Sitzung kurz nach 1 Uhr. v. Payer (F. V.): Dem Beschluh, die Entscheidung über die Wehrvorlage und die Deckungsvorlage nicht zeitlich voneinander zu trennen, schließen auch wir uns an. Wir werden die Harmonie in der recht guten Aufnahme des einmaligen Wehrbeitrages nicht stören. Wegen der übrigen Vorlagen stehen auch wir in Einzelheiten meist auf einem ablehnenden Standpunkt. Wenn die Regierung glaubt, daß die vermehrte Ausgabe von kleinen Kassenscheinen von der Bevölkerung günstig ausgenommen wird, täuscht sie sich. Aus dem Erbrecht des Staates werden hohe Erträge nicht zu erzielen sein. Nicht einverstanden erklären können wir uns mit der Forterhebung des Reichszuschlages auf den Grundstückumsatzstempel und mit der Besteuerung der Versicherungsverträge. Man nimmt dadurch den Einzelstaaten Steuern und überläßt es jedem, auf anderem Wege Ersatz zu schaffen. Es fehlt jede Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen der Steuergesetzgebung des Reiches. Die Mittelstandspolitik, die sich in diesen Vorschlägen zeigt, machen wir unter keinen Umständen mit. Mit aller Deutlichkeit müssen wir uns gegen den Vorschlag wenden, einen bedeutenden Teil der laufenden Ausgaben durch eine Erhöhung der Matrikularbeiträge über 150 Prozent aufzubringen. Als positiven Gegenvorschlag für die Vermögenszuwachssteuer für die Einzelstaaten machen wir den der Wiedereinbringung der Reichserbschaftssteuer, die allen Anforderungen an eine Besitzsteuer entspricht und für die auch eine Mehrheit besteht. Wenn die Regierung an der Beihilfe der Sozialdemokratie zu einer Reichserbschaftssteuer Anstoß nimmt, ist ihr entgegenzuhalten, daß sie die Unterstützung der Sozialdemokratie bei der elsaß-lothringischen Verfassungsfrage recht gern angenommen hat. Die Einzelstaaten sollten ihren Widerspruch gegen eine Vermögenssteuer aufgeben, sonst rückt die Gefahr in die Nähe, daß ihnen das letzte Besteuerungsobjekt, das Einkommen, auch noch vom Reiche weggenommen wird. Die Tantiemensteuer hat damit schon den Anfang gemacht. Die Vermögensabgabe ist tatsächlich eine Besitzsteuer. Viele Leute werden nicht in der Lage sein, die Steuer aus den Erträgnissen ihres Vermögens zu zahlen, und müssen deshalb das Kapital angreifen. Die kleineren Vermögen, von deren Rente der Besitzer nur ein bescheidenes Dasein halten kann, müssen frei bleiben. Eine Doppelbesteuerung des Vermögens muß auf alle Fälle vermieden werden, ebenso eine Doppelbesteuerung der Aktiengesellschaften. Wir werden unbefangen und vorurteilsfrei in der Kommission arbeiten, um ein Unheil zu verhüten, und danach streben, die Verteilung der Lasten mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen vorzunehmen. (Beifall.) Frhr. v. Ga mp (Rpt.): Die Bundesstaaten müssen durch Matrikularbeiträge alles aufbringen, was der Reichstag beschließt. Der 31. Dezember als Termin für die Feststellung des Aktienkurses zum Zwecke der Bermögensveranlagung ist ungeeignet, weil an diesem Tage die Kurse verhältnismäßig hoch stehen. Ein gewisses Existenzminimum muß man bei der Vermögensaufstellung, die am besten durch Sachverständige zu erfolgen hat, natürlich von der Abgabe frei lassen. Ich würde es für das richtigste halten, wenn man nicht in das Steuergesetz hineinschriebe, wie die Einzelstaaten diesen Beitrag aufzubringen haben. Der Grundstücksumsatzstempel wird forrlestehen bleiben müssen. Graf Pos a-
zwei Teiche. Furchtbar räumte das russische Kartätschfeuer unter den zusammengekeilten Geschöpfen auf. Die Leibgarde- Kosaken, geführt vom Eeneraladjutanten des Kaisers, Graf Orlof-Denisof, warfen sich erbittert auf sie; die zersprengten Regimenter St. Georg und Alt-Dubno machten wieder Front, und Graf Pahlen sowie die Neumärkischen Dragoner trabten herbei.
Nun trennte ein breiter, schlammiger Graben die Feinde voneinander. Die Grodno-Husaren erhielten starkes Feuer und wichen rasch. Ein höhnendes Jubelgeschrei der Franzosen. Das war den unerschrockenen Neumärkern doch zu viel. Sich weit vorbiegend, setzten sie ihren Tieren die Sporen in die Flanken, und hinüber ging es über den Graben, hinein in den Feind. General v. Zieten und alle Offiziere vorn, fielen sie über Milhauds Dragoner her. Alles preschte zurück. Die Brandenburger Klingen hieben scharf nach. Drouots Geschütze feuerten auf Freund und Feind. Erst die Infanterie Maisons setzte der Verfolgung ein Ziel. Das übrige Fußvolk der Franzosen war noch weit zurück. Der gewaltige blutige Reiterangriff war gescheitert. — Dann kam die Nacht, und das Lämen der Schlacht verstummte nach und nach.
Um 4Uhr war Napoleon in die Stadt zurückgeritten, der furchtbare Kanonendonner im Norden hatte ihn doch besorgt gemacht. Er hielt es zwar für unmöglich, dag der „vieux dable" Blücher ihn dort mit voller Wucht anfallen könne, da er ihn jenseits der Saale im Marsch zur Verbindung mit der böhmischen Armee vermutete, während die Nordarmee jenseits der Elbe stände.
Napoleon ritt, gefolgt von Ney und Coulaincourt, die Allee herum. Am Thomaspförtchen begrüßten ihn seine Garden mit jubelndem „Vive l'Emvereur!" als Sieger, und
dowsky-Wehner: Ich bedauere, daß die verbündeten Regierungen uns zum zweiten Male die Vorlage betreffend das Erbrecht des Staates unterbreitet haben. Höchst bedenklich ist es, daß der Bundesrat diese Vorlage damit begründet hat, daß die Familienbande in Deutschland immer lockerer werden. Ich bedauere aufrichtig, daß der Bundesrat ein derartiges Zerrbild uns aus finanziellen Rücksichten gegeben Hai. Die Regierung hätte allen Anlaß, die Familienbande zu stärken, anstatt sie herabzusetzen. (Lebh. Zustimmung.) Bedenklich ist es, daß es unter allen Umstünden dem Fiskus überlassen ist, den Erben etwas von dem Erbe zuzugestehen. Das würde zu endlosen Streitigkeiten zwischen Fiskus und Erben führen. In dem Gesetzentwurf liegt ein ganz dreister Eingriff in das Familienrecht. Ich hoffe, daß der Gesetzentwurf von der Mehrheit dieses Hauses an der Schwelle der Beratung abgelehnt wird. Die gegenwärtigen Verhältnisse nötigen dazu, die Kosten der Wehrvorlage den besitzenden Klassen aufzuerlegen. Aber auch das, was die Besitzenden tragen können, hat seine Grenzen, wenn man nicht die Erwerbsfähigkeit und den Sparsinn gefährden will. Reichsschatzsekretär Kühn: Der Herr Vorredner hat mit besonderem Nachdruck hervorgehoben, daß die Begründung zu diesem Gesetz in dieser Form nirgends Billigung finde, und einen Vorwurf gegen die verbündeten Regierungen erhoben, der gewiß auf ethischem Gebiet liegt. Dagegen möchte ich doch Einspruch erheben. Der Vorredner hat weiter gesagt, nach seiner Begründung wäre es nicht unwahrscheinlich, daß man auf diesem Wege noch Fortschritte macht und dann später dazu gelangen könne, die gesamte Verwandtschaft auszuschließen und so das Erbrecht überhaupt zu beseitigen. Begründung und Gesetzentwurf geben zu dieser Annahme keinen Anlaß. Emmel (Soz.): Besitz und Kapital allein schaffen keine Wertmehrung, die Tätigkeit der Arbeiter muß hinzukommen. Diese bekommen von der Wertmehrung nur so viel, daß sie sich durchschlagen und ihre Kinder erziehen können, damit die Besitzenden wieder neue Ausbeutungsobjekte haben. Die Erhöhung des Kriegsschatzes lehnen wir grundsätzlich ab. Die Kriegsgefahr würde dadurch nur vermehrt werden. Ebenso können wir dem Erbrecht des Staates unsere Zustimmung nicht geben. Wir arbeiten nur an neuen Steuern mit, wenn durch Annahme der Wehrvorlage sich Steuern nicht vermeiden lassen. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Roland-Lücke (Natl.): Wir bestehen nicht unbedingt auf Einführung der Erbanfallsteuer. Wir betrachten auch die Vermögenssteuer als Einlösung des Versprechens einer Besitzsteuer. Für das Ansehen des Reiches im Auslande ist es erfoderlich, beim Wehrbeitrag die schwachen Schultern zu schonen und nicht schon in Friedenszeiten auf das Scherflein der Witwe zurückzugreifen. — Um 147 Uhr vertagt das Haus die Weiterberatung auf Samstag 11 Uhr.
Stadt, Bezirk «nd Nachbarschaft
Calw. 12. April 1913.
Die heutige Nummer des Calmer Tagblatts umfaßt 6 Seiten: Erstes und Zweites Blatt.
Die Gustav Heinrich Wagnersche Schulstiftung von
50 000 -K, über die an dieser Stelle schon mehrfach gesprochen wurde, hat gewiß in allen Kreisen der Bevölkerung Freude und Dank hervorgerufen. Wir
alle Glocken klangen dazu feierlich von den Türmen. Das Rosentaler Tor fand der Kaiser verrammelt. So kehrte er um und ritt aus dem Eerbertor. Um 8 Uhr, als es schon dunkel war, kam er zwischen Eutritzsch und Groß-Wiederitzsch an, wo er Zeuge der wilden Flucht seiner geschlagenen Regimenter wurde.
Es war 3 Uhr, als der Angriff Porcks auf die Hauptstellung der Franzosen bei Möckern endlich beginnen konnte. Den ersten Versuch, das Dorf zu nehmen, machte Major v. Hiller mit acht Bataillonen der Avantgarde. Doch vergeblich; die Feinde verteidigten jedes Haus, jedes Gehöft mit verzweifeltem Mut. Die Brigade Prinz Karl von Mecklenburg mutz vorgeführt werden; alle Stabsoffiziere werden verwundet, bis auf einen; auch der ritterliche Prinz sinkt getroffen vom Pferde, aber das Dorf wird in heitzem Ringen, Mann an Mann, bis auf wenige Häuser nach Leipzig, erstürmt. Alsbald führte Marmont neue Verstärkungen vor, und der Feind entriß den Preußen wieder den größten Teil des Dorfes. Nun mußte auch die Brigade v. Steinmetz herangezogen werden. Sie warf zwei Bataillone in das mit Blut und Schutt erfüllte Dorf und ging mit den anderen gegen die große Batterie auf dem Windmühlenhügel vor. Doch gelang die Fortnahme derselben nicht, die Brigade mußte zurückweichen.
Zwischen Möckern und Wahren hielt Major v. Sohr mit der ersten, zweiten und der Jägerschwadron der Brandenburger Husaren. Zuerst in einem Hohlwege, um etwas Deckung zu haben, da sie aber auch dort unter Granatfeuer litten, stellte er das Regiment links des Weges in Linie auf. Als nun das Vordringen der Franzosen so bedrohlich wurde, kam Porck selbst angesprengt und rief dem Major zu: „Wenn jetzt die Kavallerie nichts tut, so ist alles ver
möchten diesen Dank an Herrn Gustav Wagner und seine Frau Gemahlin für die Einwohnerschaft hier öffentlich besonders zum Ausdruck bringen. Namentlich darf begrüßt werden, daß die Stiftung nicht allein für den Bau des Realprogymnasiums gilt, sondern auch den Schülern dieser Schule und der Volksschule zugute kommt. Sie ergänzt auf diese Weise die Stiftung eines anderen Freundes der Schule, des Herrn Hermann Wagner, nach der je 5000. für Realprogymnasium und Volksschule gestiftet wurden. Aus den Zinsen des betreffenden Betrages für die Volksschule sollen jährlich 10 Prozent des Bruttoertrags zum Kapital gelegt werden, der Rest des Zinsenertrags wird zur Deckung des Schulgeldes des jüngsten Knabenjahrgangs, sodann desjenigen der Mädchen verwendet. Durch diese Form der Verwendung der Zinsenerträgnisse ergibt sich allmählich die Deckung des Schulgeldes aller Kinder der Volksschule aus dieser Stiftung. Für das Realprogymnasium gelangen die Zinsen der 5000 M in der Art zur Verwendung, daß zunächst gleicherweise 10 Proz. des Zinfen-Brutto-Er- trags zum Kapital kommen und der Rest dann zur Beschaffung von Lehrmitteln dient. Falls dieser nicht völlig zu diesem Zweck aufgebraucht wird, soll begabten Söhnen unvermöglicher Bürger am Realprogymnasium mit diesem Gelde eine Freistelle beschafft werden. Dieser Stiftung des Herrn Hermann Wagner tritt die des Herrn Gustav Wagner mit einem bestimmten Zinsenanteil bei und schafft die Möglichkeit, die Vergünstigungen der elfteren Stiftung noch rascher zum Nutzen von Schülern und Schulen eintreten zu lassen. Die Stadt Calw wird den Bürgern, die in dieser Weise ihre Liebe zur Heimat betätigen, stets Dank schulden.
^ol). Mutmaßliches Wetter. Für Sonntag und Montag ist immer noch wechselnd bewölktes, kühles, aber vorherrschend trockenes Wetter zu erwarten.
Der Wettersturz. Wir sind jetzt plötzlich wieder im vollen Winter. Schon gestern ist das Thermometer auf 5 bis 6 Grad unter dem Gefrierpunkt gesunken. Abends trat dann Schneefall ein, der in den Höhenlagen heute früh liegen blieb und eine Stärke von 5 bis 10 Zentmeter aufweist. Diesen Morgen lag die Stadt und die umliegenden Höhen in dichter Schneehülle. Aus der Rheinebene verlautet, daß die Blüten teilweise erfroren sind. Am oberen Neckar und vollends auf unserem Schwarzwald ist die Vegetation noch weit zurück, als daß großer Schaden entstanden wäre. Uebrigens ist Schneefall für die Blüten an sich nicht schädlich, nur dürfen die Bäume nicht geschüttelt werden. Geschieht letzteres, so erfrieren die Blüten. Bei einem Schneefall hat sich das am Schluß der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts deutlich gezeigt, wo nur die nicht geschüttelten Bäume Früchte trugen. — Wenn dieses Schneewetter anhält, müssen unsere Konfirmanden morgen im Schnee in die Kirche gehen. Gewiß eine seltsame Konfirma- tionswitterung!
Altensteig, 12. April. Die beiden Opfer des Vrandunglücks vom Montag wurden in feierlichem Trauerzug vom Krankenhaus zum Friedhof gebracht. Eine zahlreiche Trauerversammlung hatte sich um das gemeinsame Grab versammelt, das für die Ueber- reste der verkohlten Leichen der Juliane Schmied und des Karl Tafel bestimmt war. Stadtpfarrer Haug gedachte in seiner ergreifenden Ansprache des schweren Unglücks der mitleidswerten Opfer. Ein Vertreter
loren! Lassen Sie einhauen!" Sohr entgegnete, daß er allein zu schwach sei und die Reservereiterei sich noch zu weit zurück befände, um ihn, im Falle einer mißlungenen Attacke, aufnehmen zu können. Porck sandte sofort einen Adjutanten mit dem Befehl, die Reseroereiterei vorzuholen. Sein Pferd wendend, sagte der General noch: „So halten Sie wenigstens die Infanterie auf." Hiermit beschäftigt, kam Major v. Schack angejagt und wiederholte den Befehl zum Angriff. Sohr erwiderte: „Sagen Sie dem General, ich gäbe mein Ehrenwort, ich würde einhauen, nur möchte ich mir erlauben, den günstigsten Moment auszuwählen!"
Graublauer Pulverdampf umhüllte alles, nur das Sausen der Flintenkugeln, die auch schon in die Husaren ein- fchlugen, zeigten dem Major an, daß die Kolonnen der Franzosen nahe genug waren. Er ließ jetzt die weichende Infanterie durch, dann schmetterten die Trompeten „Marsch!", und mit jubelndem Hurra, die Säbel hochgeschwungen, rasten die todesmutigen Reiter in die anstürmenden Bataillonsmassen hinein. Diese wurden niedergeritten, nur ein kleiner Teil rettete sich in tollem Laufe in die Batterie. Ihnen nach aber die Husaren. Sie erbeuteten sechs Geschütze. Major v. Sohr, der beim Anreiten, gerade als er, den Säbel schwingend, „Hurra!" ruft, durch den Arm geschaffen wurde, mußte das Kommando an den Rittmeister o. Schulz übergeben. Mit den brandenburgischen Ulanen, Major v. Stutterheim, dem S. Schlesischen Landwehr-Reiterregiment und den 2. Leibhusaren, Major v. Stöffel, vereinigt, die inzwischen unter Kartätsch- und Musketenfeuer herangetrabt waren, warfen sich die Brandenburger Husaren nun auf heranklirrende Kürassiere und Chasseure, sprengten sie und jagten bis zum Ritschebache bei Gohlis in dichtem Handgemenge. (Fortsetzung folgt.)