Der weitere Antrag des Zentrums, betreffend hand­werksmäßige Ausbildung der Frauen, wurde eben­falls angenommen, desgleichen der konservative An­trag Vogt auf Gewährung staatlicher Zuschüsse zum Besuch der Weltausstellung in Gent und der Leipziger Baufach-Ausstellung. Beim TitelGewerbeinspek­tion" beantragte die Sozialdemokratie die Anstellung eines Arztes als Gewerbeinspektor im Hauptamt, was von der Regierung abgelehnt wurde. Die Ab­stimmung über einen weiteren Zentrumsantrag auf mindestens jährlich einmalige Kontrolle aller Be­triebe wurde auf Donnerstag verschoben.

In einer Sitzung des Finanzausschusses wurde u. a. die Eingabe eines Sägewerksbesitzers mit der Bitte um Aufhebung der Flößerei auf der oberen Enz der Regierung zur Kenntnisnahme mitgeteilt. Die Aufhebung soll einen Wegebauaufwand von etwa 700 000 »ll verursachen.

Stadt. Bezirk und Nachbarschaft.

Calw. 12. Juni 1913.

Bezirkskrankenkasse. Am Sonntag nachmittag fand hier im Badischen Hof die außerordentliche Generalversammlung der Kasse statt, welche sich mit der durch die Reichsversicherungsordnung notwendig gewordenen Neufassung der Satzungen zu befassen hatte. Die Wichtigkeit des zur Beratung stehenden Stoffes hatte indessen nicht vermocht, einen dem Mit­gliederstande der Kasse entsprechenden Besuch der Ver­sammlung herbeizuführen. Nur zirka 30 Teilnehmer Arbeitgeber und Versicherte hatten sich ein­gefunden. Der Vorsitzende, Herr Fabrikant Blank, begrüßte die Erschienenen mit freundlichen Worten und machte zugleich eingehende Mitteilungen über diejenigen Bestimmungen der Reichsversicherungs­ordnung, welche eine Neufassung der Satzungen not­wendig machen. Hierbei betonte er, daß der Mit­gliederzuwachs etwa 1600 Personen betragen werde. Es seien dies Dienstboten, unständige Arbeiter aller Art, Näherinnen, Wäscherinnen usw.; ferner bis­herige Hilfskassenmitglieder. Da seitens des Kassen­vorstandes eine eingehende Vorberatung der Satzun­gen stattgefunden hatte, machte der Vorsitzende den Vorschlag, diejenigen Paragraphen, welche nur ge­setzliche Vorschriften oder unwichtige Bestimmungen enthalten, durch Vorlesen zur Kenntnis zu bringen, die wichtigeren Paragraphen aber einer eingehenden Beratung zu unterziehen. Dieser Vorschlag fand seitens der Versammlung einstimmige Annahme. Es seien deshalb auch an dieser Stelle nur diejenigen Paragraphen erwähnt, welche einer eingehenden Be­ratung unterzogen wurden. Zu § 26 der neuen Satzungen, betreffend die Einteilung der Versicherten in die verschiedenen Klassen, war vom Kassenvorstand beantragt, an die bestehenden 6 Klassen eine neue, Klasse 7, an­zugliedern, welche für die Zuteilung einen Tages­verdienst von über 4,50 ,4t bedingen würde, mit einem Grundlohn von 5 ^l. Das in dieser Klasse zu gewährende Krankengeld würde 2,50 -1t für den Tag betragen. In der Begründung dieses Antrages wurde zum Ausdruck gebracht, daß sich im Kassen­bezirk zirka 200 Versicherte befinden, welche Anspruch auf Einreihung in diese Klasse haben. Nach längerer Beratung, welche im Prinzip die Zustimmung zu dem Vorschlag des Kassenvorstandes ergab, wurde die Abstimmung hierüber zurückgestellt bis nach Beratung über § 55, welcher die Neufestsetzung der Beiträge betrifft. Der bisherige Beitragssatz be-

Das Wirtshaus im Spessart.

28) Erzählung von Wilhelm Hauff.

Ganz trunken vor Glück eilte Said nach Hause. Aber hier wurde er übel empfangen; Kalum-Bek wurde über sein langes Ausbleiben zuerst unwillig und dann besorgt, denn er dachte, er könnte leicht den schönen Aus­hängeschild seines Gewölbes verlieren. Er empfing ihn mit Schmähworten und tobte und raste wie ein Wahn­sinniger. Aber Said, der einen Blick in den Beutel ge­tan und gefunden hatte, daß er lauter Goldstücke ent­halte, bedachte, daß er jetzt nach seiner Heimat reisen könne, auch ohne die Gnade des Kalifen, die gewiß nicht geringer wäre als der Dank seines Wesirs, und so blieb er ihm kein Wort schuldig, sondern erklärte ihm rund und deutlich, daß er keine Stunde länger bei ihm blei­ben werde. Von Anfang erschrak Kalum-Bek darüber sehr, dann aber lachte er höhnisch und sprach:Du Lump und Landläufer, du ärmlicher Wicht! Wohin willst du denn deine Zuflucht nehmen, wenn ich meine Hand von dir abziehe? Wo willst du ein Mittagessen bekommen, und wo ein Nachtlager?"

Das soll Euch nicht bekümmern, Herr Kalum- Bek," antwortete Said trotzig,gehabt Euch wohl, mich sehet Ihr nicht wieder!"

Er sprach es und lief zur Türe hinaus, und Ka­lum-Bek schaute ihm sprachlos vor Staunen nach. Den andern Morgen aber, nachdem er sich den Fall recht überlegt hatte, schickte er seine Packknechte aus und ließ überall nach dem Flüchtling spähen. Lange suchten

trug 3,4 Prozent des für die Klasseneinteilung maß­gebenden Arbeitsverdienstes. Durch verschiedene Gründe ist eine allgemeine Erhöhung der bisherigen Sätze unvermeidlich. Mit der seitens des Kassen­vorstandes vorgeschlagenen Erhöhung der Sätze von 3,4 auf 3,8 Prozent wird die Kasse voraussichtlich in der Lage sein, den an sie herantretenden Anforde­rungen zu genügen. Ueberraschenderweise veranlaßte gerade dieserheikle" Punkt keine ernstliche Debatte und fand die Zustimmung der Mehrheit der Ver­sammlung, ebenso alsdann auch der zur Abstimmung zurllckgestellte 8 26, betreffend die Errichtung der 7. Klasse. Eine lebhafte Debatte fand über den Vorschlag des Kassenvorstandes zu 8 27, betref­fend die K a s s e n l e i st u n g e n, statt. Der An­trag lautete auf Wiedereinführung von 3 Karenz­tagen, dagegen das Krankengeld auch für die Sonn­tage zu gewähren. Dieser Antrag war veranlaßt durch eine Bestimmung der Reichsversicherungsord­nung, welche für diejenigen Versicherten, welche durch die Art ihres Berufes auch an Sonntagen Arbeit zu leisten haben, Krankengeld für diese Tage vor­schreibt, z. V. Dienstboten usw. Erft nach längerer Debatte drang die Ansicht durch, daß der durch Weg­fall des Krankengeldes in den ersten 3 Krankheits­tagen entstehende Schaden mehr als aufgewogen wird durch die Gewährung von Krankengeld an den Sonn­tagen, so daß auch dieser Antrag schließlich mit großer Mehrheit angenommen wurde. Ein weiterer An­trag, in solchen Fällen, in welchen eine Krankheit innerhalb einer Woche (7 Tagen) zum Tode führt, keine Karenztage in Abzug zu bringen, fand einstimmige Annahme. Von allgemeinem Interesse dürfte es sein, daß die Dienstboten nach den neuen, vom 1. Januar 1914 ab gültigen Satzungen in glei­cher Weise wie die gewerblichen Arbeiter versichert sind, also Anspruch auf Krankengeld und Sterbegeld haben, dagegen auch höhere Beiträge entrichten müs­sen. Diese dürften vierwöchentlich, einschließlich In­validenversicherung, zwischen 2,76 und 3,08 be­tragen. Die weitere Beratung des reichhaltigen Stoffes führte zwar noch zu mancherlei Anfragen, aber zu keiner ernstlichen Debatte mehr, so daß die ganze Satzung, nachdem noch die in Zukunft gelten­den Vorschriften zu den Wahlen der Ausschüsse und des Kassenvorstandes erläutert wurden, in einer Schlußabstimmung einstimmig angenommen wurde. Dem Kassenvorstand wurde sodann noch die Ermäch­tigung erteilt, etwaige noch durch Verfügung des Oberversicherungsamts notwendig werdende Äende- rungen und Ergänzungen der Satzungen von sich aus vorzunehmen. Nach mehr als dreistündiger Beratung schloß der Vorsitzende die Versammlung mit dem Wunsche, daß die neuen Satzungen den Versicherten zum Besten dienen mögen. Dem Dank der Ver­sammlung gegen den Vorsitzenden und den Kassen­vorstand gab Herr Handelsschuldirektor Weber Ausdruck und fand damit die allgemeine Zustimmung der Versammlungsteilnehmer.

1t- Glockenprobe. Glockengießer Kurtz von Stutt­gart war heute hier, um das von Turmuhrfabrikant Perrot erstellte elektrische Läutwerk zu prüfen. Der Erfund war, daß die Glocken ebensogut und sicher schwingen und anschlagen, wie wenn sie mit der Hand geläutet werden. Wir haben es hier mit einer ganz neuen, eigenartigen Erfindung unseres Landsmanns Perrot zu tun, welche vor allen bisherigen elektrischen Läutwerken den Vorzug hat, daß die Glockenseile wie bisher bleiben, so daß, wenn einmal der elektrische

sie umsonst, endlich aber kam einer zurück und sagte, e^ habe Said, den Ladendiener, aus einer Moschee kom­men und in eine Karawanserei gehen sehen. Er sei aber ganz verändert, trage ein schönes Kleid, einen Dolch und Säbel und einen prachtvollen Turban.

Als Kalum-Bek dies hörte, schwur er und rief: Bestohlen hat er mich und sich dafür gekleidet. O ich geschlagener Mann!" Dann lief er zum Aufseher der Polizei, und da man wußte, daß er ein Verwandter von Messour, dem Oberkämmerling, sei, so wurde es ihm nicht schwer, einige Polizeidiener von ihm zu er­langen, um Said zu verhaften. Said saß vor einer Karawanserei und besprach sich ganz ruhig mit einem Kaufmann, den er da gefunden, über eine Reise nach Balsora, seiner Vaterstadt, da fielen plötzlich einige Männer über ihn her und banden ihm, trotz seiner Gegenwehr, die Hände aus den Rücken. Er fragte sie, was sie zu dieser Gewalttat berechtige, und sie ant­worteten, es geschehe im Namen der Polizei und seines rechtmäßigen Gebieters Kalum-Bek. Zugleich trat der kleine, häßliche Mann herzu, verhöhnte und verspottete Said, griff in seine Tasche und zog zum Staunen der Umstehenden und mit Triumphgeschrei einen großen Beutel mit Gold heraus.

Sehet! Das alles hat er mir nach und nach ge­stohlen, der schlechte Mensch!" ries er, und die Leute sahen mit Abscheu auf den Gefangenen und riefen: Wie! Noch so jung, so schön und doch so schlecht! Zum Gericht, zum Gericht, damit er die Vastonade erhalte!" So schleppten sie ihn fort, und ein ungeheurer Zug

Strom versagt, die Glocken ohne besondere Vorkeh­rungen mit der Hand geläutet werden können. Wir können Herrn Perrot zu dieser Erfindung, mit der er sich seit Jahren abgemüht hat, nur von Herzen Glück wünschen und sind überzeugt, daß es ihm ge­lingen wird, den von ihm erfundenen elektrischen Glockenantrieb immer mehr zu vervollkommnen.

Gärtnerversammlung. Eine stark besuchte Bezirksversammlung der Vereinigung selbständiger Gärtner Württembergs E. V. fand am 8. d. M. unter Leitung von Obmann Schuster-Nagold im Ba­dischen Hof statt. Aus dem ganzen Bezirk konnte die Mitteilung gemacht werden, daß das Schmücken der Häuser mit Pflanzen und Blumen immer weitere Fortschritte macht, daß jedoch noch eine ganze Reihe von schmuckbedllrftigen Balkons vorhanden ist und es dringend zu wünschen wäre, daß der Wunsch des Architekten, diese Vorbauten mit Pflanzen geschmückt zu sehen, auch in Erfüllung geht. An die Schul­kinder der Mädchenschulen sollen an verschiedenen Plätzen des Bezirks Stecklingspflanzen kostenlos ver­teilt werden, um dadurch die Liebe zu den Pflanzen schon in den jungen Kinderherzen zu wecken. Für die durch Wirbelsturm geschädigten Kollegen in Plo­chingen fand eine Sammlung statt, welche ein erfreu­liches Ergebnis zeitigte. Im November sollen in Ealw Düngerkurse stattfinden, sofern eine genügende Beteiligung vorhanden ist. Ein Rundgang durch die Gärtnereien von Calw beschloß die anregend ver­laufene Versammlung.

8t. Den vorgsschriebenen Nachweis der Befähi­gung zum Betrieb des Hufbeschlaggewerbes haben in­folge der mit Erfolg bestandenen Prüfung im Huf­beschlag (29. März bis 7. April) erbracht: Karl Aichele von Deckenpfronn, Robert Eisenhardt von Dachtel, Georg Feuerbacher von Zwerenberg, Gott­lieb Krauß von Unterlengenhardt (O.-A. Neuen­bürg).

Erbarmt euch der durstigen Tiere! Bei der gegen­wärtigen Hitze sieht man häufig dürstende Tiere die schmutzigsten Lachen auslecken. Dies muß in jedem Tierfreunde Mitleid erregen. Es geht daher an alle Tierhalter die dringende Bitte, ihren Schutzbefohle­nen doch täglich mehrmals frisches Wasser in ge­nügender Menge zu reichen. Ganz besonders soll auch der armen Tiere gedacht werden, die eingesperrt, so­gar angebunden sind und deren Wohl und Wehe des­halb ganz vom Mitgefühl ihrer Besitzer abhängig- ist; des an der Kette schmachtenden Viehs, der armen Hofhunde, des oft in dumpfen Ställen eingesperrten. Geflügels, der nicht selten in engen Kästen zusam­mengepferchten Kaninchen, der armen Stubenvögel, die manchmal noch der größten Sonnenhitze ausgesetzt werden usw. Die Lehrer können ihre Schüler nicht oft genug auf diese Mißstände aufmerksam machen. Alle Tierfreunde werden gewiß gern auf Abstellung hinwirken. Auch die Schutzmannschaft sollte ange­halten werden, die Bestrebungen des Tierschutzver­eins selbst nach dieser Richtung zu unterstützen. Des Viehs erbarmt sich der Gerechte, tut's nicht der Herr, tun's Mägd' und Knechte.

sc-d. Mutmaßliches Wetter. Für Freitag und Samstag ist zwar meist trockenes, aber wechselnd be­wölktes, strichweise regnerisches und kühles Wetter zu erwarten.

Württemberg.

Horb, 12. Juni. Als ein hiesiger verheirateter Arbeiter, namens Seebach in Glattal einen Gitter-

! Menschen aus allen Ständen schloß sich an, sie riefen: Sehet, das ist der schöne Ladendiener vom Basar; er hat seinen Herrn bestohlen und ist entflohen; zwei­hundert Goldstücke hat er gestohlen."

Der Aufseher der Polizei empfing den Gefangenen mit finsterer Miene; Said wollte sprechen, aber der Beamte gebot ihm zu schweigen und verhörte nur den kleinen Kaufmann. Er zeigte ihm den Beutel und fragte ihn, ob ihm dieses Gold gestohlen worden sei; Kalum-Bek beschwor es; aber sein Meineid verhalf ihm zwar zu dem Gold, doch nicht zu dem schönen Laden­diener, der ihm tausend Goldstücke wert war, denn der Richter sprach:Nach einem Gesetz, das mein großmäch­tigster Herr, der Kalif, erst vor wenigen Tagen ver­schärft hat, wird jeder Diebstahl, der hundert Goldstücke übersteigt und auf dem Basar begangen wird, mit ewiger Verbannung auf eine wüste Insel bestraft. Dieser Dieb kommt gerade zu rechter Zeit, er macht die Zahl von zwanzig solcher Bursche voll; morgen werden sie auf eine Barke gepackt und in die See geführt."

Said war in Verzweiflung; er beschwor den Be­amten, ihn anzuhören, ihn nur ein Wort mit dem Kalifen sprechen zu lassen; aber er fand keine Gnade. Kalum-Bek, der jetzt seinen Schwur bereute, sprach ebenfalls für ihn, aber der Richter antwortete:Du hast dein Gold und kannst zufrieden sein, geh nach Hause und verhalte dich ruhig, sonst strafe ich dich für jeden Widerspruch um zehn Goldstücke." Kalum schwieg be­stürzt, der Richter aber winkte, und der unglückliche Said wurde abgeführt. (Forts, folgt.)