62. Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw. 88. Jahrgang.
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Süscheinungsweise: Smal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts »qkk Lalw für die einspaltige Borgtszeile Il> Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., iksA-Mlen LS Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.
Samstag, den 15. März 1913.
Bezugspreis: In der Stad: mit Trägerlohn Mk. 1.2S vierteljährlich. Post- bczugsprets für den Orts- und Nachdarorlsverkehr Mk. I W. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.. in Bayern und Reich 12 Pfg
Amtliche Bekanntmachungen
Bekanntmachung
sür die Mannschaften des Beurlaubtenftandes, welche vom Bczirkskommando Calw kontrolliert werden.
Zn den letzten Tagen des Monat März erhalten sämtliche in dem Oberamt Calw wohnende Mannschaften des Beurlaubtenstandes für das Mobilmachungsjahr 1913/14 ihre Mobilmachungsbestimmung in Form einer gelben Kriegsbeorderung oder weißen Paßnotiz.
Die Ausgabe erfolgt:
g) für die in Calw wohnenden Mannschaften auf dem Bezirkskommando, Zimmer 16,
am 28. und 29. März 1913, vormittags 8 bis abends 8 Uhr,
am 3V. und 31. März 1913, von vormittags 8 bis 12 Uhr.
b) für die in den übrigen Ortschaften wohnenden Mannschaften
auf dem Stadt- oder Schultheißenamt in der Zeit vom 25.—29. März 1913.
Zeder Mann ist verpflichtet, seine Kriegsbeorde- rung oder Paßnotiz abzuholen. Wer an der Abholung verhindert ist, kann dieselbe durch eine andere erwachsene Person abholen lassen.
Der Militär- bezw. Ersatzreservepaß ist mitzubringen.
Nichtabholung der Kriegsbeorderung wird mit Arrest bestraft.
Wer bis zum 31. März d. I. einschließlich eine gelbe Kriegsbeorderung oder weiße Paßnotiz nicht erhalten hat, hat hiervon dem Bezirkskommando schriftlich oder mündlich sofort Meldung zu erstatten unter Einreichung des Militär- bezw. Ersatzreserve-Passes.
Der Verlust einer Kriegsbeorderung oder Paßnotiz ist dem Bezirkskommando umgehend zu melden.
Die für das Mobilmachungsjahr 1913/14 ungültigen roten Kriegsbeorderungen pp., welche die Mannschaften in Händen haben, werden von den:
Mannschaften der Reserve, Landwehr l. Aufgebots und der Ersatzreserve aller Waffengattungen gelegentlich der Friihjahvskontrollversammlungen ein- gezogen.
Mannschaften der Landwehr II. Aufgebots aller Waffengattungen einschließlich derjenigen Mannschaften, welche im Zahr 1913 das 39. Lebensjahr vollenden und solche, welche von der Friihjahrskontroll- versammlung befreit werden, haben ihre ungültigen Kriegsbeorderungen pp. in der Zeit vom 1.—7. April 1913 entweder persönlich oder durch die Post dem Bezirkskommando einzusenden.
Wenn die Uebersendung durch die Post erfolgt, so ist, um Strafporto zu vermeiden, ein offener Briefumschlag mit dem Vermerk „Heeressache" oder „Militaria" zu verwenden. (Gleiches Verfahren wie bei sonstigen Meldungen).
Nur die in der Stadt Calw wohnenden Mannschaften haben den Brief freizumachen.
Zum Beurlaubtenstand in obigem Sinne gehören:
1. Sämtliche Mannschaften der Reserve, Marine- Reserve, Landwehr und Seewehr I. und II. Aufgebots, welche in den Jahren 1895 bis 1912 beim Militär eingetreten sind, mit Ausnahme derjenigen, welche bereits 39 Jahre alt sind, oder im Jahr 1913 das 39. Lebensjahr vollenden.
2. Sämtliche zur Disposition der Truppenteile bezw. der Ersatzbehörden beurlaubten Mannschaften.
3. Die in den Jahren 1875—1892 geborenen Ersatzreservisten, welche geübt haben.
4. Die in den Zähren 1881 bis 1892 geborenen Er- satzreseroisten, welche nicht geübt haben.
Calw, den 15. März 1913.
Kgl. Vezirkskommando.
Die Ortsbehörden werden beauftragt, vorstehendes in den Gemeinden wiederholt auf ortsübliche Weise bekannt zu geben und die nähere Abholezeit nach den örtlichen Verhältnissen an den einzelnen Tagen vom 25.—29. ds. Mts. festzusetzen.
Calw, den 15. März 1913.
K. Oberamt:
Reg.-Nat Binder.
Stadt. Bezirk nnd Nachbarschaft
Calw, 15. März 1913.
Die heutige Nummer des Calwer Tagblatts umfaßt sechs Seiten: Erstes und Zweites Blatt.
b. Palmsonntag. Der Palmsonntag leitet die Karwoche ein. Die Feier findet sich in der griechi
schen Kirche schon im 4., in der abendländischen erst im 9. Jahrhundert. In katholischen Gegenden ist es Sitte, an diesem Tage Palmzweige zu weihen. In Nom werden die Palmen vom Papst selbst geweiht und an alle Kirchen der Stadt verteilt. In Deutschland benützt man Weidenzweige mit Palmkätzchen. An die Palmenweihe schließt sich meistens eine feierliche Prozession. An den geweihten Zweigen haftet noch heute im Volk allerlei Aberglauben. Sie sollen u. m. die Kraft besitzen, vor Hagel und Blitz zu bewahren und in den Acker gesteckt, das Wachstum und Gedeihen des Getreides fördern. Die Weidenkätzchen werden vielfach getrocknet und zu Pulver verrieben. Dann nimmt man sie wie eine Arznei ein, um Krankheiten fernzuhalten, oder man wirft sie bei Feuersgefahr oder heftigem Gewitter auf den Herd, um beide unschädlich zu machen. Gerne sieht es das Volk, wenn am Palmsonntag die Sone scheint. Frühzeitig verläßt man in manchen Gegenden an diesem Tage das Bett, denn niemand möchte gern der letzte sein und „Palmesel" gescholten werden.
Der Althengstetter Ueberfall. Gestern nachmittag fand in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts und des Untersuchungsrichters von Tübingen mit dem Attentäter Weiß am Ort der Tat ein richterlicher Augenschein statt. — Das Befinden des Bahnwärters Löffler ist nicht wesentlich verändert. Noch immer liegt er im Zustand völliger Bewußtlosigkeit, der nur ab und zu durch einen lichten Augenblick unterbrochen wird.
-t- Die Krokusbliite in Zavelstein. In der letzten Bezirkslehrervereinsversammlung hier hielt Hauptlehrer M önch einen sehr interessanten Vortrag über die Crocusblüte in Zavelstein. Es handelt sich um den Lrocus b'eapolitsnus, der ein großes Verbreitungsgebiet aufweist bis zu einer Meereshöhe von 6—700 m. Er muß eine Frühlingspflanze sein, weil er später durch seine Umwelt, das hohe Gras, versteckt und in der Entwicklung gehemmt würde. Der erste, der die Pflanze gepflegt hat, war ein Lehrer Mammel. Schon mancher Besucher der Crocuswiesen hat Zwiebelchen mitgenommen zum Zweck des Verpslanzens in seinen Hausgarten. Aber o weh! Als der Frühling kam, wollte sich keine Pflanze zeigen. Das kommt daher, wie Redner ausführte, daß er während der Blütezeit nicht anwächst. Erst im Spätsommer kann er mit Erfolg verpflanzt werden, wenn die Vegetationszeit in ihrem regsten Stadium vorüber ist. Durch Samen, die
5 ) Im Sturm genommen!
Roman aus den Freiheitskriegen 1813—1814.
Von H. E. Jahn.
Ja, sie wußten es, die drei kleinmütigen, verzagten Seelen, und sie sahen mit Angst und Schrecken der schwertklirrenden Zukunft entgegen.
Endlich erhob sich Fischer schwerfällig, sah um sich und knurrte mit einer Stimme, die aus einer Tonne zu kommen schien: „Paßt mal uf, keenen juten Jang jeht det nich!" Die beiden Freunde nickten stumm, wie überwältigt von dieser tiefsinnigen Weisheit.
Berlin wurde befestigt. Bei Rixdorf wurde die Rollbergschanze, ein Blockhaus auf dem Wege zwischen Rixdorf und der Hasenheide, die Hasenheidenschanze, die Kanonenschanze, die Zitadelle auf Götzens Weinberg und in der Nähe von Tempelhof die Sandschollenschanze angelegt.
Am 27. März waren die preußischen Truppen aus Berlin ausgerückt, nach einem Feldgottesdienst, den man auf dem Rondell vor dem Potsdamer Tore, aus dem Döhnhofs- und Wilhelmplatz und auf dem ^ustgarten abgehalten hatte. Hier sprach der „alte Zsegrimm" Porck selbst kräftige und markige Worte zu seinen Kriegern und begeisterte die Menge des Volkes durch seinen lauten Zuruf: „Zu den Waffen! Zu den Waffen!" Dann hatten die Regimenter mit! klingendem Spiel die Hauptstadt verlassen. Dreimal!
die Woche nur erfuhren die Bürger durch die „Vos- sische" und die „Haude- und Spenersche Zeitung" von den Märschen, Gefechten und Schlachten. Die anfangs so hoffnungsfroh auflodernde Begeisterung wurde durch den Ausgang der Schlachten bei Eroß- Görschen und Bautzen sehr gedämpft, und selbst mutige Patrioten wollten verzagen. „Das ist ganz wie bei Jena und Auerstädt! Bald wird das Hauptquartier wieder in Memel sein!" bebte es scheu von Mund zu Mund.
Am Abend des 22. Mai saß der Rentier Lange mit seinen beiden Freunden wieder im Wohnzimmer, während Lenchen sich in der Küche aufhielt. Geheimnisvoll begann der Alte im Flüsterton, in das Ohr des Supernumerarius hineinsprechend: „Heute morgen war ein Fremder bei mir im Aufträge des Monsieur Soulard. Er ließ mir melden, daß er auf Verwendung des Grafen de Sarrasin, eines Generals im Stabe des schwedischen Kronprinzen, aus der russischen Gefangenschaft freigelassen wurde und sich nun bald in Paris beim Herzog von Baano, im Hauptquartier des Kaisers befände. Der Fremde, ein fray- zösischer Kapitän, der in Zivil reiste, hatte einen geheimen Auftrag an de Sarrasin, der am 18. Mai mit dem Kronprinzen Karl Johann in Stralsund gelandet war. Hm, hm, ich sage nichts! Aber der französische Herr hat mir ein Bulletin vorgelesen, in dem Napoleon seinen Soldaten kundgibt, sie hätten am 2. Mai 200 000»Feinde in atemloser Flucht vor sich
! Hergetrieben und 5000 Gefangene gemacht."
! „Det is närrisch, de „Vossische" berichtete doch,
et wäre nich een Jefangener, noch een Siegeszeichen abhanden jekommen."
„Sonderbar, sonderbar!" meinte auch der Supernumerarius. „Es scheint sich hinter den Kulissen der Politik mehr abzuspielen, als das zuschauende Publikum ahnt. Mir recht! Man hat unsere Warnung nicht hören wollen!"
„Der Fremde," fuhr Lange im Flüsterton fort, „sagte auch, daß gestern an den Quellen der Spree eine zweite große Schlacht geschlagen wäre, in der die Russen und Preußen entscheidend besiegt seien, es würde bald Waffenstillstand und dann Frieden geschlossen werden. Die Unterhandlung mit dem russischen Kanzler von Nesselrode sei schon im Gange — und dann hörte Preußen auf, zu existieren."
„Was hörte dann Preußen?" fragte da Brümmer gespannt, der immer so tat, als hätte er ein besonders gutes Gehör. „Die Sandwagen draußen machten einen solchen Lärm, daß ich Euch nicht verstehen konnte."
Lange wiederholte in die ans Ohr gehaltene Hand hinein: „Preußen wird dann zwischen Frankreich und Rußland geteilt! Bestimmtes wußte der Kapitän von der gestrigen Schlacht noch nicht. Die Hauptsache aber ist für mich, daß Monsieur Soulard wieder befreit ist und daß er mir sagen ließ: er werde' bald wieder in Berlin sein und dann seine Braut unter dem Donner der Geschütze, dem Dröhnen aller Glocken, dem Klirren der Waffen als Sieger heimholen."
(Fortsetzung folgt.)