^ 36. Amts- und Anzeige-latt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.

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UrkcheinungSweise: Smal wöchentlich. Nnzetgenprets: Im OberamtS- »e»«k Lalw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg-, Reklamen 2S Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon g.

Donnerstag, den 13. Februar 1913

V ezu.gspre1S: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post­bezugspreis für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., m Bayern und Reich 42 Pfg.

Frauenbewegung und Bolkswohlfahrt.

-cli.- Volkswohlfahrt gedeiht, wo alle Glieder, alle Stände ihre besten Kräfte daran setzen, für die Gesamt­heit zu wirken. Vielleicht allzulange vergaß man, daß eigentlich auch der Frau bestimmte Ausgaben inner­halb der Wirtschaft und dem Betriebe des staatlichen Lebens zugewiesen sind. Ausgaben, die sie mit den Männern und neben ihnen zu lösen hat, die die Mit­arbeit und die Heranziehung der Frau zur Mitarbeit gebieterisch fordern. Lichtvoll und klar brachte das in einer außerordentlich stark besuchten Versammlung von Frauen, die gestern nachmittag im Badischen Hof abgehalten wurde, eine der bewährtesten Vorkämpfe- rinnen der Frauenbewegung, Fräulein Mathilde Planck-Stuttgart, zum Ausdruck. Sie bot in ihrem Vortrag einen Ueberblick über die wirtschaftlichen und geistigen Ursachen der Frauenbewegung und gab den anwesenden Damen aus der Fülle eines gediegenen Wissensschatzes, aus dem deutlich durchklingenden hei­ßen Drang zur Mithilfe heraus, einen Ausschnitt aus den gewaltigen sozialen und sittlichen Problemen der Gegenwart, der seinen Eindruck unmöglich verfehlt haben kann. Die Rednerin begann mit einer kurzen Einführung in die wirtschaftlichen Ursachen der Frauen­bewegung. Sie verwies auf den gegenüber früher in Naturwissenschaft und Technik erzielten Fortschritt, wie seit 100 Jahren die Arbeit der Hände immer mehr durch die der Maschine ersetzt werde. Diese Umwälzung hat auch aus die Beschäftigungsweise der Frau einge­wirkt. Dieselben Hände, die früher das Spinnrad drehten, arbeiteten nun in der Fabrik. Heute haben wir in Deutschland 9)^ Millionen erwerbstätige Frauen im Hauptberufe. In den Fabriken begann diese Haupt­beschäftigung der Frauen, griff weiter um sich und kam ins Handelsgewerbe, sie zog größere Kreise und schuf den Beruf der Kindergärtnerinnen, der Krankenpflege­rinnen, der Lehrerinnen und der Studentinnen. Die Volkswirtschaftler beweisen es, daß die Frauen einen großen Anteil an nationaler Produktion mit Hervor­bringen und daß sie in der Volkswirtschaft unentbehr­liche Kräfte geworden sind. Die geistigen Ursachen der Frauenbewegung sind noch älter als die wirtschaftlichen. In der Zeit, da die Ideen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit durch die Welt gingen, kam zum ersten Male der Gedanke daran auf, daß die gesamte Menschheit doch nicht vorwärts gerückt werden könne, wenn die Frauen Zurückbleiben würden. Damals ver­

hallten diese Ideen. Die Schillerschen und Eoetheschen Fraungestalten zeigen wieder durchaus Individualität, Selbständigkeit, die nicht der Schablone entstammen, in die man die Frau Hineinpressen will. Schleiermacher, Fichte, Pestalozzi, v. Stein haben in ihren Erziehungs­plänen immer betont, daß die Frauen genau so sorg­fältig erzogen werden müßten, wie die Männer. Die außerhäusliche Arbeit der Frau, mit der sie bestimmte allgemeine Ausgaben auf sich nahm, hat die Frau selbst zu einer andern Auffassung des Lebens kommen lassen. Dabei darf nicht übersehen werden, daß wir erst seit einem Jahrhundert eine allgemeine Volksschulbildung haben, sodaß neue Gedanken nicht nur Sondergut ein­zelner Schichten bleiben, sondern die Frauen eines gan­zen Landes davon erfaßt werden können. Die gewaltige demokratische Welle, die anno 48 durch Deutschland wogte, hat den sozialen Notstand beider Geschlechter wieder einmal ausgedeckt und auch einzelne Frauen auf den Plan gerufen. Luise Otto-Peters besonders war cs, die für die soziale Hebung der Arbeiterinnen in Wort und Schrift kämpfte, die Arbeit war aber umsonst, sie erstickte in der folgenden Reaktionszeit. In den sechziger Jahren ist die heutige deut- sck, e Frauenbewegung entstanden. Auch in den sozial besser gestellten Familien und in den ge­bildeten Kreisen ist vielfach die Frage ausgctaucht: Was sangen wir mit unsern Töchtern an? Daran knüpfte die Frauenbewegung an. 186b wurde der erste deut­sche Frauenverein gegründet. Der Kampf um neue Berufe, der Kampf um die Bildung hat die deutsche Frauenbewegung sehr lange in Anspruch genommen, lieber den Bemühungen, den Frauen neue Berufe zu erschließen, gingen die, die Frauenwelt, die in guter, auskömmlicher Lage zu leben hatte, für die bedürftige Schicht, die notleidende, zu interessieren. Damit ver­bunden hat sich bald die Anteilnahme der Frauen, bezw. Frauenvereine an den Bestrebungen für das Volkswohl, für Armenhilfe, für alle Wohlfahrtseinrichtungen. Außerordentlich kundig und geschickt ging Fräulein Planck auf diese, die Mitarbeit der Frau in erster Linie erheischende Gebiet ein. Sie setzte auseinander, wie in der Armenpflege die Frauen in dem Sinne tätig seien und sein müßten, daß sie die Bedürftigen nicht auf Almosen verweise, sondern sie lehre, sich selbst zu helfen; in großen Städten bereits stellen sich die Frauen freiwillig für die Armenpflege zur Verfügung. Die Einrichtung von Säuglingsheimen, Krippen, Kinder­gärten, Milchküchen ist durch die Frauenvereine in die

Wege geleitet und gefördert worden, sie petitionieren gegen früher mit immerhin besserem Erfolg beim Reichstag und bei den Landtagen um Einführung spe­zieller Reformen in Verwaltung u. Rechtspflege. Sie ha­ben noch viel zu erreichen in den Gemeindeverwaltungen (Waisenpflege, Jugendfürsorge, Vormundschaftspflege). Es ist vieles Einrichtung der Gemeinde und des Staates geworden. So Erziehung, und so z. B. die Gesundheits­pflege, bestimmte Schulen usw. Diese Einfügung in die staatlichen Aufgaben von solchen, früher von Frauen übernommenen, hat aber dazu geführt, daß die Frau nur noch Helferin ist, daß sie an der Stelle, wo die Gesetze entstehen, im Eemeinderat und in der Volks­vertretung, keine Stimme hat, wenngleich so vielerlei staatliche und städtische Unternehmungen in ihrem eige­nen Interesse und in dem der Gesamtheit, ehe sie Ge­setz werden, der Frau Erfahrung, Urteil und Rat leb­haft benötigten! So ist auf dem Gebiete des Fort­bildungsschulwesens ein Mißstand der, daß die Berufs­ausbildung der Mädchen nicht wie die der Knaben Ge­setz ist. Die Frauen müssen sich Lleichfalls weiter um die Einführung von Kochschulen durch die Gemeinden annehmen.Ich glaube," schloß die Rednerin,daß namentlich die Jugend für unsere Bestrebungen Sinn haben muß. Denn, was wir anstreben, dient dazu, die Zukunft besser, schöner zu machen, den künftigen Frauen das Leben etwas zu erleichtern."

Frau Otto Wagner, die den Vortrag mit be­grüßenden Worten eingeleitet hatte, faßte die Eindrücke, die er hinterließ, in anerkennende Worte für Fräulein Planck zusammen. Fräulein Planck selbst mag sich den schönen Besuch der Versammlung als besonderen Erfolg aus unsrer Stadt mitgenommen haben. Dauernd Wert aber trägt diese Versammlung in sich, wenn die Worte der Rednerin die Herzen ihrer Zuhörerinnen für die Ideale der Frauenbewegung begeistert haben, und in die Tat umgesetzt werden!

Stadt, Bezirk und Nachbarschaft

Talw, 13. Februar 1913.

Missionskonferenz. Letzten Montag mittag fand im cv. Vereinshaus hier eine Missionskonferenz statt, zu der sich eine ansehnliche Zahl von Männern und namentlich Frauen aus Stadt und Land eingefunden hatte. Die Konferenz stand unter der Leitung von Dekan Roos, der die Anwesenden begrüßte und zu­gleich mitteilte, daß Missionsprediger Munz-Stuttgart, sowie der hier ansässige Missionar Schaible leider ver-

Die Schule des Lebens.

54 ) Roman von Herbert v. Osten.

Toska," klang es da jubelnd an ihr Ohr, und aus dem dunklen Schatten der Veranda trat Salm-Hoch- stratens stattliche Gestalt hervor. Er zog sie fest an seine Brust und bedeckte ihre Stirne, ihre Wangen, Augen und Lippen mit tausend heißen Küssen.

Toska, mein stolzes Lieb," flüsterte er innig. Glaube mir, dies Wort, welches mich der Zufall hören ließ, werde ich dir nie vergessen."

In den beiden langen Stunden, wo ich hier weilte, habe ich mir unser Wiedersehen unaufhörlich in den leuchtendsten Farben ausgemalt, und nun ist es doch noch unendlich schöner, wie meine kühnsten Träume. Diesmal schlägst du mir auch meine Bitte um eine baldige Hochzeit nicht wieder ab?"

Cie war zu tief ergriffen, um Worte finden zu können, aber in dem innigen Blicke, mit dem ihre Augen sich ineinander senkten, lag die Gewähr, daß sie im Sturme des Lebens sich ein Glück errungen, wel­ches nichts mehr zu erschüttern vermochte.

O könnte ich dieses eine einzige Jahr ungeschehen machen," sagte Percy, als sie Hand in Hand auf der Veranda standen. Sie aber lächelte aus dunklen Augen selig zu ihm auf.:

mochte die Schule des Lebens auch hart und schwer für niich sein, sie war notwendig für

unser beiderseitiges Glück. Die weltliche, oberflächliche Toska von einst hätte dich nie ganz befriedigen können."

Er wollte widersprechen, sie aber wehrte ihm sanft und flüsterte unter Tränen:An deiner Mutter will ich gut zu machen suchen, was ich an der meinigen gefehlt. Ich will ihr eine liebevolle Tochter sein und stets beherzigen, daß ihr mildes Wort uns wieder zu­sammengeführt."

Achim sah bewegt auf das junge Paar, das nach so viel Kämpfen und Leiden sich durchgerungcn zum wahren Glück. Dann ließ er den Blick über die mond­beschienene Straße schweifen, und nachdenklich zog er die langen Enden seines Schnurrbartes durch die Hände. Auf die Dauer wird die Nolle des Elephanten doch höllisch langweilig werden, Kinder," seufze er.Ich wolle, es fände sich bald ein hübsches, schwarzlockiges Töchterlein Neapels, das sich auch so hingebungsvoll ver­trauend in meine Arme schmiegte, das große Muster weckt Nacheiferung; hat ja schon der gute Herr Schiller gesagt!"

Das Brautpaar lachte und Toska ergriff warm des Bruders Rechte.Glaube nicht. Achim, daß wir je je über unserm Glück vergessen können, mein starker Retter aus der Not."

Schluß-Kapitel.

Weihnachten war es wieder geworden. Wieder läuteten die Christglocken durch die deutschen Lande,

und die glitzernde Schneedecke breitete sich schimmernd über Berg und Tal.

Hoch ragten die Weihnachtstannen. Der Glanz der unzähligen Kerzen und der Helle Wiederschein wahrer Weihnachtsfreude spiegelte sich auf den glückdurchleuch­teten Zügen des jungen Paares, das Seite an Seite in den hohen Kirchenstühlen der kleinen Dorfkirche zu Hochstraten saß.

Es glänzte aus Achims sonngebräuntem Antlitz und ans Edith von Merums blauen Kinderaugen, die mit gefalteten Händen und süß verklärtem Gesichtchen den bewegten Worten des alten Geistlichen lauschte, der, umstrahlt vom Lichte der Weihnachtskerzen am Altar stand und mit seiner milden Stimme sprach:Siehe, ich verkünde euch große Freude, die allem Volk wider­fahren wird," und aus glücklichem, übervollem Herzen stimmten sie alle ein in den Jubelruf der himmlischen Heerscharen:Ehre sei Gott in der Höhe."

Dann fuhren sie heim durch die sternenfunkelnde Winternacht.

Achim und Edith voran, in dem kleinen Schlitten, mit Ediths Lieblingspferden, den braunen Ponys. Leise knisterte der Schnee unter den Hufen der Pferde und hell schimmerte er auf Bäumen und Sträuchern. Achim erfaßte warm die Hand des blonden Mädchens an seiner Seite.Darf ich mir auch von Ihnen ein Geschenk wün­schen an dem heutigen Tage, Fräulein Edith?"

Sie nickte leise, während ein heißes Rot ihr weißes Gesichtchen überflutete und Achim beugte sich tiefer zu