132. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6 mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts- dezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile lO Pfg.. außerhalb desselben 12 Pfg.» Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseralannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Dienstag, de« 10. Juni 1013.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 nterteljührltch, Post- bezugSpreiS für den OrtS- und Nachbarortsverkebr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.. rn Bayern und Reich 42 Pfg.

Amtliche Bekanntmachunge«.

Bekanntmachung, betr. Kurs für Damenschneider und Damenschneiderinnen.

Die Königl. Zentralstelle für Gewerbe und Han­del beabsichtigt, einen Kurs für Damenschneider und Damenschneiderinnen zu veranstalten. Näheres im Gewerbeblatt Nr. 23 S. 177.

Das Eewerbeblatt kann u. a. bei den Schult­heißenämtern eingesehen werden, welche zu diesem Zwecke hiermit angewiesen werden, den Gewerbe­treibenden auf Wunsch Einsicht in das ihnen mit dem Staatsanzeiger zugehende Gewerbeblatt zu ge­währen.

Calw, den 9. Juni 1913.

K. Oberamt.

Amtmann Rippmann.

Der Wehrbeitrag in der Praxis.

Der Wehrbeitrag hat in der Kommission eine so verwickelte Gestalt angenommen, daß es zunächst recht schwer war, die Veranlagungsart festzustellen und die Wirkungen in der Praxis zu erkennen. Tatsache ist jedenfalls, so lesen wir in der Köln. Ztg., dag der ursprüngliche Gedanke der Regierung, eine ein­malige mäßige Abgabe vom Vermögen zu erheben und daneben ergänzend die hohen Einkommen heran­zuziehen, fallen gelassen worden ist. Die Kommission hat die Höhe der Vermögen mit ihrem Ertrag und mit sonstigem Arbeitseinkommen der Vermögens­träger innig verknüpft und dergestalt Vermögen fingiert, die tatsächlich die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen bis zum letzten Pfennig anspannen. Wir wollen die Tendenz der neuen Wehrbeitrags­vorschläge an sieben Beispielen aus der Praxis illustrieren, müssen uns dabei kleine zahlen­mäßige Jrrtümer Vorbehalten, weil die Art der Ver­anlagung nach den vorliegenden Berichten nicht über jeden Zweifel erhaben ist.

1. Fall. Ein Familienvater hat kein Vermögen, aber ein steuerlich zu erfassendes Rein­einkommen von 5900 -N. Diese 5000 werden ver­sechsfacht, und aus dem fingierten Vermögen von 30 000 -N wird eine Abgabe von 45 verlangt.

2. Fall. Ein Vankdirektor ohne Ver-. mögen hat ein Einkommen von 50 000 Dieses Einkommen ergibt kapitalisiert ein Vermögen von 300000 <N, das nach den Vorschlägen der Kommission 1450-N Wehrbeitrag zu leisten hat.

3. F a ll. Ein Kaufmannhat ein Vermögen von 30 000-N und ein Einkommen aus seinem Ge­schäft von 10000-N. Von diesen 10 000 Ein­kommen werden 5 Prozent des zu versteuernden Ver­mögens, also 1500 -N, abgezogen. Das übrigbleibende Einkommen in Höhe von 8500 wird versechsfacht. Zu diesen 51 000-N wird das tatsächliche Vermögen von 30 000 hinzugezählt, so daß ein Vermögen von 81000-N wehrbeitragsflichtig wird. Der Kauf­mann hat 183,50 zu bezahlen.

4- Fall. Eine Witwe hat ein Vermögen von 60 000-N, aus dem sie ein steuerpflichtiges Rein­einkommen von 3600 zieht. Von diesem Einkom­men werden 5 Prozent ihres Vermögens, das sind 3000 N, abgezogen, so daß ein Einkommen von 600 übrig bleibt, das versechsfacht ein fingiertes Ver­mögen von 3600 -N ergibt. Zu dem tatsächlichen Ver­mögen von 60 000 -N hinzugefügt, hat sie also ein Vermögen von 63 600 zu versteuern und damit 122,60 ^ zu bezahlen.

5. Fall. Ein I n d u st r i e l l e r hat ein Ver­mögen von 150 000 ^t, ein Einkommen von 20 000 -4t. Aus dem Vermögen sind 7500 abzugsberechtigt, o daß ein Einkommen von 12 500 ^ bleibt, das ver­sechsfacht ein fingiertes Vermögen von 75 000 er­gabt. Unter Hinzuzählung des tatsächlichen Ver­mögens von 150 000 ist dieser Industrielle mit 225 000-N Vermögen beitragspflichtig. Er zahlt

6. Fall. Ein Rittergutsbesitzer hat ein Vermögen von 1 Million mit einem Erträgnis von 50 000 ^t. Diese 50 000 cN Einkommen kommen für den Wehrbeitrag nicht in Betracht, weil sie 5 Pro­zent des Vermögens ausmachen. Aus dem Vermögen von 1 Million hat der Gutsbesitzer 8650 cN zu be­zahlen.

7. Fall. Ein Großindustrieller mit einem Vermögen von 20 Millionen Mark hat ein Einkommen von 2 Millionen Mark. Nach Abzug der Verzinsung des Vermögens bleibt ein Einkom­men von 1 Million. Diese Summe wird verzwölf- facht, so daß zu den 20 Millionen Vermögen 12 Mil­lionen fingiertes Vermögen hinzutreten. Der Groß­industrielle hat also aus 32 Millionen Wehrbeitrag zu zahlen, was eine Summe von 482 700-N aus­macht.

Aus diesen sieben Beispielen kann man die Ten­denz der neuen Vorschläge recht gut ablesen. Sie geht dahin, die kleinen und Mittlern Vermögen mit Abgaben von nicht mehr als 1 oder 2 Prozent des Einkommens heranzuziehen und bei den Riesenver­mögen zu Abgaben bis 25 Prozent und mehr des Ein­kommens zu gelangen. Nach der neuen Gestaltung der Wehrbeiträge sollte der Beitrag noch mehr als nach den ursprünglichen Vorschlägen der Regierung aus dem Einkommen zu zahlen sein. Bei dem Fa­milienvater beträgt der Wehrbeitrag 0,9 Prozent des Einkommens, bei dem Bankdirektor 2,9 Prozent, bei dem Kaufmann 1,835 Prozent, bei der Witwe 3,4 Prozent, bei dem Industriellen 4,625 Prozent, bei dem Rittergutsbesitzer 17,3 Prozent und schließlich bei dem Großindustriellen 24,135 Prozent.

In dieser von der Vudgetkommission des Reichs­tags festgesetzten Art des Wehrbeitrags erblickt die oben angeführte Zeitung eine große Gefahr für eine ruhige Entwicklung unseres Staats- und Wirtschafts­lebens insofern, als zum ersten Male hier die Grund­sätze der allgemeinen Besteuerung über den Haufen geworfen und an ihre Stelle der Versuch gesetzt werde, die großen Einkommen nicht mehr zu besteuern, son­dern zu konfiszieren, und sie ist der festen Ueber- zeugung, daß die Regierung die Gefahr nicht unter­schätzt, die in dieser Entwicklung liegt, und daß sie trotz aller Schwierigkeiten, in die sie sich mit der Ablehnung dieser Vorschläge begeben wird, auf einer Aenderung besteht.

Stadt» Bezirk »nd Nachbarschaft

. Calw, 10. Juni 1913.

Sonnen st rahlen.

Ich sitze am Eingang eines stillen, geraden Wald­wegs. Schützend, wie zu einer Wandelhalle, breiten sich hoch oben die Zweige der Tannen übereinander. Ein geheimnisvolles Dämmerlicht herrscht und un­willkürlich geht der Blick voraus nach dem Ende die­ses schnurgeraden und dunklen Tannenwegs. Dort winkt ein Heller Punkt, der Ausgang. Von weitem sieht es aus, als wäre es nur eine kleine Oeffnung, wie eine Türe, aber je näher wir kommen, desto größer ist das Tor und es führt hinaus in sonniges und oft recht heißes Land. Und doch, jeder der vie­len Spaziergänger, die an dem schönen, sehr warmen Sonntag in den stillen, kühlen Waldweg einbiegen, sie alle streben so rasch als möglich dem Ausgang, der Helle entgegen, die schon beim Eintritt dem Wan­derer entgegenwinkt. Alle gehen ihm zu, sie sehen nicht nach rechts und links, ich beobachte es lange. Die Kinder springen voraus, die Eltern folgen ihnen nach, keiner sieht, wie auf dem langen, dämmrigen Pfad oft ein freundlicher Sonnenstrahl hereinleuchtet in das Waldesdunkel, in dessen sanftem Licht sich kleine Erdbeerblütchen emporrecken, wo feines Moos und Pilze in allen Formen und Arten sich von dem zitternden Lichte bescheinen lassen. Alle diese an­spruchslosen, nur von kleinen, huschenden Lichtern er­hellten Schönheiten, sie bleiben unbeachtet. Nur hin-

! aus, dem großen Ziele, der großen Helle, dem Kom- ! menden streben sie entgegen. Nur schade, daß wie hier im Waldweg, so auch auf dem oft nur kurzen Lebenspfad wenige es verstehen, sich an den kleinen Sonnenstrahlen zu freuen! Oft und meist ist ein Kind so ein Sonnenstrahl am Lebensweg. Wir freuen uns sein, aber wir kommen nicht dazu, uns an den vielen kleinen Dingen, die da zu sehen sind, zu freuen. Stets ist der Wunsch da, weiter zu kommen; kann das Kind erst sprechen und gehen, dann können die Eltern es nicht erwarten, bis es zur Schule kommt, und ist es dort, dann möchte man schon wieder wissen, was nun wird und wie sich alles entwickeln wird, und selten nimmt man sich die Zeit, des Augenblicks froh zu werden und das, was er uns gerade zurzeit Schönes und Freundliches bietet, möglichst lange fest­zuhalten. Wir warten immer auf das Große, Hell­leuchtende im Leben, und die vielen kleinen Sonnen­strahlen, sie lassen wir unbeachtet vorllberziehen. Und am Ende des Wegs (um im Bilde zu bleiben), da sehen wir vielleicht noch einmal zurück, es kann sein wir fühlen ein Bedauern über das, was wir nicht beachtet haben und was vielleicht das Schönste ge­wesen wäre im Leben.

Vielleicht bedeutet uns das Helle Tor am Ende des Weges aber doch den Eingang zu was Schönem? Wir wollen's hoffen und wünschen.?

Kt. Als Bezirkspfleger für das Konservatorium und die Staatssammlung vaterländischer Kunst- und Altertumsdenkmäler ist für den Bezirk Calw Rechts­anwalt Rheinwald von hier neu bestellt worden.

Die Blitzgesahr. Für ängstliche Gemüter sind fol­gende Ratschläge, welche derHannoversche Courier" für den kommenden Sommer bei Blitzgefahr gibt, beherzigenswert:Im allgemeinen befindet man sich bei einem Gewitter im Hause sicherer als im Freien, und wiederum in einem großen Hause viel sicherer als in einer Hütte. Fenster und Türen des Raums, in dem man sich aufhält, sollten geschlossen sein. Ein Schuppen, in dem sich Haustiere befinden, ist ohne Zweifel gefährlicher als ein Aufenthalt im Freien. Ist dieser überhaupt nicht zu vermeiden, so muß die Nachbarschaft von metallenen Gegenständen unter allen Umständen vermieden werden, vor allem die eines Drahtzauns. Ebenso sollte man sich von Hecken, Flüssen und Teichen fernhalten, ferner, wie hinrei­chend bekannt ist, von einzelstehenden Bäumen, aber auch von größeren Menschenansammlungen oder von Viehherden. Die freilich nicht allzu starke Anziehungs­kraft von Menschenmassen oder Tierherden auf den Blitz beruht wahrscheinlich auf der Wärme und Feuch­tigkeit, die von ihnen der unmittelbar umgebenden Luft in erhöhtem Grade mitgeteilt wird. Daß die Baumarten verschieden gefährlich sind, ist durch häu­fige Beobachtung festgestellt worden. Besonders an­fällig ist die Eiche, am wenigsten die Buche. Sollte man unter einem Baum Schutz suchen, so wäre daher eine Buche vor allen anderen zu bevorzugen, doch muß auch dann Bedacht genommen werden, sich mög­lichst fern vom Stamm zu halten. Der Aufenthalt in einem ganzen Wald oder in einem Gehölz ist dagegen als ganz sicher zu bezeichnen. Außerdem hat es den Anschein, daß sitzende oder liegende Personen weniger in Gefahr sind als stehende, und daher sollte man auch während eines Gewitters vom Pferd oder Wagen absteigen, übrigens auf das Aufspannen des Regenschirms auch lieber erzichten."

Keb. Mutmaßliches Wetter. Für Mittwoch und Donnerstag ist noch zeitweilig trübes und regneri­sches, dann vorübergehend aufheiterndes und mäßig kühles Wetter zu erwarten.

Nagold, 9. Juni. Im Bezirkskrankenhaus mußte einem Knaben aus Obertalheim, der beim GApel- treiben verunglückt ist, das linke Bein abgenommen werden; ob das rechte noch erhalten bleibt, ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen.