^ 120 .

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

88. Jahrgang.

:i ^«»»ungrweise: Smal wSchentlich- LnztiLenpreii: Im vberamts- KsUv für die einspaltige Borgiszctle 10 Pfg., außerhalb deKelben IL Pfg-, Ä.-M-k» 2b Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittag« Telefon g.

Dienstag, den 27. Mai 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post» bezugspreiS für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg

Amtliche Bekanntmachungen.

K. Oberamt Calw.

Bekanntmachung, betr. Handwerkerkurse.

Die K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel be­absichtigt, in den Monaten Juli und August d. I. folgende Kurse abzuhalten:

1. für Schneider einen Kurs im Musterzeichnen, Zu­schneiden, in Materiallehre und Verarbeitung eines ganzen Anzugs, Dauer 4 Wochen;

2. für Schuhmacher einen Kurs im Mahnehmen, Mu­sterzeichnen, Fellauszeichnen, Zuschneiden und An­fertigen ganzer Schäfte, Dauer 3 Wochen;

3. für Buchbinder Kurse:

a) im Marmorieren (Kleisterverfahren, Tunkver­fahren), Dauer 6 Tage;

b) im Hand- und Prehvergolden (einschließlich Fo­lien- und Farbendruck), Dauer 5 Wochen;

4. für Bäcker Kurse in einfachen Earnierarbeiten, Dauer 10 Tage;

L. für Putzmacherinnen einen Kurs im Herstellen von Hutformen und Garnieren derselben nebst Materia­lienlehre, Dauer 4 Wochen.

Die Kurse finden in Stuttgart statt. Kurse für Bäcker, Schneider und Schuhmacher können auch an einem auswärtigen Orte abgehalten werden, wenn da­selbst geeignete Unterrichtsräume samt Heizung, Be­leuchtung und Reinigung und das erforderliche Mo­biliar unentgeltlich zur Verfügung stehen und eine ge­nügende Beteiligung sichergestellt ist.

Der Unterricht in den Kursen nimmt an jedem Tag die Zeit von morgens bis abends in Anspruch, die Teilnehmer haben während der ganzen Unterrichts­dauer anwesend zu sein. In den Bäckerkursen ist der Samstag unterrichtsfrei.

Näheres imEewerbeblatt" Nr. 21 vom 24. d. Mts.; dieses kann bei den Herren Ortsvorstehern eingesehen werden.

Den 25. Mai 1913.

Reg.-Rat Binder.

Die Bedeutung der Mission sör die deutschen Kolonien.

Bon Missionsinspektor Oe tili Basel.

I.

Das 25 jähr. Regierungsjubiläum des Deutschen Kaisers steht vor der Tür: bei diesem Anlaß wird be­kanntlich eine Volksspende zugunsten der christlichen Missionen in den deutschen Kolonien gesammelt wer­den; das ist ein erfreuliches Zeichen dafür, daß die Be­deutung der Missionsarbeit für unsere Kolonien in immer weiteren Kreisen unseres Volkes erkannt wird. Wir geben uns freilich keinen Täuschungen darüber hin, daß es noch manches Vorurteil zu überwinden gibt; und die folgenden Zeilen möchten helfen, sie zu zer­streuen, indem sie am Beispiel unserer deutschen Ko­lonie Kamerun zeigen, von welch eminentem Wert die Arbeit der evangelischen Mission für die kulturelle Ent­wicklung der Schutzgebiete ist. Wie für Afrika über­haupt, so brach für Kamerun mit Beginn der Kolo- nial-Aera eine neue Zeit an. Nachdem Nachtigall die deutsche Flagge am Kamerunstrande gehißt hatte, nahm die deutsche Regierung ihre kolonisatorische Auf­gabe immer energischer in die Hand. Sie hat den Stam­mesfehden ein Ende gemacht, hat durch Straßen und Eisenbahnen das Land dem Verkehr erschlossen; der Handel blühte empor; die Produktionskraft und der Wohlstand der Bevölkerung stieg. Mit einem Wort: die deutsche Herrschaft ist ein großer Segen für die Ein­geborenen geworden. Die Sache hat aber ihre Kehr­seite. Die europäische Kultur, die nach Kamerun hin­einströmt, wirkt nicht nur aufbauend, sondern auch zer­störend. Die alte Sitte verschwindet. Es fehlt an einem öffentlichen Gewissen, an dem sich der Einzelne orien­tieren könnte. Kein Wunder, daß mancher jeden Halt verliert. Aeußerlich zeigt sich das in den Kulturkarika­turen, den Eingeborenen, die sich vom heimischen Volks­tum losgelöst haben und in äußerlicher Nachahmung der

Europäer gefallen. Wir lachen über diese Leute; aber sie sind ein Symptom für einen sehr tief greifenden innern Schaden. Die europäische Kultur hat die Ein­geborenen zu unvermittelt überflutet. Ihre alte Welt ist ihnen zerbrochen, und in der neuen, die ihnen aus­gegangen ist, finden sie sich noch nicht zurecht. Die Stunde ist ernst: der angedeuteten Gefahr kann man wirksam nur dadurch begegnen, daß man die Volkser­ziehung in großem Maßstabe in die Hand nimmt; die Regierung ist dazu nur in geringem Umfang in der Lage; die Hauptlast dieser Erziehungs­arbeit fällt auf die Mission; darin liegt ihre große Bedeutung für die Zukunft unserer westafri­kanischen Kolonien. Wie greift sie diese Aufgabe an? Wir beginnen mit dem Aeußerlichen. Dernburg hat das Wort geprägt, daß die Eingeborenen das wertvollste Gut der Kolonien seien; in Kamerun z. B. hat die Regierung ganze Stämme zum Schutz gegen die Pocken impfen lassen und dadurch diese Seuche, die früher furchtbare Verheerungen unter den Eingeborenen an­richtete, mancherorts fast gänzlich beseitigt. In diesen Bestrebungen findet sie bei der Mission wirksame Hilfe. Hat doch das Erbarmen mit der Krankheitsnot der Eingeborenen, die größer ist, als man zu Hause ahnt, einen besonderen Zug der missionarischen Arbeit, die ärztliche Mission, ins Leben gerufen. Wie an der körperlichen Pflege der Eingeborenen, so arbeitet die Mission an ihrer Erziehung zu wissenschaftlicher Tüch­tigkeit. Sie ist sich klar darüber, daß das Christentum nur unter einer arbeitenden Bevölkerung Wurzel fassen kann, und darum hilft sie mit, einen tüchtigen Bauern- und Handwerkerstand auszubilden. In den höheren Lehranstalten werden die Schüler täglich zwei bis drei Stunden auf dem Felde beschäftigt. Neuerdings wer­den auch Versuche mit Gemeindeplantagen gemacht, die nicht nur zur finanziellen Entlastung der Eemeinde- kassen, sondern als Musterfarmen auch dazu dienen sol­len, den Eingeborenen Lust zum Ackerbau zu machen. Das sind bescheidene Anfänge, die aber große Zukunsts- möglichkeiten in sich bergen. Das beweist ein Blick auf die Goldküste: dort haben Basler Missionare die ersten Kakaobohnen eingeführt, und die eingeborenen Christen den Kakao bauen gelernt. Das Beispiel fand Nachahmung von Seiten anderer Eingeborener. Große Urwaldstrecken wurden allmählich gerodet: ein freier Bauernstand ist entstanden: die Produktionskrast der eingeborenen Bevölkerung hat sich in ungeahnter Weise gehoben und heute ist die Eoldküste das erste kakao­exportierende Land der Erde geworden. Sie hat im Jahre 1911 über 49 Millionen Kilo Kakao produziert! Wer weiß, ob nicht Kamerun mit seinem fruchtbaren Boden eine ähnliche Zukunft vor sich hat? Neben der Pflege der Landwirtschaft läßt sich die Mission die Her­anziehung von schwarzen Handwerkern angelegen sein. Vor 25 Jahren noch war man in Kamerun zum guten Teil auf Arbeiter angewiesen, die in den Werkstätten der Basler Mission auf der Goldküste ausgebildet waren: in Kamerun hat dann die Basler Mission bald eine eigene Handwerkerschule eröffnet. Dutzende von Lehr­lingen sind in ihr zu Schlossern und Schreinern heran­gebildet werden. (Forts, folgt.)

Stadt, Bezirk «nd Nachbarschaft

Calw. 27. Mai 19l3.

Aus dem Voranschlag des städtischen Haushalts für 1913. (V.)

Recht lehrreich nun lesen sich die Voranschläge der Städt. Betriebswerke. Wir beginnen mit dem Gas­werk, an dem hauptsächlich dere Ertrag vom Betrieb interessiert. Er beträgt im ganzen 73 890 -ll. Die Eas- abnehmer sind an dieser Summe mit 49 750 °4l beteiligt und zwar in folgender Weise: Nach Abzug des Gas­verlustes und des von der Eassabrik selbst verbrauchten Gases (3200 Kubikm.) bleiben an dem erzeugten Gas von 340 000 Kubikm. jährlich zum Verkauf 313 000 Kubikmeter. Davon sind auf Leucht- und Nutzgas be­rechnet 300 000 Kubikm. ä 16 Pfg. - 48 000 aus

Motorengas 13 000 Kubikm. zu je 15 Pfg. 1950 Als Erlös aus Materialien sind angegeben 13 460 -K und zwar bei einer Gesamterzeugung von 14 300 Ztr. Koks aus 22 600 Ztr. Kohlen mit 5 000 Ztr. Selbstver­brauch 9 300 Ztr. zum Verkauf bleibender Koks zu durchschnittlich 1.20 -K den Zentner 11160 °4l. An Geldeinnahmen aus dem Teeranfall sind 13 460 be­rechnet. Es ist angenommen ein Teeranfall bei 22 000 Zentner Kohlenverbrauch von rund 1100 Ztr., aus den Nebenprodukten sind 400 °4l Einnahmen vorgesehen. An Mietzinsen für Gasuhren 1800 cll, an Erträgen aus Installationen 8000 Die Summe der Einnahmen beträgt im Gaswerk überhaupt 75 495 ^l. Die Aus­gaben ergeben sich zunächst aus 8583 Kapitalschulden (die Erträge aus Kapitalvermögen sind l^40 ^t), dann aus 25 200 »ll für Materialien zur Easfabrikation. Darunter sind 22 900 -N für Lieferung und Beifuhr von rund 22 000 Ztr. Steinkohlen, 900 für Fuhr- löhne und Waggebühren für Koks und 1000 oll für Elektrizität zum Betrieb des Eassaugers und Teer­scheiders, der Koksbrechmaschine, Beleuchtung der Jn- nenräume, Zählermiete usw. Gehälter für das Be­triebspersonal sind 10 900 oll aufgewendet. Betriebs­werkzeuge, Jnventarstücke und Gasmesser verursachen 1500 oll Auslagen, Baukosten an den Gebäuden und Einrichtungen der Eassabrik 4500 oll, 1000 oll für Unter­haltung und Erneuerung ^er Haupt- und Nebenleitun­gen. Zu dem bisher an^., -nmelten Fonds von 27 000 Mark zum Zwecke größerer Anschaffungen von Appa­raten und Bauten werden in diesem Jahre 5000 oll gelegt. 8000 oll hoch ist der Beitrag an die Etadtpflege als Eehaltssammelklasse, 1200 oll betragen die Steuern und Abgaben. Summe der Ausgaben: 74 797 oll. Das Werk wirft nach dieser Aufstellung einen Ueberschuß von 698 -ll ab. Aus der dem Voranschlag beigegebenen Berechnung des verfügbaren Restvermögens auf 3l. März 1912 ergibt sich als Betrag der verfügbaren Restmittel des Gaswerks eine Summe von 8629.23 oll, welche, entsprechend einem Beschluß vom 30. Mai 1912, zur Bestreitung der Kosten bei Erweiterung der Haupt­leitung Vorbehalten ist. (Forts, folgt.)

Der Junglib. Verein Calw hielt gestern seine 9. ordentliche Generalversammlung ab. Aus dem durch den 1. Vorsitzenden, Techniker Roller, erstatteten Ge­schäftsbericht sowie dem anschließend vorgetragenen Kas­senbericht ging hervor, daß der Verein auch im abge­laufenen Geschäftsjahr speziell über die Zeit der Landtagswahlen ein sehr rege Tätigkeit entfaltet hat. Allgemein interessierende Referate belebten das Vereinsleben. Die Neuwahlen des Vorstandes ergaben keine wesentlichen Veränderungen. Ueber innere Ver­einsfragen entspann sich eine lebhafte Besprechung, an der sich außer dem Vorsitzenden Handelsschuldirektor scher, Stadtpfleger Dreher, Amtsgerichtssekretär Siber und Handelslehrer Staufs beteiligten. Nachdem Herr Siber dem verdienten Vorsitzenden Roller für seine um­sichtige Leitung des Vereins den Dank der anwesenden Mitglieder ausgesprochen hatte, schloß letzterer die an­egend verlaufene Versammlung.

X Vom Schwarzwaldverein. Etwa 4050 Per­sonen sammelten sich am Sonntag beim Bahnhof, um die geplante Tour über Kentheim, Hof Dicke nach Stammheim mitzumachen. Wohl meinte es die Sonne gar gut, doch fächelte manches Lüftchen auch wieder Kühlung zu. Von der Waldbrücke bei Kentheim gings bergauf aus der Straße zur Kohlplatte und zwar in gemütlichem Tempo, so daß auch ältere Herren und Frauen ohne zu große Anstrengung den Berg hinauf­brachten. Eine kleine Schar ließ es sich nicht nehmen, auf ziemlich steilem Pfad dasAlte Luder" zu ersteigen, von wo aus ein herrlicher Ausblick ins Nagoldtal auf- und abwärts, sowie auf den Wald hinüber für die Stra­pazen der Steigung entschädigte. Dieser kleinen Schar unter Führung von Hauptlehrer Letsch war noch Ge­legenheit gegeben, im Walde eine Zypressenkultur zu bewundern, gewiß etwas Seltenes in unserer Gegend. Bei derKohlplatte" trafen beide Teile zusammen.