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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

88. Jahrgang.

^KkSLtAirngrwetst. Smal wbchentlichc Lnrkteenpretr: Am Oberamts- Kalw für die einspaltige Borgiszeile 16 Pfg., außerhalb deSfelben 12 Pfg.. . 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 16 Uhr vormittags. Telefon 9.

ReichsländischeAusnahmegesetze".

Pretzgesetz und Reichsvereinsgesetz solle für Elsaß-Loth­ringen abgeändert werden. Das Pretzgesetz fordert in seiner Abänderung für das Reichsland, daß die Verbreitung einer im Auslande herausgegebenen Druckschrift in Elsaß-Lothrin- gen vom elsaß-lothringischen Ministerium verboten werden kann, und mit dem Vereinsgesetz will die Regierung das Recht, gewisse Vereine aufzulösen. Die Regierung Elsaß- Lothringens hat in der Zweiten Kammer des Landes vor acht Tagen einen gewaltigen Jnterpellationssturm über sich ergehen lassen müssen, bei dem sämtliche Parteien der Re­gierung eine Mißtrauenserklärung abgaben und den Wunsch aussprachen, daß der Reichstag diese Ausnahmegesetze für Elsaß-Lothringen ablehne. Der Antrag der elsäßischen Re­gierung ging an den Bundesrat. Im Reichstag wird heute, Freitag, der Reichskanzler die Interpellation der Sozial­demokraten über diese Ausnahmegesetze beantworten. Eine Begründung für die Berechtigung dieser Ausnahmegesetze schreibt Prof. Dr. R e h m - Stratzburg der Köln. Ztg., und wir entnehmen ihr:

Nachgerade droht das Schlagwortkeine Ausnahme­gesetze" zum Verhängnis zu werden. Kritiklos wird es nach­gesprochen, als wären die Menschen, die Verhältnisse und Zu­stände einander nur gleich. Ohne Uebertreibung läßt sich sagen, in keinem Gesetze, in keinem irgendwelchen Staate oder irgendwelcher Kirche, fehlen Sonder-, fehlen Ausnahme­vorschriften. In unserem Bürgerlichen Gesetzbuch wimmelt es von Ausnahmebestimmungen. Unbrauchbare Eltern, un­dankbare Kinder werden in jedem bürgerlichen Rechte unter Ausnahmevorschriften gestellt. In Elsaß-Lothringen bestehen Ausnahmeverhältnisse. Rußland oder Oesterreich wollen nicht Polen, Dänemark nicht Schleswig zurückgewinnen. Wir brau­chen im Reichslande Sondervorschriften. Ich möchte wün­schen, daß jeder Reichstagsabgeordnete einmal ein paar Mo­nate hier als Kreisdirektor fungierte, gleichgültig welcher Partei; er würde bald einsehen, daß das Land die Ruhe, die es zur gedeihlichen Entwicklung nötig hat, und die die überwiegende Mehrheit des Volkes will, ohne stärkere Poli- zeinormP nicht finden kann. Ich höre einwenden, ja, warum hat die Staatsleitung dann die Freiheiten gewährt? Es kann nur auf mangelnder Kenntnis des früheren Rechts beruhen, wenn man glaubt, die reichsländische Regierung habe bei den Vorberatungen des Reichsvereinsgesetzes nicht alles ge­tan, um die Vollmachten gegenüber den Vereinen zu be­halten, die ihr das landesrechtliche Vereinsgesetz gab. Wer könnte annehmen, daß ein Staatsregiment im Jahre 1907 sich nicht bemüht, die Beschränkungen der Vereinsfreiheit zu behalten, die es erst 1905 landesrechtlich durchgesetzt hat? Bitter unrecht wird den maßgebenden Stellen in Elsaß-Loth» ringen wohl auch tun, wer glaubt, die Landesregierung habe nicht bei der Einführung der neuen Verfassung versucht, die Vorsichtsbestimmungen gegen die Preßfreiheit als Gegenge­wicht zu erhalten, die nach den Erfahrungen der Jahre durch­aus Bedürfnis waren. Und dann sehe man doch auf Frank­reich . Dort gilt, was man für das Reichsland will, für das Preßrecht durchaus, für das Vcreinsrecht in etwas ande­ren Fassungen. Jenseits der Grenze geht heute schon das Vereinsauflösungsrecht viel weiter. Ein Verein kann auf­gelöst werden nicht nur, wenn sein Zweck den Strafgesetzen, sondern wenn er irgendwelchen Gesetzen oder den guten Sit­ten zuwiderläuft, wenn der Verein die Unverletzlichkeit des Staatsgebiets oder die republikanische Regierungsform be­droht, und, sofern er in der Mehrheit aus Ausländern be­steht oder Ausländer Leiter sind oder der Vorstand im Aus­land wohnt, wenn durch den Verein die innere oder äußere Sicherheit des Staates bedroht wird."

Stadt, Bezirk «nd Nachbarschaft.

Calw. 30. Mai 1913.

Vom Rathaus.

Gestern nachmittag von 5 Uhr ab hielt der Eemeinderat unter stellvertretendem Vorsitz von E.-R. Hermann Wagner »ine öffentliche Sitzung ab. Anwesend waren außer dem Vorsitzenden 8 Eemeinderäte. Die städtische Bade­anstalt soll, wie gestern schon bekannt gemacht, wieder er­öffnet werden. Als Badewärterin wird wieder Frau Lhri-

Freitag, den 30. Mai 1913.

stiane Hermann mit 18 Pfg. Vergütung für die Stunde an­gestellt. Die Biersteuer hat 1912/13 laut Abrechnung vom Kameralamt 2464 Ul betragen. Die 6. Kompagnie der Freiwilligen Feuerwehr mußte infolge Rück tiitts ihres früheren Hauptmanns einen neuen wählen. Die Wahl fiel auf Schreinermeister Niethammer, wozu der Ee­meinderat sein Einverständnis gibt. Das Gesuch des Bäckermeisters Frank um Ausschankberechtigung von Brannt­wein in seiner Wirtschaft in der Biergasse hat der Bezirks­rat genehmigt unter Ansatz einer Sportel von 30 Ul. Der Eemeinderat nimmt davon Kenntnis. Die Bockhal­tung wird an den seitherigen Bockhalter Hennefarth auf 1 Jahr vergeben mit einem Wartegeld von 70 ^<l jährlich und einem Sprunggeld von 40 Pfg. Die Verlegung des Lokomotivheizhauses von Calw nach Brötzingen und der damit verbundene Wegzug von 30 verheirateten und 40 ledigen Unterbeamten aus Calw schafft freie Woh­nungen, die für Bahnbeamte hergerichtet werden können. Demzufolge hat, einer Weisung des Ministeriums nach, der Bau weiterer neuer Dienstwohnungen in Calw zu unter­bleiben wovon der Eemeinderat Kenntnis zu nehmen hat. Die traurigen Vorkommnisse an der Nagold veranlaßten mehrere Eemeinderatsmitglieder, die Anschaffung von Rettungswerkzeugen, soweit solche fehlen, zu for­dern. Von Schutzmann Proß lag ein im gleichen Sinne gehaltenes Gesuch vor; praktische Rettungsmittel bzw. solche, die ein Durchsuchen des Wasserbettes erleichtern, hätten im neuerlichen Falle sehr gefehlt. Dem Stadtbauamt werden die Anregungen zur Unterbreitung geeigneter Vorschläge überwiesen werden. Den Schluß der Sitzung bildeten Rech- nungsdekreturen.

Das Kinderfest auf Montag, 16. Juni, verlegt? Die

Schulfeiern anläßlich des 25jährigen Regierungsjubiläums Kaiser Wilhelms II. werden nach dem Vorgang von Preußen auch im übrigen Deutschland und so auch in Württemberg am 16. Juni stattfinden. Diese Verfügung des Kult­ministeriums veranlaßte G.-R. Bäuchle, in der gestrigen Sitzung des Eemeinderats anzuregen, das Kinderfest, mit dem, wie berichtet, die Kaiserjubiläumsfeier verknüpft werden soll und kürzlich auf Samstag, 14. Juni, festgelegt worden ist, gleichfalls auf den Tag der allgemeinen Schulfeiern zu verlegen. Die Anregung wird in Form einer Zuschrift an das Rektorat des Realprogymnasiums weitergegeben werden, worin der Gemeinderat dem Festkomitee die Verlegung des Kinderfestes vom 14. auf 16. Juni empfiehlt. Es ist an­zunehmen, daß das Festkomitee einmütig auf diesen Vor­schlag eingeht, der Montag ist schließlich doch geeigneter zur Abhaltung des Kinderfestes, als der Samstag. Die erforder­lichen Schritte des Komitees müssen nun rasch getan werden.

Vezirksschulversammlung. Die heurige, am Mittwoch in Nagold abgehaltene Vezirksschulversammlung vereinigte zuni erstenmal die Lehrer beider Teile des Bezirksschulamts Na­gold, des Nagolder und des Calwer Bezirks. An den Ver­handlungen und Besprechungen, die im Festsaal des Semi­nars unter dem Vorsitz von Schulrat Schott gepflogen wur­den, nahmen außer den 124 Lehrern und Lehrerinnen des Bezirksschulamtes noch Oberamtmann Kommerell, Dekan Roos-Calw, Dekan Pfleiderer, Seminarrektor Dieterle, einige Geistliche und Seminarlehrer teil. Aus dem Schul­bericht des Bezirksschulaufsehers geben wir folgende statistische Angaben wieder: Der Bezirk enthält 61 Schulgemeinden, 36 vom Oberamt Nagold, 24 vom Oberamt Calw und 1 vom Oberamt Horb mit zusammen 7322 Schülern, 3481 Knaben und 3841 Mädchen bei einer Zunahme von 60 Schü­lern gegenüber dem Vorjahr. Diese Schüler werden von 124 Lehrern, und zwar von 91 ständigen und 33 unständigen Lehrern unterrichtet, so daß auf einen Lehrer etwas über 58 Schüler im Durchschnitt kommen. Die Fortbildungsschule, die in 58 Klassen gegeben wird, umfaßt 917 Schüler resp. Schülerinnen. Sonntagsschule wird noch in 26 Gemeinden, Arbeitsschule in allen Gemeinden erteilt. Das Ergebnis der im Laufe des letzten Schuljahrs vorgenommenen Prü­fungen war wohl befriedigend. Auf den Schulbericht, an den sich eine längere Besprechung desMemorierens" knüpfte, folgte ein Referat überDie neuen Volksschulliederhefte" von Hauptlehrer Erieb-Effringen und ein Vortrag von Ober­lehrer Dagenbach-Haiterbach überDie Erziehung unserer

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohu Mk. 1.25 vierteljährlich, Post» bezugSpreiS für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.26. im Fer.-verkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.. in Bayern und Neich 42 Pfg

konfirmierten männlichen Jugend". Ein gemeinsames Mittag­essen im Easthof zum Rößle bildete den Abschluß. (Eesellsch.")

Zur Frage der Triebwagen auf der Strecke CalwWeil- derstadt äußerte sich Landtagsabgeordneter Stauden­meyer in der Sitzung der Zweiten Kammer am 14. d. M. folgendermaßen: Meine Herren! Es ist mir ausgefallen, daß weder in diesem noch im letzten Etat Summen enthalten sind für die Beschaffung von neuen Triebwagen. Ich möchte heute an die Verwaltung die Anfrage stellen, wie man mit den Triebwagen an und für sich zufrieden ist, ob sie sich bewährt haben und ob es nicht angezeigt erscheint, dieselben zu vermehren. Es gibt eine ganze Anzahl weniger stark befahrener Eisenbahnstrecken in unserem Lande, bei denen für die Personenbeförderung im Nahverkehr, insbe­sondere auch für die Beförderung von Schülern zu den näch­sten Lehranstalten, die Verwendung von Triebwagen sich, nach meiner Auffassung wenigstens, sicher sehr empfehlen dürfte. (Abg. Löchner: Sehr richtig!) Wir haben seinerzeit bei den Verhandlungen wegen Fahrplanverbesserungen aus der Schwarzwaldbahn wiederholt von Calw aus an die Ver­waltung die Bitte gerichtet, den, wie ich gerne zugeben will, nicht großen Personenverkehr zwischen Calw und Weil- derstadt zum Anschluß an die dort in der Richtung Stutt­gart abgehenden und ankommenden zahlreichen Züge durch solche Triebwagenfahrten zu verbessern. Es ist uns gesagt worden, die Triebwagen könnten eine Steigung von 1:60, wie sie die Strecke von Calw bis Althengstett aufweist, nicht bemeistern und es sei bis jetzt noch nicht gelungen, Kraft­wagen zu konstruieren, die eine solche Steigung überwinden könnten. Ich glaube, daß, wenn die Verwaltung mit Ernst hinter die Sache geht, es ihr nicht schwer fallen dürste, der­artige Triebwagen sich zu beschaffen, und damit könnte dann gerade solchen kleineren Verkehrsbedürfnissen mehr als seit­her Rechnung getragen werden. Wie aus dem in Nr. 120 des Calwer Tagblatts veröffentlichten Sitzungsbericht er­sichtlich, hat Ministerpräsident Dr. v. Weizsäcker zugesagt, diese Anregungen im Auge zu behalten.

8cb. Mutmaßliches Wetter. Für Samstag und Sonn­tag ist zwar lokale Gewitterneigung, aber in der Haupt­sache trockenes und warmes Wetter zu erwarten.

G Simmozheim, 29. Mai. Vorgestern brach eine junge Frau beim Eggen die Hand, so daß sie sich in ärztliche Be­handlung begeben mußte. Der Keuchhusten hat nun in hiesiger Gemeinde bereits 3 Kindern im zarten Alter das Leben gekostet; darunter befinden sich 2 Kinder aus einer Familie. Wähernd wir sonst in Simmozheim gewöhnt sind, daß unser Ort im Frühjahr im herrlichsten Blüten­schmucke prangt, sieht dieses Jahr leider alles grün aus. Man bemerkt sehr selten einen blühenden Baum; die Obst­aussichten dürften im allgemeinen sehr geringe sein. Da­gegen scheinen wir gutes Futter zu bekommen, und wenn das gegenwärtige herrliche Wachswetter anhält, werden wir einen frühen Heuet zu erwarten haben.

Sommenhardt, 30. Mai. Der hiesige Männergesang­verein benützte den vergangenen schönen Sonntag zu einem gelungenen Ausflug nach Baden-Baden und Oos mit Auto­fahrt von Oberreichenbach nach Gernsbach und zurück. Die landschaftlichen Schönheiten auf der herrlichen Fahrt, die Sehenswürdigkeiten der Perle unter den Schwarzwaldbädern, namentlich aber die geniale Erfindung unseres schwäbischen Landsmannes, wurden gebührend gewürdigt und aus froher Brust erklang's:Wie bist du doch so schön, o du weite, weite Welt!"

Möttlingcn und dasMohnbachtal.

Man schreibt uns:Wie allgemein bekannt, führt der Weg von Möttlingen ins Mohnbachtal auf einer etwa 2 >4 Kilometer langen Strecke als Fußwegvcrbindung von Mött­lingen nach Monakam. Dieser Fußweg ist Eigentum der Wiesenbesitzer. Nun begehen diesen Fußweg seit mehreren Jahren Vereine, Schüler, Touristen usw., welche das Mohn­bachtal besuchen an manchen Tagen, hauptsächlich aber Sonntags, oft in Trupps von 100 und mehr Personen und marschieren nicht selten in vier Gliedern das Tal hinab. Sie verursachen damit den Wiesenbesitzern großen Schaden, und zwar insofern, als der Fußpfad zu einer regelrechten Landstraße auf Kosten des Wiesengeländes in einer Breite