Nus dem österr.-ungar. Tagesbericht.
WTB. Wien, 11. Ang. Amtlich wird verlautbart vom 11. August 1915 mittags:
Russischer Kriegsschauplatz: Die über den Wieprz vorgedrungeueu österreichisch-ungarischen Truppen Vertrieben gestern den Feind aus der Geg md nordwestlich von Kozk und setzten die Verfolgung in nordöstlicher Richtung fort. Zwischen der oberen Tpamienica und dem Bug, wo die Russen an der Linie Ostrow—Uchrnsk neuerlich festen F-nß gefaßt staben, ist der Angriff der Verbündeten im Gange.
Sonst im Nordosten nichts Neues.
Der französische Tagesbericht.
WTB. Paris, II. Aug. Amtlicher Bericht von gestern abends 11 Uhr: Der heutige Tag war ruhig. Man meldet nur Artilleriekämpfe aus dem Aisnetal (Gebiet von Trogen), an den Rändern der Argonnen und im Walde von Aprcmont. Vier der Flugzeuge, die an dem Bombardement von Saarbrücken teilgenommen hatten, sind nicht in unsere Linien zuriickgekehrt. Von einem derselben wird gemeldet, daß es in der Schweiz bei Payerne (Kanton Waadt) gelandet sei.
Zum deutschen Luftangriff auf Englands Ostküste.
WTB. London, 11. Aug. Amtlich wird gemeldet: Ein Geschwader feindlicher Luftschiffe besuchte in der letzten Nacht die Ostküste. Einige Brände wurden durch Brandbomben verursacht, aber schnell gelöscht. Kein Materialschaden; 13 Personen sind tot, 12 Personen verwundet. Ein Luftschiff wurde durch Artilleriefeuer vom Land her beschädigt. Es wird berichtet, daß das Luftschiff heute früh nach Ostende geschleppt wurde. (Die letzte Angabe wird durch den deutschen amtlichen Bericht widerlegt. Die Red.)
Die Angst vor der nationalen Registrierung.
WTB. London, 11. Aug. Die „Times" schreiben in eineni Leitartikel aus Anlaß der heute beginnenden nationalen Registrierung: Tie Regierung darf die Liste nicht zu Zwecken der Heeresergänzung benutzen, ehe sie offen erklärt, was ihre Absichten sind. Die unglückliche und verworrene Lage, in die sie die Grundsätze der Freiwilligkeit führte, wird immer deutlicher. Es wäre viel einfacher, den Zwangsdienst einzuführen.
Mißstimmung in der französischen soz Presse.
WTB. Paris, 11. Aug. Die sozialistische Presse drückt ihren Unwillen darüber aus, daß auf der französischen Front in den letzten drei Monaten nichts unternommen wurde außer der mißglückten Artoisoffensive, um der russischen Armee in ihrer schwer bedrängten Lage durch eine. Gegenaktion zu helfen. Tie „Humanste" stellt fest: Oesterreicher und Deutsche hätten überall im Westen und im Osten, den Heeresleitungen der Alliierten ihren Willen aufgezwungen. Man müsse dem deutsch-österreichischen Plan einen Gegenplau entgegenstellen. Dieser Gegenplan müsse auch von der Öffentlichkeit erkannt werden, damit das Vertrauen in den Endsieg weiter erhalten bleibe. Frankreich empfinde ein großes Bedürfnis nach solcher Nahrung und erwarte, daß die Regierung solchen Wünschen Rechnung tragen werde. — Aehnlich äußert sich Gustave Herve in der „Guerre Sociale", der ebenfalls die Untätigkeit der Heeresleitungen der Alliierten unerklärlich findet. Die Untätigkeit sei anscheinend dadurch begründet, daß im Heere irgend etwas nicht in Ordnung sei. Die Regierung sei dazu da, die Sellen taufzudecken, wo es kapere, denn man brauche nicht das Genie eines Na-
Der neue Dankdirektor.
Erzählung von R. Ortmann.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
Dek aber, von vem sie eben gesprochen hatten, wartet» die Einladung nicht erst ab. Ehe noch Rodewaldt hatte antworten können, wurde die Tür des Kabinetts geöffnet, und Sennor del Vasco zeigte sich auf der Schwelle.
„Der neue Herr Direktor — wenn ich nicht irre!" tagte er mit tiefer, wohlklingender Stimme in etwas unbeholfenem Französisch. „Gestatten Sie einem alten Por- tenno, mein Herr, Sie im Namen der eingeborenen Bevölkerung von Buenos Aires auf dem Boden dieser gesegneten Republik herzlich willkommen zu heißen."
Es war etwas ungemein Gewinnendes in der äußeren Erscheinung wie in der Sprache des Mannes. Man konnte fürwahr nicht offener und treuherziger in die Welt schauen, als es diese klaren, glänzenden Augen taten, und wenn Rodewaldt mit einem gewissen Vorurteil gegen del Vasco hierhergekommen war, so fühlte er, daß es schon durch den ersten Eindruck seiner liebenswürdigen Persönlichkeit sehr stark erschüttert wurde.
Er dankte artig für die Begrüßung, und del Vasco war offenbar sehr erfreut zu hören, daß der andere die spanische Sprache vollkommen beherrschte.
„Das wird uns um so schneller dazu verhelfen, gute Freunde zu werden," sagte er. „Nun, wie gefällt Ihnen denn unsere Stadt?"
„Ich bin erst vor einer Stunde angekommen, Sennor, und habe natürlich noch kein Urteil. Aber ich muß gestehen, daß mich das wahrhaft weltstädtische Leben und Treiben in den Straßen, die ich auf meinem Wege passierte, einigermaßen überrascht hat."
„Ah, wenn Sie mir gestatten werden, Ihren Führer zu machen, sollen Sie bald erfahren, daß sich die eigentlichen Reize von Buenos Aires nicht im Gewühl des Straßenlebens offenbaren, sondern hinter den Mauern der Häuser verbergen. Ich freue mich, daß man uns jemand geschickt > hat, der den neuen Eindrücken noch die volle Empfänglichkeit der glücklichen Jugend entgegenbringt. Man muß jung und von heiterem, genußfähigem Temperament sein, UM unser Land und leine Voraüae ricktia würdigen ru
Poleon, um nach Monaten trauriger Erfahrungen zu erkennen, daß diese oder jene Taktik nicht die gewünschten Ergebnissen gebracht hätten. Wenn die Regierung die schwache Stelle nicht finden könne, so könne sie vielleicht die Öffentlichkeit in diskreter Weise auf dm rechten Weg bringen, falls sie sich bereit finde, die Öffentlichkeit nicht mehr zu knebeln.
Ein brit. Torpedobootszerstörer auf eine Mine gelaufen.
WTB. London, 11. Aug. Die Admiralität meldet: Der britische Torpedobootszerstörer „Lynx" ist in der Nordsee auf eine Mine gelaufen und gesunken. 4 Offiziere und 22 Mann konnten gerettet werden.
Der Rückgang der englischen Schiffahrt.
WTB. London, 11. Aug. Die „Daily News" bezeichnen den Bericht über den Verkehr im Londoner Hafen als ernsten Rückgang der Schiffahrt infolge des Krieges und sagen: Tie Einfuhr im Londoner Hafen sank um 7,65 vom Hundert, die Ausfuhr um 8,83 vom Hundert. Die Regierung forderte Frachtschiffe von 670 000 Donnen und belegte viele Docks.
Gegen die Einführung -er Wehrpflicht in England.
WTB. London, 11. Äug. „Daily Chronicle" legt in einem Leitartikel Einspruch dagegen ein, daß England wegen des Falles von Warschau die Wehrpflicht einführen müsse. Die Anwerbung schreite gut fort. Das Heer bekomme so viel Leute, als es ausrüsten und aufnehmen könne. Es sei unwahr, daß die Einführung der Wehrpflicht großen Eindruck auf die Verbündeten machen werde. England sei eine Insel. Die Flotte habe in erster Linie Anspruch auf die Hilfsquellen an Menschen und Geld.
Was kann aus dem Zusammenbruch der russischen Pläne gerettet werden?
WTB. Manchester, 11. Aug. Der „Manchester Guardian" sagt in einem Leitartikel: Unsere direkte militärische Intervention in der Türkei wurde beschlossen, als die Russen die Karpathenpässe beherrschten und im Begriffe schienen, in Ungarn einzudringen. Der große Angriff auf die Karpathen endete mit dem Verluste Galiziens und Warschaus, so daß ein großer Teil Polens und Litauens in den Besitz der Deutsch-n und ihrer Verbündeten siel. Unsere Politik in der Türkei verlor somit die Unterstützung, auf der sie aufgcbaut war. Es ist vernünftig, sich zu fragen, wievielvondenHoff- nungen im März und April aus dem Zusammenbruch der russischen Pläne gerettet werden kann. Das Blatt erörtert sodann die Balkanprobleme und wünscht, daß die Ententemächte eine politische Formel finden mit Anerkennung des Nationalitätenprinzips bei einer territorialen Regelung aus dem Balkan und in der Freiheit der Meerengen. Die Politik der Alliierten müsse nicht die Selb st Vergrößerung, sondern die Befreiung im wahrsten Sinne verfolgen.
Italienische Beurteilung der letzten Ereignisse auf den polnischen Schlachtfeldern.
WTB. Mailand, 11. Aug. 'Der „Corriere della Sera" enthält einen bemerkenswerten Artikel über die letzten Ereignisse aus den polnischen Schlachtfeldern, in dem es u. a. heißt: Warum sollen wir diesen Rückzug der Russen ableugnen? Er ist durch den deutschen Willen den Russen aufgezwungen worden, die ihn über sich ergehen lassen müssen. Die Folgen des Rückzugs können heute noch nicht festgestellt werden, aber man wird sie morgen noch nicht abstreiten kön-
ronnen. ^yr Vorgänger war rewer etwas zu (cywervllltig für den lachenden Süden, und er hätte in seinem eigenen Interesse besser getan, unter dem melancholischen Himmel seiner nordischen Heimat zu bleiben."
„Nach dem, was Herr Henninger mir soeben über die Ursache von Strahlendorfs freiwilligem Tode mitgeteilt hat, sollte ich viel eher glauben, daß der Aermste von allzu heißem Blute gewesen sei," bemerkte Rodewaldt.
„Ich bitte um Verzeihung, Herr Direktor," fiel der Prokurist ein, „aber ich erlaubte mir ausdrücklich zu betonen, daß es nur Vermutungen seien, die ich darüber hege. Einzig um der Annahme entgegenzutreten, daß es sich bei jenem Selbstmord um Angelegenheiten der Bank gehandelt haben könne, äußerte ich die Ansicht, Ihr Herr Vorgänger habe sich durch irgendeine Liebesangelegenheit, von der ich durchaus nichts Näheres oder Bestimmtes weiß, in den Tod treiben lassen."
Der Schatten, der für einen Moment auf del Vascos Antlitz gelegen hatte, war schon wieder verschwunden. „Freilich, man munkelt allerlei Derartiges. Doch ich denke. Sie, mein verehrter Sennor, sind nicht danach angelegt, es ihm nachzutun. Gott hat die schönen Frauen erschaffen, daß wir uns an ihnen erfreuen, nicht aber, daß wir uns ihretwegen umbringen.
Da wir einmal von dem schöneren Geschlecht reden, Herr Direktor, darf ich hoffen. Sie morgen bei der Tertulia meinen Damen vorzustellen?" Da er den fragenden Blick des jungen Deutschen gewahrte, fügte er erklärend hinzu: „So nennen wir hier die zwanglosen kleinen Empfänge, die allabendlich in jedem guten Hause stattfinden, und bei denen jeder Freund der Familie ohne vorherige Einladung ein für allemal willkommen ist. Für heute will ich Sie noch freigeben, morgen abend aber müssen Sie unbedingt kommen — wäre es auch nur im Interesse der Bank. Denn Sie werden nicht nur den einen oder den anderen Minister finden, dessen persönliche Bekanntschaft unter Um- ständen von wesentlichem Nutzen für Sie sein kann, sondern ich habe auch einigen Grund zu der Vermutung, daß der Herr Präsident selbst uns morgen die Ehre seiner Gegenwart vergönnen wird."
Die Einladung war so herzlich, in so dringendem Tone, und zugleich mit so unwiderstehlicher Liebenswürdig, keit oorgebracht worden, daß Rodewaldt sich in der Tat einer großen Unfreundlichkeit schuldig gemacht hätte, wenn
nen. Die Deutschen können, wenn sie wollen, Trust- Ven vom östlichen Kriegsschauplatz ans den westlichen werfen. Der Verfasser des Artikels glaubt, daß das Ende des russischen Rückzuges nicht von den Russerkf sondern vom Willen der Deutschen ab- hängen werde.
Russische Lügen.
WTB. Berlin, 11. Aug. (Amtlich.) Die „No- woje Wremja" berichtet am 16. (29.) April 1915, daß deutsche Truppen in dem Dorfe Mstowv bei Lodz eine Schreckensherrschaft geführt, die Einwohner beraubt, die Frauen geschändet, 12 Männer ermordet und 100 Bauernhöfe niedergebrannt hätten. Der ganze Bericht ist erfunden. Der Schulze Josef Riboski, die Besitzer Kra- wincki und Pawlowski haben eidlich bezeugt, daß die deutschen Truppen sich stets anständig, wie „Brüder" benommen hätten und keine einzige der behau p- tetenSchandtaten vorgekommen seien.
Der Krieg mit Italien.
WTB. Wien, 11. Aug. Amtlich wird verlantbart vom 11. August 1915 mittags:
Italienischer Kriegsschauplatz: Die Artillerie- und Jnfanterietätigkeit der Italiener an der küstenländischen Front nahm gestern wieder an Umfang zu. Am Rande des Plateaus von Doberdo griffen stärkere feindliche Kräfte unsere Stellungen östlich Monfalcone an. Diese verblieben nach erbitterten Kämpfen ausnahmslos in unserem Besitz. Der abgeschlagene Gegner erlitt namentlich durch flankierendes Geschntz- feuer schwere Verluste. Zwei Angriffe gegen dm nach Westen vorspringenden Plateauteil wurden schon durch unsere Artillerie erstickt. Gegen den Görzev Brückenkopf versuchten sich die Italiener bei Pevna an die Hindernisse heranzuarbeiten. Hier wurden sie mit Handgranaten vertrieben. Ein in der Dunkelheit bei Za- gora südöstlich Plava angesetzter feindlicher Angriff mißlang, ebenso wie der vorgestrige.
Im Kärntner und Tiroler Grenzgebiet ist die Lage unverändert. j ;
Die Kämpfe in Mesopotamien.
WTB. Petersburg, 11. Aug. Kriegsbericht des Generalstabs der Kaukasusarmee: Am 8. August warfen wir im Passinetal die Angriffe auf der ganzen Front zurück. Ein erbitterter Kamps entspann sich' um den Besitz des Merghemier-Passes, den unsere Truppen trotz wütender Angriffe des Feindes fortnahmen, der in Unordnung nach Süden zurückgeht. In der Richtung des Euphrat bemächtigten sich unsere Truppen, die den zurückgehenden Türken auf den Fersen blieben, nach Kampf der Stellungen von Balauteken und' erbeuteten zwei Geschütze mit Protzen, eine Menge Granaten, Waffen, eine Telephonanlage und einen Zug Kamele und machten Gefangene, worunter ein Kommandant eines Infanterieregiments und vier andere Offiziere. Unsere Kolonnen, die die Türken verfolgen, machen unaufhörlich neue Gefangene.
Die Antwortnote der amerikanischen Regierung an Oesterreich.
WTB. Washington, 11. Aug. (Reuter.) Die Regierung hat auf die österreichisch-ungarische Note eine Antwort nach Wien abgesandt, in der die Darlegung, als ob die Ausfuhr von Munition an die Alliierten mit der amerikanischen Neutralität nicht vereinbar sek, zurückgewiesen wird.
Wilson beharrt aus seinem Standpunkt
WTB. London, 11 .Aug. Das Reutersche Burean meldet aus Washington: Die Antwort aus die leM
er sie ameynre. Cr (agre ayo nur ewigen nanresworren zu, und Sennor del Vasco zeigte sich davon so erfreut, als hätte er ihm einen ganz außerordentlichen Dienst erwiesen.
„Von den Geschäften plaudern wir ein anderes Mal," fügte er hinzu, indem er ihm abschiednehmend die Hand schüttelte, „ich muß jetzt zu einer wichtigen Konferenz, und diese Dinge laufen uns ja auch nicht davon."
Wenn er den Prokuristen schon bei seinem Eintritt nur ganz oberflächlich begrüßt hatte, so gönnte er ihm jetzt kaum einen Blick, und die Art, wie er die höfliche Verbeugung Henningers übersah, wollte eigentlich wenig zu dem weltmännisch-verbindlichen Wesen stimmen, das er Rodewaldt gegenüber an den Tag gelegt hatte. Dieser ab ihm das Geleit bis zur Tür und wandte sich, als er ann an seinen Platz zurückgekehrt war, gegen seinen schweigsamen Mitarbeiter.
„Herr del Vasco unterhält in der Tat, wie es scheint, vortreffliche Beziehungen, wenn es sogar der Präsident der Republik nicht verschmäht, sein Haus zu besuchen."
„Ein Präsident ist hier nicht eine so unnahbare Persönlichkeit, wie ein Staatsoberhaupt in der Alten Welt. Immerhin bedeutet es eine nicht geringe Auszeichnung, in gesellschaftlichem Verkehr mit ihm zu stehen, und Sie werden mir nun vielleicht glauben, daß wir die Unterstützung des Sennor del Vasco bei unseren geschäftlichen Unter» nehmungen nur schwer würden entbehren können."
„Und gibt es hierzulande noch mehr Advokaten von so weit reichendem Einfluß?"
„Der Beruf des Rechtsanwalt» bedeutet in Argentinien von jeher die Leiter, .auf der ein geschickter Mann zu Macht und Reichtum, was hier gleichbedeutend ist, emporsteigen kann. Die Mitglieder des Kongresses, die Minister und die Präsidenten, sie alle gehen mit verschwindend wenigen Ausnahmen aus dem Stande der Advokaten hervor, und nur hie und da ist es ein ehrgeiziger Offizier, der die Gewalt an sich reißt. Auch Sennor del Vasco wird ohne Zweifel eines Tages Minister sein."
„Ah, in der Tat? Und er ist ein reicher Mann?"
„Die Welt hält ihn dafür, und ich glaube wohl, daß er es « Wahrheit ist: Jedenfalls werden Sie in ganz Buenos Aires schwerlich ein gastlicheres und angenehmere» Lau» finden, als das seine.", , _ '
Foryetzung folgt.