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59. Amts- und Anzeigeblatl für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.

HsHHeiNungSweise: krnal wöchentlich. Ln-eigenpreiS: Im OberamtS- Ak-rer 8a1w für die einspaltige BorgiSzeile 10 Pfg.. außerhalb desselben 12 Pfg.. REsmen 25 Pfg. Schluß für Jnscratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Mittwoch, den 12. März 1913

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich. Post­bezugspreis für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Befestigungen der italienischen Grenze.

Bon Oberstleutnant a. T. Frobeni u K.

Wenn der Deutsche auf dem Wege durch die Schweiz den sonnigen, lachenden Gefilden Oberitaliens zu- strebt, so ist er auf drei Straßen beschränkt: weit nach Westen ausholend gewinnt er über den Genfer See das Rhonetal und durch den Simplontunnel das Tessin-Tal oder er wählt den kürzesten Weg vom Vierwaldstätter See durch den Gott­hardtunnel ins Tessin-Tal, oder endlich er entschließt sich zu der langwierigen Fahrt vom Rheintal aus über Davos nach Brescia, wobei er mit Kleinbahnen einen Paß nach dem andern überklettern, ein tiefes Tal nach dem andern überschreiten muß. Die gewaltigen Bergmassen der Alpen, und die Schwierigkeiten, die sich ihrer Durchquerung mit größeren Heeresmässen entgegenstellen, werden ihm auf die­sem Wege am deutlichsten vorgeführt, während die beiden anderen Wege dank den Vollbahnen und der Benutzung günstiger geographischer Verhältnisse außerordentlich prakti­kabel erscheinen. Aus diesen Wegeverhältnissen ergibt sich die bemerkenswerte Tatsache, daß die Schweiz eigentlich nur eine einzige, etwa 90 Kilometer breite Ausgangspforte nach Italien hat: das Gebiet der Seen vom Orta- bis zum Comer See,'und daß diese Pforte nur durch drei weit aus­einander liegende Schienenwege aus der Schweiz heraus zu gewinnen ist.

Mit Überschreitung der italienischen Grenze ändern sich diese Verhältnisse ganz unvermittelt; eine außerordentlich große Zahl von Eisenbahnen strahlt von Vercelli und Mai­land aus, um mit Polypenarmen die Schweizergrenze bei den Seen zu umgeben. Es ist durchaus nicht verheimlicht worden, daß mit ihrer Erbauung strategische und nicht allein wirtschaftliche Absichten verbunden waren. .WiT-duu..Um-, klammerung des Kantons Tessin, dessen beide Flanken von tief eingreifenden italienischen Gebietsteilen begrenzt wer­den, wird einem Eindringen in sein Inneres und der Iso­lierung seiner Streitkrüfte Vorschub geleistet. Deshalb ist es möglich, aus dem italienischen Val F-ormazzo (Toce) die schweizerische Zentralbefestigung des St. Gotthard sowohl in der Flanke, am Furkapaß, als auch in der Front, bei Airolo, anzugreifcn, ohne bedeutendere Wegstrecken auf Schweizer­gebiet zurücklegen zu müssen. Im Osten endigt jetzt die italie­nische Bahnlinie noch bei Chiavenna, 22 Km (Luftlinie) vom Splügen, läßt also diesen Paß, der zum Domleschg und über Thusis zum Rheintal führt, in einem Tage erreichen. Soll­ten die.Schweizer die mit der Erbauung der Splügenbahn für sie verbundenen Gefahren mißachten und die Paßstraße durch einen Tunnel ergänzen, dessen südliches Portal un­bedingt auf italienischem Gebiet liegen würde, so würde eine italienische Armee die Möglichkeit haben, unmittelbar bis zum Rheintal vorzudringen und durch Besetzung von Pfäffers und Chur den Kanton Eraubünden ganz vom Hinterlande abzuschneiden, gleichzeitig aber das Vorder­rheintal zum Angriff der Gotthardbefestigung auch von die­ser Seite zu benutzen.

Diese für einen gegen die Schweiz gerichteten Angriff außerordentlich günstigen Verhältnisse sind aber nur nutzbar zu machen, wenn die italienische Armee früher gefechtsbereit ist als die schweizerische, wenn sie ihr also mit ihrem Ein­bruch zuvorkommen kann. Da sich aber neuerdings heraus­gestellt hat, daß die schweizerischen Miliztruppen bedeutend weniger Zeit brauchen als die italienischen Truppen, um völlig kriegsbereit die Grenze überschreiten zu können, so » würden sich die Verhältnisse zum Schaden Italiens um­kehren. Und die Schweiz ist entschlossen, bei drohenden Maß­nahmen ihres südlichen Nachbars ihm durch offensives Vor­gehen zuvorzukommen. Es würde nun von geringem Nutzen sein, wollte Italien den genannten Pässen gegenüber Be­festigungen errichten, um die Schweizer hier aufzuhalten, da diese ja aus den beiden Flanken des Kantons Tessin vor­brechen können. Hat also Italien die Absicht, bei günstiger Gelegenheit in die beiden Kantone Tessin und Graubünden cinzufallcn, so muß es das Vorgehen der Schweizer so lange aufzuhalten suchen, bis die eigene Armee kampfbereit an der Grenze versammelt ist, und durch Befestigungen die Wege sich offen zu halten suchen, die zur Besitzergreifung der beiden Kantone beschritten werden müssen. Und diesem rein offen­siven Zweck dienen die neuerdings in Angriff genommenen Befestigungen an der schweizerischen Grenze. Hätten sie de­fensiven Zwecken zu dienen, so müßten sie an den Knoten­punkten der Eisenbahnen, zu deren wirksamer Sperrung, liegen, also hauptsächlich bei Mailand und Vercelli. Aber tatsächlich werden sie Graubünden gegenüber an den drei Pforten angeordnet, die zum Veltlin sich öffnen: am Piz Umbrail (Zugang zum Miinstertal), bei Tirana (Bernina- slraße und Bahn) und bei Colico (Splügen), wo auch die alte spanische Feste Fuentes wieder aufgerichtet wird.

Dem Kanton Tessin gegenüber kommt zur Sprache, daß man sich unter allen Umständen des durch die Schweiz mit neuen Werken versehenen Sperrpostens Bellinzona bemäch­tigen muß, um damit den Weg zum Gotthardtunncl frei zu haben und gleichzeitig die beiden Zweige der Schienen­bahn über Luino und Lugano in die Hand zu bekommen. Da bei Bellinzona ein wichtiges Werk voraussichtlich aus dem Monte Arbino, östlich der Stadt, errichtet wird, legt man italienilcherieits am Paß S. Iorio, etwa zwei Stunden

davon, eine Befestigung an, um sich den hinüber führenden Saumpfad offen zu halten und von hier aus das Werk zu umfassen und womöglich zu umgehen.

Der Vollständigkeit wegen ist nur hinzuzufügen, daß der Simplontunnel bei seinem südlichen, auf italienischem Ge­biet liegenden Portal durch starke Befestigungen bei Jselle, das nördliche auf Schweizerboden bei Bricg durch ein kleines Werk (um Zeit für die nötigen Sprengungen zu gewinnen) verteidigt wird, daß aber die Italiener neuerdings, um sich die Straße zum Simplontunnel freizuhalten, auch bei Gra- vellona noch eine Befestigung vorbcreiten. Die ganze Reihe der italienischen Befestigungen sichert demnach das ganze stark verzweigte Eisenbahnnetz, das einer schnellen Konzen­tration italienischer Truppen der schweizer Eingangspforte gegenüber wirksame Hilfe leistet, und hält gleichzeitig die Schlüssel zu den einzelnen, die Grenzen der Kantone Grau­bünden und Tessin schließenden Türen in der Hand. Es ist vorauszusehen, daß die Schweiz nicht zögern wird, da­gegen auch ihrerseits geeignete Maßregeln zu ergreifen.

Stadt, Bezirk und Nachbarschaft

Calw. l2. März 1913.

Die heutige Nummer erscheint sechsseitig: Erstes und Zweites Blatt.

Das Lied von der Glocke. Im Saale des Badi­schen Hofes wiederholte der Kirchengesangverein gestern abend die Aufführung des Freikonzerts vor acht Tagen:Die Glocke" von Romberg. Saal und Galerie waren wiederum mit Zuhörern sehr gut be­setzt und ihr dankbarer Beifall am Schluß hat den Beranstaltern und Mitwirkenden gezeigt, daß auch die wiederholte Aufführung den besten Eindruck hinterließ, so daß Dirigent, Solisten und Chor selbst befriedigt sein mochten. Für diese wird die Dar­bietung des Lieds von der Glocke eine stetige schöne Erinnerung bleiben.

<1. Vortrag im Eewerbeverein. Bor etwa 50 Personen sprach am Montag abend der aus seinen früher am hiesigen Realprogymnasium über Elektri­zität gehaltenen Vorträge manchen bekannte Herr Oberingenieur Büggeln (Stuttgart) in einer von dem Bezirks-Handels- und Eewerbeverein in den Dreißschen Saal einberufenen Versammlung über die Anwendung der Elektrizität in Landwirtschaft, Ge­werbe und Haushalt. In fließendem, leicht faßlichen Vortrag führte uns der Redner mit Hilfe guter Licht­bilder auf hier seltenem Gebiete die Verwendung von Elektrizität vor, teilweise in fernen Gegenden, wo die Elektrizität durch die Kohle in großen Dampf- zentralen erzeugt wird und in größerem Maßstabe als bei uns zur Verwendung kommt. Zuerst wurde eine große Dampfzentrale mit ihren Dampfturbinen und Dynamomaschinen in mehreren Bildern gezeigt und besprochen, dann die der Stromfortfühurng die­nenden Leitungen mit ihren Holz- und Eisenmasten, die Transformatorenhüuser unter Gegenüberstellung von Bildern, wie letztere und die Leitungsanlagen ein landschaftliches Bild verunstalten und wie sie andererseits der Umgebung gut angepaßt und ein­gefügt werden können. Eingehend behandelte der Lichtbildervortrag die vielseitige Anwendung der Elektrizität in der Landwirtschaft, insbesondere unter Verwendung von Bildern aus den großen Gütern Rorddeutschlands. Der fest aufgestellte sowie der tragbare Motor wurde in verschiedenen Anwen­dungsformen gezeigt. Der elektrische Betrieb von Dreschmaschinen sowohl in der Scheune, als auch auf freiem Felde mit Verwendung fahrbarer Transfor­matoren, die elektrischen Futterschneidmaschinen, Rll- benmühlen. Fruchtputzmaschinen, das elektrische Pflü­gen, elektrisches Melken der Kühe usw. wurde be­sprochen und vorgezeigt. Hierauf folgte die Bespre­chung der mannigfachen Verwendung der Elektrizität im Gewerbe und sodann im Haushalt. In der Schmiede, Wagnerei, mechanischen Werkstätte, Metz­gerei, Mühle usw. zeigten uns die Lichtbilder den wenig Raum beanspruchenden Elektromotor in ver­schiedenster Aufstellung und Verwendung, wobei der Vortragende betonte, daß insbesondere für die Land­

wirtschaft, aber auch für das Gewerbe der tragbare oder mit Schleifhölzern versehene Motor in vielen Fällen dem feststehenden Motor vorzuziehen sei. Aus dem Haushalt kamen verschiedene elektrische Küchen­apparate, das elektrische Bügeleisen, die Elektrizität im Dienste der Schönheitspflege, in diesem Zusam­menhang auch die Schuhputzmaschine, zum Vortrag. Bei den Lichtbildern aus dem Haushalt ruhten die Augen mancher Zuschauer mehr auf den die elektri­schen Gegenstände handhabenden hübschen Frauen­gestalten, als auf dem Gegenstand des Vortrags, wes­halb diese Bilder in Berücksichtigung dieses Umstan­des in etwas größerem Zeitabstande eingeschaltet wurden. Das Bügeln mit Elektrizität wurde von dem Vortragenden sehr empfohlen, weil es nicht oder kaum teurer sei, als das Bügeln mit Gas oder Holz­kohlen, und sehr bequem und nicht gesundheitsschäd­lich sei. Nach seinem IK-stündigen Vortrag beant­wortete Herr Oberingenieur Büggeln noch einige aus der Mitte der Versammlung an ihn gerichtete Fra­gen, bei deren Besprechung er u. a. ausführte, daß die Petroleumlampe teurer sei als Elektrizität, Gas sei nach der Lichtstärke etwa halb so teuer als letztere, es seien aber beim Gas fast durchweg 80-kerzige Lam­pen im Gebrauch, auch in Räumen, wo dies nicht nötig sei und eine lO- oder 16-kerzige elektrische Lampe genügen würde; außerdem sei für Räume, für die sich die Gaseinrichtung nicht gut eigne, noch ein besonderes Licht erforderlich. Die Kosten für Kerzen und Streichhölzer gehen nebenher und seien deshalb mitzurechnen. Bei der Frage, ob es möglich sei, elektrische Kraft drahtlos zu übertragen, kam der Redner auch auf die Möglichkeit der wirksamen Aus­nützung der Elektrizität in der Erde und in der Luft als Kraftquelle zu sprechen. Er verhielt sich diesem Problem gegenüber ziemlich ablehnend. Der Vor­sitzende, Herr Uhrmachermeister Zahn, welcher in seinen Begrüßungswarten bedauerte, daß die Ver­sammlung insbesondere von Frauen nicht besser be­sucht sei, dankte dem Redner für seinen lehrreichen, mit lebhaftem Beifall ausgenommenen Vortrag und schloß damit die anregend verlaufene Versammlung.

Schnupsenmittel. Als cin ausgezeichnetes Schnupfen­mittel, das sofortige Erleichterung verschafft und den mit dem Schnupfen verbundenen Druck und die Dumpfheit des Kopfes beseitigt, wird das Inhalieren von Kampferdämpfen empfohlen. Man füllt zu diesem Zweck einen Topf mit mäßig weiter Oeffnung mit kochendem Wasser, schürtet einen knappen Teelöffel mit pulverisiertem Kampfer hinein und atmet, über den Topf geneigt, mit geschlossenem Munde die Dämpfe ein. Selbst in den hartnäckigsten Fällen pflegt dieses einfache Mittel seine Wirkung nicht zu verfehlen.

137 Tage schulfrei. Die Ministerialabteilung für die höheren Schulen hat die Zahl der Ferientage und der be­sonderen Schulfeiertage für die höheren Schulen des Landes auf 70 festgesetzt. Die Bestimmung tritt am 13. März in Kraft. In diese 70 Tage sind die Sonntage, das Neujahrs­fest, Erscheinungsfest, Gründonnerstag, Karfreitag, Oster­montag, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, Peter und Paul, erster und zweiter Wcihnachtsfeiertag samt den Ge­burtstagen des Kaisers, des Königs und der Königin, einem weiteren Tag für einen Schulausflug und einem Tag für ein Kinderfest nicht eingerechnet. Insgesamt stellen sich dem­nach die freien Tage an den höheren Schulen, abgesehen von den freien Nachmittagen, auf 137. In einer weiteren Bekanntmachung der Ministerialabteilung für die höheren Schulen wird der Anfang und der Schluß der Ferien im Jahre 1913 auf folgende Tage festgesetzt: Osterferien 20. Mürz bis 7. April, Pfingstferien 10. bis 11. Mai, Sommer­ferien in Groß-Stuttgart 23. Juli bis 3. Septeember, außer­halb Stuttgart 1. August bis 13. September, Weihnachts­ferien 21. Dezember bis 7. Januar. Die letztgenannten Tage sind jeweils in die Ferien eingeschlossen.

ocd. Mutmaßliches Wetter. Für Donnerstag und Freitag ist in der Hauptsache meist heiteres, trockenes und mildes Wetter zu erwarten.