schwere Brandwunden davongetragen hatte. Man wußte, daß auch die 77jährige Juliane Schmid im Hause war/ es war aber unmöglich, die alte Frau, die nicht mehr gehen konnte, dem Feuer zu entreißen. Es verbreitete sich immer mehr, griff an dem Giebel hinauf, sprang auf das Glaser Lutz'sche Haus und als die brennenden Trümmer vom Tafel'schen Haus auf das Haus des Schuhmachers und Taglöhners Virkle fielen, auch auf dieses über. Auch das Stadtpfarrhaus, das Gasthaus zum Engel, der „Ochsen" und andere Gebäude waren sehr in Gefahr. Der inzwischen niedergehende Regen dämpfte das Feuer und so blieb es schließlich auf die beiden Häuser Tafel und Birkle beschränkt, die bis auf den Grund niederbrannten. Sehr zu bedauern ist, daß zwei Menschenleben den Flammen zum Opfer fielen, denn, wie bekannt, verbrannte der Besitzer des Hauses, Karl Tafel und die Juliane Schmid. Tafel war ein selbstloser, bescheidener Mensch, von Beruf Versicherungsagent. Sein verkohlter Körper wurde auf dem Brandplatz gefunden,- der Lage nach ist er im Wohnzimmer erstickt. Die Leiche der Juliane Schmid konnte noch nicht gefunden werden. Das Feuer ist durch grobe Fahrlässikeit oder Brandstiftung entstanden. Dem Schuhmacher Birkle ist vor drei Jahren schon einmal sein Haus abgebrannt.
Dagersheim OA. Böblingen, 8. April. An der Straße nach Darmsheim ist ein mit 4 Personen bemannter Freiballon, der morgens 6 Uhr in Freiburg
1. B. aufgestiegen war, mittags gelandet. Der Ballon wurde auf den Bahnhof Böblingen gebracht, von wo aus er mit der Bahn zurückbefördert wurde. Die Ballonfahrer kehrten gleichfalls mit der Bahn in die Heimat zurück.
Sindelfingen, 8. April. Trotz den unausgesetzten eifrigen Bemühungen und Ermahnungen der Handwerkskammern und sonstigen Organen, endlich bessere Zustände im Handwerk zu schaffen, kommen immer noch die unglaublichsten Unterbietungen vor, wovon die am
2. dieses Monats erfolgte Eröffnung der Angebote zum Bahnhofumbau Magstadt und Maichingen den Beweis gibt. Soll doch bei der Maurerarbeit zwischen dem höchsten und niedersten Gebot eine Differenz von 6000 Mark, bei der Flaschnerarbit beim Bahnhof Magstadt das höchste Gebot 824 -4t, das niederste von auswärts 390 ltt sein. Aehnlich liegen die Angebote bei den Glaser- und Malerarbeiten.
Württemberg.
Stuttgart, 8. April. Bei der Wiederaufnahme ihrer Beratungen nach der Osterpause erklärte die Zweite Kammer zunächst die Mandate der Abgg. Commerell- Ncuenbürg und Mattutat-Südkreis, die aus verschiedener Gründen beanstandet worden waren, für gesetzmäßig. Bei der Nachweisung der Rechnungsergebniffe des Staatshaushalts für 1909/10 bemängelte Scheef (V.) einige formale Verstöße, über die sich eine Diskussion unter Beteiligung des Finanzministers und der Abgg. v. Gauß und v. Kiene entspann, worauf der beanstandete Paragraph samt den folgenden genehmigt wurde. Zu 8 9 wurde ferner eine Anzahl etatsrechtlicher Anträge des Ausschusses debattelos angenommen, worauf nach einstündiger Dauer die Sitzung geschlossen wurde.
Stuttgart, 7. April. Die sozialdemokratische Partei wird auch Heuer am 1. Mai, der auf Christi Himmelfahrt fällt, durch einen Umzug und anschließende Versammlungen in 4 Lokalen feiern.
Stuttgart, 8. April. Als Vertreter des Handels und der Industrie wurde Kommerzienrat Hugo Rümelin
in Heilbronn vom König für die Dauer der laufenden Landtagswahlperiode zum Mitglied der Ersten Kammer ernannt.
Stetten, 8. April. Der 32jährige Mechaniker E. Treiber wurde bei dem auswärtigen Bruder von einem adstringenden Stück eines Schleifsteins so unglücklich getroffen, daß er an den Verletzungen starb.
Göppingen, 9. April. Die Kreisregierung hat die Beschwerde Kinkels gegen seine Suspension als Eemeinderat als unbegründet verworfen.
Mühlacker, 8. April. In Sachen des Bahnprojekts Renningen—Mühlacker fand im „Ochsen" in Wurmberg eine öffentliche Versammlung statt. Aus dem Landtag waren erschienen die Abgeordneten Pergler v. Perglas, Dr. Wolf, Böhm (Sulz), Roth (Stuttgart) und Hanser (Stuttgart). Verhindert waren Dr. Eisele (Vaihingen), der Vezirksver- treter Sperka und Roth (Leonberg). Oberamtmann Elsen- hans wies auf die in früheren Jahren in mancherlei Gestalt unternommenen Pläne und Versuche, eine Bahnverbindung zu bekommen, hin. Der vorbereitende Ausschuß hat eine Eingabe an die Regierung und Landstände entworfen. Ihre überzeugenden Darlegungen machten auf die anwesenden Landtagsabgeordneten großen Eindruck. Der Vorsitzende ließ der Verlesung noch einen warmen Appell folgen. Freiherr Pergler v. Perglas erklärte, wenn die geplante Bahnverbindung im Landtag zur Verhandlung komme, werde die Frage mit größtem Wohlwollen behandelt werden. Freilich seien es der Petenten gar viele und unser Land sei nicht reich. Aber er spreche trotzdem den Wunsch aus, daß die Bahn recht bald erstehen möge. Aehnlich äußerten sich die Abgeordneten Böhm, Hanser und Roth.
Leutkirch, 8. April. In Ferthofen, Gemeinde Aitrach, war es zwischen zwei Maurern und zwei Radfahrern in einer Wirtschaft zu Händeln gekommen. Wie nun die beiden Radfahrer zur Heimfahrt aufbrachen, legten ihnen die Maurer eine eiserne Egge auf den Weg. Einer der Radfahrer namens Mendel ausOttmannshofen stürzte und wurde so verletzt, daß er bald darauf tot war. Die beiden Maurer sind verhaftet. Das Opfer ihres schändlichen Anschlags hinterläßt eine Witwe und drei unmündige Kinder.
Von der bayrischen Grenze, 8. April. In vergangener Nacht ist in Rettenbach bei Kempten das Oekonomieanwesen des Maurers Abrell gänzlich niedergebrannt. Bei dem Versuch, seine Kinder zu retten, kam Abrell mit seinen 3 Kindern, einem Buben im Alter von 11 Jahren und zwei Mädchen im Alter von 10 und 6 Jahren, in den Flammen um. Die Leiche des Vaters und die eines Kindes sind bereits gefunden worden. Die Witwe des Verunglückten ist infolge des Schreckens schwer krank geworden.
Aus Welt und Zeit.
München, 8. April. Im Münchner Bäckerstreik, der vorgestern begonnen hat. stehen etwa 1000 Gehilfen. Von etwa 660 Bäckereien haben bis jetzt nur 175 den neuen Tarifvertrag, der höhere Löhne und größere Ruhepausen vorsieht, bewilligt.
Berlin, 8. April. Der sozialdemokratische Parteitag soll in diesem Jahre vom 24. bis 30. August in Jena stattfinden.
Berlin, 8. April. Eine Bestätigung der Aussage, daß die Franzosen im Innern des in Luneville gelandeten Zeppelin photographische Aufnahmen gemacht haben, bringt die illustrierte Pariser Zeitung „Excelsior", die auf der Titelseite eine große Photographie aus der Hinteren Gondel des
Zeppelin veröffentlicht. Man gewinnt hier einen genauen Ueberblick über die technische Anordnung und Lagerung der Motors und der Propeller und die technischen Angaben, die diese sehr anschauliche Aufnahme begleiten, lassen keinen Zweifel darüber, daß man den Zeppelin nicht nur durchsucht, sondern auch sehr gründlich auf seine technischen Eigentümlichkeiten hin untersucht hat. In dem begleitenden Artikel werden die Zeppeline mit unverhohlener und rücksichtsloser Anerkennung als wahre „Wunder der Präzision" genau geschildert und beschrieben. „Der Zwischenfall, der es uns ermöglicht hat, die mechanischen Wunder des Zeppelin aus der Nähe zu betrachten, hat uns bewiesen, daß wir auf dem Gebiet des Lenkballons im Vergleich mit den Deutschen noch Anfänger sind." Dann folgt eine technisch eingehende Schilderung der mechanischen Einrichtung des Zeppelin und aus französischen Blättern erfahren wir so Einzelheiten, die man bei uns bisher mit gutem Grund stets geheimzuhalten wußte. Angesichts der vollkommen ausgebildeten Technik der Zeppeline warnt der französische Kritiker davor, den Unfällen, denen die deutschen Luftschiffe mehrfach begegnet sind, zu viel Gewicht beizumessen, und mit einem Unterton von Bewunderung schließt er: „Wir wollen künftig nicht mehr lachen, wenn diese Luftschiffe explodieren oder vielleicht einmal die Opfer einer unvorhergesehenen Notlandung werden. Es ist überflüssig, darauf einzugehen, welchen Wert die genaue Kenntnis der Anatomie der deutschen Luftschiffe für uns gewinnen kann."
Schwerin, 8. April. Das Regierungsblatt gibt bekannt, daß der Eroßherzog auf den 6. Mai einen außerordentlichen Landtag nach Schwerin einberuft. Als einziger Gegenstand der Verhandlungen gelangt zur Besprechung die Aenderung der bestehenden Landesverfassung.
Peking, 8. April. Heute ist das erste chinesische Parlament eröffnet worden. Auf den mit Triumphbogen überspannten Straßen drängte sich eine dicht gedrängte Menschenmasse. Die gemeinsame Eröffnung des Senats und des Repräsentantenhauses fand unter dem Salut der Geschütze im Abgeordnetenhause statt. Anwesend waren 500 Volksvertreter von im ganzen 596 und 177 Senatoren von im ganzen 274. Die Galerien waren von chinesischen und fremden Besuchern dicht gefüllt. Der Senior des Repräsentantenhauses begrüßte die Versammlung und erklärte das Parlament für eröffnet. Unter großer Begeisterung wurden alsdann die beiden Häuser auf Samstag vertagt. Die Botschaft Puan- schikais an das Parlament wurde, da seine Präsidentschaft nur eine provisorische ist, nicht öffentlich verlesen. Er spricht darin dem Parlament seine herzlichsten Glückwünsche zu seiner Eröffnung aus und gab der Hoffnung Ausdruck, daß die Republik 10 000 Jahre dauern möge.
Der Balkankrieg.
Cetinje, 8. April. Der englische Kommandeur der internationalen Demonstrationsflotte hat der montenegrinischen Regierung mitgeteilt, daß die Blockade am Abend des 8. April beginnen werde, da er die letzte Aufforderung der Mächte, von der Belagerung Skutaris abzulassen, am 5. April in Cetinje überreicht hätte. — Die Kabinette der Großmächte werden darüber zu entscheiden haben, ob die effektive Blockade durch die Demonstrationsflotte sich nur auf die montenegrinischen oder auch auf die albanischen Häfen erstrecken soll, da Serbien und Montenegro die meiste Zufuhr über die albanischen Häfen erhalten.
Die Wiener „Sonn- und Montagszeitung" schreibt über die Antwort Montenegros anscheinend halbamtlich: „Das
82) 3 m Sturm genommen!
Roman aus den Freiheitskriegen 1813—1814.
Von H. E. Jahn.
Alles sprang und rannte wie toll durcheinander, einige fielen und schrien jämmerlich, andere rannten gegen Baumstämme und taumelten betäubt zu Boden, ein Chaos von Angst und Verwirrung. Dieses tolle Durcheinander benutzten Hans und sein russischer Freund, um so rasch wie möglich die Flucht zu ergreifen. Schon hatten sie glücklich das offene Feld erreicht und begannen in der Richtung nach Norden davonzueilen. Um sie herum, in den Lagern der verschiedenen Truppenteile, lärmten die Trommeln und Hörner. Die Traingäule wurden eingespannt, denn der Schreckensruf: „Monsieur les Kosaques!" hatte noch nichts von dem Zauber eingebüßt, den er in den weißen Schneewllsten Rußlands sich erworben hatte. . . .
In langen Sätzen sprangen die Flüchtlinge dahin, die zähe Erde blieb ihnen an den Stiefeln kleben, die durchnäßten Uniformstücke behinderten jede Bewegung, aber mit Aufbietung der letzten Kräfte suchten sie der gefährlichen Nähe ihrer Feinde zu entrinnen. Vergebens! — Einige polnische Lanzenreiter, die etwas abseits gehalten hatten, erblickten sie und mit schrillem Geheul gaben sie ihren Tieren
die Sporen und folgten mit eingelegten Lanzen den in keuchender Hast Dahineilenden. Schon erblickten sie die Hütten von Schladitz, an vielen der niederen Fenster blitzte traut ein Licht auf. Aber näher und näher kamen die Krakusen den Flüchtlingen, ein Entrinnen schien es für sie nicht mehr zu geben.
„Wer jot, skars je! vorwärts, schnell!" röchelte Iwan Jwanowitsch, während ihm blutiger Schaum vor die Lippen trat und er wie ein Schwerbetrunkener taumelte. Auch Hans keuchte, vor seinen Augen tanzten glühende Funken auf und nieder. Nur ein Gedanke leuchtete scharf aus der angstvollen Nacht hervor, der Gedanke an Helene, an sein süßes Mädchen.
Immer näher preschten die Polen, immer lauter lärmte und gellte ihr Geschrei: „Stoy! Stoy!" Schon glaubten sich beide Flüchtlinge verloren, die Lanzen der Verfolger mußten sie in den nächsten Sekunden durchbohrt haben! Da — da — schrillte ihnen ein neues: „Stoy" entgegen, hemmte ihre wankenden Füße und ließ sie vor Schrecken zu Boden taumeln.
Gelbe, bärtige Männer waren es, auf kleinen, zottigen Gäulen. Die struppigen Köpfe zum Teil durch Lederkappen bedeckt, in den haarigen Fäusten Pfeile und Bogen, zum Teil lange, blanke Lanzen, zwei mächtige Pistolen umgeschnallt. Ein Wutgeheul entstand bei dem Anblick dieser fremdländischen Reiter in dem Haufen der verfolgenden Polen, und sie drängten sich unschlüssig zusammen. Die Kosaken — denn diese waren es, wie man trotz des Zwielichts
,uf den ersten Blick sofort erkennen konnte — kamen ndessen im Zuckeltrabe näher geritten, und einer hrer Offiziere rief den sich mühsam erhebenden Flüchtlingen zu: „Sehto wy sa kakoi? Was sind Sie igentlich für einer?"
Ljeß war mit wankenden Knien den Kosaken lähergetreten und antwortete: „Ja asfizärr! ich bin !"
Der Kosakensotnik aber langte seine Wodkiflasche us dem Sattel herab und nickte: „Brat juschka, Zrüderchen, trink! Er ist süß wie Honig und wärmt oie die Sonne' Er wird dir schnell wieder auf die Zeine helfen, schneller wie Wratsch i Aptjekar, Arzt md Apotheker zusammen!"
Iwan trank mit tiefen Zügen und gab dann die flasche Hans. Ein geschlossener Pulk war inzwischen angsam herangerückt und hielt etwas seitwärts, nahe >em Birkenauer Holze. Die Kosaken hatten inzwischen ne Verfolger als Polen erkannt und begrüßten sie nit dem Zuruf: „Lachy! Lachy!" Einige ritten vor, chwenkten ihre Schnapsflaschen und schrien: „Wott
her! Lachy!"
Die Polen folgten dieser freundlichen Einladung indessen nicht, sondern rissen ihre Perde herum und sprengten in Eile davon, dem Lager der Franzosen zu. Es war eine Abteilung der Kosaken des Hetman Platow, die so plötzlich in höchster Not den Flüchtigen zur Rettung erschienen war.
(Fortsetzung folgt.)