42. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.

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8si«e«»ungSweise! «mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts- L«ü» 8alw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Psg., «Zllmnen W Pfg. Schluß sür Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Donnerstag, den 2V. Februar 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit Lrägerlohn Mk. L.25 vierteljährlich, Post- bezugspreis für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg

Amtliche Bekanntmachungen.

Die Ortsbehörden sür die Arbeiterversicherung

werden auf die Bekanntmachung des K. Ministeriums des Innern betr. die Nachweise von Bauarbeiten außer­halb eines gewerbsmäßigen Betriebs (Regiebaunach­weisungen) vom 1t- Januar ds. Js., Min.-Amtsbl. S. 17, mit dem Anfügen besonders hingewiesen, daß die neuen Muster für diese Nachweise von der W. Kohl- hammer'schen Buchdruckerei und vom 1. Januar 1913 ab zu verwenden sind.

Calw, den 19. Februar 1913.

. K. Versicherungsamt.

Amtmann Rippmann.

Die Iesuitendebatte im Reichstag.

Bei dem gestrigen zweiten Schwerinstag der laufenden Reichstagssession setzte das Zentrum, die zweitstärkste Par­tei des Reichstags, den Antrag auf Aufhebung des Jesuiten­gesetzes auf die Tagesordnung. Der Antrag hatte die Form eines Gesetzentwurfs; er beanspruchte daher mindestens zwei Lesungen. Eingebracht war er schon im Frühjahr 1912. Er lautet:Der Reichstag wolle beschließen, dem nachstehenden Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertei­len: Gesetz betr. die Aufhebung des Gesetzes über den Orden der Gesellschaft Jesu vom 1. Juli 1872 (R.-E.-B. von 1872 S. 253): Wir Wilhelm von Gottes Gnaden, Deutscher Kai­ser, König von Preußen usw. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was folgt: 8 1. Das Gesetz betr. den Orden der Gesellschaft Jesu, vom 4. Juli 1872 (R.-G.-B. S. 253), wird aufgehoben. 8 2. Die zur Ausführung und zur Sicherstellung des Vollzugs des in Z 1 genannten Gesetzes erlassenen An­ordnungen verlieren ihre Gültigkeit. 8 3. Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündigung in Kraft. Urkundlich usw. Gegeben usw."

Der Sitzungsbericht schildert den Gang der Beratung folgendermaßen:

Berlin, 19. Febr. Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung um 1,20 Uhr. Am Bundesratstisch ist niemand er­schienen. Haus und Tribünen sind gut besetzt. Auf der Tagesordnung steht die erste Beratung des vom Zentrum eingebrachten Gesetzentwurfes betreffend die Aufhebung des Jesuitengesetzes. Abg. Spahn (Ztr.): Da unser mehrfacher Antrag auf Aufhebung des Jesuitengesetzes bis jetzt noch nicht bei der Regierung berücksichtigt worden ist, haben wir

uns genötigt gesehen, diesen Antrag am 14. Februar zu er­neuern. Und dieser Antrag steht heute zur Verhandlung. Der Kernpunkt des Jesuitengesetzes war der 8 2. Der Bun­desrat wollte damals nur die Tätigkeit des einzelnen Je­suiten überwachen können, um ihn bei staatsfeindlicher Hal­tung von einem Ort nach dem anderen versetzen zu können, um ihn dort abermals zu überwachen. Daraus folgt, daß der damalige Bundesrat nicht daran gedacht hat, die seer- sorgerische Tätigkeit des einzelnen Jesuiten zu unterbinden. Alle Maßnahmen, die jemals von der Regierung gegen die katholische Kirche einschließlich Jesuitengesetz getroffen wor­den sind, haben auf falschen Voraussetzungen beruht. Die Tätigkeit der Jesuiten in allen Weltteilen ist von anerkannt großem Werte. Die Jesuiten haben keinen Teil an der För­derung jesuitischen Glaubenshasses. Ihre Tätigkeit ist nur auf die christliche Liebe gerichtet und danach haben sie ge­handelt. (Sehr richtig! im Zentrum.) Ich bitte um An­nahme unseres Entwurfs. Den Antrag der Freisinnigen, der dem 8 2 unserer Vorlage, wonach die zur Ausführung und Sicherstellung des Vollzuges des Jesuitengesetzes er­lassenen Anordnungen ihre Gültigkeit verlieren, die Be­stimmung hinzufügen will, daß die landesherrlichen Vor­schriften über den Orden der Gesellschaft unberührt bleiben sollen, bitte ich abzulehnen. (Lebhafter Beifall im Zentrum.) H o f f m a n n - Kaiserslautern (Soz.): Freiherr von Hert- ling, der mit seinem Erlaß die ganze Frage ins Rollen ge­bracht hat, hat sich der Verletzung eines bestehenden Reichs­gesetzes schuldig gMracht. "Das Jesuitengesetz ist ein Tendenz­gesetz schlimmster Art. Wenn man statt Jesuit Sozialdemo­krat setzt, so ist es das Sozialistengesetz. Die Gesetzgebung soll die Handlungen, nicht die Gesinnungen bestrafen. In unserer Zeit ist kein Jesuit wegen hochverräterischer oder unmoralischer Handlungen bestraft worden, ebensowenig ein Sozialdemokrat wegen revolutionärer Taten. Auch ohne die Jesuiten haben wir in Deutschland niemals den konfessio­nellen Frieden gehabt. Wäre es auf das Zentrum angekom­men, hätten wir noch heute das Sozialistengesetz. Die So­zialdemokratie ist in der Aufhebung des Jesuitengesetzes einig. Wir beklagen jedes Ausnahmegesetz. Junck (Natl.): Es ist bemerkenswert, daß zwei sich diametral gegenüber­stehende Parteien in diesem Punkte wieder sich zusammen- finden. Wir bedauern, daß weder der Reichskanzler, noch ein Regierungsvertreter hier anwesend sind. Bayern hat mit der Auslegung des Jesuitengesetzes die Gehorsamspflicht, die die Einzelstaaten dem Reich schulden, verletzt. Der Zen­trumsantrag ist für uns unannehmbar. In weiten Kreisen des Volkes bleibt die Befürchtung bestehen, daß die Rück­

berufung der Jesuiten den Frieden unter den Konfessionen

leiden lasten würde. Der Bundesrat mag sich bald ent­schließen und ein glattes Ja oder Nein sagen. Graf Kanitz (Kons.): Wir wissen uns frei von kulturkämpferischen Be­strebungen und frei von Unfreundlichkeiten gegen die katho­lische Konfession. Beide Kirchen haben Anlaß zur gemein­samen Frontstellung gegen den Unglauben. Wir wollen aber keine evangelischen Interessen prcisgeben, gerade weil wir den konfessionellen Frieden wollen, müssen wir auf die in der evangelischen Bevölkerung auf Grund geschichtlicher Er fahrung bestehende Erinnerung Rücksicht nehmen und gegen den Antrag stimmen. Müller-Meiningen (F. V.): Ein Teil meiner Freunde ist gegen den 8 1 des bestehenden Ge­setzes als eines Ausnahmegesetzes. Der größte Teil meiner Freunde aber stimmt gegen jenen Antrag, weil er eine Stö­rung des konfessionellen Friedens befürchtet. Sie betrachten den Orden als eine Organisation zur Bekämpfung Anders­gläubiger. Eine Aufhebung des Gesetzes würde deshalb eine Verschärfung der Gegensätze bedeuten. Nach einer et­waigen Aufhebung des Gesetzes würde die Zuständigkeit der Einzelstaaten zur Regelung der Verhältnisse der Jesuiten aufrecht erhalten bleiben. Darauf begründet sich unser An­trag. Graf Oppersdorfs (bei keiner Partei): Für jeden Jesuiten steht seine Zugehörigkeit zur Kirche über seiner Zugehörigkeit zum Orden. Erst priesterliche, dann Ordens­tätigkeit. Auf historische Rückblicke kann ich nichts geben. Für viele Evangelische ist der Name Jesuit der Inbegriff alles Schlechten geworden. Mit solchen Vorurteilen sollte man aufräumen. Mumm (Wirtsch. Vgg.): Die Jesuiten- srage ist lediglich ein Kampf zwischen Staats- und Kirchen­autorität. Gewisse Beschränkungen werden der Kirche überall auferlegt. Ich hoffe, daß die Zeit einmal kommen wird, wo sich Katholiken und Evangelische unter dem Kreuz zu­sammenfinden. (Beifall rechts.) Haegy (Elsässer): Die Gefährlichkeit des -Jesuitenordens wird übertrieben. Das elsässische Volk hat für die Tätigkeit der Jesuiten nur Dank­barkeit im Herzen. Damit schließt die erste Lesung. Die zweite Lesung schließt sich unmittelbar an. 8 1 lautet: Das Gesetz betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu vom 4. Juli 1872 wird aufgehoben. Erdmann (Soz.): Wir sind für den 8 1, stimmen aber gegen den zum 8 2 vorliegenden An­trag der Fortschrittlichen Volkspartei, da wir es nicht den Einzelstaaten Vorbehalten wollen, Ausnahmegesetze aufrecht zu erhalten. Der 8 1 wird mit den Stimmen des Zentrums, der Sozialdemokraten, der Polen, der Elsässer und des Fort­schrittlers v. Payer angenommen. 8 2 lautet: Die zur Aus­führung und Sicherstellung des Vollzugs des in 8 1 des ge-

6) Brigitta.

Erzählung von Adalbert Stifter.

Ich stand daher auf, kleidetet mich an und begab mich unter das Vordach zum Frühmahle. Die Leute waren schon fast fertig und trennten sich, um zu ihren verschiedenen Arbeiten zu gehen. Der Major hatte ge­harrt und wartete, bis ich mit der Einnahme meines Frühstücks fertig war. Dann wurden die gesattelten Pferde vorgeführt. Ich fragte nicht, was er tun werde, sondern folgte ihm, wohin er ritt.

Wir ritten heute nicht mehr so im allgemeinen herum, daß er mir überhaupt seine Besitzungen und Beschäftigungen zeige, sondern er sagte, er wolle das, was der heutige Tag von ihm fordere, tun, und ich möge ihm Zusehen, falls es mir nicht Langeweile mache.

Wir kamen zu gedehntem Wiesenlande, auf dem Heu gemacht wurde. Der schöne, ungarische Braune, den der Major ritt, trug ihn tanzend auf dem schönen, weichen, geschorenen Rasengrün hin. - Er stieg ab, wäh­rend ein Knecht das Pferd hielt, und besah an ver­schiedenen Schobern das Heu. Es wurde von dem Knechte bemerkt, daß es auf den Nachmittag zum Eeinführen bestimmt sei. Der Major ordnete, solange die Wiese geschoren sei, das Schlagen mehrerer Gräben an. da­

mit überflüssiges Wasser abgehe, und an andern Stel­len, damit es gesammelt werde. Von der Wiese schlug er den Weg zu den Gewächshäusern ein, die nicht, wie es sonst üblich ist, in der Nähe des Wohnhauses waren, sondern auf einem geeigneten Platze, wo ein sanfter Erdhang seine Dachung gegen Ausgang und Mittag zeigte. Es war an diesen Häusern ein kleiner, reiner Stall angebracht, wohin der Major und seine Beglei­tung, wenn zufällig eine da war, ihre Pferde tun konnten; denn es war nicht selten der Fall, daß er sich hier lange aufhalten mußte, und wenn Besuch da war, der die Eewächsanlagen besehen wollte, geschah es wohl auch, daß mehrere Stunden darüber hingingen. Wir taten unsere Pferde gesattelt in den Stall, und er ging zuerst daran, mehrere Gewächsstücke und Pflan­zen, die auf Begehren zu Versendungen geordnet wurden zu besichtigen, dann ging er in die Eärtnerstube, wo Schreibereien lagen, und brachte ziemlich lange an dem Tische bei denselben zu. Ich sah indessen die Dinge um mich an, von denen ich gerade so viel oder so wenig verstand, als ein unaufhörlich Reisender, welcher un­zählige Gewächshäuser besah, verstehen kann. Als ich aber später in seinem Vücherzimmer die Werke und Ab­bildungen über diesen Zweig ein wenig durchging, er­kannte ich, wie wenig ich eigentlich von dem Kerne dieser Sache wußte.

Wenn man von diesen reizenden Dingen," sagte der Major zu einer andern Zeit einmal,die so gerne vom Hundertsten ins Tausendste führen, wirklich Früchte

haben soll, so muß man sie vom Grunde aus betreiben und die andern, die darin arbeiten, bedeutend zu über­treffen suchen."

Von der Eärtnerstube herauskommend, sah er eine Weile mehreren Weibern zu, die mit Abstauben und Reinigen der grünen Kamelienblätter beschäftigt waren. Diese Pflanze war damals noch selten und teuer. Er untersuchte auch die gereinigten und machte seine Bemerkungen. Von da kamen wir an den vielen reinen weißen Sandbeeten der Glashäuser vorüber, in denen die ganz jungen Pflänzchen standen, dann an all den Blumen und Gewächsen, deren Zucht er sich zur Auf­gabe gemacht hatte. An dem entgegengesetzten Ausgange der Anlage warteten unsere Pferde, die ein Kärtner- bursche indessen hintenherumgeführt hatte. Hier waren die Stellen zur Bereitung und Mischung der Erden, die von Eseln in Körben aus verschiedenen Gegenden, und oft von weit entfernten Nadelwaldungen, das ganze Jahr hindurch herbeigebracht werden. Selbst zum Bren­nen der Erde waren bestimmte Orte und in der Nähe war das Eichenholz ausgeschichtet, das im Winter zur Erwärmung dient.

Da, wie ich schon gestern bemerkt hatte, von den Eewächsanlagen nicht weit aus die Haide war, so ritten wir nun aus dieselbe hinaus. Der gute Lauf unserer schlanken Pferde trug uns bald so weit auf die ein­förmige, morgenduftende Ebene hinaus, daß wir das Schloß und den Park nur mehr als einen dunklen Fleck in der Ferne liegen sahen. Hier stießen wir zu seinen