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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

88. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im OberamtS- ^trr Ealw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., rllmnen 2b Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Mittwoch, den 5. Februar 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich. Post- bezugSpreiS für den Orts- und Nachbarortsverkebr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.. in Bayern und Reich 42 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen.

K. Oberamt Calw.

Die Gemeinderäte

werden an die rechtzeitige Vornahme der Neuwahlen der­jenigen öffentlichen Rechner, deren Wahlperiode auf 31. März d. I. zu Ende geht, erinnert.

Hierbei ist folgendes zu beachten:

1. Die Gewählten sind vor oder beim Amtsantritt gemäß Art. 98 der E.-O. und 8 81 Abs. 3 der Vollz.-Verf. hierzu durch den Ortsvorsteher zu verpflichten oder auf die früher erfolgte Verpflichtung hinzuweisen. Ueber die Verpflichtung ist ein Protokoll aufzunehmen und von dem Verpflichteten zu unterzeichnen.

2. Wenn ein neuer Rechner gewählt wird, hat eine förm­liche Amtsübergabe unter genauer Beachtung der Be­stimmungen in ß 87 der Vollz.-Verf. z. G.-O. statt­zufinden.

3. Nach vollzogener Verpflichtung sind die Namen und der Beruf der Gewählten unter Angabe von Geburts­tag hierher anzuzeigen.

1. Die Anstellungsverhältnisse sind nach einem vom Ge­meinderat aufzustellenden Dienstvertrag zu regeln.

Der Betrieb des Wirtschaftsgewerbes sowie des Flaschenbierhandels ist den Gemeindepflegern unter­sagt (Art. 100 Abs. 3 und Art. 103 der G.-O.).

5. Die Höhe der Sicherheitsleistung ist vom Gemeinderat einer Nachprüfung zu unterziehen. Für die Festsetzung kommen die §8 96 und 97 der Vollz.-Verf. z. E.-O. in Betracht. Sofern eine veränderte Festsetzung vor­genommen wird, unterliegt solche der Genehmigung des Bezirksrates und ist in diesem Falle bis spätestens 1. April d. I. Vorlage zu machen.

6. Die Wahl eines Eemeinderatsmitgliedes als Rechner bedarf der Zustimmung des Bürgerausschusses.

Calw, den 3. Februar 1913.

Regierungsrat Binder.

Bei der Aufstellung der Voranschläge sind die Bestim­mungen in Art. 121 bis 134 der Gemeindeordnung und in den 88 157 bis 165, sowie 200 Abs. 3, insbesondere 88 158 Abs. 4, 160 Abs. 5 und 6 und 165 der Vollzugsverfügung genau zu beachten.

Ferner wird folgendes bemerkt:

1. Die nach 8 158 Abs. 4 der Vollz.-Verf. z. G.-O. zu gebenden Erläuterungen müssen für den Fall einer erheblichen Abweichung des Voranschlagsbetrags von dem in Spalte 1 angegebenen Rechnungsergebnis ver­langt werden, auch wenn eine solche Abweichung von dem in Spalte 2 verzeichneten, im Vorjahr eingestell­ten Betrag nicht besteht.

2. Die für die Gemeinde-Einkommensteuer als Grund­lage dienenden Einheitssätze sind auch dann anzu­geben, wenn von vornherein feststeht, daß der zulässige Höchstbetrag zur Erhebung kommen muß. Nur die Berechnung des Prozentsatzes selbst kann in diesem Falle unterlassen werden.

3. Die Entwertung des Voranschlags hat in möglichst umsichtiger Weise zu geschehen und ist schon im Inter­esse der späteren Verrechnung Wert darauf zu legen, daß die einzelnen Sätze in die richtigen Abteilungen eingestellt werden.

4. Der die Volksschule betreffende Teil des Voranschlags ist gemäß Art. 54 Abs. 2 Ziff. 4 des Volksschulgesetzes dem Ortsschulrat mitzuteilen.

5. Bezüglich der Aufstellung des Voranschlags der Schul­kassen ist die Vorschrift in 8 13 Abs. 1 Ziff. 4 der Vollz.-Verf. z. Volksschulgesetz zu beachten. Die Schul­kassenvoranschläge sind nur in einfacher Fertigung vorzulegen.

6. Hinsichtlich der Restmittelbehandlung wollen die vom Oberamt mit Erlaß vom 7. September 1910 empfohle­nen Grundsätze angewendet werden.

Calw, den 3. Februar 1913.

Neg.-Rat Binder.

K. Bersicherungsamt Calw.

Den Ortsbehörden für die Arbriterversicherung gehen mit der nächsten Post die Listen über die fingierten Steuer­kapitale zu mit dem Auftrag, dieselben alsbald neu anzu­legen (8 39 der Verfügung des K. Ministeriums des Innern vom 26. Oktober 1912, Reg.-Bl. S. 820). Die Formulare hierzu sind den alten Listen beigefügt.

Diejenigen Ortsvorsteher, für deren Gemeinde ein Ver­waltungsaktuar bestellt ist, sollten sich wegen der Neuan­legung mit letzterem ins Benehmen setzen.

^ Die neuen Listen sind mit einem biegsamen Umschlag zu versehen und zu heften.

Beide Listen alte und neue, letztere vorschriftsmäßig für das Geschäftsjahr 1913 ergänzt und beurkundet sind bis spätestens 2V. Februar d. Z. hierher vorzulegen.

Calw, den 4. Februar 1913.

Amtmann Rippmann.

Der Balkankrieg.

Wie ruhig und sachlich auch Englands führende Presse die Balkanereignisse beobachtet und wie befreiend entschieden sie den Frieden unter den Großmächten bewahrt wissen will, davon gibt ein Artikel der ministeriellenWestminster Ga­zette" einen schönen Beweis. Er lautet im Auszug:

Wir freuen uns, es bestimmt erklärt zu sehen, daß die Mächte noch unbedingt einig sind, und wir begrüßen mit besonderer Befriedigung die großzügigen Bemerkungen des deutschen Botschafters über England und die Aussichten deut­schen und britischen Zusammenwirkens. Falls Deutschland und Großbritannien in dieser Angelegenheit tatsächlich Zu­sammenwirken können, so vermögen sie zusammen den Frie­den Europas zu sichern und ihren eigenen Frieden auf viele Jahre hinaus zu befestigen, allein wir sehen wieder einmal, daß das europäische Konzert sich in einem kritischen Augen­blick als ein höchst unvollkommenes Werkzeug erweist. Irgend­ein geheimnisvoller Einfluß verhindert es, in dieser An­gelegenheit den Kriegführenden eine Gesamtnote zu über­mitteln, obschon, wie es scheint, jede einzelne Macht bereit ist, für sich eine Sondernote zu überreichen. Sie sind alle für den Frieden, doch keine will die Verantwortlichkeit für gemeinsames Handeln zur Erhaltung des Friedens überneh­men. Und so läßt man den Argwohn fortbestehen, der wahr­scheinlich die letzte Hoffnung der Türkei bildet, daß eine Er­neuerung des Krieges zu Hader unter den Mächten führen werde, wo doch eine klare Kundgebung der Grundlosigkeit

K. Oberamt Calw.

Erlaß betreffend die Anlegung der neuen Hauptbücher und Kassentagbücher.

Die Herren Ortsvorsteher bzw. Berwaltungsaktuare wol­len längstens bis 1. April d. Z. hierher anzeigen, daß die neuen Rechnungshandbücher ordnungsmäßig angelegt und den betreffenden Rechnern eingehändigt sind.

Calw, den 3. Februar 1913.

Regierungsrat Binder.

K. Oberamt Calw.

Die Herren Oklsvorfteher und BerwaliuligsaktiMe

wollen dafür Sorge tragen, daß die Voranschläge über die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden für das Rech­nungsjahr 1913 mit den Beschlüssen der Eemeindekollegien spätestens auf 25. März d. I. dem Oberamt in Abschrift vor­gelegt werden.

Die Schule des Lebens.

47) Roman von Herbert v. Osten.

Achim stand indessen atemlos vor dem Diakonissen­hause, dessen Tür sich soeben hinter Adrian geschlossen. Wohl eine Viertelstunde ging er wartend die Straße auf und nieder, als aber Colonna noch immer nicht er­schien, da ritz ihm endlich die Geduld, und stürmisch zog er die Glocke. Eine dienende Schwester öffnete ihm die Tür und fragte nach seinem Begehr.

Ich sah vor kurzem den Herrn Colonna hier ein- treten und da ich denselben in einer dringenden An­gelegenheit sprechen mutz, bitte ich Sie, den Herrn zu veranlassen, sich einen Augenblick zu mir hinauszu- bemühen."

Bitte, treten Sie einstweilen hier ein," antwortete das junge Mädchen in sichtlicher Verlegenheit, indem sie die Tür eines zu ebener Erde gelegenen Zimmers öffnete.Ich will Frau Oberin sofort von Ihrem Wunsche benachrichtigen, denn ich selbst weitz nicht, wo sich Herr Colonna befindet."

Achim durchmatz mit ungeduldigen Schritten das einfach äusgestattete Zimmer. Dann und wann blieb er stehen, wie nach Atem ringend.

Endlich näherten sich ihm leichte Schritte, und im nächsten Augenblicke stand er einer ernsten, mild aus- sehenden Frau gegenüber, die ihn mit freundlicher Handbewegung aufforderte, Platz zu nehmen.

Achim lietz sich langsam aus einen Sessel nieder und sagte gepreßt:Verzeihen Sie mein Eindringen in dieses stille Haus, aber die Angelegenheit, in der ich Herrn Colonna sprechen mutz, verträgt keinen Aufschub."

Die Oberin richtete.die sanften Augen forschend auf das Gesicht des jungen Mariniers.Sollte die Aehnlichkeit mit Frau Colonna mich täuschen, oder habe ich wirklich den totgeglaubten Bruder der Beklagens­werten vor mir?"

Achim rief lebhaft aus:So kennen Sie meine Schwester? Ist sie vielleicht gar krank in diesem Hause? Führen Sie mich, bitte, zu ihr."

Die Oberin reichte dem jungen Mann teilnahms­voll die Hand.Wahrhaftig, Sie schickt der Herr im rechten Augenblick zur Hilfe Ihrer armen Schwester, die sich, verlassen von aller Welt, in meinen Schutz ge­flüchtet, und für die ich doch nichts tun kann, so sehr mein Herz auch für sie spricht. ' Seelensgern hätte ich ihren Wunsch erfüllt und sie als Pflegerin in irgend eine ferne Stadt geschickt, aber auch ich stehe unter dem Gesetze, und da ihre Trauung mit Herrn Colonna rechts­gültig vollzogen ist, und er auf ihre Rückkehr in sein Haus besteht, darf ich sie ihm nicht vorcnthalten. So­eben hat er sich die Ermächtigung vom Gericht geholt, sie mit Gewalt zurückzuführen, falls sie sich weigert, ihm gutwillig zu folgen."

Die Oberin fuhr fort:Ich kann Ihnen gar nicht sagen, eine wie große Beruhigung mir Ihr unerwarte-

tes Kommen ist; denn er mutz sie Schreckliches haben leiden lassen."

Achim schnellte von seinem Platze auf. alles Blut drängte sich ihm heiß in Stirn und Schläfen.Bitte, führen Sie mich zu ihr, ich werde für meine Schwester eintreten."

Die Oberin nickte mit Tränen im Auge.Gott gebe, daß Sie die arme Frau aus der Gewalt dieses grausamen Mannes befreien!" sagte sie, den jungen Marinier in das obere Stockwerk begleitend.

Aus einem der Zimmer tönte deutlich das laute, heftige Sprechen eines Mannes ihnen entgegen und jetzt Achim fühlte seinen Herzschlag stocken vernahm er Toskas Stimme, flehend, tränenerstickt.

Im nächsten Augenblick hatte er die Tür aufgc- rissen, bebend vor Wut und Empörung.

Wäre Gott selbst über die Schwelle getreten, ent­setzter hätte Adrian die drohend gegen die zitternde Frau erhobene Hand nicht sinken lassen können, wie bei dem Anblick des vom Tode Erstandenen. Keines Wortes mächtig, wie schreckgelähmt, starrte er auf Achim, der mit zornsprühenden Augen sich zwischen ihn und Toska stellte.

Wie dürfen Sie es wagen, meine Schwester in so empörender Weise zu behandeln?" donnerte er, mit krampfhaftem Druck den Griff seines Degens umklam­mernd. Man sah, er mutzte sich Gewalt antun, um nicht mit gezogener Klinge auf seinen Feind einzu- tringen, und heiser vor Erregung stieß er die Worte