Eröffnung der Schwurgerichtssitzungen des 3. Viertel­jahrs. Nach Anhörung der Staatsanwaltschaft bei dem Ober­landesgericht wird verfügt, dag die ordentlichen Schwur­gerichtssitzungen des 3. Vierteljahrs in Stuttgart am Don­nerstag, den 19. Juni 1913, in Heilbronn und in Tübingen am Mittwoch, den 2. Juli 1913, in Rottweil und in Ell- wangen am Montag, den 30. Juni 1913, in Ulm am Montag, den 23. Juni 1913, und in Ravensburg am Montag, den 30. Juni, zu eröffnen sind. Vorsitzender ist in Tübingen Landgerichtsdirektor Kapsf.

8cb> Mutmaßliches Wetter. Für Donnerstag und Frei­tag ist warmes und gewitterreiches Wetter zu erwarten.

-r. Eechingen, 27. Mai. Anschließend an den Vor­mittagsgottesdienst fand am letzten Sonntag vor fest­lich versammelter Gemeinde durch Dekan Roos die feierliche Investitur, d. h. Einführung, unseres neu­ernannten Seelsorgers, Pfarrer Erundgeiger, statt. Möge der Wunsch und die Bitte unseres neuen Seel­sorgers sich erfüllen, daß ihm seine neue Gemeinde das gleiche Zutrauen und Vertrauen entgegenbringen möge, mit dem er in ihre Mitte trete, damit sein Wirken hier ein gesegnetes werde. Dann wird auch wieder Ruhe und Frieden in die Gemüter einkehren; denn durch die Zwiste in letzter Zeit wurde das kirchliche Le­ben in unserer Gemeinde nicht sonderlich gefördert.

? Oberkollbach, 27. Mai. Der Dichter singt:Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen; drum nahm ich meinen Stock und Hut und tat das Reisen wählen." Gewählt hat es am frühen Morgen eine stattliche Anzahl des hiesigen Militärvereins, hinunter ging es in den herr­lichen Rheingau, an den Niederwald mit dem Eermania- denkmal, an das Binger Loch, an den gespensterhaften Mäuse­turm. Froh und munter langten die Mitglieder des Militär­vereins wieder im Heimatgau an. Möge ihnen allen diese prächtige Reise recht lange in guter Erinnerung bleiben.

Nagold, 27. Mai. Die Lage der Stadtschultheißenwahl beginnt sich zu klären. Die Volkspartei hat in einer gestern abend abgehaltenen Versammlung die Kandidaten Maier, Stadtpflegebuchhalter in Tübingen, und Senger, Rechtsan­walt in Geislingen, für die engere Wahl nominiert. Die Sozialdemokraten werden heute abend diesen Vorschlag be­sprechen. Es hat den Anschein, als würden sie sich anschließen. Die Konservativen bringen Amtsgerichtssekretär Heyd, ihren derzeitigen Ortsgruppenvorsitzenden, in die Wahl. Das gibt schließlich das gleiche Wahlkampfbild wie bei der Reichstags­und der Landtagswahl.

Altensteig, 28. Mai. Ein auf einer Probefahrt befind­liches Pforzheimer Automobil geriet auf der oberen Nagold­straße zwischen der Wasserstube und der Earrweiler Brücke in Brand. Die beiden Insassen sprangen ab, das Automobil wurde vollständig zerstört.

Württemberg.

Stuttgart, 27. Mai. Die Zweite Kammer erledigte heute die Beratung des Eisenbahnetats und nahm den Antrag Roth (Vpt.), Keil (Soz.) und Scheef (Vpt.) betreffend frühe­ren Arbeitsschlug an den Samstagnachmittagen für die Ar­beiter der Eisenbahnverwaltung ohne Verlängerung der Ar­beitszeit und unter Gewährung des vollen Taggelds an, ebenso den Antrag Wieland (Natl.), die Eingaben des Ver­bands württembergischer Metallindustrieller und Industriel­ler der Regierung zur Erwägung zu übergeben. Auch die Eingaben der Arbeiterausschiisse der Betriebswerkstätten und Maschineninspektionen wurden der Regierung zur Erwägung übergeben. Ein sozialdemokratischer Antrag auf Berücksich­tigung wurde dagegen abgelehnt. Der Antrag Roth betref­fend freien Samstagnachmittag wurde mit 52 gegen 21 Stim­men. der Antrag Reichel (Soz.) betreffend achtstündige Ar­beitszeit mit 59 gegen 21 Stimmen abgelehnt. In der nun

folgenden Beratung des Etats des Innern wurden von den verschiedenen Rednern viele Fragen der Inneren Verwaltung gestreift. Hartenstein (Vpt.) verlangte die Durchführung der Vereinfachung der Staatsverwaltung, eine raschere Arbeit im Ministerium auf dem Gebiet der Stark­stromanlagen, Vorschriften gegen die Verwüstung der Land­straßen durch die schweren Lastwagen, raschere Konzessionie- rung von Apotheken und eine Neuregelung des Gerichts­vollzieherwesens. Rembold - Gmünd (Ztr.) verteidigte die Erhaltung der Kreisregierungen im Interesse der Geschäfts­leute. Sie sollten nur reformiert und modernisiert, aber nicht aufgehoben werden. Er fragte, wie es komme, daß die Fleischpreise mit den Viehpreisen so wenig standhalten können, und forderte die Bewahrung der Jugend vor den Schäden des Alkohols. Hasel (Natl.) wünschte eine bessere Ausbildung der Verwaltungsbeamten und betonte sodann, daß die Anatomien der Leichen zur Aufrechterhaltung eines geordneten Medizinstudiums bedürfen. Die Frage der Auf­lösung der Kreisregierungen sollte möglichst bald erledigt werden. Gründe gegen eine Aufhebung hätten sich seit der letzten Beratung nicht mehr ergeben. Körner (B.K.) rich­tete an den Minister die Aufforderung, die Bestrebungen der Sozialdemokratie auf Abbröckelung des Zolltarifs nicht zu unterstützen, damit der Landwirtschaft ihr nötiger Schutz erhalten bleibe. Die Lage des Mittelstandes sei nach wie vor recht schwierig. Den Arbeitswilligen müsse der nötige Schutz zuteil werden. Seine Partei sei nicht für Aufhebung der Kreisregierungen. Sie teile vollständig die Beschwerden über die Lastwagen. Mattutat (Soz.) führte Beschwerde über die Handhabung des Vereinsgesetzes. Den Gemeinden sollte die Möglichkeit gegeben werden, selbständig Apotheken einzurichten. Die Bestimmungen über die Armenleichen seien eine Härte und Ungerechtigkeit gegenüber dem ärmeren Teil der Bevölkerung. Die Mehrheit der Bevölkerung sei für Aufhebung der Kreisregierungen. An den teuren Fleisch­preisen trage die Wirtschaftspolitik der Rechten die Schuld. Die Zollpolitik komme lediglich den Großhändlern, aber nicht den Kleinhändlern zugute. Morgen vormittag Weiterbera­tung.

Hutzenbach (O.-A. Freudenstadt), 28. Mai. Der ver­heiratete Holzhauer I. E. Ziefele hatte das Unglück, beim Schießen auf Raben die linke Hand schwer zu verletzen. Ein Finger mußte ganz, zwei teilweise abgenommen werden. Der unglückliche Schütze hat bei früheren Schießübungen schon einmal einen Finger verloren.

Geislingen a. St., 27 Mai. Der 40 Jahre alte Bahn­wärter Igel wurde auf der Steige bei einem Dienstgang von einem Personenzug überfahren und sofort getötet. Die Leiche wurde, da das Unglück vom Zugpersonal nicht be­merkt wurde, erst später gefunden. Der Verunglückte hinter­läßt eine Witwe mit 6 kleinen, unversorgten Kindern.

Mergentheim, 27. Mai. Die Württembergisch-Ho- henzollerische Vereinigung für Fremdenverkehr hielt heute ihre alljährliche Wanderversammlung auf dem Rathaus unserer Väderstadt ab. Der Vorsitzende der Vereinigung, Eemeinderat S t ü b l e r - Stuttgart, er­stattete den Tätigkeitsbericht. Heute zählt die Vereini­gung 176 Miglieder, und zwar 23 Amtskörperschaften, 96 Gemeinden, 40 Vereine und Gesellschaften und 8 Einzelpersonen, die im ganzen rund 6800 -K jährliche Mitgliederbeiträge bezahlen. Seit dem Jahre 1909 er- hät die Vereinigung von der K. Eeneraldirektion der Staatseisenbahnen einen Jahresbeitrag von 10 000 -K, sodaß ihr nunmehr jährlich rund 16 800 -K zur Verfü­gung stehen. Eine weitere Vermehrung der Mitglieder­zahl wäre umso wünschenswerter, als die Eeneraldirek­tion vom Jahre 1913 ab die Erhöhung ihres Beitrages um denjenigen Betrag, um den sich die Einnahmen der Vereinigung aus Mitgliederbeiträgen erhöhen, bis zum Höchstbetrag von 16 000 in Aussicht gestellt hat. Für

dieses dankenswerte Entgegenkommen sprach der Vor­sitzende auch bei dieser Gelegenheit noch besonders den wärmsten Dank aus. Großen Erfolg hatten die beiden Reise-Ausstellungen in Berlin und Stuttgart. Darauf hielt Kanzleirat S t r ö h m f e l d-Stuttgart einen Vor­trag über das Thema:Ideales und Materielles in der Fremdenverkehrspflege für Stadt und Land". Der Vortrag soll als Werbeschrift gedruckt werden.

Au» Wett und Zeit.

Frankfurt a. M., 27. Mai. Zwei junge, bildhübsche Mädchen aus Höchst am Main und aus Niederrad sind seit einigen Tagen verschwunden. Es steht fest, daß sie von Mäd­chenhändlern, durch Vermittlung von angeblichen Stellen­vermieterinnen, verschleppt worden sind.

Berlin, 27. Mai. Die heutige erste Sitzung des Reichs­tages nach den Pfingstferien räumte mit verschiedenen Pe­titionen auf. Zu Beginn der Tagung erledigte der Präsident eine Reihe von Formalitäten. Er begrüßte die Abgeordneten mit dem Wunsche auf einen gedeihlichen Verlauf der Som­mertagung. In unwesentlichen Debatten erledigte man 22 Petitionen. Die wichtigste war die Festsetzung der Pfändungs­grenze auf 1600 des Arbeits- und Dienstlohnes.

Berlin, 27. Mai. Der Gesetzentwurf, der den Verrat militärischer Geheimnisse unter verschärfte Strafandrohungen stellt, ist dem Reichstag nunmehr zugegangen.

Berlin» 27. Mai. Der König und die Königin von Eng­land nahmen den Tee beim Kaiser und der Kaiserin im Schloß. Gegen 5)4 Uhr erfolgte die Abfahrt nach dem Lehr­ter Bahnhof, begleitet vom Kaiserpaar. Die Abfahrt vom Lehrter Bahnhof erfolgte 5,35 Uhr über Vlissingen nach Lon­don. Der Kaiser und die Kaiserin begaben sich vom Lehrter Bahnhof nach dem Neuen Palais.

Berlin, 27. Mai. Das Neuvermählte Herzogspaar wird am 1. November seinen feierlichen Einzug in die Burg Dank- warderode in Braunschweig vollziehen. Nach den letzten Be­ratungen im Bundesrate ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daß der junge Herzog Ernst August bereits in diesem Jahre die Regierung in Braunschweig übernehmen wird.

Mülheim a. Rhein, 27. Mai. In der vergangenen Nacht ist hier das neunjährige Töchterchen eines Wirtes in seinem Schlafzimmer ermordet worden. Als die Mutter des Kindes ihr Söhnchen zu Bett bringen wollte, fand sie die Tür des Schlafzimmers offen und das Mädchen mit durchschnittener Kehle im Bett. Außer­dem wies die Leiche noch einen Bauchschnitt auf. Bis­her ist es noch nicht gelungen, den Täter zu entdecken.

Elberfeld, 27. Mai. Die 23jährige Frau eines hiesigen Schlossers, der seit Samstag vermißt wurde, hat sich mit ihrem 9 Monate alten Kind in einem Teich im Norden der Stadt ertränkt. Der Beweg­grund zur Tat ist in unglücklichen Familienverhält­nissen zu suchen.

Hagen, 27. Mai. Auf Veranlassung des hiesigen Untersuchungsrichters wurde in Antwerpen der 24 Jahre alte Schlosser Heinrich Holthaus, der als Heizer mit dem Lloyddampfer Prinzessin Alice aus Ostasien ankam, verhaftet. Holthaus steht im Verdacht, ein 19- jähriges Mädchen aus der Ortschaft Erürmannsheide bei Iserlohn verschachert oder ermordet zu haben. Das Mädchen, mit dem der Verhaftete ein Verhältnis hatte, ist seit dem 23. September 1911, als es mit Holthaus angeblich zu einer Tanzfestlichkeit ging, spurlos ver­schwunden. Der Verdacht gegen Holthaus, der auf alle Fragen nach seiner Braut nur die Antwort hatte, er habe das Mädchen selbst mehrere Tage vor seinem Ver­schwinden nicht gesehen, ist inzwischen gewachsen, ob­gleich man trotz hoher Belohnung, die vom Regierungs­präsidenten in Arnsberg ausgesetzt worden ist, von dem verschwundenen Mädchen bisher keine Spur hat finden

Das Wirtshaus im Speffart.

18) Erzählung von Wilhelm Hauff.

Er sah sich um, und riesengroß stand der Holländer Michel hinter ihm. Erschrocken ließ er das Geld fallen, das er schon eingezogen hatte. Aber der dicke Ezechiel sah den Waldmann nicht, sondern verlangte, der Spiel­peter solle ihm zehn Gulden vorstrecken zum Spiel. Halb im Traum fuhr dieser mit der Hand in die Ta­sche, aber da war kein Geld, er suchte in der andern Tasche, aber auch da fand sich nichts, er kehrte den Rock um, aber es fiel kein roter Heller heraus, und erst jetzt gedachte er seines eigenen Wunsches, immer so viel Geld zu haben, als der dicke Ezechiel. Wie Rauch war alles verschwunden.

Der Wirt und Ezechiel sahen ihn staunend an, als er immer suchte und sein Geld nicht finden konnte; sie wollten ihm nicht glauben, daß er keines mehr habe; aber als sie endlich selbst in seinen Taschen suchten, wurden sie zornig und schwuren, der Spielpeter sei ein böser Zauberer und habe all das gewonnene Geld und sein eigenes nach Hause gewünscht. Peter verteidigte sich standhaft, aber der Schein war gegen ihn. Ezechiel sagte, er wolle die schreckliche Geschichte allen Leuten im Schwarzwald erzählen, und der Wirt versprach ihm, morgen mit dem frühsten in die Stadt zu gehen und Peter Munk als Zauberer anzuklagen, und er wolle es erleben, setzte er hinzu, daß man ihn verbrenne. Dann

fielen sie wütend über ihn her, rissen ihm das Wams vom Leib und warfen ihn zur Türe hinaus.

Kein Stern schien am Himmel, als Peter trübselig seiner Wohnung zuschlich, aber dennoch konnte er eine dunkle Gestalt erkennen, die neben ihm herschritt und endlich sprach:Mit dir ist's aus, Peter Munk, all deine Herrlichkeit ist zu Ende, und das hätt' ich dir schon da­mals sagen können, als du nichts von mir hören woll­test und zu dem dummen Glaszwerg liefst. Da siehst du jetzt, was man davon hat, wenn man meinen Rat verachtet. Aber versuch' es einmal mit mir, ich habe Mitleiden mit deinem Schicksal. Noch keinen hat es gereut, der sich an mich wandte, und wenn du den Weg nicht scheust, morgen den ganzen Tag bin ich am Tan­nenbühl zu sprechen, wenn du mich rufst." Peter merkte wohl, wer so zu ihm spreche, aber es kam ihn ein Grauen an. Er antwortete nichts, sondern lief seinem Haus zu.

Bei diesen Worten wurde der Erzähler von einem Geräusch vor der Schenke unterbrochen. Man hörte einen Wagen anfahren, mehrere Stimmen riefen nach Licht, es wurde heftig an das Hoftor gepocht, und da­zwischen heulten mehrere Hunde. Die Kammer, die man dem Fuhrmann und dem Handwerksburschen an­gewiesen hatte, ging nach der Straße hinaus; die vier Gäste sprangen auf und liefen dorthin, um zu sehen, was vorgefallen sei. Soviel sie beim Schein einer Laterne sehen konnten, stand ein großer Reisewagen vor der Schenke; soeben war ein großer Mann beschäftigt, zwei

verschleierte Frauen aus dem. Wagen zu heben, und einen Kutscher in Livree sah man die Pferde abspannen, ein Bedienter aber schnallte den Koffer los.Diesen sei Gott gnädig," seufzte der Fuhrmann.Wenn diese mit heiler Haut aus dieser Schenke kommen, so ist mir um meinen Karren auch nicht mehr bange."

Stille!" flüsterte der Student.Mir ahnet, daß man eigentlich nicht uns, sondern diesen Damen aus­lauert. Wahrscheinlich waren sie unten schon von ihrer Reise unterrichtet. Wenn man sie nur warnen könnte! Doch halt! Es ist im ganzen Wirtshaus kein anstän­diges Zimmer für die Damen, als das neben dem mei- nigen. Dorthin wird man sie führen. Bleibet ihr ruhig in dieser Kammer, ich will die Bedienten zu unter­richten suchen."

Der junge Mann schlich sich aus fern Zimmer, löschte die Kerzen aus und ließ nur das Licht brennen, das ihm die Wirtin gegeben. Dann lauschte er an der Türe.

Bald kam die Wirtin mit den Damen die Treppe herauf und führte sie mit freundlichen, sanften Worten in das Zimmer neben an. Sie redete ihren Gästen zu, sich bald niederzulegen, weil sie von der Reise erschöpft sein werden. Dann ging sie wieder hinab. Bald dar­auf hörte der Student schwere männliche Schritte die Treppe herauf kommen. Er öffnete behutsam die Türe und erblickte durch eine kleine Spalte den großen Mann, welcher die Damen aus dem Wagen gehoben. Er trug ein Jagdkleid, hatte einen Hirschfänger an der Seite und war wohl der Reisestallmeister oder Begleiter der