76. Amts- und Anzeigeblalt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.
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«alw für di« einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg.. HlMsmen W Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 8.
Donnerstag, den 3. April 1913.
Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post«
bezugSpreiS für den Orts- und Nachbarortsverkebr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., ln Bayern und Reich -42 Dfg
Die Volksdichte.
Die Volkszählung erhebt nicht bloß ziffernmäßig die Zahl der Bevölkerung nach Köpfen, sondern sie entwickelt auch die Kopfzahl im Verhältnis zur bewohnten Fläche, sie setzt die Zahl in Beziehung zum Boden und findet so die sogenannte relative Bevölkerung oder Volksdichte. Seit 1884 ist die Volksdichte in Württemberg stetig gewachsen. Auf 1 Quadratkilometer kamen 1834 an Menschen 81, 1855: 85, 1871: 93, 1880: 101, 1890: 104, 1900: 111, 1905: 118 und 1910: 125. Die Dichte ist also immer größer geworden. Verschiedene Ursachen bewirkten dies: einmal der Aufschluß des Landes durch Verkehrswege und Verkehrsmittel, dann der Einzug von Industrie in bisher industrielosc Bezirke, auch Eingemeindungen, aber besonders lange Friedenszeiten und das Verschontbleiben von großen Epidemien. Oberfinanzrat Dr. Losch läßt allerdings den Einfluß der Industrie auf die Volksdichte nicht ganz gelten und folgert aus einer Zusammenstellung der am meisten industrialisierten und der dichtestbevölkerten Bezirke des Landes, daß von 18 Bezirken nur 10 auf beiden Seiten Vorkommen, andererseits aber es auch Bezirke gibt, bei denen weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung zur Industrie allein gehört, ohne daß sie deshalb auch dicht bevölkert wären wie z. V. Geislingen, umgekehrt aber es sehr dicht bevölkerte Bezirke gibt, in welchen die Industrie keine hervorragende Bedeutung hat, wie Schorndorf. „Man sieht daraus, daß nicht nur hervorragende Stadtbildung, vor allem, wenn mit Garnisonen (Ulm) oder Bildu.ngs)iiftituieri.TTüLliig»»). »««r u Lp st ,- be
sonders starke Landwirtschaft neben mäßiger, aber eigenartiger Zndustrieentwicklung zu starker Dichte führen." Vergleicht man nun die Bevölkerungsdichte des Landes mit der des Reiches, so ergibt sich, daß Württemberg immer noch günstiger dasteht als das Reich. Das Reich hat sich zwar auch stark entwickelt nach dieser Richtung, aber doch nicht so wie das Königreich. Nach dem heutigen Gebietsumfang des Reiches berechnet, hatte Württemberg 1835 ein Mehr von 25 Menschen auf den Quadratkilometer, 1855: 18, 1871: 17, 1880: 17, 1890: 12, 1900: 7, 1905: 6 und 1910: 5. „In etwa 10 Jahren dürfte das Reich dieselbe durchschnittliche Dichte haben wie der Bundesstaat Württemberg." Sieht man sich sodann in den einzelnen Oberamtsbezirken um, so iindet sich, daß die Volksdichte am geringsten ist in Mün- singen (45) und Neresheim (49); es folgen dann Ellwangen (56), Gerabronn (58), Leutkirch (59), Blaubeuren (60), Gaildorf und Riedlingen (61), Waldsee (62), Mergentheim (65), Freudenstadt (67), Künzelsau und Ehingen (69), Wangen
(73), Saulgau (76), Biberach und Oehringen (77), Crailsheim (78), Spaichingen (79), Sulz (83), Laupheim (85), Calw (87), Hall und Welzheim (88), Nagold (94), Heidenheim (99), Weinsberg (102), Geislingen (103), Herrenberg (104), Neuenbürg (105), Backnang und Tettnang (107), Brackenheim, Horb, Ravensburg (108), Neckarsulm (109), Aalen und Vaihingen (113), Marbach (115). Es bleiben somit unter dem Landesdurchschnitt von 120 Bewohnern auf den Quadratkilometer 39 Oberamtsbezirke. Die übrigen 25 Oberämter nehmen bezüglich der Volksdichte folgende Reihe ein: Rottenburg (120), Urach (121), Böblingen, Leonberg, Tuttlingen (122), Maulbronn (125), Oberndorf (131), Rottweil (136), Schorndorf (143), Balingen (144), Kirchheim (154), Gmünd (169), Nürtingen (176), Besigheim (183), Ulm (184), Tübingen (207), Waiblingen (214), Reutlingen (219), Göppingen (238), Stuttgart Amt (277), Cannstatt (388), Ludwigsburg (396), Heilbronn (401), Eßlingen (422), und Stuttgart Stadt (4930). In den Landeskreisen ist der Neckarkreis am dichtestbesiedelt (265), dann folgt der Schwarzwaldkreis (119) und der Donaukreis (91). Der dünnst- besiedelte ist der Jagstkreis (81). Der Donaukreis ist aber erst seit 1900 über den Jagstkreis hinaufgerückt. Der Neckarkreis hat 1910 seine Dichte gegenüber 1834 gerade verdoppelt. Seit neuerer Zeit werden von den Statistikern die von dem Leipziger Geographen Friedrich Ratzel eingeführten „Dichtestufen" bei Verarbeitung der Volkszählungen angewandt. Da hat sich nun bei der württembergischen Volkszählung von Zgin aereiot. daL,die., untersten vier Dichtestufen 1 bis 25 Menschen bei uns gar nicht Vorkommen, die fünfte Stufe mit 25—50 findet sich bei Münsingen und Neresheim, in der sechsten von 51—75 sind 12 Bezirke, in der siebten von 76—100 ebenfalls 12, in der achten von 101—150: 23, in der neunten von 151—250 und in der zehnten Dichtestufe sind 15 Oberämter. Am dichtesten besiedelt ist Eroß-Stutt- gart mit 4390, am dünnsten Münsingen mit 45 Menschen auf den Quadratkilometer.
Stadt» Bezirk und Nachbarschaft
Calw, 3. April 1913.
Evangelische Gemeinde. Wir machen auch an dieser Stelle daraus aufmerksam, daß am nächsten Sonntag im „Badischen Hof" ein Gemeindeabend stattfinden wird, bei welchem Prälat O- v. Hermann, der Vorsitzende der Eesang- buchskommission, über das neue Gesangbuch einen Vortrag halten wird. Der Kirchenchor wird dabei Mitwirken und einige Lieder aus dem neuen Gesangbuch vortragen. (Einges.)
Steckbrief. Im Staatsanzeiger wird, ausgehend vom
Amtsgericht Calw, hinter dem flüchtigen Besitzer der Marmorwarenfabrik im Teinachtal, Alfred Praßler, ein Steckbrief erlassen. Dieser ergeht „auf Grund Haftbefehls wegen erschwerter Urkundenfälschung".
— Von der Neuen Höheren Handelsschule. Bei dem gegenwärtig vor der König!. Prüfungskommission für Einjährig-Freiwillige in Stuttgart stattfindenden Examen haben von elf Kandidaten der Neuen Höheren Handelsschule zehn Kandidaten die Prüfung bestanden.
Ein außerordentlicher Kreistag der schwäbischen Turnerschaft wird, wie nunmehr feststeht, am Sonntag, den 20. April, vormittags 10 Uhr im Stadtgartensaal stattfinden. Der Kreisturntag wird sich mit der Stellungnahme verschiedener Vereine des Kreises gegen den vom Ausschuß der Deutschen Turnerschaft beschlossenen korporativen Anschluß an den Jungdeutschlandbund beschäftigen. Eine gegen diesen Anschluß gerichtete Protestkundgebung hat am Ostermontag unter dem Vorsitz von Maschinenmeister Neef (Degerloch) in Cannstatt stattgefunden. Die Versammlung nahm eine Resolution an, in der von der Kreisleitung der sofortige Abbruch aller Beziehungen zum Jungdeutschlandbund gefordert wurde.
b. Gibt es Inhaberinnen des Eisernen Kreuzes? Dieser Tage war von der letzten Inhaberin des Eisernen Kreuzes die Rede. Das Eiserne Kreuz wurde wohl in den Freiheitskriegen an einige Frauen und Mädchen verliehen, nicht aber 1870/71. Die Auszeichnung, die Frau Hitzfeld in Eßlingen besitzt, ist nicht das Eiserne Kreuz, sondern das „Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen", das die Form des Eisernen Kreuzes hat, aber aus schwarzer Emaille besteht und in der Mitte das Genfer rote Kreuz trägt. Es lebt noch eine größere Anzahl Frauen, auch in unserer engeren Heimat, die sich diese Auszeichnung im 1870er Krieg für hervorragende Leistungen in der Kranken- und Verwundetenpflege erworben haben.
Schifssliste für billige Briese nach den Vereinigten Staaten von Amerika (10 Pfg. für je 20 Gramm). Die Portoermäßigung erstreckt sich nur auf Briefe, nicht auch auf Postkarten, Drucksachen usw., und gilt nur für Briefe nach den Vereinigten Staaten von Amerika, nicht auch nach anderen Gebieten Amerikas, z. B. Kanada. „Amerika" ab Hamburg 29. März; „George Washington" ab Bremen 5. April; „Kaiser Wilhelm der Große" ab Bremen 8. April; „President Lincoln" ab Hamburg 10. April; „Kaiser Wilhelm II." ab Bremen 15. April; „Kaiserin Auguste Victoria" ab Ham-
Feuilleton.
18) Im Sturm genommen!
Roman aus den Freiheitskriegen 1813—1814.
^Von H. E. Jahn.
Am 24. September war Napoleon nach Dresden zurückgekehrt, nachdem er vergeblich gegen die böhmische und die schlesische Armee operiert hatte. Dic Bober-Armee hatte er sogar hinter die Elbe zurücknehmen müssen, da ihr Zustand ein elender war. Die schlechte Witterung, die vielen Märsche und besonders der Hunger hatten die Soldaten so geschwächt, daß von ihnen nichts Tüchtiges zu erwarten war.
Am 25., als Hans kaum seine Morgensuppe ausgelöffelt hatte, traten Pore Moreau und zwei Gendarmes d'Elite in das dunkle Gewölbe, darin der Gefangene weilte, und der Veteran sagte in seinem gebrochenen Deutsch, daß sie gekommen seien, ihn zum Kaiser zu führen. Durch viele Straßen ging es, bis sie das Hauptquartier erreicht hatten. Im Vorzim- fanden sich viele Generalstabsoffiziere in ihrer hellblauen Uniformen, mit silbernen Schnüren L Westen und weißen Beinkleidern. Eir WA""' Ordonnanzen aller Waffengattungen »Äs "us und ein, ein stetes Kommen und Gehen Waffen und Sporen, Scharren vor ^bfeln.em rastloses Gesumm vieler Stimmen. Ar einem Tisch, etwas abseits von den anderen, saß eir
kleiner, gewöhnlich aussehender Mann, der irgend etwas zu diktieren schien. Seine Kleidung war schlottrig und unsauber, er hatte seine Finger entweder in der Hosentasche oder an der Nase. Dieser Mann war, wie Hans später erfuhr, Berthier, der Stabschef des Kaisers. Er erhob sich beim Anblick des preußischen Dragoners und trat auf die Gendarmen zu, sie mit näselnder Stimme fragend: „L8t-il ls prisonnior cie Deimeivit^?"
„.Xiix uvcires, L.lte88e mon prinoe," rapportierte der eine der Angeredeten, die Hand an dem Raupenhelm.
„0'68i. bien!" nickte Berthier kurz; dann sich an einen jungen Mann in polnischer Uniform wendend, erteilte er diesem halblaut einige Befehle. Der Pole trat auf Hans zu und sagte in ziemlich gutem Deutsch: „Kommen Sie, ich werde Ihr Dolmetscher sein!" Sie folgten beide dem vorangehenden Berthier in ein Nachbarzimmer. Dasselbe war elegant ausgestattet, im Kamin brannte ein knisterndes Feuer, das den Raum angenehm durchwärmte. Am Fenster stand, die Hände auf dem Rücken, ein kleiner, beleibter Mann in grünem, rotkragigem Uniformrock und sah hinaus in das trübe Herbstwetter. Er wandte sich langsam um beim Geräusch, das die Eintretenden machten, und ein blasses Gesicht, groß und rund, doch unbeweglich starr wie eine Maske, blickte Hans entgegen. Die Leichenblässe der Stirn wurde durch das Schwarz der kurzen Haare noch gehoben. Die großen, dunklen Augen hatten einen toten Glast und sahen!
wie in etwas Fernes, Unsichtbares hinein. Das einzige Lebendige war der Klang der Stimme) er war bald weich und schmeichelnd, bald hart und rauh, bald begeisternd und erhebend, und dann wieder zornig und vernichtend, aber immer machte der Klang das Herz erheben. Rauh und befehlend klang die Stimme, als sie fragte: „Von welchem Regiment?"
„Brandenburgisches Dragonerregiment Nr. 2."
Freundlicher: „Offizier?"
„Nein, freiwilliger Jäger."
Auf und nieder gehend, die Hände auf dem Rücken, dann aus einer silbernen Schnupftabacksdose Taback nehmend, stößt der Kaiser ein kurzes: „Hm!" hervor, dann: „Waren bei Dennewitz?"
„Zu Befehl!"
„Auch bei Groß-Beeren?"
„Zu Befehl!"
„Hm!" Dann halblaut vor sich hinsprechend, wie ein Traumwandelnder: „Die Schwierigkeiten der Kriegskunst werden noch lange nicht genug gewürdigt. Ich werde ein Buch schreiben, in dem alle Grundsätze des Krieges mit solcher Bestimmtheit entwickelt werden, daß man durch dieses Buch die Kriegskunst wie jede andere Wissenschaft erlernen kann." Dann stehen bleibend, ließ er wieder sein „Hm!" hören. Der Kaiser fragte Hans noch vieles, doch konnte und wollte der Gefragte nicht alles beantworten, so daß er bald ziemlich ungnädig entlaßen und von den Gendarmen in sein Gefängnis zurücktransportiert wurde. (Fortsetzung folgt.)