Zur Krise der deutschen Landwirtschaft
Vvn Wirkt. Geheim. Rat Oberpräsideut a. D.
Dr. h. c. von B atocki-Bledan (Ostpreußen).
In der Landwirtschaft, vom Kleinbanernhof bis znm Großbetrieb, bilden die Kosten der menschlichen Arbeitskräfte den Hauptfaktor der Produktionskosten. Die sonstigen Grirp- pen der Kosten (Unterhaltung der Zugtiere, Geräte und Gebäude, Kunstdünger, Betriebsstoffe usm.) treten gegenüber diesem Faktor an Bedeutung zurück. Zinsen des Kapitalivcr- tes des landwirtschaftlich genutzten Bodens kommen als Teil der Produktionskosten in großen Teilen Deutschlands, insbesondere Ostdeutswlands, heute überhaupt nicht in Frage, weil hier der Kaufpreis und die Rente im allgemeinen nicht einmal den Wert des Inventars, der stehenden oder einge- brachten Ernte und der Gebäude decken, der zu einem Betriebe gehörige Boden also keine» Verkaufs- oder Rentenwert hat und demgemäß nicht verzinst zu werden braucht.
Der für eine bestimmte Produktion erforderliche Aufwand an menschlicher Arbeit kann in der Landwirtschaft durch Rationalisierung der Arbeitsgeräte »nb Arbeitsmethoden nicht annähernd in dem Maße herabgedrttckt werden ivie in der Industrie. Die landwirtschaftliche» Erzeugungskosten in Deutschland einerseits und tn den angrenzenden ausländischen Agrargebieten andererseits hängen also wesentlich von den Preisen der menschlichen ArbeitSleisUurg, b. h. hier wie dort von den Ansprüchen der landarbeitenden Bevölkerung an Lebenshaltung und Einkommen ab, wobei hier wie dort die Zahl der mit ihren Angehörigen selbst diese Stelle bearbeitenden Bauern die der Lohnarbeiter bei weitem überwiegt. In den Nachbarstaaten Deutschlands stehen die Lebenshaltung der Bevölkerung und demgemäß die Einkommensansprüche der Bauernfamtlten und die Lohnansprüche der Landarbeiter gegenüber den deutschen Verhältnisse» außerordentlich tief. Der Produkttonsfaktor „menschliche Arbeitskraft" ist dort also außerordentlich billig. Unsere rationellere Bctriebsfüh- rung reicht in Verbindung mit dem bestehenden Zollschntz nicht annähernd zum Ausgleich dieses Unterschiedes aus. Die Landwirtschaft tn den Teilen Deutschlands mit dichter und kaufkräftiger Bevölkerung findet einen weiteren Ausgleich tn dem sehr aufnahmefähigen örtlichen Absatzmarkt ihres Bezirkes,' deshalb tritt hier die landwirtschaftliche Krisis weniger scharf auf. Den dünn bevölkerten agrarischen Ueberschuß- gebicten in Ostdeutschland fehlt der nahe Absatzmarkt. Ja, Ostpreußen hat zu diesem einen weiteren Weg als die konkurrierenden polnischen Gebiete. Darum ist hier die Agrarkrise besonders bedrohlich.
Wenn sie bisher noch nicht zum Zusammenbruch der landwirtschaftlichen Erzeugung in de» Hauptkriscnbezirkcn geführt hat, so liegt das au der Schvllentrene der selbstarbei- tcnöcn Bauern und ihrer Angehörigen, die seit Jahren, um den Wettbewerb der elend lebenden und deshalb billig produzierenden polnischen und litauischen Bauern zu bestehen, ihre Lebenshaltung weit unter die der deutschen Jndustrie- arbeiterschaft herabgebrückt haben, und dann, daß auch die Landarbeiter sich vorläufig mit für deutsche Verhältnisse geringen Löhnen begnügen. Auf die Dauer ist dieser Zustand aber weder für den Bauern und seine mitarbeitendcn Angehörigen noch für die Landarbeiter tragbar. Sic haben Anspruch darauf, wenigstens annähernd ebensoviel zu verdienen und ebensogut zu leben wie die übrigen Deutschen ihrer sozialen Gruppe, und sie werben in einer größeren Zahl abwandern, wenn sie das nicht in absehbarer Zeit erreichen. Das gilt, waS oft vergessen wird und darum nochmals betont sei, von den Bauern und Siedlern und deren mithelfenben Kindern genau so wie von den Landarbeitern.
(2. Fortsetzung.)
Weller war oorausgeeilt, Ulrich folgte langsam und blickte um sich, den alten Bildern, die die Wände des langen Flurs schmückten, zunickend, als ob er fragen wollte: ..Seid ihr auch noch da?"
Da kam etwas Langbeiniges, Schwarzes, einhergeschossen, um mit tiefer Verbeugung vor Ulrich stehenzubleiben. „Darf ich mir iubmissest erlauben, dem Herrn Grafen den alleruntertänigsten Willkommen darzubieten."
Das kalte Auge Ulrichs ruhte forschend auf der servilen Kreatur, die sich vor ihm wand ..Ihr Name?"
„Nur Magister Moulin. Eure gräfliche Gnaden."
„Franzose?" klang es kurz zurück
«Elsässer, Herr Gras. Ich lehre die Dorfjugend."
„Sorge Er dafür, daß unsre Kinder die Muttersprache ordentlich lernen, Herr Müller, das ist die Hauptsache." Die Augen Ulrichs blitzten
„Zu Befehl. Herr Graf." Der Magister schoß weiter der Treppe zu und war verschwunden.
„Moulinl Wir sind weit gekommen, was Weller?" sagte er zu dem Diener, der ihm meldete, daß der Großvater ihn erwarte.
Hochaufgerichtet stand Graf Rother mitten in dem Zimmer, gestützt auf seinen Krückstock.
„Junge-mein lieber, lieber Jungei"
„Großvater, da hast du mich wieder heil an allen Gliedern "
Sie lagen sich in den Armen — die Augen wurden feucht
„Hot man nun genug vom Reifen? — Wie? — Wird man nun endlich hübsch zu Hause bleiben?-Die Samm
lungen ordnen und gelehrte Bücher schreiben? — Was?"
„Und heiraten? — — — Wie?" Ulrich lachte wieder sein Helles Lachen. Es war, als sei der weite Raum mit Len tiefen Fensternischen plötzlich voller Sonnenstrahlen.
„Laß dich anschauen, Ulrich." Der Alte schob ihn von sich. „Ich glaube, du bist noch gewachsen. Tut das der junge Ruhm? So jung schon Doktor licinoi is onnsa "
„Sie taten es nicht anders, aber ich will ehrlich fein, mich
Gegen die in solcher Entwicklung liegenden schweren nationalen und wirtschaftlichen Gefahren schützt weder eine Aenderung der Besitzverteilung noch die vielgepriesene Standardisierung der Erzeugnisse. Die städtische Bevölkerung Deutschlands empfindet die Agrarnot heute noch nicht, son- , dein fühlt sich bei dem jetzigen Zustande ganz wohl. Das I bauert aber nur so lange, als sie mit in Amerika geborgtem !
Gelb billig Anstandswaren kaufen kann. Wenn die Ausländsanleihen aufhören sollten, ehe die Agrarkrise in der Uebcrschnßgebtcten Ostdeutschlands überwunden ist, so wir, es die städtische Bevölkerung durch schwerste Not büßen müi sen, daß eine rechtzeitige Hilfe für die Kriseugebietc versäum wurde. Wer solche Hilfe fordert, handelt also zum Besten de- gcsamten Volkes.
Schattenbilder
In der brandenburgtschen Nenmark, dicht bet Küstrtn, liegt das Städtchen Sonnenburg. Oestlich vor der Stadt liegt ein großes Zuchthaus, in dessen Mauer» sich mehrere „berühmte" Gäste aufgehalten haben. Dennoch wäre Donnenburg wohl kaum zu einem allgemeinen Ruhm gelangt, wenn sich innerhalb dieser Mauern nicht Vorgänge abgespielt hätten, die zn denken geben. Die Insassen des Zuchthauses scheinen unter einer sehr nachgiebigen Leitung ihre „Freiheiten" stark mißbraucht zu haben,' als ein Wechsel der Direktion diese Auswüchse beschnitt, rächten sich die Insassen dadurch.
auS Sonneuburg
daß sie gegen fast alle Beamten Anzeige erstatteten, daß sie mit ihnen unter einer Decke gesteckt und an Betrügereien teilgenommen hätten. Wieviel davon wahr ist, wieviel aus bas Koirto der Nachsucht zu sehen ist, muß die Gerichtsverhandlung ergeben, die sich augenblicklich in Sonnenburg abspielt.
-»
Unser Bild zeigt den Jnnenraum der Sonnenburger ZuchthauSktrche, der als Gcrichtssaal hergerichtet wurde. Im Vordergründe ein Teil der Angeklagte».
Das landwirlschaflliche Erziehungswesen in Preußen
Das preußische Ministerin«» für Landwirtschaft, Domänen und Forsten hat eine neue Denkschrift über das landwirtschaftliche Bildungsmesen in Preußen herausgegebe».
Die Denkschrift betont zunächst, daß Preußen ein Bauernland ist, in dem nahezu 75 A der landwirtschaftlich genutzten Fläche vom Kleinbauern bewirtschaftet werden. So ist der Bildungsgang des Bauern stark in den Vordergrund gerückt. Für die Volksschule, die für die große Masse der Bauern die eigentliche BilönngS- und Erziehungseinrichtung ist, betont die Denkschrift die Notwendigkeit, tn Naturkundeunterricht die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Landwirtschaft zu vermitteln, in den übrigen Fächern durch lebensnahe Wissensgebiete das Interesse des Landes zu wecken und für den späteren Beruf wertvolle Hilfe zn geben. Daraus ergibt sich die Wichtigkeit der Heranbildung lanb- und naturverbundener Volksschullehrer. An Sen Fortbildungsschulen ist die Errichtung landwirtschaftlicher Fach- klaffeu und die Durchführung der daraus sich ergebenden notwendigen Reformen in der Heranbildung und Bereitstellung voil Lehrkräften, die gesetzliche Regelung der allgemeinen Schulpflicht und der Finanzierung der Fortbildungsschulen zu fordern. Weiter stellt die Denkschrift fest, daß bei bisherigen Wiutcrschulen, die als Fachschulen für die Söhne bäuerlicher BetriebSinhaber der Betriebsgrößen von 5 Ha.
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hat es gefreut. Nun bin ich ein simpler Doktor Rother geworden."
„Ich glaube, du wärest imstande-"
„Mich so zu nennen. Großvater? Natürlich! Es paßt zu unsrer Armut besser wie der stolze Grafentitel."
„Schilt mir das Alte nicht."
„Im alten Preußen war der Graf ein Ehrentitel. In dem heutigen aber — — — Warum hast du in unserm Dorf einen Magister Moulin zum Lehrer der Jugend gesetzt?"
„Hast du schon die Bekanntschaft des Schleichers gemacht? Höherer Befehl, Junge, da heißt es sich fügen. Noch haben sie die Macht."
„Noch!"
„Bringst du Neues?"
Die kräftigen Stimmen sanken zum Flüstern hinab. Der Schloßherr sah schon wieder im bequemen Lehnstuhl, und der Enkel hatte sich einen Stuhl herangezogen. -
„Also heute Nacht? Da kam ich gerade zur Zeit Helm." „Der Wassermüller ist der treuesten einer. Und daß du das gleich weißt, er freit um die Rose."
„Um das junge Kind?" stieß Ulrich hervor. Ein.- Helle Röte flog über seist schönes Gesicht bis tn die reiche Fülle seines leicht gelockten Blondhaares hinein. Er konnte seine deutsche Herkunft nicht bergen.
„Es ist ein Glück für die Rose, in den Schutz eines braven tüchtigen Mannes zu kommen. Sie ist sehr schön, und Vie l Zeit ist folchen jungen Kindern gefährlich. - - . j
und darüber hinaus zu gelten haben, tn den letzten Jahren ein Stillstand wahrzunehmen ist. Staatliche Hilfe müsse dem Bauernsohn den Besuch erleichtern. 57 Landkreise haben noch keine landwirtschaftliche Schule. Eine Erhöhung der staatlichen Unterstützungen sei notwendig. Auch für dir Ackerbauschulcn mit zweijährigem durchlaufendem Unterricht ist festznstellen, daß angesichts der höheren Aufwendungen für den zweijährigen Schulbesuch die Entwicklung augenblicklich stagniert. Bei den Bauernschulen, die nicht fachliche, sondern im wesentlichen allgemeine Ziele der Persönlichkeitsbildung verfolgen, wird die staatliche Unterstützung dieser bisher nur als freie Gründungen bestehenden Organisationen verlangt. Für die höheren Lehranstalten für praktische Landwirte, deren Entwicklung im Fortschreiten ist, hebt die Denkschrift die Bedeutung des Vorhandenseins ausreichender Versuchsseldflächen und Versuchsgüter hervor. Weiter werden ausreichende Mittel für Privatdozenten gefordert.
Zum Schluß hebt Sie Denkschrift noch die Bedeutung der hallswirtschaftlichen Schulen auf dem Lande hervor.
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„Erst siebzehn alt!" klang es vom Fenster her, an deiy Ulrich abgewandt stand. Die Augen des Großvaters tagen mit unbequemer Frage auf ihm
Ich werd' noch heute mit dem Oltmann sprechen und dm Freiwerber machen, dachte der Graf. Sonntag soll der Br- spruch sein.
Die Mamsell blickte hinein und meldete: „Der Diener d»» Herrn Doktor ist mit dem Gepäck eingetroffenl"
„Ich komme. Christine, sagen Sie Haase bitte, daß er da» Nötigste auspackt Ich bin doch noch in meinem alten Zimmer im Turm, Großvater?"
„Natürlich, mein Junge, aber sage mal." fuhr er fort,.als die Mamsell verschwunden war: „Christine und Sie und die
Mamsell mit ihrem Herrn Doktor-Wir wollen l och
hier in der Burg am alten Brauch festhalten."
„Erlaube mal. Großvater." Ulrich legte dem Grollend«« besänftigend die Hand auf die Schulter. „Die neue Zeit hat aus den Hörigen Freie gemacht. Stein sei darum gesegnet und auch wir sind ihm Gehorsam schuldig."
„Den Teufel soll er dafür gesegnet sein! Auch den Städtern ichwillt der Kamm bei den neuen Gerechtsamen. Wo bleibt da der Respekt?"
„Respekt vor den Herren, die es so eilig hatten, vor dem Korsen zu katzbuckeln? Fluch über die erbärmlichen Feiglinge und Baterlandsverräter, die Rheinbundfürsten, Fluch über die preußischen Generäle, die ohne Schwertstreich dit Festungen übergaben. Ich sage dir, ich habe Augen uni Ohren ausgemacht, seitdem ich wieder im Lande bin "
„Ich glaube es, mein Junge, der Ekel steigt einem bis in
den Hals, daß man ausspucken möchte vor der Bande.-
Und doch!"
„Was. Großvater?"
„Unsre Sache marschiert!"
„Vorläufig werden Preußens Söhne unter dem Korsen nach Rußland hineinmarschieren."
„Wer sagt das?" Graf Rother stand plötzlich da zu seiner ganzen Größe emporgereckt.
„Man munkelt davon. Großvater. In Berlin hört man viel"
„Daß man als alter Krüppel aus seiner Burg sitzen muß," klagte der Schloßherr und brach wieder aus seinem Lehnstuhl zusammen.
„Mir ist keine Kunde davon geworden."
„Stein ist außer Land und der Korse ist mächtiger als je."
Die Faust des Alten fuhr wuchtig auf den Tisch. „Und dennoch, mein Junge, unsre Sache marschiert. Vielleicht erfahren w«r Neue» zur Nacht."
(Fortsetzung folgt.) .