dem Verkehr übergeben worden ist. Der Vau dieser bedeutsamen Bahn hat lange auf sich warten lassen. Durch sie wurde Pforzheim an die große Durchgangs- linie Paris—Straßburg—Stuttgart—München— Oesterreich angeschlossen und hat der aufblllhenden Stadt neue Entwicklungsmöglichkeiten geschaffen und einer großen Reihe württembergischer Orte Arbeitsgelegenheit und guten Verdienst in Pforzheim vermittelt.
Pforzheim, 3. Juni. Der kürzlich hier verstorbene Adolf Schäfer, der Seniorches der Firma Carl Schäfer, Cold- und Silberscheideanstalt hier, hat 10 000 Mark dem Kinderspital Siloah letztwillig vermacht. Ferner hat Schäfer durch letztwillige Verfügung der Stadt Pforzheim zu verschiedenen gemeinnützigen und wohltätigen Zwecken 40 000 Mark hinterlassen.
Württemberg.
Stuttgart, 3. Juni. Die Zweite Kammer beriet heute zunächst die Anfrage des Abg. Schlegel, betreffend den durch den Orkan am Abend des 1. Juni in Plochingen angerichteten schweren Schaden. Minister des Innern v. Fleischhauer bezeichnet« in Beantwortung der Anfrage das Naturereignis als einzig dastehend in der Geschichte des Landes. Er habe sich von der Größe des Unglücks persönlich überzeugt. Der Eebäudeschaden betrage 60 000 -N, der Schaden am Bahnhof 20 000 d Von einer eigentlichen Notlage könne nicht gesprochen werden. Die Haltung der Bevölkerung verdiene Anerkennung. Erfreulich sei die Bildung von Hilfskomitees. Er werde weitere Schritte in Erwägung ziehen. Sollte sich die Notwendigkeit dazu ergeben, so werde er entsprechende Maßnahmen treffen. Keil (Soz.) beantragte, die Erklärungen des Ministers zu billigen und die Regierung zu ersuchen, die Frage, auf welchem Wege weitere Unterstützungen gewährt werden sollen, wohlwollend zu prüfen. Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen. Für die Beantwortung der Anfrage des Abg. Haußmann, betreffend die Ausnahmegesetze in Eslaß-Lothringen, behielt sich der Minister die Bestimmung des Zeitpunktes vor. In der dann fortgesetzten Beratung des Etats des Innern bei Kapitel „Landespolizeizentrale" verlangte Roth- Leonberg (V.K.) eine staatliche Polizei für kriminelle Angelegenheiten, eine Ausdehnung der Nachrichtenzentrale und ihre spätere Umwandlung in eine Fahndungszentrale. Sperka (Soz.) wandte sich gegen eine Verstaatlichung der Stuttgarter Polizei, v. Gauß (Vpt.) versprach sich von der Landespolizeizentrale nichts Gutes. Mohr (Ztr.) erklärte die Schaffung einer Landespolizeizentrale für ein unabweisbares Bedürfnis. Minister v. Fleischhauer wandte sich gegen eine Ueberweisung. Dann wurde die Abstimmung auf morgen verschoben. Eine längere Aussprache knüpfte sich auch an einen Antrag des Abg. S ch m i d - Neresheim (Ztr.), den Staatsbeitrag für selbständige Wasserversorgungsanlagen einzelner Gemeinden von 120 000 auf 180 000 zu erhöhen. Die Abstimmung über den Antrag wurde wegen der schwachen Besetzung des Hauses in der vorgerückten Stunde — es war inzwischen (43 Uhr geworden — auf morgen verschoben.
Stuttgart, 4. Juni. Die Zweite Kammer hat den Antrag Gauß (Vpt.), die Schaffung einer Landespolizeizentrale an den staatsrechtlichen Ausschuß zur Vorberatung zu überweisen, in namentlicher Abstimmung mit 58 gegen 26 Stimmen angenommen.
Dagegen stimmte das Zentrum. — Ferner hat die Zweite Kammer den Antrag Schmid - Neresheim, den Staatsbeitrag für selbständige Wasserversorgungsanlagen einzelner Gemeinden von 120 000 aus 150 000 zu erhöhen, in namentlicher Abstimmung mit 51 gegen 30 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen angenommen. Dagegen stimmte Volkspartei und Sozialdemokratie.
Stuttgart, 3. Juni. Am Montag abend fand im Saal der „Bauhütte" ein Gesellschaftsabend der Evangelisch-Sozialen Württembergs statt. Die Leitung des Abends hatte Pfarrer Völter - Baiereck. Nachdem er Worte der Begrüßung an die zahlreich Erschienenen gerichtet hatte, gab Stadtpfarrer Diet- rich-Ulm lebendige Stimmungsbilder von der vergangenen Tagung des Evangelisch-Sozialen Kongresses in Hamburg. Der Jahrhunderterinnerung von 1813 waren die Ansprachen der beiden nächsten Redner gewidmet. Stadtpfarrer Paulus-Besigheim sprach über Fichtes Reden an die deutsche Nation; er schilderte, wie Fichte, der Weltbürger, zum Vaterlandsfreund wurde. Pfarrer Völter-Vaiereck sprach über Schleiermacher als Zeitbürger, indem er die Verdienste dieses ersten großen politischen Predigers und Propheten der deutschen Einheit für die Wiedergeburt des Vaterlands ins Licht stellte. Nach der Pause hielt Professor Dr. G o e tz - Tübingen, der nach Straßburg berufen ist und für den der Abend seinen Abschied bedeutete, über „Franz von Assisi" einen Vortrag. Die Persönlichkeit dieses Heiligen, die eigentlich erst vor wenigen Jahrzehnten neu entdeckt wurde, zeichnete der Redner in fein nachfühlendem psychologischem Verständnis als ein Vorbild der hingebenden Liebe und völligen Bedürfnislosigkeit. Geblieben sei seine große Persönlichkeit, nicht ein Vorbild moderner Religiosität oder sozialer Betätigung für uns, wohl aber der vollendeten Hingabe an ein religiöses Ideal. Als letzter Redner sprach Chefredakteur Dr. H e u ß - Heilbronn über: „Der Dichter und seine Zeit". Er gab geistvolle, prägnante Andeutungen über die sozialen Elemente des Dichters, das Verhältnis zu seiner Zeit und die Bedingungen seiner Wirkungen auf dieselbe. Das Schlußwort sprach Abg. I. Fischer- Heilbronn, der allen Mitwirkenden, die zum Gelingen des Abends beigetragen hatten, in herzlichen Worten dankte. Zwischen die Vorträge der Redner waren eine Reihe musikalischer Darbietungen eingestreut.
Hohenheim, 3. Juni. An der landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim befinden sich im laufenden Sommerhalbjahr 218 Studierende, gegenüber dem Vorjahr mehr 13. Weibliche Studierende sind es 3. 78 sind Württemberger, 140 Nichtwllrttemberger, darunter 96 Reichsangehörige.
Plochingen, 3. Juni. Für Dachdeckungsmaterial, das für die durch den Wirbelsturm Geschädigten nach Plochingen befördert wird, werden auf den württem- bergischen Staatsbahnen bis 31. August folgende Vergünstigungen gewährt: 1. Freiwillige Gaben, die unter der Adresse des Hilfskomitees in Plochingen oder einer sonstigen Sammelstelle mit dem Vermerk auf dem Frachtbrief: „Freiwillige Gaben für die vom Wirbelsturm Geschädigten" zur Eisenbahnbeförderung aufgegeben werden, werden frachtfrei befördert, wenn sie als gewöhnliches Frachtgut ohne Angabe des Interesses an der Lieferung und ohne Nach- nahmSbelastung aufgeliefert werden. 2. Für andere Sendungen, die käuflich an die Geschädigten abge
geben werden, werden 50 Prozent der tarifmäßigen Fracht berechnet, wenn der Frachtbrief den Vermerk trägt: „Angekauft für die vom Wirbelsturm Geschädigten."
Plochingen, 2. Juni. Der Schwäbische Albverein hielt hier gestern seine ordentliche Frühjahrs-Mitgliederversammlung ab, der vormittags eine Ausschußsitzung vorangegangen war. Der Vereinsvorsitzende, Rechtsanwalt C a m e r e r - Eßlingen, eröff- nete und begrüßte die Versammlung und erstattete den allgemeinen Bericht. Dieser stellt eine lebhafte Tätigkeit und ein sehr starkes Wachstum des mehr als 40 000 Mitglieder umfassenden Vereines fest. Aus dem Vereinsleben ragen 1912 auf 1913 als Hauptereignisse hervor: Zunahme um 3000 Mitglieder, Einweihung des neuerbauten Aussichtsturmes auf dem Römerstein (Kosten 13 500 oll), Gründung des Do- nau-Vlaugaus, Inangriffnahme der Erbauung des Jubiläumsturms auf dem Roßberg. Darauf folgte der Bericht des Vereinshauptrechners, Kanzleirats S t r ö h m f e l d - Stuttgart. Danach betrugen die Einnahmen aus Beiträgen der Mitglieder und Gönner 75 814 oll, sonstige Einnahmen 5 734 oll. Die Ausgaben hielten sich im Rahmen des Voranschlags. Das Gesamtvermögen beträgt 101194 oll, worauf Verpflichtungen (Baufonds und dergleichen) ruhen 78 810 oll. Das Vermögen hat zugenommen um 2007 oll. Darauf folgte der Bericht des Schriftleiters, Professors Nä g e l e - Tübingen. Im Mittelpunkt der Beratungen stand der Jahreshaushalt, dessen Voranschlag mit 86 000 -ll Einnahmen und ebensoviel Ausgaben nach anregenden Erörterungen einstimmig genehmigt wurde. Hauptposten sind: Einnahmen (darunter von 40 000 Mitgliedern 80 000 Beiträge) 86 070 -ll. Die Ausgaben beziffern sich auf zusammen 34 570 oll für Arbeiten. Für die Hauptwegkarte wurden 37 000 oll ausgegeben, Verwaltung (Drucksachen, Porto, Vureaukosten usw.) 10 275 oll; weitere Ausgaben und Außerordentliches (Beiträge zu anderen Vereinen, für Natur- und Heimatschutz, Versicherungen, Fremdenverkehrspflege, Schülerherbergen, erstmals für Anlegung eines Alb- museums usw.) 4150 oll. Die Einweihung des Jubiläumsturms auf dem Roßberg wird voraussichtlich am Sonntag, den 28. September, stattfinden. Die heurige Herbstversammlung findet in Urach, die nächstjährige Frühjahrsversammlung wieder in Plochingen statt.
Göppingen, 3. Juni. Der hiesige Konsumverein beabsichtigt die Einrichtung einer eigenen Bäckerei. Das nötige Geld soll durch eine Erhöhung der Mitgliederanteile von 30 auf 40 oll aufgebracht werden.
Weinsberg, 3. Juni. Im Walde bei Jungenburg wurde ein Bauer von Pfedelbach bei Oehringen erschossen aufgefunden. Die Rechte hielt noch den Revolver, der kurz vor der Tat gekauft worden war, umschlossen. Die Leichnam wies drei Schußwunden in der linken Brustseite auf.
Freudenstadt, 2. Juni. Die Asche des Geheimrats Dr. Julius Etuing wurde gestern nachmittag mit einer vom Schwarzwaldverein veranstalteten Feier auf dem Seekopf über dem Wildsee, an der selbstgewählten Ruhestätte Eutings, der Erde einverleibt. Der Vorstand des Württembergischen Schwarzwaldvereins, Schulrat Dr. Salzmann, der Rektor der Universität Straßburg, Professor Neumann, der Dekan der philosophischen Fakultät in
Das Wirtshaus im Sxeffart.
22) Erzählung von Wilhelm Hauff.
„Er soll nicht sterben!" rief Selim, „und ich nehme ihn sogar in mein eigenes Zelt auf, ich nehme ihn als meinen gerechten Anteil an der Beute, er sei mein Diener."
Said fand keine Worte, dem Alten zu danken; die Männer aber verließen murrend das Zelt, und als sie den Weibern und Kindern, die draußen versammelt waren und auf Saids Hinrichtung warteten, den Entschluß des alten Selim mitteilten, erhoben sie ein schreckliches Geheul und Geschrei und riefen, sie würden Al- mansors Tod an seinem Mörder rächen, weil sein eigener Vater die Blutrache nicht üben wolle.
Die übrigen Gefangenen wurden an die Horden verteilt, einige entließ man, um Lösegeld für die Reicheren einzutreiben, andere wurden zu den Herden als Hirten geschickt, und manche, die vorher von zehn Sklaven sich bedienen ließen, mußten die niedrigsten Dienste in diesem Lager versehen. Nicht so Said. War es sein mutiges, heldenmäßiges Aussehen, oder der geheimnisvolle Zauber einer gütigen Fee, was den alten Selim für den Jüngling einnahm? Man wußte es nicht zu sagen, aber Said lebte in seinem Zelt mehr als Sohn, denn als Diener. Aber die unbegreifliche Zuneigung des alten Mannes zog ihm die Feindschaft der übrigen Diener zu. Er begegnete überall nur feindlichen Blicken, und wenn er allein durchs Lager ging, so hörte er ringsumher Schimpfworte und Verwünschung:: ausstoßen, ja, einigemal flogen Pfeile an
seiner Brust vorüber, die offenbar ihm gegolten hatten, und daß sie ihn nicht trafen, schrieb er nur dem geheimnisvollen Schutz des Pfeifchens zu, das er noch immer auf der Brust trug. Oft beklagte er sich bei Selim über diese Angriffe auf sein Leben, aber vergebens suchte dieser die Meuchelmörder ausfindig zu machen, denn die ganze Horde schien gegen den begünstigten Fremdling verbunden zu sein. Da sprach eines Tages Selim zu ihm: „Ich hatte gehofft, du werdest mir vielleicht den Sohn ersetzen, der durch deine Hand umgekommen ist; an dir und mir liegt nicht die Schuld, daß es nicht sein konnte; alle sind gegen dich erbittert, und ich selbst kann dich in Zukunft nicht mehr schützen, denn was hilft es dir oder mir, wenn sie dich heimlich getötet haben, die Schuldigen zur Strafe zu ziehen? Darum, wenn die Männer von ihrem Streifzug heimkehren, werde ich sagen, dein Vater habe mir Lösegeld geschickt, und ich werde dich durch einige treue Männer durch die Wüste geleiten kaffen."
„Aber kann ich irgend einem außer dir trauen?" fragte Said bestürzt. „Werden sie mich nicht unterwegs töten?"
Davor schützt dich der Eid, den sie mir schwören müssen, und den noch keiner gebrochen hat," erwiderte Selim mit großer Ruhe. Einige Tage nachher kehrten die Männer ins Lager zurück, und Selim hielt sein Versprechen. Er schenkte dem Jüngling Waffen, Kleider und ein Pferd, versammelte die streitbaren Männer, wählte fünf zur Begleitung Saids aus, ließ sie einen furchtbaren Eid ablegen, daß sie ihn nicht töten wollten, und entließ ihn dann mit Tränen.
Die fünf Männer ritten finster und schweigend mit Said durch die Wüste; der Jüngling sah, wie ungern sie den Auftrag erfüllten, und es machte ihm nicht wenig Besorgnis, daß zwei von ihnen bei jenem Kampf zugegen waren, wo er Almansor tötete. Als sie etwa acht Stunden zurückgelegt hatten, hörte Said, daß sie untereinander flüsterten, und bemerkte, daß ihre Mienen noch düsterer wurden als vorher. Er strengte sich an, aufzuhorchen, und vernahm, daß sie sich in einer Sprache unterhielten, die nur von dieser Horde, und immer nur bei geheimnisvollen oder gefährlichen Unternehmungen gesprochen wurde; Selim, der den Plan gehabt hatte, den jungen Mann auf immer, in seinem Zelt zu behalten, hatte sich manche Stunde damit abgegeben, ihn diese geheimnisvollen Worte zu lehren; aber es war nichts Erfreuliches, was er jetzt vernahm.
„Hier ist die Stelle," sprach einer; „hier griffen wir die Karawane an, und hier fiel der tapferste Mann von der Hand eines Knaben."
„Der Wind hat die Spuren seines Pferdes verweht," fuhr ein anderer fort, „aber ich habe sie nicht vergessen."
Und zu unserer Schande soll er noch leben und frei sein, der Hand an ihn legte? Wann hat man je gehört, daß ein Vater den Tod seines einzigen Sohnes nicht rächte? Aber Selim wird alt und kindisch."
„Und wenn es der Vater unterläßt," sagte ein vierter, „so ist es Freundes Pflicht, den gefallenen Freund zu rächen. Hier an dieser Stelle sollten wir ihn niederhauen. So ist es Recht und Brauch seit den ältesten Zeiten."