M 116. Amis- und Anzeigeblati für den OberamtsbezirL Calw. 88. Jahrgang.

Zvk^siiiungswets«: Smal wSchentlich. vnzeiaenpret»: Im vberamt». SsgA Tslw für die einspaltige BorgiLzeile 10 Pfg-, außerhalb derselben 12 Pfg., HMsMen 26 Pfg. Schluß für Jnseratannahm« lO Uhr vormittags. Telefon g.

Donnerstag, den 23. Mai 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohu Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- bezugspreiS für den Orts- und Nachbarortsverkekr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.. in Bayern und Reich 42 Pfg.

Die Wehr- u.DeckuiWMlage in derBüdgetkMMlssion

Die am Dienstag wieder aufgenommenen Kom­missionsberatungen über die Wehr- und Deckungsvor­lage führten am Mittwoch in ihrer Fortsetzung zu einer Auseinandersetzung zwischen den Linksparteien und dem Kriegsmin. v. Heeringen. Die Sozialdemokraten wün­schen die Beseitigung der privilegierten Eliteformatio­nen, wie der Garde, die nur paradetüchtig sei und der militärischen Tüchtigkeit ermangele. Die Rechtsgrup­pen und der Kriegsminister sahen in dem sozialdemo­kratischen Antrag aber einen verfassungswidrigen Plan, und als Herr von Heeringen meinte, die Annahme des sozialdemokratischen Antrages bedeute die Unan­nehmbarkeit der Vorlage durch die Regierung, gab es einen Sturm bei den Fortschrittlern und den Sozial­demokraten. Der Antrag auf Beseitigung jeglicher Privilegien gewisser Truppenteile wurde schließlich ab­gelehnt gegen die Stimmen der Linken und der Elsäßer. Der Bassermann'sche Antrag, der sich gegen die Bevor­zugung des Adels in den Offizierkorps wendet, fand dagegen Annahme. Der Einspruch der Gegner hals nicht. Nach Bemerkungen eines polnischen Redners wurde die fortschrittliche Resolution angenommen, die den Reichs­kanzler ersucht, dafür zu sorgen, daß seitens der Mili­tärverwaltung Soldaten der Besuch einer Räumlich­keit nicht verboten werden darf, weil der Inhaber eine be­stimmte politische Ueberzeugung hat, oder Angehörigen einer politischen Partei seine Räume zur Verfügung stellt, es sei denn in der Zeit, in der politische Ver­sammlungen in dem Anwesen abgehalten werden. Nach kurzer Debatte wurde hierauf folgender Zentrums­antrag angenommen: Die Mannschaften des Beurlaub­tenstandes werden, soweit militärische und wirtschaft­liche Gründe es gestatten, in den Wintermonaten zu Hebungen eingezogen. Dann vertagte sich die Kom­mission auf Freitag vormittag.

Das Zentrum arbeitet recht fleißig in den Kom­missionen mit. Zn welchem Sinne aber, das zeigt sich au? den Berichten über die Verhandlungen und diese besagen von einer ziemlich ausfallenden Streichlust des Zentrums an den Forderungen der Regierung. So sind schon in der Dienstagssitzung weitgehende Streich­ungsanträge des Zentrums bekannt geworden, die so radikal aussehen, daß die Sozialdemokraten ihre Helle Freude daran haben müssen. Es sollen danach gestrichen werden: neben fünf Zntendanturräten und zwei Jn- tendanturassessoren in der Intendantur etwa 7500 Mann, d. i. die Hälfte der Neuforderung, ferner die Hälfte der 16 geforderten Kriegsgerichtsräte und der Hilsspersonen, sodann 1008 Leutnants und Oberleut­nants, nebst allen Konsequenzen, weiter sämtliche an­geforderten 13 Regimentskommandeure bei den Be­zirkskommandos, sodann 1044 Unteroffiziere, auch hier mit allen Konsequenzen. Neben der Resolution des Zentrums über eine Reform des einjährigfreiwilligen Dienstes im Sinne einer Erweiterung und Erleichte­rung der Zulassung spricht das Zentrum in einer wei­teren Resolution die Erwartung aus, daß die Beschaf­fung des Kriegsmaterials möglichst durch die reichs­eigenen technischen Institute erfolge. Die Anträge werden in den weiteren Beratungen verhandelt werden. Wenn der Reichstag am 27. Mai wieder zusammen- tritt, hat er, bevor er an die Titanenarbeit der Be­wältigung der Heeres- und Deckungsvorlagen, Peti- tionsberatungen und des Staatsangehörigkeitsgesetzes herangeht, noch das Gesetz über die Zugendgerichtsbar­keit und über den Verkehr mit Leuchtöl zu erledigen, vielleicht auch die Neuregelung der Konkurrenzklaufel zu ordnen. Wenn, wie der Kriegsminister seinerzeit zu Beginn der Budgetberatungen erklärte, die Wehr­vorlage bis Ende Juni verabschiedet sein muß im Inter­esse der rechtzeitigen Durchführung der darin geforder­ten Reformen und Verstärkung, dann bleiben dem Reichstag nur etwa 17 bis 20 Beratungstage übrig. Ob in dieser für die Milliardenmaterie verhältnis­mäßig kurzen Zeitspanne die Vorlage in einer die Re­gierung und das Volk befriedigenden Weise verabschie­det werden kann, bleibt allerdings abzuwarten.

Stadt. Bezirk und Nachbarschaft.

Calw, 22. Mai 1913.

Aus dem Voranschlag des städtischen Haushalts für 1913. (II.)

Gestern veröffentlichten wir eine Zusammenstel­lung der Summen, aus welchen sich die Einnahmen des Stadtpflegeetats ergeben. Heute soll ihr einzelnes über die Ausgaben folgen. Der TitelGe­meindevermögen" führt an Ausgaben für den Stadt­pflegehaushalt auf: 7030 -1l für Unterhaltung und Umbauten von städt. Gebäuden und für Sonstiges; 600 Mark für Bau und Pflanzung usw. aus Feldgrund­stücken und dergl. Die höchste Ausgabezifser sür städt. Grundstücke, nämlich 13 503 -K, sind sür die Waldungen angesetzt: Wirtschaftsführung und Waldhut mit 2653 Mark, Kulturkosten und Holzhauerlöhne mit 6700 -H, Anlage und Unterhaltung der Waldwege mit 3550 -R, Sonstiges 600 -R. Das Eeldvermögen ist mit einer Gesamtausgabe von 10 418 -1t belastet. Die Ausgaben unterSteuern und Abgaben" lauten auf 37 700 -1l Hier laufen als Hauptposten der Amtskörperschaftsum­lageanteil der Stadt mit 30 000 -1t, und die Verbrauchs­abgabe von Bier für Rückvergütungen usw. mit 4000 Mark, 1850 -1t bezahlt die Stadt Einkommen- und Kapitalsteuer für den Staat, 720 -1t Brandschadens­beitrag, 620 -1L Beitrag zur landwirtschaftlichen Be- russgenossenschaft, und 500 -1t Staatssteuer aus dem Ertragskataster der Gemeinde. Damit haben wir den TitelSteuern und Abgaben". (Einnahmen 25100 Mark). An erster Stelle unter den drei Haupt­titeln des Stadtpslegehaushalts steht mit den Aus­gaben dieGemeindeverwaltung". Es sind ausgesetzt für Besoldungen insgesamt 32 950 -1t. Dabei einbezo­gen sind die Gehälter der städtischen Beamten, des Rats­und des Amtsdieners, der Schutzleute, Eratiale an frühere städtische Angestellte oder deren Witwen, so­wie die Stellvertretungskosten sür beurlaubte Beamte.

Die Taggelder, Diäten und Reisekosten, einschließ­lich der Sitzungsgelder für die Eemeinderäte verur­sachen 1000 -1t Ausgaben, Kanzleikosten 3100 -1t; dar­unter 1400 -K für Schreibmaterialien, Druck- und Vuch- binderkosten und 1200 -H für Heizung, Reinigung und Beleuchtung. 400 -1t Auslagen ergeben sich aus Porti, Telegraphengebühren und Fernsprecheinrichtung, 5870 aus Pensions- und Versicherungsbeiträgen, einschließ­lich Pensionen, 1550 -1t beträgt die Jahresumlage der Pensionskasse sür Körperschaftsbeamte, während das Kameralamt Hirsau für den Einzug verschiedener Steuern 600 -1t vergütet bekommt. Für Arbeiterver­sicherungszwecke gibt die Stadt 2630 -1t aus. Der Posten setzt sich aus 1500 -1t sür städtische Bedienstete und Arbeiter, aus 800 -1t für städt. Holzhauer und Kultur­arbeiterinnen in der Hauptsache zusammen. Das Ar­menwesen verlangt 3150 -1t, worunter der 3000 -1t hohe Zuschuß der Stadtkasse an die Sonderverwaltung der Hospital- und Armenpflege. 2663 -1t Ausgaben sind angegeben unter: Bau- und Feuerpolizei; hier finden sich Posten für Ausrüstung, Geräte und Hydranten der Feuerwehr von 1000 -<t aus der Feuerlöschkasse, ein fester Betrag von 300 -1t an die Freiw. Feuerwehr und von 500 -1t für Eebäudeeinschätzung. Große Summen beansprucht der Titel Erziehung und Bildung. Allein für die Volksschule sind ausgeführt 43 900 -1t, sür das Realprogymnastum 37 037 -1t, während die Gewerb­liche Fortbildungsschule mit 6272 -1t Ausgaben, die Frauenarbeitsschule mit 5363 -1t eingeordnet sind und das Eeorgenäum mit 2350 -1t. Den 45 021 -1t Ein­nahmen ausErziehung und Bildung" stehen Aus­gaben gegenüber 95 543 -K. Für Eesundheits- und Wohlfahrtspflege sind in diesem Jahre verfügbar 8876 Mark. Darunter finden sich zunächst die Gehälter der Fleischbeschauer, die 1. Rate von 1000 -1t zum Neuauf­bau der Badeanstalt, 3500 -1t für Latrinenentleerung.

Gewerbe, Handel und Verkehr erheischen 950 -1t: u. a. 350 -1t Beitrag an die Handwerkskammer Reutlingen, 450 -1t für Märkte und die Fruchtschranne. Dann folgte eine Summe von 1690 -1t Ausgaben für Land-

und Forstwirtschaft, wovon auf die Farrenhaltung 820 Mark kommen und sür Feldschutz 700 -1t. Für Rechts­pflege sind 320 -1t, davon 300 -1t für Vermessung und Vermarkung, vorgesehen; für Sicherheitspolizei 110 -1t. Aus 1200 -1t kommt der Aufwand sür die Stadtmusik und 44 070 -1t sind sür Straßen und Wege bereitgestellt. Unter dieser Summe finden sich 6800 -1t sür die Löhne der städt. Arbeiter, 8740 -1t sür Pflasterarbeiten, 3050 Mark für Straßenmaterial, 6500 -1t für Straßenbeleuch­tung, 4500 -1t sür Erbauung neuer Straßen und Wege, 2390 -1t an die Oberamtspflege für die Unterhaltung der Nachbarschaftsstraßen. Das sind die wesentlichen Posten des städt. Haushalts für 1913. Einnahmen er­geben sich, wie bekannt, 180 364 -1t, Ausgaben 281491 Mark. Ueber die Deckung des Abmangels haben wir in Nr. 111 des Calwer Tagbl. berichtet. (Forts, f.)

Eine Erklärung. Zu der in Nr. 109 des Calwer Tagblatts veröffentlichten Notiz über 13 Unfälle, die sich hier anläßlich des Verbandstags des Schwäbischen Athlethenverbandes ereignet haben sollen, schreibt der erste Vorsitzende des Verbandes, Herr Karl Mangold, daß die beim Feste in Anspruch genommene Sanitäts­kolonne die Fälle wohl schlimmer dargestellt habe, als sie tatsächlich waren. Mangold war 2 Tage zugegen, hat aber keine Beinbrüche gesehen und begreift nicht, daß man von 13 Unfällen sprechen kann. Es sei eine leichte Achselverstauchung vorgekommen und eine leichte Rippenquetschung. Was den Familienvater von 12 Kindern betrifft (worüber in andern Blättern zu lesen stand, d. Red.), so vermutet Herr Mangold, daß es sich um einen Mann handelt, der nur eine Fa­milie von 4 Kindern besitzt; auch dieser habe keinen Unfall erlitten, sondern nur beim Stemmen an seinem Fuß wieder Schmerzen bekommen, an dem er vor zwei Tagen in seinem Beruf verunglückt war. Kleine Un­fälle kommen bei jedem Athletenfest vor, aber häufig sind sie nicht der Athletik selbst, sondern andern Ur­sachen zuzuschreiben.

ep. Kirchl. Feie« der vaterländischen Gedenktage im Zahre 1913. Die Erinnerung an das Jahr 1813, sowie das Regierungsjubiläum des Kaisers, soll auch in der ev. Landeskirche begangen werden. Unter Hin­weis auf die sittlich-religiöse Wiedergeburt unseres Volkes in der Zeit der Befreiungskriege und auf die fortschreitende Wohlfahrt unter der Regierung des Kaisers, werden in einem Konsistorialerlaß gemäß kgl. Entschließung vom 23. April d. I. darauf bezügliche Bestimmungen getroffen. Am 15. Juni d. I. soll beim Morgengottesdienst in der Predigt und im Schlußgebet aus das Regierungsjubiläum des Kaisers in angemesse­ner Weise Bezug genommen werden. Das Gedächt­nis der Befreiungskriege soll am 19. Oktober gefeiert werden. Es ist ein besonderes Gebet für diesen Ge­dächtnisgottesdienst bekannt gegeben.

Verschönerungsverein. Nun sich wieder Wald und Flur mit frischem Grün geschmückt hat, wo es die Menschen wieder hinauszieht aus der Stuben Enge, ruft der Verschönerungsverein Calw seine alten Freunde auf und bittet um gnädiges Gehör, wenn in den nächsten Tagen der Klingelbeutel umgeht. Der Bedürfnisse sind so viel, aber alles kostet viel Geld. Insbesondere die Durchführung der steinernen Bänke, die auch der Zerstörungswut in der Umgegend trotzen, macht erhebliche Ausgaben, aber auch erfreuliche Fortschritte. Wir hoffen trotz der vielen sonstigen freiwilligen Abgaben mit Rücksicht auf den guten und allgemeinen Zweck auf einen reichen Eeldsegen.

b. Naturschutz und Reklame. Der Württem- bergifche Landesausschuß für Natur- und Heimat­schutz hatte in der April-Nummer seinerMittei­lungen" zum Reklamewesen u. a. auch den Wort­laut seines Gutachtens über die Beschwerde einer Firma wegen der Anordnnug der Entfernung ihrer Reklamezeichen veröffentlicht. Das Ministerium des Innern, von dem der Landesaußfchuß um seine gut- sichtliche Aeußerung ersucht worden war, hat nun-