ELM

88. Jahrgang.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

81 .

MM

.i -itnunaLweil-: «mal wöchentlich. Anjkigenpr-i»: Im OberamtS- LÄw für di« einspaltige BorgiSzeile 10 Pfg.. auß«rhalb desselben (2 Pfg., 25 Pfg- Schluß für Jnseratannahm« 10 Uhr vormittags. Telefon S.

Mittwoch, den 9. April 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- bezugSpreiS für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.S0. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 12 Pfg,

Amtliche Bekanntmachungen.

An die Gemeinderäte und Ortsschulräte.

Laut Erlasses des K. evangelischen Oberschulrats vom 2. April 1913 sind zu den Kosten des Handarbeitsunterrichts pro 1912/13 den nachstehend genannten Gemeinden die bei­gesetzten Staatsbeiträge verwilligt worden, und zwar: Alt­bulach IS -K, Altburg 7S -4l, Emberg 20 .41, Hirsau IS -1t, Holzbronn 15 -<t, Möttlingen 50 -1t, Monakam 65 .41, Neu- hengstett 80 -1t, Oberhaugstett 15 -1t, Oberkollbach 85 -1t, Oberreichenbach 55 -K, Ottenbronn 80 -1t, Rötenbach 10 -1t, Sommenhardt 15 -1t, Simmozheim 40 -1t, Stammheim 80 <1t, Teinach 20 -1t, Unterhaugstett 30 -K, Zavelstein 25 -1t: zu­sammen 740 -1t.

Lalw-Nagold-Neuenbürg, den 4. April 1913.

K. gem. Oberamt in Schulsachen.

Binder. Schott. Baumann.

Die Heeresvorlage vor dem Reichstag.

Zweiter Tag.

Berlin, 8. April.

Am Bundesratstisch: Reichskanzler v. Bethmann Holl­weg, Kriegsminister v. Heeringen. Präsident Dr. Kaempf eröffnet die Sitzung Punkt 1 Uhr.

Bassermann (Natl.): Die gestrigen Ausführungen des Reichskanzlers waren von dem Gefühl des Ernstes und der Schwere der politischen Lage getragen. Den von jedem Pessimismus freien und von Vertrauen in unsere Nation und in unser Heer getragenen Erundton seiner Rede können wir gewiß nur begrüßen. Die internationale Lage ist so verworren, daß zur Durchführung der allgemeinen Wehr­pflicht auch der letzte Mann eingestellt werden muß. Bei Beurteilung der politischen Lage müssen wir uns fragen, ob die Verschlechterung auch andere Gründe als die Vorgänge am Balkan hat. Zeitweilig trat ein Gegensatz zwischen der Triple-Entente und dem Dreibund hervor. Die akuten Ver­änderungen der Lage sind in die Augen springend; nament­lich die Stärkeverteilung hat sich durch den Balkankrieg ge­ändert. Die Türkei ist als militärischer Faktor ausgeschieden. An ihre Stelle treten die slawischen Staaten. Was unsere Beziehungen zu Rußland angeht, so habe ich den Eindruck, daß die Erwartungen, die an die Zusammenkünfte in Pots­dam und in Baltisch Port geknüpft wurden, nicht durchweg erfüllt worden sind. Wir erkennen gern an, daß die Politik der leitenden russischen Staatsmänner von friedlichen Ab­sichten geführt wird. Aber es fragt sich, wie lange das Regi­ment dieser Männer dauern wird. Die panslawistischen Ele­mente in Rußland zeigen deutlich ihre Unzufriedenheit mit der derzeitigen Politik des russischen Kabinetts. Die chauvi­nistische Bewegung hat Herr Haase mit leichter Hand auf die Seite geschoben. Wenn auch Deutschland gegen Frank­reich mehr als 40 Jahre lang eine ruhige und friedliche Poli­tik verfolgt hat, wächst in einem gewissen Teil der Presse Frankreichs und damit in gewissen Schichten des französischen Volkes die Unfreundlichkeit gegen Deutschland. Eine Ver­schlechterung der internationalen Lage ist weiter eingetreten durch die Neigung größerer Völker zur imperialistischen Poli­tik. In der Tat ist die Kriegsgefahr in den letzten Jahren ständig gewachsen. Wenn so mit der Möglichkeit internatio­naler Verwicklungen gerechnet werden kann, muß ein vor­sichtiger Hausvater seine Politik auf solche Möglichkeiten einstellen. Deshalb sind wir bereit, eine Verstärkung der deutschen Armee zu bewilligen. Wir begrüßen die Besserung der politischen Beziehungen zu England. Nun zur Wehr­vorlage selbst. Ich habe den Eindruck, daß die jetzigen Vor­lagen nicht allein aus der politischen Lage sich ergeben, son­dern auch Dinge nachzuholen bestrebt sind, die man vielleicht schon früher vorgenommen haben sollte. Bei einer so ein­schneidenden Veränderung in unserer Armee darf auch an einer Reform des Militärstrafrechts nicht vorübergegangen werden. Zu wünschen ist endlich die Beseitigung des prin­zipiellen Ausschlusses eines religiösen Bekenntnisses von der Offizierslaufbahn und ein Aufräumen mit der Bevorzugung des Abels. Einer Verkürzung der Dienstzeit möchte ich das Wort nicht reden. Ich kann mich mit dem Hinweis auf die französischen Erfahrungen begnügen. Daß eine neue Zeit

angebrochen ist, das empfinden wir alle. Die neue Zeit stellt neue Aufgaben. Wir haben wertvolle Güter zu verteidigen. Angesichts der Weltlage sind wir bereit, den Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht mit Einstellung aller Wehrpflichti­gen zu bewilligen, v. Kanitz (Kons.): Die Bewilligung der Militärforderungen ist eine Pflicht ersten Ranges. Nicht erst der Verlauf der Kriegsereignisse ist dabei der Grund, sondern die augenblicklichen Kriegsrüstungen Frankreichs. Wir erkennen dankbar an, daß der Reichskanzler die Vorlagen eingebracht hat, die uns den Frieden garantieren sollen. An unserer Friedensliebe kann man nicht zweifeln. Wir wollen deshalb lieber eine Milliarde hingeben, als uns den Ge­fahren einer Niederlage im Kriege aussetzen, die uns sehr viele Milliarden kosten wird und außerdem Hunderttausende von Menschenleben dahinraffen muß. Die Balkanfrage kann noch neue Schwierigkeiten schaffen, wenn es an die Ver­teilung der Beute geht. Solange wir die Stärkeren sind, wird der Friede gesichert sein, aber nicht einen Tag länger. Möge das deutsche Volk von 1913 an Opsersinn nicht zurück­stehen gegen das Volk von 1813. Abg. Müller- Meiningen (Vp.): Die ganze Vorlage ist dürftig und anscheinend in wenigen Wochen zusammengeschrieben worden. Deshalb muß das Parlament prüfen: 1. Ist eine solche ungeheure Kosten­erhöhung in dem jetzigen Zeitpunkt unbedingt notwendig? 2. Werden auch alle diese Forderungen, Gesetze und Aus­rüstungsmittel so angewandt, daß der Zweck des Gesetzes auf die beste und billigste Weise erhalten werde? Die Militär­verwaltung hat sich von den Ereignissen im Südosten Euro­pas völlig überraschen lassen. Es wird Sache einer klugen Diplomatie sein, ein wirklich freundschaftliches Verhältnis mit den neuen Staaten herzustellen. Fürst Lichnowsky hat ganz richtig in der White-Hall gesagt: Nichts Schlimmeres kann es für den Wohlstand einer Nation geben, als den niederdrückenden Einfluß fortgesetzter kriegerischer Vorberei­tungen. Soll das ewig so weiter gehen? Ist es richtig, was man jetzt bereits flüstert, daß im nächsten Jahre wieder eine Flottenvorlage kommen soll, und daß dieser Vorlage bereits nach 2 Jahren wiederum eine neue Vorlage folgt? Ich kann sagen, daß an einen Angriffskrieg Deutschlands keine ver­ständigen Menschen in Deutschland denken, höchstens einige Narren. Ueber die Zugehörigkeit Elsaß-Lothringens zum Reiche gibt es allerdings nur eine Stimme: nicht einen Fuß breit deutschen Bodens werden wir aufgeben! Darüber be­steht bei allen Parteien, sollte ich glauben, nur eine Mei­nung. (Allseitige Zustimmung.) Die große Mehrheit des deutschen Volkes ist opferbereit genug. Aber die große Mehr­heit des Volkes verlangt die Rückkehr zu den Grenzen des Scharnhorstschen Reglements von 1808. Bundesratsbevoll­mächtigter Kriegsminister v. Heeringen: Der Abg. Mül­ler-Meiningen hat sehr stark übertrieben. Das deutsche Offi­zierkorps steht festgewurzelt auf dem Boden, auf dem es aus­gewachsen ist, (Höhnisches Gelächter bei den Sozialdemokra­ten.) und treu zu seinem allerhöchsten Kriegsherrn. (Un­ruhe.) Es wird im Ernstfall seine Pflicht und Schuldigkeit tun. Die politischen Ereignisse sind heute andere wie im Jahre 1911. Es wäre ein Vertrauensbruch der Militärver­waltung gegen das Vaterland, wenn sie die Konsequenzen nicht gezogen hätte, v. Seyda (Pole): Wenn das Reich der slawischen Gefahr begegnen will, braucht es nur eine Politik zu verfolgen, die einer selbständigen Politik der sla­wischen Völker nicht hindernd in den Weg treten will. Abg. Scheidemann (Soz.): Der Mangel einer wirklichen Be­gründung dieser Vorlage mit ihren abenteuerlichen Kosten und ihren ganz unabsehbaren weltpolitischen Folgen muß geradezu verblüffen. Oesterreich-Ungarn ist dreiviertel sla­wisch. Wie kann es da ein Bollwerk des Germanentums sein? Die Vorlage kann in Frankreich als eine Bedrohung aufgefaßt werden. Wir führen die Soldaten aus, gegen das Slawentum zu kämpfen, und holen uns Polen in die Ka­sernen hinein. (Heiterkeit.) Erzberger (Ztr.): Die Vor­lage fordert Riesenopfer. Auf die Frage: Warum? haben wir keine befriedigende Antwort erhalten. Eine Menge von Maßnahmen sind nicht als erforderlich zu bezeichnen. Es wäre viel billiger, wenn man zur Bewachung wichtiger Räume einen Vertrag mit der Wach- und Schlicßgesellschaft abschlösse. (Schallende Heiterkeit.) Um 7 Uhr 10 Min. vertagt sich das Haus. Die Weiterberatung erfolgt Mittwoch Uhr. Schluß 7)4 llbr.

Stadt» Bezirk und Nachbarschaft

Calw, 9. April 1913.

Der Eemeindeabend der evangelischen Gemeinde nahm bei ziemlich gutem Besuch einen befriedigenden Verlauf. Im Mittelpunkt des Abends stand der Vortrag von Prälat Dr. v. Hermann über das neue Gesangbuch, der in seiner klaren, ruhigen Art gerne angehört wurde und namentlich auch dadurch gewann, daß in ihn Vorträge des Kirchenchors von Liedern aus dem neuen Gesangbuch verflochten waren. Außer diesen Gesängen kam auch noch ein Quartett zu Gehör. Ansprachen hielten Dekan Roos und Stadt­schultheiß Conz. Nach 2)4 Stunden hatte die Veranstal­tung ihr Ende erreicht.

In der Konfirmandenliste, die am Donnerstag veröffentlicht wurde, ist statt Luise Bauer richtig zu lesen: Luise Lauer.

Abzug der Angestelltenversicherungsbeiträge am steuerbaren Einkommen. Bei der Ermittlung des steuer­baren Einkommens dürfen von den Einnahmen in Ab­zug gebracht werden: 1) die von den Versicherungs­pflichtigen gemäß tz 178 des Neichsgesetzes mittels Ge­haltsabzug zu entrichtenden Beiträge an die Reichsver- sichcrungsanstalt (Beiträge für Pflichtversicherung), 2) die Beiträge, welche an die nach dem Reichsgesetz zu­gelassenen Ersatzkassen (Z 372 ff. des Ges.), sowie an andere öffentliche oder private Kassen (H 365 ff. und d 387 ff. des Ges.) entrichtet werden, soweit die Beteili­gung an einer solchen Kasse auf Gesetz- oder Dienstver- trao beruht und den Beitragspflichtigen ein Rechtsan­spruch auf Unterstützung gegen die Kasse gewährt wird. Nicht abzugsfähig sind: 1) Beiträge für freiwillige Versicherung,-welch letztere vorliegt bei a) freiwilliger Fortsetzung einer Pflichtversicherung, b) bei freiwiger Selbstversicherung und c) freiwilliger Höherversicherung; 2) Lebensversicherungsprämien. Diejenigen Angestell­ten, die selbst eine Steuererklärung abgeben, können den Abzug selbst bewerkstelligen, die andern aber, die dies nicht tun, werden in ihrem eigenen Interesse da­für Sorge tragen, daß seitens der Arbeitgeber in den Gehaltszetteln oder -Listen die abzugsfähigen Beiträge angegeben werden.

b. Posteinnahmen. Der Eebührenanfall aus dem Post-, Telegraphen- und Fernsprechbetrieb im Februar betrug 1 703 289.61 (plus 8 929.46 -41). Seit dem 1. April 1912 betragen die Einnahmen 24 646 968.58 (plus 1 178 267. 86) Mark

scb. Mutmaßliches Wetter. Für Donnerstag und Freitag ist Aufheiterung und nachts sehr kühles, tags­über etwas milderes Wetter zu erwarten.

Der Deutsche Wehrverein besitzt nunmehr in Württem- verg in 54 Ortsgruppen über 5400 Einzelmitglieder und 4600 körperschaftliche Mitglieder; die stärksten Ortsgruppen sind Stuttgart (951), Ulm (625 Einzelm. und 1300 körp.), Lud­wigsburg (550), Geislingen (303 Einzelm. und 610 körp.), Tübingen (236), Gmünd (180 Einzelm. und 550 körp.), Hohen­heim (170), Kirchheim u. T. (168 Einzelm. und 153 körp.), Heilbronn (136), Ravensburg (128), Herrenberg (107), Ried­lingen (105). Die Ortsgruppe Calw zählt 92 Mitglieder.

Nagold, 8. April. Gestern nachmittag 4 Uhr ist hier das erste Frühjahrsgewitter mit starkem Regen und heftigem Donnern und Blitzen niedergegangen.

Altensteig, 8. April. Die bei dem furchtbaren Brand ums Leben gekommene alte lahme Frau heißt Schmied. Das erste der abgebrannten Häuser war mit 11 000 -st, das zweite mit 7000 -K und das dritte mit 5000 -<1 versichert. Der Eesamtschaden wird auf 40 MO bis 50 000 -41 geschätzt. Aus dem zuerst in Brand ge­ratenen Tafel'schen Hause, das von 5 Familien bewohnt war, schlugen schon die Flammen, als die Feuerwehr unten zur Türe eindrang. Das Feuer war in dem nahe der Türe liegenden Holzstall ausgebrochen. Man rettete rasch die im Hause befindlichen Kinder; eine Frau, die krank im Bette lag, rettete sich, nur mit dem Hemd bekleidet, aus größter Gefahr. Der 59jährige, ledige Paul Tafel wurde durch ein Fenster gerettet und im letzten Augenblick dem Feuer entrissen, nachdem er sch n