^ 33. Amis- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.

L«?ch«1»ungswelsk: Sinai wSchentltch. Anzeigenprei»: Im Obcramts- - rzirk Talw für die einspaltige Borgiszeile 1V Pfg., außerhalb beweiben 12 Pfg., Reklamen 2S Pfg. Schluß für Jnseratannahme 18 Uhr vormittags. Telefon g.

Montag, den 10. Februar 1913.

Bezugspreis: In der Stadl mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich. Post« bezugspreiS für den OrtS- und NachbarortsverkeLr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.. m Bayern und Reich 42 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung.

In Betreff des heurigen

Militiir-Ersatzgeschäftcs

wird bekanntgegeben, daß die Musterung und Losung voraussichtlich vom 6. bis 11. März ds. Zs. stattfindet.

Wegen der Zurückstcllungsgesuche (Reklamations­gesuche) Militärpflichtiger in Berücksichtigung bürger­licher Verhältnisse wird auf die Bestimmungen der tztz 32 und 33 der Deutschen Wehrordnung (Reg.-Vl. von 1901 Nr. 23) und wegen derjenigen der Reservisten, Landwehrmänner und Ersatzreservisten aus 8 l18 Z. 3 bis 6, 8 ^20 Z. 5, 8 ^22 und 123 der Deutschen Wehr­ordnung hingewiesen.

Diese Zurückstellungsgesuche, wozu beim Oberamt Formulare zu haben sind, sollten mindestens eine Woche vor dem Musterungstermin, also längstens bis 1. März beim Oberamt einkommen, damit dieselben geprüft und erforderlichenfalls ergänzt werden können. Zurückstel­lungsgesuche, die erst nach der Musterung angebracht werden, könnten keine Berücksichtigung finden.

Da früher Reklamationsgesuche vielfach verspätet eingekommen sind, so hat die K. Obererfatzkommisfion die bestimmte Erwartung ausgesprochen, daß dieselben künftig rechtzeitig eingereicht werden, also schon vor der Musterung, nicht erst vor der Aushebung oder nach dieser.

Die Ortsbehörden werden beauftragt, die Beteilig­ten in angemessener Weise darauf aufmerksam zu ma­chen und für- rechtzeitige Vorlage derartiger Gesuche Sorge zu tragen.

Calw, 25. Januar 1913.

Der Zivilvorsitzende der Ersatzkommisfiom Regierungsrat Binder.

Die Griechen als Banditen.

Das Stuttgarter Neue Tagblatt veröffentlichte in Nr. 32 eine Zuschrift des Athener Professors der Chirurgie, Dr. M. Gerulanos, in der die früheren Berichte eines Landsmanns in Saloniki als empörend, tendenziös und sachlich unwahr bezeichnet werden. Diese Zuschrift hat nun einen ausgezeich­neten Kenner der Verhältnisse und Zustände in Saloniki zur Entgegnung in die Schranken gefordert. Der bekannte Kor­respondent des Berliner Tageblatts in Rom, Dr. Hans Barth, ein Stuttgarter, sendet dem Tagblatt aus Grund seiner per­sönlichen Erfahrungen in Saloniki einen Bericht, der alle früheren Veröffentlichungen über die Ereueltaten der Grie­chen vollauf bestätigt:

Als Stuttgarter und als Augenzeuge der Vorgänge von Saloniki nehme ich mir die Freiheit, den in Nr. 32 abgedruck­ten Brief des Herrn Prof. Gerulanos mit einigen Zeilen zu illustrieren. Ich bezweifle nicht, daß der Herr Professor in gutem Glauben die Interessen seines Vaterlandes ver­teidigen möchte. Leider vergisst er, dass nicht allein diesieg­reiche" (das heisst keinem Widerstande begegnende) griechische Armee damals in Saloniki weilte, sondern auch zahllose Fremde. Es entspricht den Tatsachen in keiner Weise, wenn der Herr Professor behauptet, die griechische Armee habe sich mustergültig und ihrer befreienden Aufgabe würdig erwie­sen" usw., wenn er vonOrdnung und Sicherheit" spricht, dievom ersten Tage an geherrscht", wenn er endlich jene Beschuldigungen so niedrig nennt, dass sieder Ehre des grie­chischen Heeres nichts anhaben können". Möge der Herr Professor sich doch bei sämtlichen Europäern in Saloniki er­kundigen, bei den Konsuln, bei den Industriellen, den Eross- kaufleuten, den kaufmännischen Angestellten, im deutschen Klub, bei den Beamten des österreichischen Lloyd und der österreichischen oder der französischen Post, bei den Englän­dern, Schweizern usw., überall wird er hören, dass seine Hel­lenen in Saloniki gehaust"haben wie die Landsknechte im Dreißigjährigen Kriege. Und zwar die Regulären wie die Irregulären, die Räuberbanden, die als sogenanntePatrio­ten" nach Saloniki eilten, um zu morden und zu plündern. Hat der Herr Professor nicht tagtäglich die Leichen hinge­schlachteter Türken liegen sehen, die man teilweise erst gegen Mittag in den Straßenecken auflas? Hat er die Infamien

der Vardar-Straße vergessen, wo Militär und Pöbel abends 8 Uhr durch die Scheiben hindurch alles niederknallten, was dort innen harmlos und ahnungslos bei der Nargileh saß? Warum lässt sich der Herr Professor nicht die Berichte der Konsuln über jene Heldentaten seiner Landsleute zeigen, wo ich unter anderem (es bezieht sich auf eine gegenteilige Be­hauptung des Kirivs) wörtlich las:Zwei türkische Aerzte vom Roten Halbmond werden sistiert. Als sie sich unter Hin­weis auf ihre Eigenschaft entfernen wollten, wird der eine durch einen griechischen Soldaten am Kopfe verwundet. Das­selbe Los wird einem anderen türkischen Arzte vom Roten Halbmonde zuteil, der verwundet wird und nur durch das Eingreifen von Europäern dem Tode entgeht." (Wörtlich in dem Konsulatsbericht einer Großmacht.) Und das, Herr Professor, trotz der Anwesenheit IhresBasileus" und Ihres Diadoches" (Kronprinzen) in der (fragen Sie die Euro­päer!) bis zum Einzuge Ihrer Armee völlig friedlichen, ruhi­gen und sicheren Stadt!! Und wie auf offener Strasse ge­raubt wurde, vom frivolen Niederschietzen armer Türken ganz abgesehen. Fragen Sie doch die Beamten der Orientalischen Eisenbahn, wer am hellichten Tage, bei ihnen eindringend, die Kasse ausraubte? Irreguläre waren es nicht! Auch nicht etwa Türken. Oder fragen Sie die Beamten der österreichi­schen Post nach ihren Erfahrungen. Oder fragen Sie den Besitzer eines gewissen Hotels, wo die Befreier (es waren Reguläre) alle Zimmer plünderten und dabei einen verwun­deten türkischen Offizier, der im Hotel wohnte, grundlos niederstachen. . . . Und hatte jener griechische Soldat, dem vor meinen Augen ein anständig denkender Offizier ganze Hände voll Schmuck und Juwelen aus der Tasche zog, seine Schätze geschenkt bekommen? Und von wem? Wenn Saloniki Wochen hindurch unter der Herrschaft des Schreckens, wem oerdankt es dies Los denn sonst als der Mitschuld, zum min­desten der Nachsicht der griechischen Behörden, die die an­fängliche Sympathie Europas schlecht belohnten und, genau wie ihre bulgarischen und serbischen Kollegen, nicht nur regu­lären Wüterichen, sondern sogar den entsetzlichen Banditen ihr blutiges Handwerk gestatteten. . . . Erst vor zehn Tagen noch erhielt ich vom Konsul einer Großmacht (einem Berufs­konsul, der keinen Grund zum Vertuschen und Beschönigen hat) einen Brief, worin es heißt, von wirklicher Ruhe und Sicherheit sei selbst heute noch nicht zu reden und die Zahl der im Inneren von Griechen und Bulgaren hingeschlachteten unschuldigen Türken und ihrer Familien werde auf 240 000 geschätzt, eine Zahl, die dem Konsul eher zu niedrig gegriffen scheine. . . ."

Parlamentarisches.

Aus dem Reichstag.

Berlin, 8. Febr. Nach dem gestrigen Tage, der ein grosser war, flaute die heutige Fortsetzung der Beratung des Reichs­justizamtes merklich ab, trotzdem manches Wissenswerte und Interessante auf dem Gebiete der Strafgesetzgebung zu Gehör kam. Vor Eintritt in die Tagesordnung fühlte sich der Kon­servative Dr. Oertel verpflichtet, zu erklären, dass sein Angriff auf den Reichskanzler und den Staatssekretär Dr. Delbrück falsch gedeutet worden sei. Er habe den beiden Her­ren nicht den Borwurf des Mangels an persönlichem Mut machen wollen. Dann tritt ein Jurist nach dem andern auf die Rednertribüne, um in sachlicher und ruhiger Form Be­schwerde über die Anwendung der Strafgesetze zum Vortrag zu bringen. Den Reigen eröffnete der Sozialdemokrat Dr. Lohn-Nordhausen, der zwei Stunden lang das Haus zu großer Aufmerksamkeit veranlaßte. Daß er als Vertreter der Sozialdemokratie auch Eulenburg kritisierte, war mit Bestimmtheit zu erwarten. Staatssekretär Lisco entgegnete ihm auf seine Sätze über den Fall Eulenburg:Die letzte ärzUiche Untersuchung des Fürsten Eulenburg hat im De­zember 1912 stattgefunden und ergeben, dass er weder ver-, handlungsfähig, noch transportfähig sei. Sein Gesundheits­zustand ist dauernd untersucht worden, so daß die Behörden in dieser Beziehung keine Vorwürfe treffen können. Als Fürst Eulenburg während der letzten Verhandlungen zusam­menbrach, wurde es von den damaligen Geschworenen als höchst wunderbar erachtet, dass ein so schwerkranker Mann vor das Gericht geschleppt wurde. Seitens der Staatsanwalt­schaft wird gewiß alles geschehen, was geschehen muss." I

Auch der Zentrumsabgeordnete Bell fragte nach dem Stand des Eulenburg-Prozesses. Abg. Schiffer (Natl.) wandte sich dann in einer großzügigen Rede gegen die sozialdemo­kratischen Angriffe auf unsere deutschen Richter und gegen die zunehmende Masse von Verurteilungen. Weiterhin, wünschte er eine Heranziehung der Lehrer zu Schöffen und Geschworenen. Nachdem noch die Abgg. Holtschke (Kons.), Warmuth (b. k. Partei), Vietmeyer (Wirtsch. Vgg.j und der Elsässer Haegy zu Wort gekommen waren, ver­tagte sich das Haus gegen 5 Uhr, um am Montag zunächst Wahlprüfungen vorzunehmen und dann mit der Weiter- -eratung fortzufahren.

Aus dem Landtag.

Der Gesetzentwurf betreffend die zeitliche Versetzung der Beamten der Tierärztlichen Hochschule in den Ruhestand ist im Druck erschienen. Die Beamten sollen als Ausgleich für die durch die Aufhebung der Hochschule veranlaßte Minde­rung ihrer etatsmäßigen Bezüge ein erhöhtes Wartegeld er- yalten. Der Mehrbedarf an Wartegeldern wird für 1913 auf 00 00Ü, und für 1914 auf 40 000 geschätzt.

Stadt» Bezirk und Nachbarschaft

Calw, 10. Februar 1913.

Wer will Helsen? Wir bringen in der heutigen Ausgabe den Anfang einer Skizze,Die Letzten", die aus der Feder des Verfassers unsres zurzeit lausenden Romans, Herbert v. d. Osten, stammt. Herbert o. d. Osten schreibt uns zugleich mit Uebersendung der Skizze:25 000 zu Krüppeln geschossene Soldaten, 10 000, denen Granaten beide Hände fortgerissen, liegen ohne ärztliche Pflege, ohne alle Existenzmittel in den Moscheen von Konstantinopel. Hunderttausende obdachloser Flüchtlinge bitten umsonst um Hilfe: denn die zertretene, von ihren erbarmungslosen Feinden ausgeplünderte Türkei ver­mag ihren unglücklichen Kindern nicht mehr zu helfen. Wollte doch jeder Leser dieser Zeilen auch nur >1 Mark diesen Aerm- sten geben. Wie viel Leid könnte da schon gelindert werden!" Das Calwer Tagblatt erklärt sich gern bereit, Gaben für diesen Zweck an H. v. d. Osten zu vermitteln, der sie an die deutsche Botschaft in Konstantinopel, mit welcher er in Ver­bindung steht, weiter gelangen läßt.

Zum Bildschmuck im neuen Gesangbuch. Auf vielfach an sie gebrachte Wünsche hin hat sich die Oberkirchen­behörde entschlossen, bei der kleinen Ausgabe des neuen Gesangbuchs den Versuch zu machen, durch eine künst­lerische Beigabe (die nicht Bestandteil des Gesangbuches selbst ist) den heutigen Bestrebungen auf diesem Gebiet Rechnung zu tragen. Eine Beschränkung der Buch­bindereien, denen! die Rohexemplare geliefert werden, statt des dargebotenen Blattes auch andere beim Ein­binden der Gesangbücher zu verwenden, oder Gesang­bücher ohne Totalbild zu binden (wie vielfach die bis­herigen Taschenausgaben), ist damit nicht gegeben und auch fernerhin nicht beabsichtigt. Das Konsistorium wird, wie hinsichtlich des Einbands, so auch hinsichtlich der Bildbeigabe bei den besser ausgestatteten^insbeson- ders den zu Geschenken bestimmten Exemplaren des Ge­sangbuchs der Privatindustrie freie Betätigung lassen. Um dies zum Ausdruck zu bringen, werden künftig den Buchbindereien auf Wunsch auch Rohexemplare mit ein­fach verziertem Titel ohne das vom Verlagskontor her­gestellte Titelbild geliefert.

Bettclbetrieb. Ein angeblich Blinder, Namens Müller aus Schmiedefeld in Thüringen versendet Of­ferten über Bleistifte: er legt seinem Schreiben einen Bleistifthalter mit Graphiteinlagen u. eine Postanwei­sung bei. Dem gedruckten Briefe und der vorgedruckten Postanweisung nach zu schließen, überschwemmt der Be­treffende das ganze Land, so daß dieses Unternehmen schon mehr einem Großbetrieb gleicht. Der Bleistift ist keinen Pfennig billiger, als man ihn hier in Schreib­materialienhandlungen kaufen kann. Da der Mann auf das Mitleid der Adressaten spekuliert, und von Manchem mehr erhält als 1 ^l, so handelt es sich hier um einen Eroßbettel, der mit einem geschäftlichen Män­telchen überdeckt wird. Schon allein das Porto für jeden Doppelbrief von 20 L macht bei dem vermutlichen Massenbetrieb ein kleines Vermögen aus. Also ist I der Mann gar nicht so arm.