zurückbeorderte, gab er in der Frühe des 17. Juni dem württembergischen General Graf Nor- mann den Befehl, mit 2 Schwadronen, 3 Kompagnien und 3 Geschützen des württembergischen Truppenkörpers sogleich auszubrechen, um unter dem Kommando des Divisionsgenerals Fournier, der ein Bataillon französische Dragoner bei sich hatte, dem Lützowschen Freikorps ni der Gegend von Zeitz entgegenzutreten. Um 10 Uhr vomittags marschierte die Kolonne ab. Fournier hatte einen geheimen Befehl bei sich, den er aber nur stückweise und dazu unter dem Siegel der strengsten Verschwiegenheit dem Grafen Normann kundtat. Lützow schickte, als er sich von allen Seiten eingeengt sah, einen Parlamentär nach Leipzig, aber Herzog von Padua behandelte ihn als Gefangenen. (Forts, folgt.)
Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.
Reklameteil.
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stücke für den Tag, und du magst berechnen, wie viel Tage du in seinen Klauen warst. Jetzt fort mit diesen Elenden."
Sie wurden abgeführt, und der Kalis führte Benezar und Said in einen andern Saal; dort erzählte er ihm selbst seine wunderbare Rettung durch Said und wurde nur zuweilen durch das Geheul Kalum-Beks unterbrochen, dem man soeben im Hof seine hundert vollwichtigen Goldstücke auf die Fußsohlen zählte.
Der Kalif'lud Benezar ein, mit Said bei ihm in Bagdad zu leben. Er sagte es zu und reiste nur noch einmal nach Hause, um sein großes Vermögen abzuholen. Said aber lebte in dem Palast, den ihm der dankbare Kalife erbaut hatte, wie ein Fürst. Der Bruder des Kalifen und der Sohn des Eroßwesirs waren seine Gesellschafter, und es war in Bagdad zum Sprichwort geworden: Ich möchte so gut und so glücklich sein, als Said, der Sohn Benezars.
„Bei solcher Unterhaltung käme mir kein Schlaf in die Augen, wenn ich auch zwei, drei und mehrere Nächte wach bleiben müßte," sagte der Zirkelschmied, als der ^äger geendigt hatte. „Und oft schon habe ich dies bewährt gefunden. So war ich in früherer Zeit als Geselle bei einem Glockengießer. Der Meister war ein reicher Mann und kein Geizhals. Aber eben darum wunderten wir uns nicht wenig, als wir einmal eine große Arbert hatten, und er ganz gegen seine Gewohnheit so knickerig als möglich erschien. Es wurde in die neue Kirche eine Glocke gegossen, und wir Jungen und Gesellen mußten die ganze Nacht am Herd sitzen und
das Feuer hüten. Wir glaubten nicht anders, als der Meister werde sein Mutterfäßchen anstechen und uns den besten Wein vorsetzen. Aber nicht also. Er ließ nur alle Stunden einen Umtrunk tun und fing an, von seiner Wanderschaft, von seinem Leben allerlei Geschichten zu erzählen, dann kam es an den Obergesellen und so nach der Reihe, und keiner von uns wurde schläfrig, denn begierig horchten wir alle zu. Ehe wir uns besten versahen, war es Tag. Da erkannten wir die List des Meisters, daß er uns durch Reden habe wach halten wollen. Denn als die Glocke fertig war, schonte er seinen Wein nicht und holte ein, was er weislich in jener Nacht versäumte."
„Das war ein vernünftiger Mann," erwiderte der Student. „Gegen den Schlaf, das ist gewiß, hilft nichts als Reden. Darum möchte ich diese Nacht nicht einsam bleiben, weil ich mich gegen elf Uhr hin des Schlafes nicht mehr erwehren könnte."
„Das haben auch die Bauersleute wohl bedacht," sagte der Jäger. „Wenn die Frauen und Mädchen in den langen Winterabenden bei Licht spinnen, so bleiben sie nicht einsam zu Hause, weil sie da wohl mitten unter der Arbeit einschliefen, sondern sie kommen zusammen in den sogenannten Lichtstuben, setzen sich in großer Gesellschaft zur Arbeit und erzählen."
»Ja," fiel der Fuhrmann ein, „da geht es oft recht greulich zu, daß man sich ordentlich fürchten möchte, denn sie erzählen von feurigen Geistern, die auf der Welt gehen, von Kobolden, die nachts in den Kammern poltern, und von Gespenstern, die Menschen und Vieh ängstigen."
„Da haben sie nun freilich nicht die beste Unterhaltung," entgegnete der Student. „Mir, ich gestehe es, ist nichts so verhaßt als Gespenstergeschichten."
„Ei, da denke ich gerade das Gegenteil," rief der Zirkelschmied. „Mir ist es recht behaglich bei einer rechten Schauergeschichte. Es ist gerade wie beim Regenwetter, wenn man unter dem Dach schläft. Man hört die Tropfen ticktack, ticktack auf die Ziegel Herunterrauschen und fühlt sich recht warm im Trockenen. So, wenn man bei Licht und in Gesellschaft von Gespenstern hört, fühlt man sich sicher und behaglich."
„Aber nachher?" sagte der Student. „Wenn einer zugehört hat, der dem lächerlichen Glauben an Gespenster ergeben ist, wird er sich nicht grauen, wenn er allein ist und im Dunkel? Wird er nicht an all das Schauerliche denken, was er gehört? Ich kann mich noch heute über diese Gespenstergeschichten ärgern, wenn ich an meine Kindheit denke. Ich war ein munterer, aufgeweckter Junge, und mochte vielleicht etwas unruhiger sein, als meiner Amme lieb war. Da wußte sie nun kein anders Mittel, mich zum Schweigen zu bringen, als daß sie mich fürchten machte. Sie erzählte mir allerlei schauerliche Geschichten von Hexen und bösen Geistern, die im Hause spuken sollten, und wenn eine Katze auf dem Boden ihr Wesen trieb, flüsterte sie mir ängstlich zu: Hörst du, Söhnchen? Jetzt geht er wieder Treppe auf, Treppe ab, der tote Mann. Er trägt seinen Kopf unter dem Arm, aber seine Augen glänzen doch wie Laternen, Krallen hat er statt der Finger, und wenn er einen im Dunkeln erwischt, dreht er ihm den Hals um." (Forts, folgt.)