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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
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,«i«ungswiife: Smal w-chentlich. Lnzeigenprei»: Im Oberamts» s«t» Tatw für die einspaltige BorgiSzeile lO Pfg., außerhalb desselben 12 Psg-, IMiMien 2Ü Psg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon g.
Dienstag» den 18. März 1913.
Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.2S vierteljährlich. Post- bezugSpreiS für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.2V. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.. in Bayern und Reich 42 Pfg.
Zum Mjöhngen Geburtstag vr. David Liviugstoues.
(Ein Gcdächtniswort zum 19. März.) ep. Der 19. März d. I. bringt den 100jährigen Geburtstag eines Mannes, dessen Lebenswerk für die Geschichte Zentralafrikas^einen Markstein bedeutet. Es ist der Schotte David Livingstone. Geboren als Sohn armer, kernhaft frommer Eltern in einem Industriedorf bei Glasgow, mutzte der Junge, schon vom 10. Jahr ab, sein Brot in einer Spinnerei verdienen, fand aber während und nach der Fabrikarbeit noch Zeit, seinen regen Geist fortzubilden. In seinem 21. Lebensjahr bestimmte ihn ein Aufruf des deutschen Missionars Gritzlaff in China, sich unter großen Entbehrungen auf den Beruf eines Missionsarztes vorzubereiten. Die Londoner Missionsgesellschaft, der er sich zur Verfügung stellte, sandte ihn jedoch 1840 nach Südafrika, wo er in Betschuanaland an der Seite seines späteren Schwiegervaters Moffat wirkte. Livingstone hatte ein hervorragendes Talent, mit den Schwarzen zu verkehren, bei denen er nur der gute weitze Doktor hieß. So veran- latzten ihn Einladungen befreundeter Häuptlinge und sein Missionseifer, weiter nordwärts vorzudringen und er entdeckte 1849 den Ngamisee, 1851 den gewaltigen Sambesistrom. Diese Erfolge bestimmten ihn, sich ganz der Erforschung Afrikas zu widmen. Im Jahr 1853 trat er vom Oberlauf des Sambesi die berühmte Reise an, die ihn in Koanda an die Küste des atlantischen Ozeans brachte und, da er seine eingeborenen Begleiter vertragsmäßig in die Heimat zurückführen wollte, zuletzt den Sambesi abwärts über die Viktoriafälle, die er als erster Weißer sah, zur ersten Durchquerung Afrikas führte. Auf einer zweiten Reise 1858—64 entdeckte er von der ostafrikanischen Küste ausgehend, den Schirwa- und den Nyansa-See. Die dritte und letzte war im Auftrag der englischen Regierung der Erforschung der Wasserscheiden zwischen Sambesi, Kongo und Nil gewidmet. Livingstone fand dabei den Bangweolo- und Moerosee und damit den Oberlauf des Kongo. Den lange verschollenen Forscher suchte im Auftrag des New-Vork Herald im Jahr 1871 der Amerikaner Stanley auf, fand ihn in Ndschidschi im heutigen Deutsch-Ost- asrika, wurde von ihm für die Christianisierung der schwarzen Rasse gewonnen und vollendete seine Entdeckung durch die Erforschung des Kongolaufs. Livingstone selber starb am 1. Mai 1874 einsam im dunkelsten Afrika. Seine Leiche wurde von seinen beiden christlichen schwarzen Dienern auf neunmonatliche-r, ge
fahrvoller Wanderung an die Küste gebracht und fand ihre Ruhestatt in der Westminster-Abtei zu London, der Ruhmeshalle der britischen Nation. Die Erabschrift bezeichnet ihn als „Missionar, Reisenden und Menschenfreund". Mit Recht. Für ihn war „das Ende der geographischen Tat der Anfang der Missionsarbeit" und sein letzter Segenswunsch galt demjenigen, der Afrika von seiner offenen Wunde, dem verwüstenden Sklavenhandel der Araber heilen würde. Dieses Testament ist zumeist von England und Deutschland vollstreckt worden. Aber seine Gestalt mahnt überhaupt, die afrikanische Kolonialpolitik, für die er soviel Anregung gegeben, zu einer Wohltat für den Neger zu gestalten.
Stadt, Bezirk und Nachbarschaft
Calw, 18. März 1913.
-i- Oeffentliche Versammlung dev Fortschrittlichen Volkspartei. Im früher Dreiß'schen Saale erstattete gestern abend der Reichstagsabgeordnete des 7. Wahlkreises, Kaufmann Heinrich Schweickhardt aus Tübingen Bericht über die Tätigkeit des Reichstags. Landtagsabgeordneter Stauden meyer eröffnete die Versammlung, indem er dem Vertreter unsres Wahlkreises dafür dankte, daß er schon nach so kurzer Zeit das Bedürfnis fühle, sich mit seinen Wählern in Verbindung zu setzen. Reichstagsabgeordneter Schweickhardt begann nach der Begrüßung mit der Besprechung der vom Reichstag behandelten, bezw. vorbereiteten Gesetze und nahm sich besonders eingehend dabei das Petroleummonopol und die Heeresvorlage vor. Seine Ausführungen über das Petroleummonopol, die in jedem Satz den Fachmann und den überlegenden Politiker verrieten, gaben einen klaren Ueberblick über das, was mit dieser beabsichtigten Monopolisierung gewonnen werden kann, was je nachdem aber auch für den Kleinhandel auf dem Spiele steht und für unser gesamtes Wirtschaftsleben überhaupt. Wenn dieses Gesetz zustande komme, werde zum erstenmal ein staatliches Monopol auf Wirtschaft!. Gebiet geschaffen u. sei dieser Weg einmal beschritten, dann werde das Reich ihn auch künftig begehen müssen. Persönlich ist Herr Schweickhardt kein Freund von Staatsmonopolen auf wirtschaftlichem Gebiet, er möchte dieses dem Ermessen des deutschen Kaufmannes Vorbehalten wissen in der lleber- zeugung, daß er imstande ist, billiger zu arbeiten, als der Staat selbst. Er fürchtet, daß, wenn dieses Monopol eingeführt wird, ein weiteres Heer von Beamten notwendig wird, daß der Konsument, der Zwischen- und
Kleinhandel darunter zu leiden hätte, Im Marz 1911 sei im Reichstag eine Resolution gefaßt worden, Erhebungen darüber anzustellen, ob es möglich werde, das Petroleummonopol den Amerikanern zu entreißen. Für diese Resolution habe man mit gutem Gewissen stimmen können. Die Petroleumkommission des Reichstags ist zu dem Entschluß gekommen, der Regierungsvorlage die Giftzähne auszubrechen. Wir haben verlangt, die Gewinnbeteiligung des Reiches aus dem Monopol auszuscheiden, weil diese Gewinnbeteiligung mehr oder weniger die Einführung einer indirekten. Steuer bedeutete, die von der ärmeren Bevölkerung zu tragen sein würde. Nach Herrn Schweickhardts Ansicht hätte man das Anerbieten der Standard Oil Company annehmen sollen, wonach sie den deutschen Bedarf nach Maßgabe der bisherigen Lieferungen an die bisherigen Lieferanten zu decken hätte und dabei sich verpflichtet, den Preis für 1 Liter Petroleum auf 10 Jahre nicht über 17 Pfg. zu erhöhen. Die Regierung aber wollte ihren einmal eingebrachten Entwurf nicht wieder zurückziehen'. die Verhandlungen gehen also weiter. Seine Anträge habe er im Interesse des Zwischenhandels gestellt,' sie seien teilweise angenommen, teilweise abgelehnt worden. Der durchschnittliche Konsum eines mittleren Petroleumgeschäftes betrage im Jahr 1600 Liter und an einem Liter könne etwa 3 oder 4 Pfennig Verdienst angenommen werden. Alle Berechnungen, die angesrellt worden sind, gehen darauf hinaus, daß man den Nutzen des Kleinhandels auf 2 Pfg. beschränken will, und dagegen wehre er sich mit Händen und Füßen. Gelinge es nicht, ein Gesetz zustande zu bringen, das die Selbständigkeit des Zwischenhandels, der Organisation des Betriebs, garantiere, dann sei es ihm sehr schwer gemacht, diesem Gesetz zuzustimmen. — Von der Behandlung dieser Frage wandte sich Herr Schweickhardt zum Antrag des Zentrums um Aufhebung des Jesuitengesctzes. Er hat gegen den Antrag gestimmt. Er fürchtet mit der Zulassung der Jesuiten eine Störung des konfessionellen Friedens und er hätte selbst dann gegen die Aufhebung des Jesuitengesetzes gestimmt, wenn es in Wahrheit ein Ausnahmegesetz wäre, weil eben die Organisation und der Zweck des Ordens dieses rechtfertigen. Einige kurze Sätze galten dann dem Zufallsergebnis bei der Prüfung der Wahl des Vertreters von Alzey-Bingen, und dann umriß der Redner in klaren Zügen die brennendste der gegenwärtigen innerpolitischen Fragen, die Heeresvorlage und ihre Deckung. Wesentlich in den Ausführungen hierüber
Feuilleton.
7) Zm Sturm genommen!
Roman aus den Freiheitskriegen 1813—1814.
Von H. E. Jahn.
„Mir aus der Seele jeredet!" nickte Fischer, zufrieden grinsend: „Son oller Quatschkopf von Verse- drechsler sagt zwar in einem seiner Stücke: „Nichtsnutzig ist die Nation, die nicht alles freudig setzt an ihre Ehre!" Ick finde det lachhaft! Wenn mich eener die Ehre abschneid', det tut mich nich weh; aber „Au- Weh!", wenn mich eener mein Bein ausreißt! Hab ick nich Recht? Ick Ham imma Recht!"
„Ja, so ist es!" bekräftigte auch Rentier Lange. ..Wie glücklich wäre ich, wenn auch meine Helene wie Eure Lotte dächte, aber die ist, als sie den Teufel im Leibe hätte, möchte alles hingeben für König und Vaterland. Ich glaube am liebsten nähme sie selbst den Kuhfuß auf die Schulter und zöge hinaus in Not und Tod für die ersehnte Befreiung des Vaterlandes. In eine Vereinigung junger Mädchen ist sie eingetreten, wo sie Scharpie zupfen und Verbände für die verwundeten Soldaten nähen, und ich glaube, sie hat ihr ganzes Geld und alle ihre Wertsachen geopfert. Wenn das Monsieur Soulard wüßte! Nun, er will ja bald kommen und dem Mädchen den Kopf zurechtsetzen. — Dann wird die Sache schon wieder ins rechte Geleise gelangen!"
„Na, mich soll man mal wundern, wat se uns von all de scheenen Versprechungen halten werden! Den Kuchen und de Butter werden sich die Hardenbergs, Metternichs und die Reaktionäre schon nich nehmen lassen, wir, mein Volk, kriegen det harte, alte Brot und als besonderen Leckerbissen vielleicht ranziget Schmalz! Habe ick Recht? Ick Ham imma Recht!"
„Vielleicht behaltet Ihr Recht," sagte Lange unruhig. „Aber es gefällt mir durchaus nicht, was Ihr da sagt! Die französische Revolution scheint an Eurem blauen Rock abgefärbt zu haben, und da schillert er in roter Kulör. Ich bin der Ansicht, daß die erste Bürgerpflicht „Ruhe" ist, und wir Untertanen angewiesen sind, alles der hohen Obrigkeit und deren Macht und Weisheit zu überlassen. Sei nun die Obrigkeit Napoleon oder der preußische Staat. Ich bin ein loyaler Untertan und ein gehorsamer, gottesfürchtiger Bürger und Anhännger der Legitimität."
„Ick sage nisch, aber paßt uf, ick habe imma Recht! und det sage ick!" verteidigte sich der Schlächtermeister schwach. —
Am 1. Juni war eine 36stündige Waffenruhe geschlossen worden, der am 4. ein Waffenstillstand bis zum 20. Juli folgte, welcher dann bis zum 10. August verlängert wurde. Warum Napoleon diesen Waffenstillstand eigentlich geschloffen, war dem Rentier Lange und seinen beiden Freunden unverständlich, wenn er tatsächlich so mächtige Siege bei „Groß-Görschen" und „Bautzen" errungen hätte. Es mußte, wie sie glaubten,
ein feiner politischer Kniff dahinterstecken, und der gewaltige Schlachtenkaiser und Organisator würde doch endlich alle seine Feinde zu Boden ringen. Einen Sieg sollten die Verbündeten aber doch erfochten haben. General v. Bülow sollte dem Marschall Oudinot am 4. Juni bei Luckau eine empfindliche Schlappe beigebracht haben. „Bülow" und „Luckau" war das Losungswort fast aller patriotisch gesinnter Berliner.
Am 12. Juli rückte das 1. und 2. Bataillon des 9. Regiments, des sogenannten „Kolberger", in Berlin ein. Die Bataillone kamen aus Schlesien, wo sie in allen Schlachten des Feldzuges ruhmvollen Anteil genommen hatten. Am 17. besichtigte der König alle in Berlin zusammengezogenen Truppen des 3. Armeekorps vor dem Landsberger Tor. Als beim Parademarsch das Kolberger Regiment vorüberkam, rief der König dem zum Rapport heranreitenden Kommandeur zu: „Oberst Zastrow, ich habe befohlen, in Zügen vorbeizumarschieren, und Sie sind in Sektionen!?" Der tapfere Oberst erwiderte mit Nachdruck: „Mein Regiment ist in Zügen, Majestät!" Da wurden dem Könige die Augen feucht, als er dieses kleine, zusammengeschoffene Häuflein Helden an sich vorüberschreiten sah.
Am 19. erreichte auch das 3. Bataillon, Major v. Schmidt, bei dessen 4. Kompagnie Fritz Fischer, der Sohn des alten Schlächtermeisters, als Kriegsfreiwilliger stand, Berlin. Es war in Pommern zu Wollin neu errichtet worden und hatte seine Feuertaufe bei der