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^§ 137. Amts- und AnzeigeblatL für den Oberamlsbezirk Calw. 88. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamls­bezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg.» Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Montag, den 16. Juni 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- bezugSpreiS für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Der deutsche Gedanke in der Welt.

Bon Professor Dr. Carl Meinhof, Hamburg.

Nach einem Vortrag, geh. am 18. April 1913 zu Sangerhausen .

(Schluß.)

Aber die friedliche Eroberung, von der vor allen Dingen zu reden ist, ist die Mission. Sie ist merk­würdigerweise wenig beachtet in Deutschland. Es ist so ge­gangen wie beim Telephon und anderen nützlichen Erfin­dungen: Der Deutsche fängt es an, und der praktische Eng­länder und Amerikaner macht etwas aus der Sache; er benutzt es so, daß es nun seinen Lauf durch die Welt nimmt. August Hermann Francke in Hatte hat die Missionsarbeit begonnen. Man hat ihn als einen unpraktischen Schwärmer angesehen, und doch waren diese Pietisten die praktischsten Leute. Francke hat die Weltaufgabe Deutschlands schon zu seiner Zeit ge­sehen. Er hat angefangen, praktischen Unterricht in seinen Schulen zu erteilen, hat in seinem Naturalienkabinett An­schauungsmaterial gesammelt, auch den Anfang zu den völker­kundlichen Museen hat er damit gemacht, er hat die Begrün­dung der Realschulen angeregt. Dieseweltfremden Pie­tisten" sind es also, die das begonnen haben, was wir heute tun, und so ist es auch auf dem Gebiete der Mission. Wer hat denn die Bibelübersetzungen angefangen, die jetzt die britische Bibel-Gesellschaft so gewaltig fördert? Ist es nicht dieser mansfeldische Bergmannssohn, der zuerst den Gedanken aufgebracht hat: ein jeder muß die Bibel in seiner Mutter­sprache haben? Ist nicht die Cansteinsche Bibelanstalt in Halle die älteste ihrer Art? Und nun, meine ich, ist es ein guter und wertvoller Gedanke gewesen, das Jubiläum des Kaisers mit einer Spende für das Werk des Friedens, die Mission, zu feiern. Es ist aber auch um deswillen ein guter Gedanke, weil der Kaiser sich in einer ganz besonderen Weise um unser Volk dadurch verdient gemacht hat, daß er uns immer wieder hinweist auf die Aufgaben, dieDeutsch- land in der Welt hat. Wir Deutschen sind immer in der Gefahr gewesen, im Laufe unserer Geschichte uns zu ent­zweien und untereinander zu erzürnen, wenn nicht vor uns eine Aufgabe hingestellt wird, so groß, so unerreichbar, daß es ganz unmöglich scheint, sie auszurichten. Unsere Jugend hungert förmlich nach solchen Aufgaben. Wir wollen große Ziele haben und uns nicht begnügen, von Erinnerungen zu zehren. Wir müssen an die Weltaufgabe heran, die uns gestellt ist. Es ist in dieser Beziehung für uns unendlich viel zu tun, denn wir haben schon so viel versäumt. Und wie wenig geschieht bei uns für die Mission! Wenn wir Freunde der Mission uns fragen: Wer hat uns nun geholfen? Sind es die Gebildeten gewesen? Sind es die Leute vom Besitz? Gewiß, es kommt vor, vereinzelt. Aber im allgemeinen ist es der kleine Mann gewesen. Das waren die Leute, die etwas für die Mission übrig hatten. Ein Ausländer hat darauf aufmerksam gemacht, daß die Mission in England bei den kleineren Leuten angefangen hat und heute die Sache der Vornehmen und Wohlhabenden ist. In Deutschland hat die Mission bei den Gebildeten angefangen und ist heute Sache der unteren Schichten. Wie das so gekommen ist, kann ich jetzt nicht erklären. Aber Tatsache ist es. Jeder von uns soll und muß sich die Frage vorlegen, ob die Art, wie wir die Mission behandeln, wirklich der Größe der Sache und der Würde des deutschen Volkes entspricht. Die Welt braucht uns. Vor allen Dingen brauchen die Ein­geborenen unsere Arbeit. Sie brauchen Einführung in die Kultur, die wir ihnen bringen, und das ist die christliche. Die Kultur der Eingeborenen stürzt zusammen, ihre religiö­sen Anschauungen werden ihnen genommen, so sind sie in der Gefahr, sittliche Lumpen zu werden, ihre Religion ver­lieren sie und eine andere haben sie nicht. Da ist es doch eine einfache Pflicht der politischen Klugheit, daß man die Leute nicht verkommen läßt. Sie müssen unterwiesen und erzogen werden. Darum braucht man Schulen, und es ist die Mission, welche diese Arbeit tut. In unseren Kolonien besuchen zirka 160 000 Schüler die Missionsschulen und 7000 die Regierungsschulen. Die ganze Hauptlast liegt also auf der Mission. Wenn wir nun hier bei uns die kleinen Leute, die Dienstmädchen und die Bauern, die für die Mission ihre Gaben spenden, fragen würden:Wozu habt Ihr das Geld gegeben? Wollt Ihr, daß davon draußen die Schulen unter­halten werden?" Dann würden sie wohl sagen:So haben

wir uns die Sache nicht gedacht, wir haben das Geld gegeben, damit das Evangelium verkündigt würde." So steht es jetzt, daß von dem Eelde der alten Missionsfreunde zum guten Teile die Schulen in den Kolonien bezahlt werden, und ich bitte, wir wollen das überall sagen, so oft wir nur Gelegen­heit finden: Das muß anders werden. Wie in englischen und holländischen Kolonien die Missionen Zuschüsse erhalten für ihr Schulwesen im Verhältnis zu dem von ihnen ge­leisteten Unterricht, so müssen wir zu erreichen suchen, daß das auch in deutschen Kolonien geschieht. Es ist keine gleich­gültige Sache, ob die Leute draußen Christen werden oder nicht. Es ist ein starker Wettbewerber da, der Islam. Es gibt ja Leute, die der Meinung sind, der Islam sei für jene Länder eine ganz gute Religion. Ich teile diese Meinung nicht. Aber welches Interesse können wir daran haben, daß die Herzen der deutschen Untertanen nach Mekka hin gravi­tieren, daß sie zu den unruhigen Arabern sich halten? Wir haben vielmehr das größte Interesse daran, daß sie zu uns halten, daß sie mit ihrem Herzen auf unserer Seite sind und nicht auf seiten der Moslem. Wir haben draußen mit un­geheuren Schwierigkeiten zu tun, welche sich aus der Ver­schiedenheit der Rasse und der Kultur ergeben. Wir haben alles Interesse daran, daß über alle diese Fragen das Chri­stentum ausgleichend und mildernd seinen Einfluß übt. Wir brauchen in den Kolonien Aerzte, damit der unter den Seu­chen leidenden Bevölkerung geholfen wird und die Kinder­welt von der furchtbaren Sterblichkeit befreit wird. Der Handel kann in den Kolonien nur dann große Fortschritte machen, wenn genügend Aerzte draußen an der Wohlfahrt der Bevölkerung arbeiten. Das ist die große Aufgabe der Gegenwart, daß die ganze Welt einschließlich des Ostens sich der Kultur eröffnet. Da nun die Welt vor diesen großen Aufgaben steht, ergibt sich daraus die Frage an das deutsche Volk, ob es als christliche Nation daran Mitarbeiten will. Wir können diese Mitarbeit nicht unterlassen ohne den schwersten Schaden für unseren eigenen christlichen Kultur­stand. Die Engländer und Amerikaner wissen ganz genau: Für bestimmte Aufgaben braucht man deutschen Fleiß, deutsche Gründlichkeit, deutsche Intelligenz. Sie wollen uns gern dabei haben, sie sehen es gern, daß die Deutschen mit­helfen. Wie wäre man überhaupt auf den Gedanken ge­kommen, die nächste Weltmissionskonferenz in Deutschland abzuhalten, wenn man nicht eine so hohe Meinung hätte von der deutschen Missionsarbeit und namentlich unserer Mis­sionswissenschaft? Wir müssen in Deutschland nur erst die unglückliche Idee los werden, daß die Mission Zwang sei, daß sie mit allerlei Vorspiegelungen auf unlauterem Wege die Heiden zum Uebertritt veranlasse. Wenn man gebildeten Menschen erklärt, was draußen zu tun ist, so sehen sie es wohl ein und sagen:Da muß etwas geschehen." Aber das ist in ihren Augen nichtMission". Ich mache einen Vorschlag: Wir wollen einmal nichtMission" sagen, sondern wollen sagen: Wir müssen die Eingeborenen in den deutschen Kolo­nienmit Kirchen und Schulen versehen". Da wird es all­gemein heißen: Ja, das ist eine notwendige Sache. In die­sen Tagen schrieb ein Inder an mich er ist nicht Christ, der ein dickes Buch über die Unzulänglichkeit der indischen Religion verfaßt hat. Er wirft darin die Frage auf: Warum sind wir auch wirtschaftlich ein armes Land? Warum kommen wir nicht vorwärts? Und den letzten Grund findet er in derschlechten Religion", welche die Inder haben. Denken wir an China! China verlangt nach europäischer Bildung; man will heraus aus der Unwissenheit. Eine ganze Schar von englischen und amerikanischen Missionaren ist draußen und führt die jungen Chinesen ein in die europäische Litera­tur und vor allem die Naturwissenschaft; sie beeinflussen stark das Geistesleben Chinas. England und Amerika haben auf diese Weise einen gewaltigen Vorsprung gewonnen. Man fragt von ihrer Seite uns Deutsche:Warum schicken Sie,nur einfache Leute? Warum schicken Sie keine studierten Leute?" Und wenn man nun erwidert:Studierte Leute melden sich bei ins nur wenig!" oder:Wir haben kein Geld", so will man es nicht glauben. Sind wir wirklich so arm? Es ist heute Mode geworden, von Rasse zu reden. Waren denn die Männer von 1813 eine andere Rasse als die von 1806? Es waren dieselben Menschen, aber sie hatten in der Zeit der Not etwas Neues gewonnen, ein neues Pflichtbewußtsein,

das Gewissen war in ihnen wach geworden, sie hatten glauben gelernt an die Aufgabe, die Deutschland in der Welt hat. Heute leiden wir Mangel an Begeisterung, unsere Jugend sehnt sich danach. Alles, was dem deutschen Volke heilig und teuer ist, was groß und gut und edel ist, das zieht man uns in den Staub: unseren Glauben, unseren Patriotismus niüssen wir uns beschimpfen lassen. Es ist Zeit, daß wir endlich davon loskommen. Die sozialen Streitigkeiten, die Parteikämpfe wollen uns daran hindern. Aber wir wollen endlich diese Knechtschaft los sein und einmütig an unsere Aufgaben gehen. Es gibt keine schönere Aufgabe, als Natio­nen zu helfen, die von der Finsternis zum Licht streben. Wenn wir uns dabei von dem Geist der Liebe leiten lassen, dann werden wir auch Wunder glauben, wir werden Wunder sehen, wir werden Wunder tun.

Parlamentarisches.

Aus dem Reichstag.

Berlin, 14. Juni. Am Bundesratstisch waren schon vor Eröffnung der Sitzung erschienen: Der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg, Staatssekretär Dr. Delbrück, Staats­sekretär des Reichsmarineamts v. Tirpitz, Kriegsminister v. Heeringen, Staatssekretär des Auswärtigen v. Jagow, Staatssekretär der Kolonien Dr. Sols, Unterstaatssekretär des Reichsjustizamtes Dr. Lisco, Staatssekretär des Reichspost­amtes Krätke, Minister der öffentlichen Arbeiten v. Breiten­bach, der Chef des Reichseisenbahnamtes Wackerzapp, sowie sämtliche übrigen Mitglieder des Bundesrats. Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung um 11 Uhr 15 Min. Das Haus ist gut besucht. Bon den Sozialdemokraten ist niemand anwesend. Präsident Dr. Kämpf: Meine Herren! Nur eine kurze Spanne Zeit trennt uns von dem Tag, an dem wir das 25jährige Regierungsjubiläum S. M. des Kai­sers feierlich und festlich begehen. Wehmütig steigt die Er­innerung an das Lebensende des kaiserlichen Gründers des Deutschen Reiches, des ersten Kaisers aus dem Hause Hohen- zollern, vor unserem Geiste auf; wehmütig gedenken wir des friedlichen Herrschers auf dem Kaiserthron und seines tra­gischen Schicksals, des Kaisers Friedrich III. Mit Stolz und Freude erfüllt uns der Gedanke an die jugendfrische Erschei­nung unseres Kaisers, wie er in vollem Bewußtsein seiner Jugendkraft und mit der Begeisterung zu seinem idealen Streben die Regierung vor 25 Jahren übernahm. Der Kai­ser kannte die Bedenken, die seine militärischen Entschließun­gen erwecken könnten. Er wisse wohl, das hat er selbst aus­gesprochen, daß ihm nach Ruhm lüsterne Kriegsgedanken zu­geschrieben würden. Er weise, so hat er hinzugefügt, solche Deutung mit Entrüstung zurück. Jene Bedenken haben sich als gänzlich grundlos erwiesen. Er, der das mächtigste Kriegs­instrument in seinen Händen hält,hat es benutzt, nicht um kriegerische Lorbeeren zu pflücken, sondern um uns und der Welt den Frieden zu gewähren. Wir leben in einer ernsten Zeit; aber wir haben das felsenfeste Vertrauen, daß der Kaiser das bleiben wird, was er war und was er ist: der Friedens­fürst, der das Kriegsschwert nur ziehen würde, wenn es gälte, die Lebensbedingungen des deutschen Volkes zu ver­teidigen. (Lebhafte Bravorufe.) Noch nach einer anderen Richtung danken wir dem Kaiser. Er hat einst als den Grund, auf dem das Deutsche Reich errichtet ist, eine jener Anschauungen bezeichnet, die unsere Vorfahren so hochhiel­ten: das Gefühl für den kategorischen Imperativ der Pflicht. Möge es dem deutschen Volke niemals ersterben. Als eine Verkörperung der damals ausgesprochenen Grundsätze steht der Kaiser heute da. Er hat sie in seinem politischen Leben wie in seinem Familienleben betätigt. Kürzlich hat der Kai­ser bei der Vermählung seiner Tochter Worte gesprochen, die in ihrem hohen sittlichen Ernst und in ihrem echten, aus warmem Herzen kommenden Gefühl das Gepräge tiefsten Empfindens zeigen und in allen Kreisen des deutschen Volkes rein menschliche Rührung auslösten. (Beifall.) Bei der gleichen Gelegenheit aber hat der Kaiser ein Wort geprägt, das in epigrammatischer Kürze zeigt, wie er seine Fürsten­pflicht auffaßt; andern zu dienen und für andere zu sorgen, hat er als vornehmste Aufgabe eines Fürsten bezeichnet. (Leb­hafter Beifall im Freisinn und bei den Nationalliberalen.) Wer in feierlicher Stunde seinem Kinde solche Worte in das Leben mitgibt, kann nicht nur Anspruch erheben auf die