95. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.

D»?chein«ng»weise: -mal wöchentlich. Lnt«igenprei»: Im vberamt»- bÄKL Lalw für die einspaltige BorgtSzeile ic> Pfg., außerhalb derselben 12 Pfg-, S»M«nm Lb Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittag». Telefon g.

Freitag, den 25. April 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- bezugSpreiS für den Orts- und Nachbarortsverkekr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen.

Den Gemeindebehörden

wird in Erinnerung gebracht, daß die Empfangsbescheini­gungen über Familienunterstiitzungen der zu Friedensübun­gen einberufenen Mannschaften sofort nach der Anmeldung des Anspruchs und vor Ausbezahlung des Betrags dem Ober­amt zur Zahlungsanweisung vorzulegen sind.

Calw, den 24. April 1913.

K. Oberamt:

Regierungsrat Binder.

Gewitterwolken um Skutari.

Wien, 24. April. Die Südslawische Korrespondenz mel­det aus Cetinje: Der König, der von einer jubelnden Men­schenmenge vor dem Konak gefeiert wurde, sagte in einer Ansprache: Die großen Opfer, die das Land für Skutari ge­bracht hat, sind nicht umsonst gebracht worden, Skutari ist von heute ab montenegrinisch. Der endliche Besitz dieser Stadt wird dem Lande zu neuer Blüte verhelfen. Den be­glückwünschenden Gesandten der Balkanstaaten erklärte der König, der Fall Skutaris habe eine neue Lage geschaffen, mit der man überall werde rechnen müssen. Die Begeiste­rung des ganzen Landes über die Einnahme sei ebenso tief­gehend, als die Erschütterung sein werde, wenn man daran denken sollte, Skutari Montenegro wieder abzunehmen. Nie­mand köne es heute in Montenegro wagen, diesen Gedanken auszusprechen. Weder die Regierung, noch der König wür­den beim Volke Gehör finden. Wenn Europa noch immer daran denken sollte, Skutari, für das Montenegro fast ver­blutete, ihm wieder zu entreißen, werde Europa auch die Ausgabe haben, diese Maßregel selbst durchzuführen.

Paris, 24. April. Der montenegrinische Vertreter aüL der Pariser Finanzkonfeenz, Miuschkowitsch, eklärte einem Berichterstatter des Matin: Man sagt, Oesterreich-Ungarn wolle uns Skutari wieder wegnehmen. Wenn Europa dies zugibt, dann wird man über die Leichen unserer ganzen männlichen Bevölkerung hinwegschreiten müssen. Wir wer­den Skutari Oesterreich-Ungarn nicht geben. Vor einigen Tagen haben wir, bevor wir noch die letzten Opfer brachten, die Mächte ersucht, uns für die Aufhebung der Belagerung von Skutari eine Eebietsentschädigung zu gewähren. Es handelte sich um eine kleine Erenzberichtigung. Unser An­suchen wurde von der Londoner Botschaftervereiifigung schroff zurückgewiesen. Wir werden Skutari Oesterreich-Ungarn nicht geben. Der König kann sich trotz bestem Willen der Entscheidung der Mächte nicht beugen. . Das Heer und die gesamte montenegrinische Bevölkerung würde sich dem wider­setzen. Man hat bei uns den Glauben erweckt, daß Skutari, falls wir es einnehmen, uns gehören würde. Wir haben die heldenhaftesten Anstrengungen unternommen und un­geheure Opfer gebracht, und heute verlangt man von uns, das wir die Stadt wieder hergeben. Das ist nicht wenig.

Wien, 24. April. Ein Zirkulartelegramm des Grasen Berchtold an die Mächte verlangt, daß die Mächte an König Nikolaus ein Ultimatum richten sollen, binnen 48 Stunden Skutari zu räumen, widrigenfalls Oesterreich-Ungarn im Einvernehmen mit seinen Verbündeten seine politischen In­teressen selbst wahren werde. Die Ereignisse der letzten 24 Stunden treiben Oesterreich zu einer Entscheidung, deren Ausfall nicht mehr zweifelhaft sein kann. Der Wille des Volkes geht dahin, das Vorgehen Montenegros unter keinen Umständen zu dulden.

Stadt» Bezirk «nd Nachbarschaft.

Calw, 25. April 1913.

Vom Rathaus.

In öffentlicher Sitzung erledigte der Eemeinderat gestern vormittag von 9 Uhr ab den zweiten Stammholzver­lauf. Zum Verkauf standen aus verschiedenen Wald- tcilen 1027 Fm. mit einem Taxpreis von 19 850 .«t. Ein­igungen waren 7 Angebote und 21963 -.it wurden erlöst 110,06 5z der staatlichen Forsttaxe. Unter dem verkauften Stammholz befinden sich mehrere Lose schwächeres Holz und Scheidholz, so daß sich die Erlöse zwischen 85 und 122 Prozent bewegen. Der Eemeinderat genehmigte den Easlei- tungsanschluß zu dem Neubau des Tiefbauunterneh­

mers Gustav Köhler beim Scheerwäldle unter Uebernahme der hälftigen Kosten auf das Gaswerk und unter Ablehnung eines Beitrags zu der von Köhler im vorigen Jahre schon ausgefuhrten W a s s e r Zuleitung. Auf Anregung des K. Eewerbeoberschulrats und Antrag des Eewerbeschul- rats wurde die Verwilligung von Reisekosten und Tag­geldern an den Gewerbelehrer für den Besuch von aus­wärtigen Gewerbeschulen und gewerblichen Ausstellungen ge­nehmigt. Schluß mit Rechnungssachen.

g Schlußseier der Gewerbeschule. Im Beisein vieler Meister, des Eewerbeschulrats, von Mitgliedern der bürger­lichen Kollegien, hielt gestern abend die Gewerbeschule unter der Leitung ihres Vorstands, Gewerbelehrers Aldinger, ihre Schlußfeier ab. Dieser vorauf gingen von 4 Uhr nach­mittags an öffentliche Unterrichtsproben mit den Schülern über Angewandte Geometrie und Projektionslehre, über Ee- setzeskunde im Lehrlingswesen, Materialienkunde, Berechnun­gen aus der Elektrizitätslehre und (mit der Handelsabtei- lung) über Wechsellehre. Auch sie gingen teilweise unter den Augen vieler Interessenten vor sich, denen sie einen Blick vergönnten in die Bestrebungen und Ziele und Erfolge einer wichtigen Jugendarbeit, in die Herzen der jungen Men­schen, die da antworteten, auf ein Feld mühsamer Arbeit des Unterrichtenden. Die Bänke im Eeorgenäumssaal waren dicht besetzt, als Eewerbeschulvorstand Alldinger die Schlußfeier, für viele Schüler die letzte, mit einer gehalt­vollen Ansprache eröffnete. Er stellte eingangs dieser das fortschreitende quantitarve und qualitative Wachstum der Schule fest, welch elfteren Umstand er auf die erhöhte Für­sorge, welche sich das Handwerk namentlich durch den Staat erfreue, zurückführt, während er letztere Tatsache in der er­höhten Einschätzung des Handwerks durch die gesamte Be- völkeung begründet findet. Die Zahl der unerlaubten Ver­säumnisse sei auf Null heruntergegangen; aber es gäbe leider noch immer Betriebe, welche die paar Stunden Schulzeit ihrer Lehrlinge mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln zu kürzen bestrebt sind, die große Mehrzahl der Lehrherren allerdings gibt der Schule, was ihr gehört. Eine Mahnung an die Lehrmeister und eine Warnung für die Schüler be­deutet die Tatsache, daß im abgelaufenen Schuljahr 22 Stun­den Karzerstrafe verhängt werden mußten. Ueber das von der Schule Geleistete gewährte einen lehrreichen Einblick die Ausstellung von Schülerarbeiten an Ostern. Die Ansprache gedachte auch des freundlichen Wohlwollens verschiedener Arbeitgeber, die der Schule Lehrmittel und Anschauungs­mittel überlassen haben. Dann spornte der Redner die Schü­ler an, ehrlich, pünktlich, fleißig und anständig zu sein, Dinge, die einem den Weg für die Zukunft ebnen, um als­dann seine Freude darüber auszusprechen, daß Stadtschult­heiß Conz, die Mitglieder des Gewerbeschulrats mit Uhr­machermeister Zahn, die städtischen Kollegien und der Ver­treter des Calwer Tagblatts sich zur Feier eingefunden hat­ten, was ihm ein Zeichen dafür sei, daß die Arbeit der Schule und die Bedeutung des Handwerks mehr und mehr gewürdigt werde. Unter Hinweis auf die dem Handwerk innewohnen­den staatserhaltenden Kräfte schloß Herr Aldinger mit der Bitte, der Schule auch für künftig Wohlwollen zu bewahren. Daraufhin konnte er die Verteilung von 19 Preisen bnd 23 Belobungen vornehmen. Es erhielten:

Einen 1. Preis: Louis Blaich, Mechaniker. 2. Preise: Aug. Schaub, Kaufmann; Herm. Haydt, Konditor; E. Mül­ler, Mechaniker. 3. Preisc: Karl Deuschle, Kaufmann; Adolf Miller, Kaufmann; Martin Mayer, Gärtner; Eust. Wid- mann, Schneider; Albert Weber, Schuhmacher; Erwin Haar, Konditor; Wilh. Schultheiß, Maurer; Eottl. Nachfelder, Flaschner; Karl Eberspächer, Schlosser; Karl Vollinger, Schlosser; Heinr. Nagel, Maler; Alb. Schmid, Maler; Herm. Kienzle, Schneider; Ludwig Kuder, Buchdrucker; Jul. Bar­tenschlag, Metzger. Belobungen: Karl Dierlamm, Kaufmann; Fritz Minhardt, Kaufmann; Otto Greule, Kauf­mann; Ludwig Miller, Schlosser; Paul Hämmerle, Schlosser; Alb. Kurz, Schlosser; Franz Heilemann, Buchdrucker; Moritz Schmelzle, Schneider; Fr. Schuhmann, Schreiner; Karl Pfrommer (ohne Beruf); Friedrich Stähle, Konditor; Eg. Mönch, Schreiner; Eugen Haug, Schuhmacher; Walter Köh­ler, Mechaniker; Karl Lutz, Mechaniker; Heinrich Walz, Gärtner; Jakob Oesterlen, Gärtner; Joh. Schönhardt, Maler;

Ernst Müller, Metzger; Ulrich Rentschler, Metzger; K. Reut- ter, Metzger; E. Hörrmann, Metzger; Max Kraus, Kauf­mann.

h. Pfingstsonderzüge. Wie im Vorjahr, werden auch Heuer wieder am Pfingstsonntag zwischen 4 und 5 Uhr vor­mittags in Stuttgart-Hauptbahnhof rasch fahrende Sonder- züge, die nur an den Abzweigstationen halten, nach Wildbad (über Calw), Freudenstadt, Tübingen (mit Fortsetzung nach Balingen), Ulm und Heilbronn abgehen. Auf den anschließenden Nebenbahnen werden, sofern kein unmittel­barer Anschluß mittels eines fahrplanmäßigen Zugs besteht, Ilnschlußsonderzüge fahren. Näheres wird später bekannt gegeben. Die Sonderzüge führen Wagen 2., 3. und 4. Klasse; zu ihrer Benützung berechtigen die allgemein gültigen Fahr­karten.

Bei der heutigen Ziehung der Pferdemarkt­lotterie fielen die Hauptgewinne auf folgende Nummern: 10000 .,? auf Nr. 39277; 2000^ auf Nr. 60055^; je 1000 auf Nr. 73940, 42916, 2500, 46542, 39227, 112293, 82985, 40371, 35041. (Ohne Gewähr).

xcb. Mutmatzliches Wetter. Für Samstag und Sonntag ist bei zunehmender Bewölkung noch vor­herrschend trockenes, aber kühles und auch zu ver­einzelten Niederschlägen geneigtes Wetter zu erwarten.

Pforzheim, 24. April. Gestern mittag gegen 4 Uhr fiel in Eutingen ein sechs- bis siebenjähriger Knabe in den Mühlkanal und ertrank. Das Kind wurde am elektrischen Werk am Rechen herausgezogen.

Württemberg.

Stuttgart, 24. April. Die Zweite Kammer setzte heute die allgemeine Aussprache über den Justizetat fort. Der Justizminister v. Schmidlin ging auf die zahlreichen An­regungen der gestrigen Redner näher ein. Es sei ja be­greiflich, daß der Richterverein so stürmisch wie möglich auf Vermehrung der Richterstellen dränge, aber die Regierung müsse sich das Prüfungsrecht solcher Forderungen Vorbehal­ten. Der Ausbildung der jungen Juristen schenke er große Aufmerksamkeit. Die Zahl der Voruntersuchungen, in denen keine Verurteilung erfolge, sei erfreulicherweise zuriickgegan- gen. Die bedingte Begnadigung habe sich nicht nur gegen­über jugendlichen, sondern auch gegenüber erwachsenen Per­sonen bewährt. Der Prozentsatz der Rückfälligkeit sei erheb­lich zurückgegangen. Ob eine allgemeine Revision des Poli­zeistrafgesetzes in Aussicht genommen sei, darüber könne er nichts sagen. Jugendlichen Personen soll das Tragen von Schußwaffen allerdings verboten werden. An der großen Zahl der Strafanzeigen trage nicht der Staatsanwalt die Schuld. Mehr als 50 Prozent aller Fälle werde diesen An­zeigen von der Staatsanwaltschaft keine Folge gegeben. Der Abg. Haußmann (Vpt.) vertrat die Ansicht, daß man die Regierung nicht drängen, sondern ihr die Eingabe des Richteroereins zur Erwägung übergeben sollte. Die Zahl der 800 Verhaftungen, die nicht zu einer Verurteilung führ­ten, sei relativ hoch. Das Wort Klassenjustiz in der sozial­demokratischen Presse werde bald nicht mehr ernst genommen. Der Terrorismus der Sozialdemokratie gehe so weit, daß sogar die Arbeitgeber gedrängt werden, nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeiter auf die Straße zu setzen. Dem Abg. Mattutat sei es nicht gelungen, das Vertrauen zu unserem Richterstand zu erschüttern. Erfreulich sei, daß der Ton in den Gerichtsverhandlungen würdiger geworden sei. Die So­zialdemokratie sei erst dann zu sittlicher Entrüstung berech­tigt, wenn sie ihren von allen Parteien verurteilten Terro­rismus ablcge. Der Abg. Körner (B.K.) wies den Vor­wurf des Abg. Haußmann zurück, daß der Bauernbund Terro­rismus treibe. Die Rechtspflege im Namen des Königs sei sicherer, als sie einmal sein würde, wenn sie im Namen der Sozialdemokratie ausgeübt werden sollte. Zu verurteilen sei das Ueberhandnchmen der Schmutz- und Schundliteratur. Seine Partei stimme dem Ausschußantrag sowie dem An­trag Mattutat auf Sammlung der württembergischen Lan­desgesetze zu. Morgen wird die Beratung fortgesetzt.

ep. Stuttgart, 23. April. Der Evangelische Pfarrverein für Württemberg, der 1086 Mitglieder zählt, hielt unter dem