97. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.
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Talw für di« einspaltige Borgiszetle 10 Pfg„ außerhalb desselben IS Psg-, SisAamen 2S Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags, Teleson S.
Montag, den 28. April 1913
SezugSpreiS: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.2L vierteljährlich, Post. bezugSpreiS für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bagern und Reich 42 Psg.
Amtliche Bekanntmachungen.
K. Oberamt Calw.
Erlab an die Herren Ortsvorsteher, betr. die Hagelversicherung und die Hagelstatistik.
I. Die Herren Ortsvorsteher werden beauftragt, bei jeder sich darbietenden Gelegenheit den Landwirten die Versicherung ihrer Felderzeugnisse gegen Hagelschlag dringend zu empfehlen. Dabei wird darauf hingewiesen, daß die Norddeutsche Hagelversicherungs-Gesellschaft in Berlin auf Grund der von dem württembergischen Staat mit ihr abgeschlossenen llebereinkunft verpflichtet ist, auf Antrag der Beteiligten die Feldfrüchte sämtlicher Landwirte in Württemberg gegen Hagelschaden in Versicherung zu nehmen, und daß die württembergischen Landwirte, welche der Norddeutschen Hagelversicherungs-Gesellschaft beitreten, infolge der Uebernahme der Verpflichtung zur Nachschußleistung auf die Staatskasse durch Bezahlung eines dem staatlichen Hagelversicherungsfonds zuflietzenden Zuschlags von 50 Prozent der Vorprämie von der Gefahr der Anforderung einer Nachschußprämie unbedingt befreit, also gegen feste Prämien versichert sein werden.
Die für die einzelnen Markungen geltenden Prämien- Tarifsätze der Norddeutschen Hagelversicherungs-Gesellschaft können die Versicherungslustigen bei den für den Bezirk Calw aufgestellten Agenten derselben,
Herrn Kassier Eberhard in Calw,
„ Eemeindepfleger Dongus in Deckenpfronn,
„ Oekonom Karl Hanselmann in Liebeisberg,
„ Wagner Auer in Neubulach und „ Schreiner Ganser in Simmozheim erfragen.
II. Durch Ministerial-Erlaß vom 27. Juni 1901, betr. die Hagelstatiftik, ist vorgeschrieben, daß die Ortsvorsteher von jedem Hagelfall ohne Verzug an die König!. Meteorologische Zentralstation Stuttgart Anzeige (Bericht nach Formular l, Min.-Amtsbl. 1901 S. 179/180) und spätestens nach 1 Wochen einen Bericht nach Formular II (S. 181/182 a. a. O.) an das König!. Statistische Landesamt in Stuttgart zu erstatten haben. Die genaue Befolgung der Vorschriften dieses Erlasses wird den Herren Ortsvorstehern auch bei dem vorliegenden Anlaß in Erinnerung gebracht.
Den 25. April 1913.
Reg.-Rat Binder.
Bekanntmachung»
betr. die Wahl der Viehschätzer für den Bezirk Calw.
Gemäß Art. 13 Abs. 3 des Ausführungsgesetzes zum Viehseuchengesetz vom 8. Juli 1912 (Reg.-Bl. S. 279) sind die erforderlichen Schätzer, zwei für jede Gemeinde, durch die Amtsversammlung auf die Dauer von 6 Jahren (1913—1918) gewählt worden. Die Gewählten sind durch den Ortsvorsteher ihres Wohnsitzes auf ihre Obliegenheiten als Schätzer eidlich zu verpflichten.
Die Namen der Schätzer sind im § 23 des Amtsversammlungsprotokolls vom 7. April d. I. verzeichnet.
Die Ortsvorsteher werden veranlaßt, die Verpflichtung nach dem Eidesvorhalt in 8 351 Min.-Verf. vom 11. Juli 1912, (Reg.-Bl. S. 293) alsbald vorzunehmen und bis 5. Mai d. I. Vollzugsanzeige hierher zu erstatten.
Calw, den 25. April 1913.
K. Oberamt.
Amtmann Rippmann.
Oesterreich und Montenegro.
Wien, 27. April. Nach einer zu ungewohnt später Abendstunde im Schloß zu Schönbrunn abgehaltenen Konferenz des Kaisers mit dem Grafen Berchtold und dem Chef des Generalstabs Baron Conrad v: HötzAdorf wurde bekannt, daß Oesterreich-Ungarn in iner Note an die Mächte mitteilt, daß es nicht länger ais bis Montag einen Beschluß der Mächte über die militärischen Zwangs maßregeln gegen Montenegro abwarten und, wenn ein solcher Beschluß ausbliebe, unverzüglich allein gegen Montenegro Vorgehen werde. — Man ist hier davon überzeugt, daß Rußland es sich wohl überlegen würde, Oesterreich-Ungarn in den Rücken zu fallen, wenn es Montenegro zwingt, den Willen Europas zu respektieren. Die militärischen Vorkehrungen Oesterreichs sind bereits getroffen.
Paris, 26. April. Die Großmächte haben die Balkanverbündeten aufgefordert, die Feindseligkeiten nunmehr einzustellen und sich mit den von den Großmächten gestellten Friedensbedingungen einverstanden zu erklären.
Wien, 26. April. Es ist anzunehmen, daß auch der russische Vertreter gleich den übrigen Vertretern der Mächte in Cetinje, welche bereits im Besitze von entsprechenden Instruktionen sind, ungesäumt Instruktion erhalten wird, um von Montenegro die Uebergabe Skutaris an die Mächte zu verlangen. Es ist ganz klar, daß die Zeit des längeren Zuwartens vorüber ist. Montenegrinischerseits wird der Eventualität von Zwangsmaßnahmen der Mächte entgegen
gearbeitet, indem die maßgebenden Persönlichkeiten Montenegros unter vier Augen den Vertretern der Mächte gegenüber sich so stellen, als ob Montenegro ohnedies in kürzester Frist nachzugeben gesonnen wäre. Es ist nicht anzunehmen, daß sich die Mächte durch die Taktik beirren lassen, deren Erfolg es ermöglichte, daß König Nikolaus Skutari besetzen konnte.
Wien, 27. April. Wie aus Cetinje gemeldet wird, hat König Nikolaus den Befehl gegeben, die schweren Geschütze nach Lovtschen, der Cattaro beherrschenden Höhe, aus Skutari unverzüglich fortzuschasfen. Es handelt sich um ungefähr 20 schwere Geschütze, die für die Beschießung von Cattaro bestimmt sein sollen.
London, 27. April. Die in Saloniki stehenden bulgarischen Truppen haben Befehl erhalten, sich nach Serres zurückzuziehen. Diese Nachricht hat Londoner diplomatische Kreise sehr beunruhigt, da sie zeigt, daß sich der Gegensatz zwischen Bulgarien und Griechenland über Saloniki immer mehr zuspitzt.
Konstantinopel, 27. April. Dem „Tanin" zufolge sind der frühere Großwesir Hakki Pascha, der Bautenminister Batzaria und Nazim Pascha zu Delegierten der Pforte für die Verhandlungen und die Unterzeichnung der Friedenspräliminarien ernannt worden.
Die Verhandlungen über die Beendigung des Kriegszustandes sind so weit gediehen, daß auf baldigen Abschluß des Präliminarfriedens gerechnet werden darf.
London, 26. April. Ueber den Fall von Skutari bringt der Daily Expreß aus Cetinje von seinem Sonderberichterstatter die ersten näheren Nachrichten — aus indirektem Wege. Danach ist die ganze gruselige Geschichte von einem unwiderstehlichen nächtlichen Sturmangriff mit Bajonett, Handgranaten und anderen Scherzen, wobei das Blut in Strömen geflossen sein sollte, dichterische Erfindung gewesen. Man hatte seit Montag morgen wegen der Uebergabe verhandelt und belog inzwischen die Berichterstatter mit heldenhafter Unverfrorenheit. Die Uebergabebedingungen sollten in ein paar Stunden unterzeichnet werden, als unglücklicherweise für die Montenegriner Essad Pascha ganz zufällig erfuhr, daß die Serben abgezogen seien. Darauf machte der albanische General wieder den Nacken steif, und die Verhandlungen zerschlugen sich zunächst. General Wukotitsch indes hatte nicht versäumt, Essad Pascha beizubringen, die Montenegriner hätten bereits die von den Serben geräumten Stellungen besetzt, und als es Nacht wurde, richtete er sein ganzes Feuer gegen das Fort Brditza, das der Hauptangriffspunkt der Serben gewesen war. So kam der Kommandant
S8) Im Sturm genommen!
Roman aus den Freiheitskriegen 1813—1811.
Von H. E. Jahn.
(Schluß.)
Noch einmal sprang die Tür auf, und herein trat, waffenklirrend, ein hochgewachsener preußischer Offizier. Die linke Hand hing blutend nieder, während die rechte den Säbel umspannte. Hinter ihm, auf dem Hausflur, sah man die Tschakos nud die blanken Stahlläufe preußischer Soldaten flimmern. Die blauen Augen des jungen Offiziers durchliefen den Raum und blieben an Helenens zarter Gestalt haften. Und den unverwundeten Arm ausstreckend, rief er jubelnd: „Lenchen! Mein liebes Lenchen!"
Und sie schrie auf vor Glück und Wonne, breitete weit ihre Arme und warf sich an des Geliebten Brust. Fest, fest hielten sich die endlich Wiedervereinten umfangen, als sollte es für das ganze Leben sein, für alle Ewigkeit.
Bosquet hatte den Degen fallen lassen und saß, das Besicht mit den Händen bedeckt, tief gebückt am Fußende des Bettes; die Soldaten hatten sich etwas zurückgezogen und hielten die Ausgänge des Hauses besetzt.
Lenchen löste sich aus der Umarmung los, sie hatte das ^lut an dem durchschossenen Arm des Geliebten erblickt und rief erschreckt: „Du bist verwundet, Hans?"
„Nur eine Kleinigkeit, Liebling, nur eine Fleischwunde!"
„Du blutest aber stark! Komm, setze dich, damit ich dich verbinde!"
Hans gehorchte lächelnd, und mit Hilfe Bosquets wurde der durch geronnenes Blut festgeklebte Aermel ausgeschnitten, die Wunde gewaschen und mit Scharpie verbunden. Während dieser Arbeit sagte Helene: „Hans, hier stelle ich dir meinen lieben, väterlichen Freund Kolonel Marquis de Bosquet vor."
„Madeion," seufzte der Veteran, „ich wünschte, ich hätte mehr für Sie tun können!"
Der preußische Offizier verneigte sich ernst und sprach, die Hand des Franzosen herzlich drückend: „Ich werde immer in Ihrer Schuld sein!"
Um Höflichkeiten auszutauschen, blieb nicht lange Zeit, denn draußen knatterte noch immer das Eewehrfeuer; auch der Kranke ward wieder unruhig.
Gegen 12 Uhr nachts waren die vier Sturmkolonnen aus den Parallelen hervorgebrochen, in Anwesenheit des Prinzen August von Preußen und des Generals Tauentzien. Der Generalmajor v. Dobschütz leitete den Sturm. Der Angriff des 8. Reserve-Regiments ging gegen den Hauptwall, des 1. Pommerschen Landwehrregiments unter Major v. Brandenstein gegen den Brückenkopf an der Elbbrücke, des 3. Pommerschen Landwehrregiments unter Oberst v' Kamele gegen die Werke an der Elbe und das Elbtor, und des 1. Westpreußischen Landwehrregiments unter Oberst v.
Jeanneret gegen die sogenannte „Wasserarche", zwischen dem Elstertor und dem Berliner Pförtchen. Als Reserve folgte das 11. Schlesische Landwehrregiment unter v. Wostrowsky nach. Die Palisaden wurden niedergehauen, die gefrorenen Gräben durchklettert und die Wälle erstiegen. Nach wenigen Schüssen ergriffen die Franzosen die Flucht und liefen mit großem Geschrei in die Stadt, aus dem Fuße gefolgt von den Siegern. Die Besatzung des Rathauses ergab sich nach einer Stunde, etwas später streckten auch die im Schlosse befindlichen Feinde die Gewehre, nachdem das Tor gesprengt worden war. 76 Offiziere, 1500 Mann, 2 Fahnen und 96 Geschütze wurden durch die Preußen erbeutet, die bei dem kecken und schneidigen Sturm nur 9 Offiziere und 200 Mann an Verwundeten und Toten verloren. Zum Kommandanten der Festung wurde der Generalmajor v. Elsner ernannt, und das 11. Schlesische Landwehrregiment wurde ihm als Garnison zuerteilt.-
Am nächsten Morgen begab sich Hans mit seinem Gefangenen, dem Obersten de Bosquet, auf das Rentamt, wo Generalmajor v. Elsner die Kommandantur hatte einrichten lassen; Bosquet sollte sich dort urkundlich aus Ehrenwort verpflichten, in diesem Kriege nicht mehr gegen die Verbündeten zu kämpfen, worauf seine Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft erfolgen würde. Auf der Kommandantur trafen sie auch den Gouverneur und den früheren Kommandanten v. Lohhausen, sowie viele französische Offiziere, unter ihnen Boisdehetre und Sanglier, die alle gleich-