121. Amts- und Arrzsigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

88. Jahrgang.

Srlchrtnunglweis«: »mal wöchentlich. Lnzeiaenpreis: Im vberamts^ Ls-dr kalw für die einspaltige Borgiszeile 10 Psg., außerhalb derselben IS Pfg.. MMeanen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahm« 10 Uhr vormittags. Telefon 9

Mittwoch, den 28. Mai 1913.

v ezugSpreiS: In der Stadt mit Trägerlohn Ml. 1.25 vierteljährlich, Post­bezugspreis für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen

K. Oberamt Calw.

Bekanntmachung.

betr. die K. Beratungsstelle für das Baugewerbe.

Die Beratungsstelle für das Baugewerbe hat die Auf­gabe, die Angehörigen sämtlicher Zweige des Bauge­werbes und der mit ihm in Beziehung stehenden Ge­werbe auf allen einschlägigen Gebieten mit technischem und künstlerischem Rat mündlich (auch telephonisch) oder schriftlich zu unterstützen. Nach Bedarf kann auch Be­ratung an Ort und Stelle erfolgen und können von der Beratungsstelle Skizzen und Entwürfe überarbeitet oder für einfachere Gegenstände neu ausgearbeitet werden. Im Zeichensaal der Beratungsstelle können mit ihrer Unterstützung Entwürfe ausgearbeitet werden. Die Tätigkeit der Beratungsstelle kann außer von Vauge- werbetreibenden nur von Staats- und Gemeindebehör­den in Anspruch genommen werden, nicht auch von privaten Baulustigen.

Die mündliche oder telephonische Auskunfterteilung erfolgt während der Dienststunden gebührenfrei. Für schriftliche Auskünfte, Skizzen usw. und für Beratung an Ort und Stelle werden mäßige Gebühren erhoben, und zwar sind die letzteren gleich hoch, einerlei an wel­chem Ort in Württemberg die Beratung stattfindet.

Der Sitz der Beratungsstelle befindet sich in dem Gebäude, Kanzleistr. Nr. 26, gegenüber dem Landes­gewerbemuseum. Sprechstunden finden Dienstags und Donnerstags nachmittags von ^3 bis ^7 Uhr und Freitags vormittags von 9 bis ^1 Uhr statt. Schrift­liche Anfragen können jederzeit eingesandk werden.

Den 25. Mai 1913.

Reg.-Rat Binder.

Me Bedeutung der Mission für die deutschen Kolonien.

Von Missionsinspektor Oettli-Bascl.

II.

Wichtig ist die Kulturarbeit, die die Mission auf geistigem Gebiet leistet. In Kamerun herrscht eine babylonische Sprachverwirrung. Fast jeder Stamm spricht eine andere Sprache oder wenigstens einen an­deren Dialekt. Keine dieser Sprachen konnte geschrie­ben werden, ehe die Mission ins Land kam. Der tapfere englische Missionspionier Alfred Saker machte sich zuerst daran, die Dualasprache schriftlich zu fixieren. Auf dem von ihm gelegten Grunde haben hernach die andern ev. Missionen weitergebaut. So ist in der Dualasprache eine kleine Literatur entstanden; die Bas­ler Mission läßt gegenwärtig sogar ein Monatsblatt in ihr erscheinen. Auch andere Sprachen sind unterdes in Angriff genommen worden. Von welcher ungeheuren Bedeutung ist diese dornenvolle Arbeit, von deren Schwierigkeit der Fernerstehende wenig Ahnung hat. Sie ermöglicht ja eigentlich dem deutschen Volke erst die Verständigung mit seinen eingeborenen Untertanen; sie bildet die unentbehrliche Grundlage für die geistige Hebung des Volkes und führt damit den eigentlichen Wendepunkt in seiner geistigen Geschichte herbei. Dieser geistigen Hebung dient vor allem die Missionsschule. Zumal die Basler Mission hat in Kamerun ein ganzes Schulsystem ins Leben gerufen. Die breite Basis des­selben bilden ca. 250 Elementarschulen. Hin und her zerstreut in den Dörfern des Küstengebietes, oft tief im Urwald versteckt, oft hoch in den Bergen droben, unterrichten christliche Lehrer in einer primitiven Busch­hütte afrikanische Buben und Mädchen in den Ansangs­gründen alles Wissens. Zn 4 Mittelschulen erhalten begabtere Knaben eine höhere Bildung. Der Zudrang zu den Schulen der Basler Mission steigert sich von Jahr zu Jahr: im Jahr 1911 besuchten über 13 000 Schüler die Schulen der Basler Mission, im Jahr 1912 über 17 000. In den höheren Lehranstalten reicht der Raum entfernt nicht aus, um auch nur annähernd alle aufzunehmen, die sich melden. Mehrere hundert müssen abgewiesen werden, weil kein Raum für sie da

ist, manches Bürschchen ist schon weinend abgezogen! Die Basler Mission sieht sich darum zur Zeit genötigt, eine Anzahl neuer Mittelschulen ins Leben zu rufen. Frei­lich, die Mission hat sich ihr Ziel höher gesteckt, die Krisis, die durch die Völker Westafrikas hindurchgeht, greift tief in ihr religiöses Leben ein. Durch die euro­päische Kultur und die Aufklärung, welche sie mit sich bringt, wird dem Heidentum sozusagen der Boden ent­zogen; ohne Religion aber kann der Neger nicht sein. Gerät der von den Vätern überlieferte Glaube oder Aberglaube ins Wanken, so steht er sich nach einem neuen religiösen Halt um. Zwei Religionen bieten ihm dabei ihre Hilfe an, das Christentum und der Islam. Kenner der Verhältnisse sind sich darin einig, daß der eigentliche Entfcheidungskamps der Religionen in Westafrika nicht zwischen dem Animismus und einer dieser Kulturreligionen ausgefochten werden wird (denn der Animismus scheidet zum voraus aus), sondern zwi­schen dem Christentum und dem Islam. Aeußerlich betrachtet ist der Islam in einer viel günstigeren Po­sition. Er ist in Westafrika seit Jahrhunderten heimisch. Seine Bekenner stehen ihrer Rasse nach den heidnischen Negern näher als die christlichen Europäer. In den mohammedanischen Haussahändlern, die ganz Westafrika durchziehen, steht ihm eine Legion von wirksamen Mis­sionaren, die ohne viel Aussehen in aller Stille seine Geschäfte besorgen, zur Verfügung. Und ohne Frage ist der JstckM"Wollen-Reger eine viel bequemere Re­ligion als das, Christentum, Er läßt ihnen ihre Fe­tische, er bringt ihnen angeblich mehr wirksame Zauber­mittel, er sanktioniert die Vielweiberei. Aber der Is­lam ist erfahrungsgemäß nicht imstande, die Völker auf eine höhere Stufe des sittlichen Lebens emporzu­heben; gerade in Westafrika ist der sittliche Tiefstand bei den Mohammedanern oft noch viel größer als bei den Heiden! In wirtschaftlicher Hinsicht haben die mohammedanischen Fulbe, die bekanntlich in Adamaua in Nordkamerun ein großes Reich errichtet haben, glän­zend Fiasko gemacht. Das englische Blaubuch für Nord- > Nigeria von 1913 urteilt darüber:Korruption und Aussaugung war charakteristisch für die sogenannte Rechtspflege, während die immer zahlreicher werden­den Harems und das Heranwachsen einer großen Klasse nichtsnutziger Fürstensöhne zu einer bösen Günstlings­wirtschaft und zu Steuer über Steuer führte; keines Menschen Leben war mehr sicher; gewöhnliche Leute wurden getötet, ohne daß man davon viel Aufhebens machte, Vornehme durch Gift oder geheimen Mord be­seitigt. Der Handel war durch die erpreßten Abgaben gelähmt und erschwert durch die Unsicherheit der Straßen." Schließlich sollte man das auch nicht ver­gessen, daß der Islam für alle christlichen Kolonialvölker eine politische Gefahr bedeutet; er ist von Haus aus ein Feind des Christentums, und überzeugte Mohammedaner können nur mit Widerwillen das euro­päische Joch tragen. Daß z. B. der Norden Kameruns für die deutsche Herrschaft ein vulkanischer Boden ist, das haben die beiden Mahdiaufstände im Jahr 1907 gezeigt, die, wenn es nicht gelungen wäre, sie im Keime zu ersticken, die verhängnisvollsten Folgen mit sich ge­bracht hätten. Wir können also für die Völker West­afrikas nicht vom Islam das Heil erwarten, weder in sittlicher, noch in wirtschaftlicher, noch in politischer Hin­sicht, sondern allein vom Christentum.

(Schluß folgt.)

Stadt» Bezirk und Nachbarschaft

Calw. 28. Mai 1913.

Unglück über Unglück.

Ein Opfer der Nagold. Der aus Kißlegg stam­mende 19 Jahre alte Paul Seeg er, Schüler der Spöhrer'schen Höheren Handelsschule, ist heute nachmit­tag beim Baden in der Nagold ertrunken. Der junge Mann, des Schwimmens nur wenig kundig, wagte sich trotz des für Nichtschwimmer gegebenen strengen Ver­bots in den Fluß hinaus, und scheinbar verließen ihn an einer tiefen Stelle die Kräfte. Seine mitbadenden

Kameraden kamen ihm zu Hilfe, und dabei zog er einen weiteren Schüler mit hinunter. Dieser letztere wurde sogleich ans Ufer gebracht und kam infolge der vorge­nommenen Wiederbelebungsversuche wieder zu sich, während bei Seeger, der etwas später herausgezogen wurde, alle Bemühungen zweier herbeigerufener Aerzte leider erfolglos waren. Die Nagold ist an der Bade­stelle gar nicht tief, so daß für die Badenden kaum eine Gefahr vorhanden ist; es muß als ein ungewöhnlich un­glücklicher Zufall betrachtet werden, daß Seeger gerade an einer Stelle die Kräfte verließen, an welcher der klein gewachsene junge Mann keinen Grund mehr fand. Seeger war der einzige Sohn seiner Eltern.

Von einer Aufregung in die andere. Seit gestern abend wird das 5 Jahre alte Büblein des Pächters der früheren Brauerei Dreiß, Weiß, vermißt. Alle Nachforschungen über den Verbleib des Kindes führten bis heute früh zu keinem Ergebnis. Ein etwa gleichaltriger Spielgefährte des Knaben gab an, der Gesuchte sei gestern nachmittag beim Kimmerleschen Zimmerplatz in die Nagold gefallen. Män­ner suchten bis 11 Uhr gestern nacht in Booten und mit Stangen und durch Tauchen die Nagold ab» sie setzten heute von 6 Uhr ab ihre Nachforschungen fort, auch wurde die Nagold abgelassen. Eben, ^11 Uhr, fand man den Kleinen tot im Wasser ganz in der Nähe des Zimmerplatzes von Zimmermeister Kimmerle. Den Eltern, die auf so tra­gische Weise ihr Kind verlieren, wendet sich allgemeine Teil­nahme zu. Eine ernste Warnung für alle Eltern und Er­wachsenen, doch ja auf die Kinder ein wachsames Auge zu haben!

Ueber das Verbrechen zwischen Weltenschwann und Spetzhardt gehen die abenteuerlichsten Gerüchte bezüg­lich der Art seiner Ausübung um. Die vom Eerichts- arzt vorgenommene Sezierung der Leiche des Gerner aber hat ergeben, daß daß der Tod Eerners durch Stich­wunden herbeigeführt worden ist. Zwei Stiche wur­den festgestellt; einer in den Oberschenkel und einer in den Unterleib, welcher die Bauchwand durchdrang und eine große Arterie innerhalb verletzte. Tatsache ist aber, daß dem Gestochenen heftig gegen den Bauch ge­treten wurde, was zur Folge hatte, daß die Gedärme zum Teil heraustraten. Der mit dem Haupttäter Rentschler verhaftete Keck ist wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Die Stimmung gegen das 20jährige Bürschchen, das, statt die Sonntagnacht zum Schlafe zu benützen, andere Leute totsticht, ist allgemein sehr er­bittert. Die Bevölkerung würde eine milde Sühne dieser Untat wirklich nicht verstehen, sie möchte einmal ein Exempel statuiert sehen, und nicht wieder, wie bei dem noch nicht verwundenen Fall Weiß in Althengstett, die bekannte Untersuchung des Mörders auf seinen Geisteszustand. Das muß einmal ausgesprochen werden. Die Untersuchungen eines Menschen, der irgend eine Niederträchtigkeit beging, auf seinen Geisteszustand, be­ruhigen die von der Niederträchtigkeit Betroffenen nicht, oder nur ganz unbedeutend, weil man in den meisten Fällen wohl wird sagen können, daß, wenn der Misse­täter im bürgerlichen Leben der Unzurechnungsfähig­keit beschuldigt worden wäre, er gegen solche Vorwürfe sich vor Gericht Genugtuung zu verschaffen nicht geruht hätte. Wir haben auch bei diesem neuesten Vorkomm­nis darauf hingewiesen, daß solche verbrecherische Taten unfern Oberamtsbezirk in einen schlechten Ruf bringen, wogegen alle guten Absichten und Meinungen der Be­wohnerschaft machtlos sind. Es ist traurig, daß solche Bursche vom Schlage dieses Rentschler den Ruf des im allgemeinen als arbeitsam u. solide bekannten Schwarz- wälders beschmutzen und unsre Gegend in Schande brin­gen. Da bleibt uns gar keine andere Wahl, als zu wünschen, daß das Gericht über dieses Früchtlein die strengste Strafe verhängt und dadurch die abschreckt, die die Sonntagnächte zum Karteln und Saufen mit all ihren wüsten und schlimmen Ausartungen im Ge­folge benützen. In diesem Fall wieder begreift man, trotz allem Humanismus, die Anwandlungen und Rufe nach Einführung der Prügelstrafe.