50. Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw. 88. Jahrgang.

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chrtnungSweisk: «mal wöchentlich. Snzeigenpreir : Im OberamtS- ck T-lw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb d-Sfelben 1LPfg Imnen W Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon g.

Samstag, den 1. März 1913

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post­bezugspreis für den OrtÜ- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg,

Im ätunm genommen! ^

50 lautet äer Litel äes im Mac? im LalwerLag- blstt beginnenäen neuen, rur Leit äer ?reiheits- Kriege spielenäen Romans, ferner weräen im Laufe äer nächten Leit eine steihe interessanter Hdksnäiungen, so:

Vas äeulsche 5anäwerk einst u. jettt

von Hans Zchäier, Oderamtssekretär UNä

Oer heftige ^wist rwisch. Mig ?n'- lich v. Aürttemberg u.Oapoteon i.usvv.

von Professor Karl öaulter im Lalwer Lsgblatt rur Oeröffenklichung gelangen. Air können mit cliesen Arbeiten unsern Lesern wieäerum gediegenen Lesestoff rur Unterhaltung ^ unä öelehrung in Aussicht stellen unä ihnen auch * hinsichtlich äes übrigen Inhalts unserer Leitung ciie Lusicherung geben, clasr unablässig Mühe unä ' Aosten aufgecvanät wercien, um aus äem Lslcver Lagblatt ein an steigenäer Beliebtheit gecvinnenäes , Lokalblatt ru machen. Der billige Preis von * 45 pfg. für einen Monat, frei ins Haus äurch äie Lrägerin, unä 50 pfg. äurch äie Post, ermöglicht ^ es jeäermann, sich äas Matt r:u Hallen. Daher

bestellt äas ^alwer Lagblattl

Amtliche Bekanntmachungen.

In Schönaich (O.-A. Böblingen) ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen.

Calw, den 28. Februar 1913.

K. Oberamt:

Reg.-Rat Binder.

Ein deutscher Gouverneur über die Mission.

ep. Angesichts der geplanten Sammlung einer Natio­nalspende sür die christlichen Missionen in den deutschen Schutzgebieten, welche dem Kaiser zu seinem Regierungs­jubiläum überreicht werden soll, ist das Urteil des früheren Gouverneurs von Kiautschou, Admiral z. D. v. Truppe!, von Interesse, das er in einem kürzlich in Berlin gehaltenen Vor­tragMeine Erfahrungen mit den Missionen in Schantung" aussprach. Er sagte da u. a.:Ich will gern bei dieser Ge­legenheit vor einem weiteren Kreise der Hochachtung und Dankbarkeit Ausdruck geben, auf die nach meinen persön­lichen und amtlichen Erfahrungen als Gouverneur des Schutzgebiets die Arbeit der deutschen Missionare selbst be­rechtigten Anspruch hat. Was ich Ihnen darüber sagen will, bezieht sich auf die unschätzbare Mitarbeit der Missionen an der praktischen Kolonisation. Mit der Mithilfe der sprach­kundigen Missionare konnten wir uns schnell die notwendig­sten Kenntnisse verschaffen über Land und Leute, Klima und meteorolgische Verhältnisse, Jahreszeitenwechsel, Landes­produkte, Vesitzverhältnisse und dergleichen. Ihrer Mitwir­kung war es namentlich zu verdanken, daß wir dem spröden Schantungvolke verhältnismäßig bald Vertrauen zu uns ein­flößten, daß gleich Unterrichtsgelegenheit geschaffen wurde, wo die schwerfälligen Schantungchinesen Deutsch lernten, um wenigstens als Diener, Handlanger und Handwerker ver­wendungsfähig zu werden. Ich stelle mit freudiger Erinne­rung fest, daß ich. unter den Missionaren viele ganz echte Persönlichkeiten, männliche und weibliche, kennen gLlernr habe, wohl mehr als in anderen Berufen. Einer der Grund­pfeiler unserer heutigen westlichen Kultur und Bildung ist das läßt sich schon als historische Tatsache nicht fortleug­nen das Christentum; und der Boden, der richtig vor­bereitet ist für die Aufnahme der westlichen Kultur, wird meist auch das Samenkorn des Christentums aufgehen lasten. Ich schließe mit dem Wunsche, daß die Mission bei uns zu ähnlicher Stellung und Blüte kommen möge wie bei den Engländern und Amerikanern."

Stadt. Bezirk und Nachbarschaft.

Talw. 1. März 1913.

Die heutige Nummer des Calwer Tagblatts umsaht 8 Seiten; Erstes und Zweites Blatt.

b- Der März. Der dritte Monat unseres Jahres, der März, war im römischen Kalender der ältesten Zeit der erste

Monat und hat seinen Namen vom Mars, dem er geheiligt war. Karl der Große gab ihm den Namen Lenz- oder Früh­lingsmonat. Für den Landmann ist der März die Zeit zum Beginn der Sommersaat, auch werden die Wiesen und Klee­felder gereinigt und zur Aufnahme neuen Samens vorberei­tet. Darum will der Landmann auch von nasser Witterung im März nichts wissen, wie es in der alten Bauernregel heißt:Nasser Mürz ist für keines Bauern Herz." Oder wie ein anderer Spruch lautet:Goldes wert ist Märzenstaub, er bringt reichlich Gras und Laub." Weiter heißt es:Mär­zenstaub und Aprilregen bringen im Mai großen Segen."

h. Schwäbische Gedenktage. Am 1. März 1525 ergab sich Balingen nach kurzer Beschießung dem Herzog Ulrich, als er einen (mißglückten) Versuch machte, sein Land wieder zu erobern. Am 18. März fiel die Stadt schon wieder in die Hände des Schwäbischen Bundes. Am 2. März 773 vergabte ein gewisser Wolfart Güter bei Mühlhausen und Neistingen (O.-A. Herrenberg) an das Kloster Lorsch. Die beiden Orte sind längst abgegangen. An ihrer Stelle steht jetzt die Stadt Herrenberg. Am 4. März 1732 ist in Neuen­bürg als Sohn eines Bäckers Eottlieb Christian Bohnen­berger geboren, nachmals Pfarrer in Simmozheim und Altberg, Physiker und Vater des Mathematikers und Geodä­ten. Er starb im Jahre 1807. Am 6. März 1525 ergab sich Herrenberg wieder dem Herzog Ulrich; er mußte aber bald darauf das Land wieder verlassen. Am 6. März 1751 wurde in Calw Christian Fr. Hellwag geboren, der als Physiker in Eutin 1835 starb. Am 7. März 1775 ist Karl Friedrich Kerner, nachmals Präsident des Bergrates zu Stuttgart, in Ludwigsburg geboren. Er wurde wegen seiner Verdienste um die württembergischen Eisenwerke vom König Friedrich in den Freiherrnstand erhoben.

8cd- Mutmaßliches Wetter. Für Sonntag und Montag ist aufheiterndes und wieder kälteres Wetter zu erwarten.

Schneefall. Auf den Höhen verschiedener Schwarzwald­gegenden und auf der Alb hat es gestern zu schneien an­gefangen. Heute früh lag überall auf den Höhen eine leichte Schneedecke. Im Laufe des Vormittags Hub vollends ein richtiges Schneien an, so daß die Landschaft rasch wieder in ihr Winterkleid gehüllt war.

H- Althengstett, 28. Febr. Auf dem Land läßt sich sel­ten eine Wohlfahrtseinrichtung einführen, ohne daß die öffentliche Meinung irgend etwas daran auszusetzen hätte. So nützlich und zweckmäßig z. B. die Kochkurse für die Mäd-

Feuilleton.

Brigitta.

Erzählung von Adalbert Stifter.

Sie hatten sich von da an nicht mehr gesucht, aber da sie sich einmal zufällig auf einen Augenblick in dem Saale eines Nachbars sahen, wurden beider Wangen von einem tiefen Scharlach übergosten.

Murai ging dann auf eine seiner ferneren Besitzungen und änderte dort alle Verhältnisse um, die er vorfand.

Brigittas Herz aber war zu Ende. Es war ein Welt­ball von Scham in ihrem Busen emporgewachsen, wie sie so schwieg und wie eine schattende Wolke in den Räumen des Hauses herumging. Aber endlich nahm sie das aus­gequollene schreiende Herz gleichsam in ihre Hand und zer­drückte es.

Als er von seinen Umänderungen auf dem entfernten Landgute zurückkam, ging sie in sein Zimmer und trug ihm mit sanften Worten die Scheidung an. Da er heftig erschrak, da er sie bat, da er ihr Vorstellungen machte, sie aber immer dieselben Worte sagte:Ich habe es dir gesagt, daß es dich reuen wird, ich habe es dir gesagt, daß es dich reuen wird," sprang er auf, nahm sie bei der Hand und sagte mit inniger Stimme:Weib, ich haste dich unaussprechlich, ich haste dich unaussprechlich!"

Sie sagte kein Wort, sondern sah ihn bloß mit den trocke­nen, entzündeten Augen an aber als er nach drei Tagen seine Reisekoffer gepackt und sortgeschickt hatte als er nun selber in Reisekleidern gegen Abend fortgeritten war, so lag

sie, wie einst, da sie die Dichtungen ihres Herzens den Bü­schen des Gartens zugerufen hatte, auch jetzt vor Schmerz auf dem Teppich ihres Zimmerbodens, und so heiße Tropfen rannen aus ihren Augen, als müßten sie ihr Gewand, den Teppich und das Getäfel des Bodens durchbrennen es waren die letzten, die sie dem noch immer Heißgeliebten nach­sandte, dann keine mehr. Er ritt indessen auf der finstern Ebene und hatte hundertmal im Sinne, sich mit seiner Sattelpistole das siedende Gehirn zu zerschmettern. Er war bei seinem Ritte, da es noch Tag war, an Gabrielen vor­übergekommen, aber er hatte nicht hinaufgesehen und war weitergeritten.

Nach einem halben Jahre sandte er die Einwilligung zur Scheidung und trat ihr auch den Knaben ab, war es nun, daß er ihn in ihren Händen besser aufgehoben meinte, war es noch die alte Liebe, die ihr nicht alles rauben wollte, ihr, die nun ganz allein sei, während ihm die weite Welt vor Augen lag. In bezug auf das Vermögen hatte er für sic und den Knaben am günstigsten gesorgt, wie es nur immer möglich war. Er sandte die Papiere, die diese Sache enthielten, mit. Das war das erste und letzte Zeichen, das Murai von seinem Dasein gegeben hatte, nachher erschien keines mehr und er erschien auch nicht wieder. Die Summen, die er brauchte, waren an ein Antwerpener Haus angewie­sen. Dies sagte später sein Verwalter, mehr wußte der auch nicht.

Um diese Zeit waren kurz nacheinander Brigittas Vater, ihre Mutter und die beiden Schwestern gestorben. Murais Vater, der ohnedem schon sehr alt war, starb auch in kurzer Zeit darnach.

So war Brigitta im strengen Sinne des Wortes ganz allein mit ihrem Kinde.

Sie hatte sehr weit von der Hauptstadt ein Haus auf einer öden Heide, wo sie niemand kannte. Das Gut hieß Maroshely, woher auch der Name der Familie stammte. Nach der Scheidung nahm sie ihren ursprünglichen Namen Maroshely wieder an und begab sich in das Heidehaus, um sich dort zu verbergen.

So wie sie einstens, wenn man ihr wohl aus Mitleid eine schöne Puppe gegeben hatte, dieselbe nach kurzer Freude wieder wegwarf und schlechte Dinge in ihr Bettchen trug, als Steine, Hölzchen und dergleichen: so nahm sie jetzt auch ihr größtes Gut, das sie hatte, nach Maroshely mit, ihren Sohn, pflegte und hütete ihn und ihr Auge hing einzig und allein über dem Bettchen desselben.

Wie er größer wurde und sein kleines Auge und sein Herz sich erweiterete, tat es auch das ihre mit; sie begann die Heide um sich zu sehen und ihr Geist fing an, die Oede rings um sich zu bearbeiten. Sie nahm Männerkleider, stieg wieder, wie einst in ihrer Jugend, zu Pferde und er­schien unter ihrem Gesinde. Wie der Knabe sich nur aus einem Pferde halten konnte, war er überall mit, und die tätige, schaffende, heischende Seele seiner Mutter floß all­gemach in ihn. Diese Seele griff immer weiter um sich, der Himmel des Erschafsens senkte sich in sie; grüne Hügel schwellten sich, Quellen rannen, Reben flüsterten und in das öde Steinfeld war ein kraftvoll weiterschreiend Heldenlied gedichtet. Und die Dichtung trug, wie sie tut, auch ihren Segen. Manche ahmten nach, es erhob sich der Verein, ent­ferntere wurden begeistert und hier und da auf der öden, blinden Heide schlug sich ein menschlich freies Walten wie ein schönes Auge auf.

(Fortsetzung folgt.)