der Belagerten auf den Gedanken, der auch emsig in Gestalt von falschen Nachrichten in der Welt verbreitet wurde, daß der Abzug der Serben die Montenegriner nicht wesentlich in Verlegenheit gebracht habe. Er eröffnete daher am Dienstagmorgen aufs neue die Verhandlungen und erklärte sich bereit, gegen freien Abzug der Besatzung einschließlich der Artillerie Skutari zu übergeben. Dieser Vorschlag wurde angenommen, und Essad Pascha marschierte mit seinem Heere nach dem 75 Kilometer südlich von Skutari und etwa 30 Kilometer westlich von Durazzo gelegenen Tirana ab, und die Montenegriner konnten als Sieger in Skutari einziehen. Die beschwindelten Berichterstatter aber, die von 3000 gefallenen Montenegrinern und 5000 gefallenen Türken und Albaniern in gutem Glauben an ihre Blätter telegraphiert hatten, durften sich wieder einmal die praktische Lehre zu Herzen nehmen, dag auf der Valkanhalbinsel und besonders auch in diesen Gegenden noch ebenso tapfer gelogen wird wie in altersgrauer Vorzeit, als der göttergleiche Achilleus die Myrmidonen, die Vorväter der heutigen Albanier, beherrschte und der göttergleiche Odysseus auf Jthaka Hof hielt.
Stadt» Bezirk und Nachbarschaft
Calw, 28. April lN3.
—?— Oesfentlich? sozialdemokratische Versammlung. Die am Samstag abend 8 Uhr im Badischen Hof von der Sozialdemokratie einberufene öffentliche Versammlung, in welcher Landtagsabgeordneter E. Reichel aus Stuttgart über die Wehrvorlage sprechen sollte, war etwas schwach besucht. Nach einer kurzen Begrüßungsansprache durch den Vorsitzenden ergriff der Referent das Wort und leitete seinen Vortrag mit einem kurzen Rückblick auf den Balkankrieg ein. Die Sozialdemokratie habe stets in dem Sinne gewirkt, dem Volke den Frieden zu erhalten; wenn auch von anderer Seite aus die Meinung herrsche, die lange Friedenszeit verweichliche, so sei dies nicht der Fall. Vor der letzten Reichstagswahl habe die Partei schon erklärt, daß mit der damaligen Erhöhung von 11000 Mann noch nicht abgeschlossen sei, was jedoch von liberaler und konservativer Seite aus als aufhetzerisch erklärt wurde. Mit einer solch großen Vorlage habe jedoch die Sozialdemokratie nicht gerechnet und die jetzige Vorlage überschreite das Maß alles bisher Dagewesenen. Die Partei habe mit ihrer Prophezeihung doch Recht behalten, trotzdem im Jahre 1911 die Heeresvorlage damit verabschiedet wurde, daß die Friedenspräsenzstärke bis 31. März 1916 bestehen bleiben soll, da für genügende Sicherheit gesorgt sei. Die Sozialdemokratie gibt zu, daß gegenwärtig Gefahren verschiedener Art vorhanden sind und sie will das Vaterland nicht wehrlos machen. Die Forderungen von einer Milliarde Mark einmaliger Abgabe und 55 Millionen fortlaufender Abgaben sind für die Daseinsbedingungen des Bürgers und das wirtschaftliche Leben von tief einschneidender Bedeutung. Daß die Beziehungen zu England wesentlich besser geworden sind, sei erfreulich, aber seit Marokko haben sich die mit Frankreich dank unserer Diplomatie zugespitzt, auch die fortwährenden Rüstungen haben beide Länder veranlaßt, weiter zu rüsten; deshalb wäre die Frage angezeigt, ob diesen nicht ein Ziel gesetzt werden könne. Der Redner ist sich jedoch bewußt, daß die Einschränkung der Rüstungen auf den Tagesordnungen der Parlamente Schwierigkeiten mit sich bringt. Der amerikanische Präsident bzw. Staatssekretär hat sich auch für Schiedsgerichtsvertretungen ausgesprochen und so wünscht der Referent, für die sozialdemokratischen Friedensgedanken Propaganda zu machen, um Anhängerschaft zu gewinnen. Bezüglich der Deckungsmittel ist es der Sozialdemokratie zuzuschreiben, daß nicht die Lasten wieder dem armen Manne auferlegt werden. Die Partei wird alles daransetzen, daß die großen Vermögen abgestuft herangezogen werden. Auch bezüglich der Steuerfreiheit der Fürsten steht die Partei auf dem Standpunkt, daß diese auch zu der Deckung herangezogen werden müßten, jedoch nicht in der Form eines freiwilligen Beitrags, sondern entsprechend der Höhe des Vermögens. Die Matrikularbeiträge von 80 auf 1,20 bis 1,25 -4l pro
falls gefangen waren. Dem Gouverneur Marquis de La- poype hatte der Pöbel Lei seiner Ueberführung von der Sakristei der Schloßkirche in das Rentamt übel mitgespielt und ihn mit Kot und Unrat beworfen, hatte er sich doch durch Härte und Roheit während der Belagerung bei allen Bürgern verhaßt gemacht. Von Boisdehstre erfuhren Hans und Bosquet, daß Soulard bei der Flucht vom Wall durch eine preußische Kugle niedergestreckt worden sei und in einem der Zimmer des Schlosses läge. Sie beschlossen, nach Erledigung der Formalitäten auf der Kommandantur, den Verwundeten aufzusuchen.
Sie fanden ihn in einem geräumigen Gemache liegen, das noch drei blessierte französische Offiziere mit ihm teilten. Auf einem Feldbett, in blutige Tücher gehüllt, gelb, fast wie tot, ruhte er ausgestreckt da. Die Blässe des wächsernen Gesichts wurde noch durch die Schwärze der krausen Haare gehobenste feucht an den eingefallenen Schläfen klebten. Der gerade anwesende Chirurg meinte kopfschüttelnd: „Wird nicht mehr. Hat Schuß durch Unterleib. Rückgrat verletzt, Gedärme zerrissen."
Soulard schien schon mehr einer anderen Welt anzugehören, und die Erinnerungen zogen wie quälende Schatten und Träume an seiner Seele vorüber. Er ächzte angstvoll: „O, mon Dieu! Je suis un grand pöcheur!" Und fortfahrend, wie sich die Bilder in rasender Eile an seinem geistigen Auge vorüberhetzten, klagte er sich an des Betruges an Lieferungen. Tausende von Kranken und Verwundeten
: Kopf zu erhöhen, finde keinen Anklang, da dadurch unser ! württembergischer Landtag z. B. gezwungen werde, auch wie- l der neue Steuerquellen zu suchen; dagegen sei die Reichserbschaftssteuer auszubauen. Durch den Entzug von 1 Mil- ! liarde Mark gehe der Volkswirtschaft eine gewaltige Summe : verloren, welche bei den gegenwärtigen Kreditverhältnissen eine weitere Steigerung des Zinsfußes nach sich ziehen werde, so daß künftighin höhere Zinsen bezahlt werden müßten. Auch der Entzug von über 100 000 fleißigen Männern ist ein kolossaler Aufwand, da diese keine produktive Arbeit leisten können und der Gesamtheit der übrigen Volksgenossen anheimfallen. Mit dem Wunsche, den Bestrebungen der Sozialdemokratie, wenn auch hier in kleiner Zahl, treu zu bleiben, schloß der Referent seinen über eine Stunde dauernden Vortrag.
8t. Von der Bahn. Am Himmelfahrtsfest fährt der Vorzug 850 Stuttgart-Hauptbahnhof—Calw, Stuttgart ab 5 Uhr 22 Min. vormittags, in Korntal, Ditzingen und Höfingen durch.
8t- Neue Postverbindungen auf den Landstraßen. Ab 1. Mai werden neu eingeführt werden: eine weitere tägliche Kraftwagenfahrt zwischen Nagold und Herrenberg; ein werktäglicher Postbotengang zwischen Neubulach und Teinacher Bahnhof. Zur.Postbeförderung benützt werden vom 10. Mai bis 15. September: die beiden Privatkraftwagenfahrten zwischen Gernsbach und Herrenalb; eine Privatkraftwagenfahrt von Herrenalb nach Wildbad und zwei Privatkraftwagenfahrten von Wildbad nach Herrenalb unter Wegfall der Personenpost zwischen Herrenalb und Gernsbach und zwischen Herrenalb und Neuenbürg.
8cb- Mutmaßliches Wetter. Für Dienstag und Mittwoch ist noch veränderliches, aber vorwiegend trockenes und warmes Wetter zu erwarten.
8t- Würzbach, 26. April. Dem Hauptlehrer Krautter von hier ist eine ständige Lehrstelle in Welzheim übertragen worden.
8t- Vreitenberg, 26. April. Die Bewerber um die hiesige ständige Lehrstelle haben sich bis zum 17. Mai beim König!. Evangel. Oberschulrat zu bewerben.
8t- Eechingen, 26. April. Die hiesige evangelische Pfarrei ist dem Pfarrer Erundgeiger aus Mähringen, Dekanats Ulm, übertragen worden.
Wildbad, 28. April. Bei einem gestern hier niedergegangenen Gewitter traf der Blitz auf der Straße zwischen Calmbach und hier die 17jährige Tochter des Bauunternehmers Kiefer von Calmbach. Das Mädchen wurde betäubt und seine Kleider versengt. Durch ärztliche Hilfe kam es wieder zu sich. — Auch in Engelsbrand schlug der Blitz in das Wohnhaus des Waldarbeiters Christoph Förtsch- ler und zündete, so saß es zum Teil abbrannte. — In Enzberg schlug der Blitz in das Haus des Etuimachers Tumm, ohne bedeutenden Schaden zu hinterlassen.
Württemberg.
Stuttgart, 26. April. Die Zweite Kammer befaßte sich in ihrer heutigen Sitzung immer noch mit dem Justiz - etat, und zwar zunächst mit einer Eingabe der Notariatskandidaten und Schaffung weiterer Eerichtssekretärstellen und um Schaffung gehobener Stellen. Der Finanzausschuß hatte die erste Forderung der Regierung zur Berücksichtigung, die zweite zur Erwägung empfohlen. Schließlich wurde nach Inständiger Beratung entsprechend einem Antrag des Abg. Scheef (Vpt.) die Berücksichtigung beider Forderungen beschlossen. Im weiteren Verlauf der Beratung kamen zahlreiche Einzelwünsche zur Sprache. Unter anderem wurden 17 neue Amtsrichterstellen bewilligt. Der Justizminister betonte die Notwendigkeit, den Gerichtsassessoren Gelegenheit zur praktischen Mitarbeit am Erundbuchwesen zu geben. Er versprach, in Erwägung zu ziehen, ob den Gemeinden nicht gestattet werden kann, die ihnen von den Grundbuchämtern gemachten Mitteilungen zu veröffentlichen, sofern die
seien gestorben, weil er das Verbandszeug und die Arznei nicht oder schlecht geliefert habe; Tausende von Soldaten seien fast verhungert oder erfroren, weil er die Lieferungen wohl auf dem Papier, aber nicht tatsächlich ausgeführt. Er habe seinen Kaiser und sein Volk betrogen und bestohlen um dreißig Silberlinge, wie Judas einst seinen Herrn. Dann folgten wieder andere Bilder, wüste und blutige aus der Zeit der Schreckensmänner und der Herrschaft der Guillotine. Er ist in Nantes, er sieht, wie auf Befehl Carriers die gefangenen Chouans und Royalisten, Männer, Frauen und Kinder, mit Kartätschen niedergeschmettert oder in dem Wasser der Loire ertränkt werden. Und dann stößt er einen Namen hervor, dessen Klang den Obersten de Bosquet erbeben macht. Hans konnte nur so viel verstehen, daß er von einem jungen Mädchen, Polanthe, sprach, und daß er ausrief: „Warum schwimmst du dort, wo so viele vor dir in die Tief sanken? Ach, wie weiß und still du bist in dem langen Gewände, gewiegt von den schlammigen Wellen! Polanthe, o, vergib deinem Mörder!"
Marquis de Bosquet hatte sich anscheinend abgewandt, seine Zähne knirschten hart aufeinander. Dann ergriff er den Arm seines jungen Begleiters und sagte finster: „Er hat recht, er ist ein großer Sünder, er wird bald vor seinem Richter stehen! Kommen Sie, wir haben hier nichts mehr zu tun!" —
Der alte Rentier Lange war still eingeschlafen und wurde auf dem Friedhof neben dem Grabe seines Freundes
Beteiligten eine solche Veröffentlichung nicht vorher untersagen. Zum Kapitel Verwaltung der Strafanstalten regte der Abg. Bolz (Ztr.) im Interesse einer Ersparnis von jährlich 40 000 -4t die Aufhebung des Zellengefängnisses in Heilbronn und seine Vereinigung mit Hall und Rottenburg an. Der Minister versprach, die Angelegenheit zu prüfen. Durch die Neubauten würde sich ein Aufwand von 150 000 -4l ergeben. Der Abg. West meyer (Soz.) sprach, wie er sagte, aus eigener Erfahrung, als er in ziemlich temperamentvoller Weise die Verhältnisse in den Gefängnissen, namentlich die leibliche und geistige Kost, bemängelte und den Grundsatz aufstellte, der Gefangene müsse das Gefängnis so verlassen, wie er hineingekommen sei. Der Justizminister v. Schmidlin erwiderte, es sei nicht der Zweck des Internats, daß den Gefangenen beim Anblick der Speisekarte das Wasser im Mund zusamenlaufe, und der Inhalt der Ee- fängnisbibliotheken harmoniere natürlich auch nicht mit sozialdemokratischen Anschauungen. Eine persönliche Zuspitzung erfuhr die Debatte, als Herr v. Gauß (Vpt.) erklärte, er glaube sich nichts zu vergeben, wenn er sich mit Westmeyer in weitere Auseinandersetzungen nicht einlasse. Gegen diese Aeutzerung wandte sich Dr. Lindemann (Soz.). Er sprach angesichts verschiedener Zwischenrufe gegen seine Partei die Bitte aus, der Präsident möge im Seniorenkonvent eine Besprechung der Angelegenheit herbeiführen. Präsident v. Kraut betonte, es sei ihm auch ausgefallen, daß der persönliche Ton manchmal nicht gerade kollegial genannt werden könne. Wenn ein Abgeordneter erkläre, daß seine Ausführungen nicht gegen ein Mitglied des Hauses gerichtet gewesen seien, so könne er das nur konstatieren, aber weiter nichts tun. Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abg. v. Gauß und Westmeyer kam die Debatte wieder in sachliche Bahnen und es wurde schließlich gegen 2 Uhr noch entsprechend einem Antrag des Abg. v. Mülberger (D.P.) der Dispositionsfonds, den die Kommission auf 1500 Mark herabgesetzt hatte, in Höhe von 2000 Mark genehmigt. Am Dienstag nachmittag wird die Beratung des Etats fortgesetzt.
Stuttgart, 26. April. Prinzregent Ludwig von Bayern trifft mit Gemahlin am 3. Mai zum Besuch des Königspaares hier ein, wo großer Empfang stattfindet.
Balingen, 26. April. Zur Feier der diamantenen Hochzeit seiner Eltern kam vor etwa 14 Tagen der seit 32 Jahren in Philadelphia als Metzger und Wirt tätige Karl Haffner mit seiner Frau von Amerika herüber. Nachdem er vor 8 Tagen das seltene Familienfest mitbegangen hatte, blieb er noch im Bezirk und besuchte vielfach alte Freunde. So kam er auch nach Engstlatt und trank im Löwen seinen Schoppen, als er, kaum 53 Jahre alt, vom Herzschlag getroffen tot vom Stuhle sank.
Ebingen, 28. April. Da die Baracken des Truppenübungsplatzes bei Stetten noch nicht beziehbar waren, so war auf 2. Mai das badische Infanterieregiment 169 aus Lahr zur Einquartierung in hiesiger Stadt angesagt. Mit Entrüstung wies aber die Bürgerschaft diese Zumutung zurück, und die Stadtverwaltung erhob Protest. Gestern gelaugte nun telegraphisch die Nachricht hierher, daß der Plan, das Regiment hier unterzubringen, aufgegeben sei.
Fluorn (O.-A. Oberndorf), 26. April. Die anfangs der fünfziger Jahre stehende Ehefrau des Straßenwarts A. Wöß- ner entfernte sich in einem Anfall von Schwermut gestern früh 4 Uhr von zu Hause und stürzte sich in den Heimbach, wo sie nach einigen Stunden als Leiche gefunden wurde. Die Unglückliche hinterläßt 10 Kinder.
Gmünd, 25. April. Im Töchterpensionat St. Ludwig sind vor kurzem zirka 2500 -4l gestohlen worden. Bis heute ist es nicht gelungen, den Dieb ausfindig zu machen.
Aus Welt und Zeit.
Berlin, 26. April. Die heutige Sitzung begann um 10 Uhr. Es wurde ohne Debatte nach kurzer Begründung durch den Nationalliberalen Beck-Heidelberg ein Gesetz-
Soulard beigesetzt. Hans und Lenchen aber reisten in Begleitung Bosquets nach Berlin, da der Oberst bei ihnen bleiben wollte, bis der Friede verbrieft und besiegelt sei. —
In Berlin wurden die Zurückgekehrten besonders herzlich von Meister Fischer, dessen Ehefrau und Lotte begrüßt. Fritz hatte inzwischen aus Holland geschrieben, wo bei dem Sturm auf Herzogenbusch (Den Bosch) sich der Unteroffizier Auguste Krüger durch besonderen Mut und Uneschrockenheit ausgezeichnet habe. Beide ließen grüßen, sie seien gesund.
Als endlich der langersehnte Völkerfrühling gekommen war, der die Eisenketten der Fremdherrschaft zerbrochen hatte, da traten an einem Tage vor den Altar der Eeorgen- kirche Hans Hoya und Helene Lange, Berthold Gourdett und Lotte Fischer als Brautpaare. Der Brautführer Hele- nens war der Marquis de Bosquet und eine ihrer Brautjungfern Auguste Krüger.
Einige Jahre später vermählte sich auch diese mit den früheren Unteroffizier im Garde-Ulanenregiment, Köhler, den sie auf dem Ordensfest der Ritter des Eisernen Kreuzes kennen gelernt. Sie und ihr Gatte wohnten noch lange zu Lychen, wo ihr Mann Obersteuerkontrolleur war. Eine wohl einzig dastehende Ehe zwischen zwei Königlich preußischen Unteroffizieren und Rittern des Eisernen Kreuzes!
Napoleon war untergegangen wie ein blutiger Meteor fern im Meere auf St. Helena.
Ende.