Furchtbare Unwetter im Lande.

Freudenstadt, 4. Juni. Ueber den Schwarzwald zog heute nachmittag ein furchtbares Gewitter mit Sturm, Wolkenbruch und Hagel, das hier mit einer Heftigkeit auftrat, wie seit Jahren nicht mehr. So­weit verlautet, hat das Gewitter auf seinem Weg über Eutingen dem Neckartal zu überall schweren Schaden angerichtet. In Horb gab es ein Hagel­wetter von unerhörter Gewalt.

Eutingen, 4. Juni. Heute nachmittag kam über den Schwarzwald ein Gewitter gezogen mit einem Wirbelsturm, das hier ähnlich wie am vorigen Sonn­tag in Plochingen gehaust hat. Der Sturm ritz das Dach des Bahnhofsgebäudes weg, zerstörte die Sig­naleinrichtungen und warf verschiedene Eisenbahn­wagen um. Auf der Strecke EutingenErgenzingen ist ein Güterzug entgleist. Bei Mühlen a. N. hat der Sturmwind ebenfalls das Bahnhofsgebäude grötz- tenteils zerstört und einen Personenzug zeitweise sehr gefährdet. Es war zwischen 4 und 5 Uhr nach­mittags, als der schwere Eewittersturm den Schwarz­wald und sein Vorland passierte und seinen verhee­renden Weg nach dem Neckar und dem Schönbuch zu nahm. Auf dem hiesigen Bahnhof sind sämtliche Dächer abgedeckt. Die umgestürzten 4 leeren Per­sonenwagen fielen eine 20 Meter hohe Böschung hin­unter. Von dem Gürerzug auf der Strecke Eutingen Ergenzingen wurden 5 Wagen vom Sturm aus dem Gleis gehoben und über den Bahndamm geschleudert. Diese Bahnstrecke ist auch heute abend noch gesperrt. Die Züge von Stuttgart her müssen über Tübingen Horb geleitet werden. Auch auf der Neckarbahn hat der Sturm übel gehaust.

Horb, 5. Juni. Nach einem schwülen, heitzen Sommertage entlud sich gestern nachmittag gegen 4 Uhr, vom Schwarzwald herüberkommend, auch hier ein schweres Unwetter mit furchtbarem Ha­gelin Stücken bis zur Grütze von Hühnereiern und mit schrecklichem Platzregen. Das Unwetter richtete grotzen Schaden an. Im benachbarten Mühlen hauste das Gewitter in fast unbe- schreiblicherWeise. Zwischen hier und Müh­len liegen die ältesten Bäume gebrochen oder ent­wurzelt über der Stratze, so datz Fuhrwerke und Auto­mobile unmöglich verkehren können. Rechts vom Neckar liegen große Waldbestände wie rasiert dar­nieder, um den Bahnhof von Mühlen liegen Bretter­haufen etwa 4 Meter weit zerstreut auseinander; im Ort selbst glaubt man sich auf einem Schlachtfeld. Sämtliche Dächer sind teilweise oder ganz abgedeckt, die Straßen übersät mit Ziegeln und Mauersteinen, ganze Häuserecken sind eingestürzt, Kamine umge­worfen, Fenster eingeschlagen, Gartenmauern zer­trümmert, Fabrikkamine eingefallen, Obstbäume ent­wurzelt und das alles auf den Straßen umherge­schleudert! Regierungsrat Qberamtmann Rieger so­wie Amtmann Häfele waren mit der Landjäger­mannschaft bald zur Stelle. Da die Feuerwehr nicht genügte und die Arbeiten nicht bewältigen konnte, mußte die Feuerwehr von Horb beigezogen werden, um wenigstens die Ortsstraße frei zu bekommen. Lei­der ist auch über Verletzungen von Menschen zu be­richten. Eine Fabrikarbeiterin wurde durch herab­fallende Steine schwer verwundet und dürfte kaum mit dem Leben davonkommen; einem Bauern wurde durch herabfallende Baumäste der Kopf schwer verletzt, des weiteren ist dem Bachmllller Hank ein Mutterschwein mit 10 Ferkeln verendet.

Das Wirtshaus im Spessart.

23) Erzählung von Wilhelm Hauff.

Unterwegs erzählte der Kaufmann seinem Reise­gefährten manches von dem trefflichen Beherrscher der Gläubigen, Harun Al-Raschid. Er erzählte ihm von seiner Eerechtigkeitsliebe und seinem Scharfsinn, wie er die verwickeltsten Prozesse aus einfache und bewun­dernswürdige Weise zu schlichten wisse; unter anderem führte er die Geschichte von dem Seiler, die Geschichte von dem Topf mit Oliven an, Geschichten, die jedes Kind weiß, die aber Said sehr bewunderte.Unser Herr, der Beherrscher der Gläubigen," fuhr der Kauf­mann fort,unser Herr ist ein wunderbarer Mann. Wenn Ihr meinet, er schlafe, wie andere gemeine Leute, so täuschet Ihr Euch sehr. Zwei, drei Stunden in der Morgendämmerung ist alles. Ich muß das wissen, denn Messour, sein erster Kämmerer, ist mein Vetter, und obgleich er so verschwiegen ist wie das Grab, was die Geheimnisse seines Herrn anbelangt, so läßt er doch der guten Verwandtschaft zulieb hin und wieder einen Wink fallen, wenn er sieht, daß einer aus Neugierde beinahe vom Verstand kommen könnte. Statt nun wie andere Menschen zu schlafen, schleicht der Kalif nachts durch die Straßen von Bagdad, und selten verstreicht eine Woche, worin er nicht auf ein Abenteuer stößt; denn Ihr müßt wissen, wie ja auch aus der Geschichte mit dem Oliventopf erhellt, die so wahr ist, als das Wort des Propheten, daß er nicht mit der Wache und

I An der neuen katholischen Kirche hat der Sturm die hohe, schwere Kuppel samt Holz- und Riegelwand ! wie einen Spielball herumgedreht.

§ Ueber Unwetter, Überschwemmungen und Blitz­schläge wird weiter aus Heilbronn, Plochingen, Nie­derstetten, Cannstatt und Mühlacker berichtet.

Stuttgart, 4. Juni. Das schwere Gewitter, das heute nachmittag über dem Schwarzwald und im oberen Neckartal so schlimm gehaust hatte, kam gegen 6 Uhr auch nach Stuttgart und entlud sich in einem Wolkenbruch mit fast einviertelstllndigem Hagelschlag. Die Wassermassen strömten in ungeheurer Menge in dem Talkessel zusammen und führten gewaltige Men­gen Schlamm und Bodensand mit sich. Die Kanäle vermochten die Fluten an verschiedenen Stellen nicht mehr zu fassen, so am Friedrichsplatz und in der Kriegsbergstratze, wo zunächst die aus den Dohlen herausgepretzte Luft sich explosionsartig aus den Ein­steigschächten durch Wegschlagen der schweren eisernen Deckel verflllchtete. Bald darauf folgten auch Wasser­massen und es stiegen aus den einzelnen Schächten lehmfarbige, mannsdicke Fontänen bis zu 1 Meter Höhe. Das Wasser lief in der unteren Friedrichs­und Kriegsbergstratze alsbald in die Keller, wo es bis über einen Meter hoch stand. Auch die Straßen­oberflächen wurden überschwemmt, so daß der Ver­kehr etwa eine Viertelstunde lang stockte. Am Nesen- bach kam die Hauptflut von der ganzen Stadt zu­sammen. Das für solche Fälle schon besonders tief gebaute Flußbett war bis an den Rand gefüllt und die Wassermassen traten in die unteren Anlagen ein, deren Wiesen sich alsbald in schokoladefarbige Seen verwandelten. Nach einer halben Stunde schlossen sich die Schleusen des Himmels wieder und das Was­ser begann sich zu verlaufen. Noch nach einer Stunde mutzte der Verkehr an der unteren Neckarstraße, an der Cannstatter Stratze und am Ausfluß des Nesen- bachs in das Neckartal auf Wagen oder mit Auto­mobilen bewerkstelligt werden. Die Straßenbahn konnte zeitweise nicht mehr und lange nur mit großer Mühe verkehren. Der angerichtete Schaden wird sich wohl erst später genau übersehen lassen.

Stuttgart, 4. Juni. Die Telephon- und Tele- graphenelitungen über das Gäu und das obere Neckar­tal sind durch das Unwetter heute nachmittag völlig unterbrochen worden. Es war heute nicht mehr mög­lich, Verbindungen mit den Plätzen Horb, Oberndorf, Rottweil, Schwenningen usw. zu erlangen. Auch der telephonische Fernverkehr war zum grotzen Teil un­terbrochen. Ueber 30 Fernleitungen waren gestört und der Verkehr mit vielen grotzen Orten Nord­deutschlands, Elsaß-Lothringens, Bayerns und der Schweiz völlig lahmgelegt.

Erpfingen (O.-A. Reutlingen), 4. Juni. Auf der Haidpost schlug bei einem schweren Gewitter gestern nachmittag der Blitz in die Scheuer und Stallung des Besitzers Lamparter ein und zündete. Das ganze Öekonomieanwesen wurde ein Raub der Flammen.

Ebingen, 4. Juni. Bei einem gestern nachmittag nach 4 Uhr über unsere Stadt gezogenen Gewitter schlug der Blitz in das auf demBühl" gelegene Haus des Kaufmanns Haasts, ohne jedoch zu zünden. An dem Haus wurde einiger Schaden angerichtet. Eine in dem betreffenden Hause wohnende Frau, die im Augenblick des Einschlagens im Begriff stand, einen Laden zu schließen, erlitt durch die Einwirkung des Blitzes an der Hand eine Verbrennung.

Plochingen, 4. Juni. Es herrscht hier unter den Einwohnern, die durch den Wirbelsturm geschädigt

zu Pferd in vollem Putz und mit hundert Fackelträgern seine Runde mancht, wie er wohl tun könnte, wenn er wollte, sondern angezogen bald als Kaufmann, bald als Schiffer, bald als Soldat, bald als Mufti, geht er umher und schaut, ob alles recht und in Ordnung sei.

Daher kommt es aber auch, daß man in keiner Stadt nachts so höflich gegen jeden Narren ist, auf den man stößt, wie in Bagdad; denn es könnte ebensogut der Kalif wie ein schmutziger Araber aus der Wüste sein, und es wächst Holz genug, um allen Menschen in Bagdad die Bastonade zu geben."

So sprach der Kaufmann, und Said, so sehr ihn hin und wieder die Sehnsucht nach seinem Vater quälte, freute sich doch, Bagdad und den berühmten Harun Al-Raschid zu sehen.

Rach zehn Tagen kamen sie in Bagdad an, und Said staunte und bewunderte die Herrlichkeit dieser Stadt, die damals gerade in ihrem höchsten Glanz war. Der Kaufmann lud ihn ein, mit in sein Haus zu kom­men, und Said nahm es gerne an; denn jetzt erst unter dem Gewühl der Menschen fiel es ihm ein, daß hier wahrscheinlich außer der Luft und dem Wasser des Tigris und einem Nachtlager auf den Stufen einer Moschee nichts umsonst zu haben sein werde.

Den Tag nach seiner Ankunft, als er sich eben an­gekleidet hatte, und sich gestand, daß er in diesem pracht­vollen kriegerischen Aufzug sich in Bagdad wohl sehen lasten könne und vielleicht manchen Blick auf sich ziehe, trat der Kaufmann in sein Zimmer. Er betrachtete den Jüngling mit schelmischem Lächeln, strich sich den

wurden, Aufregung über die niedrigen Schaden­schätzungen, die gestern teils im Landtag, teils in der Presse laut geworden sind. Oberamtsbaumeister Fahrenkopf und Werkmeister Stüber, die eine gründ­liche Schätzung von Haus zu Haus vornehmen, sind bis jetzt zu einer Berechnung von 300 000 gekom­men. Sind doch bis gestern abend allein fast für ^4 Millionen Ziegel herangeschafft worden, von de­nen das Tausend 70 kostet. Die Dachdecker be­kommen für die Stunde 60 bis 66 Pfg., und alles dies bedeutet nur den Gebäudeschaden, wobei die Verwüstungen in den Gürten und besonders in den Waldungen noch lange nicht berücksichtigt sind.

Stuttgart, 4. Juni. Die Zweite Kammer nahm heute zunächst die zurückgestellten Abstimmungen vor, deren Ergebnis wir noch in der gestrigen Nummer mitteilten. Zum KapitelLandeswohnungsinspek­tor" begründete sodann Lindemann (Soz.) in fünfviertelstündiger Rede einen Antrag, die Regie­rung möge im Bundesrat für die schleunige Vorlage eines Reichswohnungsgesetzes eintreten und einen Wohnungsfürsorgefonds einrichten, ihn zunächst mit dem Betrage von 600 OM ausstatten und in den Jahren 1914 bis 1918 Jahresbeiträge von je 100 OM zuführen, um Gemeinden, Kom­munalverbänden und leistungsfähigen Baugenossen­schaften Kredithilfe zu gewähren. Der Antragsteller ging auf die Tätigkeit des Wohnungsinspektors näher ein, der bewiesen habe, datz die Zahl der beanstande­ten Wohnungen um so größer sei, je kleiner die Ge­meinde sei. Staat und Gemeinden hätten die Pflicht, die untersten Schichten der Bevölkerung, die unter den ungünstigen Wohnungsverhältnissen sehr zu lei­den hätten, tatkräftig zu unterstützen. Die Regie­rung sollte die Anregung zur Gründung eines Lan­deswohnungsvereins geben. Der Abg. Harten­stein (Vpt.) beantragte, den Antrag Lindemann an den volkswirtschaftlichen Ausschuß zu überweisen Andre (Ztr.) betonte die Notwendigkeit der Woh­nungsfürsorge, namentlich aber auch unter Hinzu­ziehung der Frau zur Wohnungsaufsicht. Dr. Keck (Natl.) erklärte die Zustimmung seiner Partei zu dem Antrag Lindemann, der aus sozialen und volks­wirtschaftlichen Gründen hochbedeutsam sei. Andre (Ztr.) stellte hierauf den Antrag auf Ueberweisung des zweiten Teils des Antrags Lindemann an den Finanzausschuß. Körner (B.K.) stimmte dem An­trag Lindemann gleichfalls zu. Minister des Innern v. Fleischhauer bedauerte, von dem Antrag erst gestern Kenntnis erhalten zu haben, und erklärte sich für seine Verweisung an den Finanzausschuß. Nach­dem dann noch Heymann (Soz.) für den Antrag gesprochen hatte, wurde er bezüglich des Reichswoh­nungsgesetzes angenommen und in seinem zweiten und dritten Teil an den volkswirtschaftlichen Aus­schuß verwiesen. Zum KapitelLandjäger- korps" betonte Roth- Leonberg (B.K.), daß zwi­schen den Landjägern und ihrem Kommandeur nicht das richtige Verhältnis bestehe. Die Bezirksoffiziere sollten vorsichtig ausgewählt, die Arreststrafen auf­gehoben und den Landjägern eine Standesvereini­gung ermöglicht werden. Man müsse ihren Wünschen mehr entgegenkommen, damit nicht auch sie ins Lager der Unzufriedenen Hinübergetrieben werden. Mor­gen wird die Beratung fortgesetzt.

Dem Bericht vom 2. d. M. (C. Tgbl. Nr. 126) über die Zusamenlegung der Oberämter möchten wir im Interesse der Vollständigkeit nicht versäumen nach­zutragen, daß nicht nur die Abgg. Wolfs, Körner und

Bart und sprach dann:Das ist alles recht schön, junger Herr! Aber was soll denn nun aus Euch werden? Ihr seid, kommt es mir vor, ein rechter Träumer und denket nicht an den folgenden Tag; oder habt Ihr so­viel Geld bei Euch, um dem Kleid gemäß zu leben, das Ihr traget?"

Lieber Herr Kalum-Vek," sprach der Jüngling ver­legen und errötend,Geld habe ich freilich nicht, aber vielleicht strecket Ihr mir etwas vor, womit ich Heim­reisen kann! Mein Vater wird es gewiß richtig er­statten."

Dein Vater, Bursche?" rief der Kaufmann, laut lachend.Ich glaube, die Sonne hat dir das Hirn ver­brannt. Meinst du, ich glaube dir so aufs Wort das ganze Märchen, das du mir in der Wüste erzähltest, datz dein Vater ein reicher Mann in Balsora sei, du sein einziger Sohn, und den Anfall der Araber und dein Leben in ihrer Horde und dies und jenes. Schon damals ärgerte ich mich über deine frechen Lügen und deine Unverschämtheit. Ich weiß, daß in Balsora alle reichen Leute Kaufleute sind, habe schon mit allen ge­handelt und müßte von einem Benezar gehört haben, und wenn er nur sechstausend Tomans im Vermögen hätte. Es ist also entweder erlogen, datz du aus Bal­sora bist, oder dein Vater ist ein armer Schlucker, dessen hergelaufenem Jungen ich keine Kupfermünze leihen mag. Sodann der Ueberfall in der Wüste! Wann hat man gehört, seit der weise Kalif Harun die Handels­wege durch die Wüste gesichert hat, daß es Räuber ge­wagt haben, eine Karawane zu plündern und sogar

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