Ravensburg. 15. April. Gestern wurde der Postdefraudant. Postanwärter Otto Schenzle von Erolzheim. der am Postamt in Friedrichshafen angestellt war, von der Strafkammer abgeurteilt. Er hatte vom 14^ bis 21. November 1912 16 Postsendungen, Wertbriefe mit Paprergeld und Kupons im Gesamtwert von 16185,94 unterschlagen und entwendet und war mit diesem Gelbe nach London geflüchtet. In London fiel er bei seinem Gastwirt durch die Verausgabung hoher Geldsummen auf; der Gastwirt meldete seine Beobachtungen der Polizei, von welcher Schenzle erkannt und verhaftet wurde. Bei seiner Verhaftung wurden noch 4000 -K vorgefunden. Schenzle, der erst im Februar 18 Jahre alt war, wurde zu 1 Jahr 6 Monaten Gefängnis verurteilt. I Monate wurden von der Untersuchung in Abrechnung gebracht. Er hatte ein vollständiges Geständnis abgelegt.
Aus Wett und Zeit.
Aus dem Reichstag.
Berlin, 14. April. Präsident Dr. Kaempf gab zu Beginn der heutigen Sitzung seiner Freude darüber Ausdruck, daß der König von Spanien bei dem Attentat, das in Madrid auf ihn verübt wurde, unversehrt geblieben ist. Die anwesenden Mitglieder der bürgerlichen Parteien erhoben sich während dieser Worte von ihren Sitzen, und nur die Sozialdemokraten blieben ihrer Tradition gemäß ruhig auf ihren Plätzen sitzen. Hierauf trat man in die Beratung des Etats des Auswärtigen Amtes ein, nachdem man über die auswärtige Politik eingehend in der Budgetkommission verhandelt hatte. Der Abgeordnete Bass ermann gab einen längeren Bericht über diese Erörterungen in der Kommission, deren Niederschlag er in Form von Resolutionen dem Haus vorlegte. Nach diesen soll der Reichskanzler ersucht werden, Maßnahmen zu treffen, daß der Zugang zum diplomatischen Dienst ohne Rücksicht auf Vermögensverhältnisse ermöglicht wird. Ferner bittet die Kommission den Reichskanzler, Denkschriften über den Ausbau des Orientalischen Seminars zu einer deutschen Auslandshochschule, sowie über die deutschen Schulen im Auslande den Abgeordneten vorzulegen. Hierauf betrat der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, v. Jagow, die Tribüne. Er sprach heute zum zweitenmal vor dem Plenum des Reichstags. Er wehrte sich gegen den Vorwurf, daß die deutsche Diplomatie bei der Entstehung des Balkankrieges versagt habe. Die Friedensaussichten, so meinte er, hätten sich in den letzten Wochen vermehrt und als ein Erfolg der Flottendemonstration sei das Zurückziehen der serbischen Truppen vor Skutari zu verzeichnen. Nach dem Staatssekretär sprach der Sozialdemokrat Bern- stein. Er bezeichnet« den Balkankrieg als die notwendige Folge einer Reihe von Ereignissen, an denen auch die deutsche auswärtige Politik nicht nur beteiligt, sondern auch mit verantwortlich sei. Auch über das deutsch-englische Verhältnis sprach der Abgeordnete eingehend. Zwischen Deutschland und England bestehen keine wirklichen Konflikte, um so mehr, als die beiden Mächte viel gemeinsame Interessen hätten. Für das Zentrum sprach Fürst Löwen st ein-Wert- heim. Er äußerte sich vor allem zu der Frage der chinesischen Republik, deren Anerkennung durch Deutschland noch immer ausstehe. Der Redner bezeichnet« es als wünschenswert, daß diese Anerkennung möglichst rasch erfolge. Dann kam Freiherr von Richthofen von den Nationalliberalen zu Wort, der energisch eine Reform unseres diplomatischen Dienstes forderte. Staatssekretär v. Jagow ließ sich aber auf dies Thema nicht näher ein. Der Staatssekretär sprach lange und ausführlich über die Entwicklung der chinesischen Republik. Heckscher von der Fortschrittspartei fordert aktivere Beteiligung der deutschen Diplomatie an den Fragen, die mit der Macht und dem wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands im Einklang stehen. Ihm antwortete Unterstaatssekretär Zimmermann, ebenfalls ohne auf die Reorganisation des diplomatischen Dienstes einzugehen. Nachdem Herr Erzberger keine falsche Sparsamkeit in der auswärtigen Politik befürwortet hatte, vertagte man sich auf Dienstag zur Fortsetzung der Aussprache.
Berlin, 14. April. Der Lokalanzeiger meldet au Brandenburg: Der am Mühldamm wohnende Archi tekt Braune wurde heute mit seiner Frau, seiner 13 jährigen Tochter und seinem 10 Jahre alten Sohi in seiner Wohnung tot aufgefunden. Die Famili hatte sich durch Gas vergiftet. Das Motiv zur Ta soll, nach hinterlassenen Briefen, in Not und Ver leumdung zu suchen sein. Braune war 30 Jahre hin durch bei einer hiesigen Holzhändlersirma angestell und wurde vor Jahresfrist plötzlich entlassen, angeb lich, weil er sich dem Trünke ergeben hatte.
Nancy, 14. April. Zwei Kaufleute, Reisende einer Metzen Firma, besahen sich auf einem Abstecher dorthin Nancy. Da bei fiel ihnen auf, daß die Bevölkerung ihnen mehrfach nach rief: „Das sind preußische Offiziere!" In den Wartesaa des Bahnhofs drang ihnen eine dichte Menschenmenge nach beschimpfte und schlug sie in der unerhörtesten Weise. Si> wurden gezwungen, sich auf die Knie niederzulassen uni emem davon wurde dabei der Hut auf dem Kopfe entzwe getragen. Dabei wurde auf die Reisenden eingeschrien putsche Offiziere, fort nach Metz; ihr wäret ir Zeppelin." Die Reisenden mußten außerden lick enMi» französische Offiziere grüßen. Al-
der Bahnhofsvorsteher der beiden Deutschen, di. un/in- » etMerten, sie seien keine Offiziere, angenommen
hätte stürmi. ^^n des nach Metz fahrenden Zuges geleite! hatte, stürmte dre Menge in den Wagen, stieß, schlug, be
schimpfte und bespie die Männer eine halbe Stunde lang, bis sie ihre Wut ausgetobt und auf Geheiß des Bahnhofsvorstehers das Abteil verließ. Schimpfend zog sie sich zurück. Vor dem Wagen befanden sich mehrere französische Offiziere und Soldatn, von denen aber keiner den Versuch machte, die Tobenden zur Ruhe zu weisen. Uebrigens gehörten die randalierenden Franzosen den sogenannten besseren Kreisen an. — Da diese Angaben von einem der betroffenen Reisenden stammen, wäre zunächst abzuwarten, inwieweit die Schilderung objektiv gegeben ist und vor allem zu erfahren, ob die Franzosen grundlos auf ihre schmählichen Aeußerungen gemeinsten Hasses verfielen.
Sofia, 13. April. Die Vertreter der Großmächte überreichten heute abend deren Antwort. Die Antwort besagt: Die Mächte nehmen mit Befriedigung Kenntnis von der Geneigtheit der Verbündeten zur Einstellung der Feindseligkeiten und antworten auf die 4 Punkte der Note der Verbündeten in folgender Weise: Der erste Punkt begegnet keiner Einwendung. Was den zweiten Punkt betrifft, so machen die Mächte darauf aufmerksam, daß, da das Schicksal der Aegäischen Inseln der Entschließung der Mächte Vorbehalten worden sei, dieser Punkt nur unter dem Vorbehalt zugelassen werden könne, daß bezüglich einiger dieser Inseln die Beschlüsse noch zu fassen sein werden. Bezüglich des dritten Punktes erklären die Mächte sich bereit, schon jetzt den Verbündeten die Nord- und Nordostgrenze Albaniens bekannt zu geben; die Südost- und Südgrenze werde den Verbündeten mitgeteilt werden, sobald sie festgestet sein werde. Was den vierten Punkt betrifft, so sind die Mächte, da die Lösung aller finanziellen Fragen einer technischen Kommission in Paris Vorbehalten worden ist, an der Delegierte der Krieg- führenden teilnehmen werden, der Ansicht, daß für den Augenblick kein Grund vorliegt, das Prinzip der Kriegsentschädigung zu erörtern. — Ministerpräsident Geschow erwiderte, er werde sich mit den Verbündeten ins Einvernehmen setzen.
Landwirtschaft und Märkte.
Stuttgart, 14. April. Landesproduktenbörse. Die feste Stimmung auf dem Eetreidemarkte, welche die ganze Ve- richtswoche angehalten, wurde in den letzten Tagen durch den plötzlich eingetretenen Schnee- und Frostrückfall noch verschärft. Ob und welcher Schaden dadurch an den Saaten entstanden ist, läßt sich jetzt noch nicht überblicken. So viel steht aber jetzt schon fest, daß die Obstblüten schwer gelitten haben. Die Angebote von Nordamerika und Argentinien waren wieder etwas höher und Rußland ist nur mit ganz unrentablen Preisen am Markt. Auf der heutigen Börse und auch unter der Woche war bei unseren Mühlen mehr Kauflust vorhanden und es kamen größere Abschlüsse sowohl in Jnlandware, als auch in fremden Weizen zustande. Wir notieren per 100 Kilogramm frachtparität Stuttgart, Getreide und Saaten ohne Sack netto Cassa je nach Qualität und Lieferzeit:
Weizen, württ.
19.50
bis
21.50
„ fränk.
20.50
21.50
,, bayr.
20.50
23 —
Weizen Rum.
24.75
„
25.25
,. Ulka
24.50
„
25 —
„ Saxonska 25.—
„
25.50
„ Azrma
24.25
„
24.75
„ Lcwlata
24.—
„
24.75
„ Kansas II 25.—
„
25.50
„ Manitoba 24.75
„
25.25
„
Kernen, neu
19.75
„
21.50
Dinkel, neu
14.—
15.—
Roggen
18.—
18.50
Gerste, württ.
16.50
19 —
„ bayr.
17.50
19.50
„ Tauber
18.50
19.50
„ fränk.
18.50
„
19.50
Futtergerste
16.75
17.25
Hafer, württ.
15.—
„
18 —
„ amerik.
19.75
„
20.—
^» russ.
20.—
21.50
Mais, Laplata
16.75
„
17.—
Tafelgries
34.25
„
34.75
„
Mehl 0
34.25
„
34.75
1
33.25
33.75
2
32.25
32.75
3
30.75
„
31.25
4
27.75
28.25
Kleie
9.50
„
10.—
(netto Kassa.)
Nagold, 12. April. Dinkel 7,—, 6,85, 6,80; Weizen 12,50, 10,65, 10,—; Gerste 9,—, 8,53, 8.—; Hafer 7,15, 6,50; Bohnen
8, —. — Viktualienpreise: 1 Pfund Butter 1,20—1,25 „ü; 2 Eier 13—14
Altensteig, 9. April. Dinkel 8,—; Hafer 10,50, 10 07
9. -; Gerste 10.50. 10,13, 10,-; Weizen 10.-; Roggen 10.-.
Neuenbürg, 12. April. Dem heutigen Schweinemarkt waren 31 Milchschweine zugeführt, welche zum Preise von 42—45 - 1 t pro Paar verkauft wurden.
Freudenstadt. 12. April. Wohl infolge des schlechten Wetters war der Wochenmarkt ziemlich flau. Es galten- Kartoffeln 2.20-2.40 -1t der Zentner, Eier 8 das Stück (2 Stück 15 '^), Butter 1,10 -K, Spinat 20 ^ das Pfund, Kopfsalat 15 Zwiebeln 10 Pfund 70 Orangen 10 Stück 65 Blumenkohl 10 ^ ein Stück.
Stuttgart, 12. April. Schlachtviehmarkt. Zugetrieben: Großvieh 114, Kälber 172, Schweine 448 Stück. Bullen 1. Kl. 88—91 -1t, Bullen 2. Kl. 80—88 -1t. Stiere 1. Kl. 99—103 -1t. Jungrinder 2. Kl. 98—99 -1t, Kälber 1 . Kl. 112—117 - 1 t, Kälber 2. Kl. 107-112 -1t, Kälber 3. Kl. 100-106 -H. Schweine 1. Kl. 73-74 -1t. Schweine 2. Kl. 70-72 -1t, Schweine 3. Kl. 66 -1t. Verlauf des Marktes: mäßig belebt.
Heilbron«, 12. April. Schweinemarkt. Zugeführt wurden 453 Milchschweine und 22 Läufer. Verkauft wurden alle Milchschweine und 10 Läufer. Elftere kosteten 40—74 -1t, letztere 100—118 -1t pro Paar.
Streiflichter vom Balkan.
In der Sobranje hat der Abgeordnete KoznitMy Mitglied der Stambulowistischen Partei, der Regierung folgende Frage gestellt: „Wie weit sind im Lande die Aecker besät?" Auf diese in hohem Grade brennende und interessante Frage hat der Finanzminister Theo- dorow maßgebende Angaben über den Stand der Aussaat in Bulgarien gemacht. Es zeigt sich, daß es möglich gewesen ist, im letzten Herbst nicht weniger als 90 Prozent der Aecker zu bestellen. Jetzt aber kommt die wichtigere Frühjahrsarbeit. Damit hier alles Mögliche trotz dem Mangel an Arbeitshänden .getan werden könnte, hat die Regierung durch die Kreispräfekten angeordnet, daß in allen Dorfgemeinden eine in großen Zügen organisierte wechselseitige Hilfe veranstaltet wird. Diese Organisation arbeitet schon und hat vorläufig ausgezeichnete Ergebnisse, so daß man hoffen darf, daß auch die Aecker der Männer, die vor dem Feinde stehen, bestellt werden. Wichtig ist folgende durch den Minister festgestellte Tatsache: Die wechselseitige Hilfe hat besonders gute Ergebnisse in den durch Türken bevölkerten Gegenden. Die Türken, die gesetzlich von der Militärpflicht befreit sind, helfen sehr willig ihren Nachbarn — den Christen, beackern und besäen ihre Grundstücke und tun im allgemeinen alles Mögliche, um ihre Lage zu bessern. Was noch interessanter ist — sie tun es fast überall freiwillig, ohne irgendwelchen Zwang durch die Behörde. — In derselben Sitzung ist auch die Frage der Staatshilfe für die bedürftige Bevölkerung behandelt worden. Dazu sind durch die Regierung eine Million Franken bestimmt worden, im besondern zum Ankauf von Saatgut. Einige Abgeordnete wollten die Summe auf 2 Millionen erhöht sehen, damit auch den Hungernden geholfen werden könnte. Dieser Vorschlag wurde durch den Minister abgelehnt, mit der Begründung, daß es in den Dörfern keine Hungersnot gebe, sondern nur hie und da einen gewissen Notstand, dem genügend mit den durch die Regierung getroffenen Maßnahmen abgeholfen werden könne.
*
Die ungeheure Not, die über die Mohammedaner im Wilajet Kossowo hereingebrochen war, machte kräftige Hilfe nötig. In erster Linie beteiligten sich daran die fremden Kolonien in üsküb, vor allem Engländer und Deutsche, wenn sie auch an Zahl nur schwach waren. In England wurde ein mazedonischer Hilfsfonds gebildet, an dessen Spitze der Bischof von London steht. Er brachte bedeutende Summen aus, sowie Kleider, Wäsche usw. Eine besondere Abordnung begab sich nach Mazedonien zur Verteilung der Gaben. In üsküb waren aus dem Wilajet Kossowo 10 000 geflüchtete Mohammedaner zusammengeströmt, die nur das nackte Leben hatten retten können, Ihrer Nahm sich, mit Hilfe der Deutschen, der Führer der englischen Abordnung Herr Louis Cahen aufopfernd an, nachdem bis zum Januar die Unterstützung in den Händen der mohammedanischen angesehenen Bürger und der Geistlichkeit gelegen hatte. Die Stadtverwaltung spendete Brotrationen. Die Gaben des Auslandes ermöglichten es dann, kräftige Hilfe zu bringen. Herr Cahen, der jetzt nach England zurückgekehrt ist, hat im ganzen folgende Ergebnisse gehabt. Es wurde fü rmehr als 9000 Franken Brot verteilt. Eine Volksküche gab von Mitte Januar bis Mitte März täglich an 600 Kinder Suppe ab. 500 Decken im Werte von 4000 Franken wurden verteilt. Ueber 6000 Stück Kleider und Wäsche wurden an Frauen, Kinder und Kranke abgegeben. Für die Vosniaken, die einen großen Teil der Flüchtlinge ausmachen, traf man Vorkehrungen für die Rückkehr, soweit sich ihre Heimatsgemeinden damit einverstanden erklärten, und da die Stadtverwaltung dieses Unternehmen unterstützt, dürften noch mehr von den Leuten fortgebracht werden. Im Kreis Jstip hat der englische Fonds 5000 Franken aufgewandt, die gleiche Summe erhielt Prisren durch Vermittlung dortiger Bürger, und auch nach Monastir ist ein größerer Betrag gesandt worden. In üsküb ist ein Waisenhaus gegründet worden, das Kinder jeder Rasse und Konfession aufnehmen soll. Für den Bau sind 10 000 Fr. vorgesehen.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Vuchdruckerei.
Reklameteil.
Selbst starke Aufgüsse von Kaffee Hag, dem eoffeinfreien Bohnenkaffee, verursachen keine Störung des Allgemeinbefindens oder der Herztätigkeit, weil das Coffem fehlt.
Gutachten aus der 1. Medizinischen Klinik der Charitö in Berlin.