vormittag 8 Uhr war Regenwetter, dag man glauben konnte, der Himmel wolle die ganze Jungfrau von Orleans und ihre Freunde und Feinde ertranken. Gegen 11 Uhr zeigte er ein freundlicheres Gesicht und gegen 2 Uhr hatten wir Sonnenschein, was dem Turnverein und den in die Tausende gehenden Fremden zu gönnen war. Der Fastnachtszug ordnete sich am Gasthaus zum König, und zwar als Krönungszug König Karls des VII.; voraus die Musik, dann die Abteilungen nach Programm. Hauptsächlich fiel darin auf die Gestalt der Jungfrau von Orleans (Frau Dr. Zeller), sodann die Agnes Corel (Fräulein Eble) und der Krönungswagen, welcher allgemeine Bewunderung erregte, mit König Karl VII- (Herr Kaufmann Pflaum) nebst Königin Isabeau (dargestellt von Frau Verwaltungsaktuar Schütz). Eine Unmasse Gäste hatte sich eingefunden und die Gebäude am Marktplatz waren besetzt mit Zuschauern bis auf die Dächer. Die Mitspielenden waren fast ausnahmslos Einheimische; ihre Leistungen wurden allgemein anerkannt und jeder, der Vas Glück hatte, einen Platz erobert zu haben, von dem aus er das Spiel verfolgen konnte, kam auf seine Rechnung. Der Dank für das Gelingen gebührt hauptsächlich Frau Dr. Zeller dann dem Leiter des Stückes, Herrn Stadtschultheiß Beyerle^ sowie Verwaltungsaktuar Schütz und dem Turnverein, der der Träger des Unternehmens war.
—I. Nagold, 3. Febr. Das Seminar veranstaltete gest a nachmittag ö Uhr in der Turnhalle ein Konzert, zu dem sich, wie es bisher stets der Fall war, nicht nur die hiesige Einwohnerschaft in Scharen eingefunden hatte, sondern auch Publikum aus der Umgebung, namentlich aus Calw, erschienen war. Das Konzert stand unter dem Zeichen Schuberts; mit Ausnahme des Orchesterstücks ist nur Schubert-Musik zu Gehör gebracht worden. An Männerchören gelangten zum Vortrag die Schubert-Lisztsche „Allmacht" mit Tenorsolo von Musiklehrer Nicht und Klavierbegleitung von Musiklehrer Wender, der „Nachtgesang im Walde" und der 23. Psalm; außerdem wurde als gemischter Chor der Jägerchor aus Rosamunde geboten. Das Orchester spielte den Schlußsatz der 2. Symphonie in O-äur von Haydn. Künstlerische Höhe erreichte die Veranstaltung durch die Beiziehung und Mitwirkung des Konzertsängers Jentsch (Stuttgart), der mit prachtvollem, ausgiebigem Bariton „Aus der Riesenkoppe", „An Schwager Kronos", „Kriegers Ahnung", „Sei mir gegrüßt" und „Der zürnende Barde" sang, so hinreißend, daß ihn die Zuhörenden am Schluß mit stürmischem Beifall überschütteten und er zum Dank dafür „An die Leyer" dreingab. Oberlehrer Schmidt, der Nachfolger des nach Heilbronn berufenen Musikoberlehrers Schäffer, hat sich mit diesem Konzert zum ersten Male der öffentlichen Kritik ausgesetzt. Diese aber wird in der Hauptsache nur günstig ausfallen dürfen. Die Chöre der Seminaristen klangen rein und rund; im Interesse der ohnehin sehr schwachen Tenöre hätten wir eine andere Aufstellung des Chores gewünscht: gegen die Tri- Lünenrampe nicht die (übrigens guten) Bässe, sondern die Tenorstimmen. Vielleicht zu sehr vorsichtig war auch das Tempo in dem Orchestervortrag. Die Zuhörer konnten mit dem Eindruck, schöne, erhebende musikalische Leistungen genossen zu haben, scheiden.
Simmersfeld (O.-A. Nagold), 4. Febr. Schultheiß Kern von hier tritt am 1. April von seinem Amte zurück. Die Schultheißenwahl ist auf 6. März anberaumt.
Pforzheim, 4. Februar. Aus dem benachbarten Eutingen ist seit Sonntag nacht der verheiratete Forstwart Keller verschwunden. Er hatte bis gegen 2 Uhr nachts im „Waldhorn" mit einem andern East, dem Fabrikarbeiter Müller, einen Wortwechsel über Politik gehabt. Beide gingen zwar nicht zusammen; weg, hatten aber fast den gleichen Weg über den Enzfluß außerhalb der Ortschaft beim Walde. Müller wurde einstweilen verhaftet. — Zwischen Neuhaus und Hochwart
Die Schule des Lebens.
46) Roman von Herbert v. Osten.
Dann ging er aus dem Zimmer, der Boden brannte ihm unter den Füßen, ihm war es, als müsse die Welt um ihn her zusammenbrechen. .Er drückte die Hand gegen die Stirne und murmelte immer wieder: „Es ist nicht möglich, es kann nicht sein!" Seine schöne, stolze Schwester die Frau dieses Menschen, der ihm vom ersten Augenblicke an so widerwärtig gewesen! Was mochte Toska gelitten haben, wie schütz- und hilflos mutzte sie gewesen sein, daß die Not sie in die Arme dieses so tief unter ihr stehenden Mannes treiben konnte, der, wie sie dem Bruder noch am letzten Tage vor seiner Abreise versicherte, „ihr so gleichgültig sei, wie der Falter, der über ihren Weg flattere."
Und Percy, den er seinen Freund genannt seit seiner frühesten Kindheit, den er wie einen Bruder geliebt, hatte boshaften Lästerzungen mehr Glauben geschenkt, wie den Worten seiner beleidigten Braut; nicht mit einem Gedanken nur erwog Achim die Möglichkeit, daß Toska wirklich ehrlos gehandelt haben könne. Mochten lausend Beweise gegen sie sprechen, nie einen Augenblick würde er an seiner Schwester makelloser Reinheit zweifeln.
Während er in dem Gasthaus der kleinen Bahnstation von Hochstraten auf den nächsten, nach Mariaheil >
wurde Sonntag abend eine ältere, pensionierte Krankenpflegerin beim Heimweg im Walde von einem 30-jährigen Unbekannten überfallen und ihrer Handtasche, sowie eines Tuches und ihres Geldbeutels beraubt. Auf ihre Bitten ließ der Kerl dann die zu Boden Geworfene gehen.
Württemberg.
Wiirttembergischer Ob st bau verein.
(Schluß.)
Dazu komme, daß eine einheitliche Frucht sehr schwer zu bekommen sei, oder wenigstens in einem Zustand, der auf eine verfehlte Kultur zurückzuführen sei. Das sehe man am besten bei dem in unserem Schwabenland so sehr bevorzugten Mostobst. „Den Mosttrinkern komme es mehr auf die Menge der Brühe an, als auf die Qualität." Mittel und Weg zur Förderung des guten Obstabsatzes sei die Abhaltung von Musterobstmärkten, wie sie bereits in Bayern, Baden und besonders in Berlin abgehalten werden; dabei solle dem Zwischenhandel nicht einmal entgegen-, vielmehr Hand in Hand mit ihm gearbeitet werden. In allen größeren Städten sollten größere Verkaufsstellen eingerichtet, bestimmte Verkaufstage abgehalten, eigene Verkaufsstände, besondere Markthallen gemietet werden. Dabei solle nur erstklassiges Obst, d. h. bestes Tafelobst, geliefert und den Züchtern zur Aneiferung besondere Prämien gewährt werden. Zum Schluß seiner Ausführungen fordert der Redner die anwesenden Mitglieder aus. diese Vermittlungsstelle künftig zu unterstützen, und auch die Baumwärter sollten den Züchtern mit Rat und Tat an die Hand gehen, eine Aufgabe der Ortsgemeinden, die in Verbindung mit dem Landesverein stehen. So werde das herrliche schwäbische Tafelobst dereinst einen Weltruf erlangen. In der daran sich anschließenden Diskussion gaben mehrere Redner den Obstproduzenten gute Ratschläge und praktische Winke an die Hand, indem sie ihnen empfahlen, nur gesunde, wenn auch teure Ware zu liefern, das Obst reell zu sortieren und für besonders schöne Verpackung zu sorgen; nur so bleibe die Nachfrage der Konsumenten lebendig zum Wohle und Segen des Obstbaus.
Leonberg, 3. Febr. Einem aus Münchingen in das hiesige Bezirkskrankenhaus eingelieferten Mann, der vor einigen Tagen durch Uebernachten im Freien die Füße erfror, mußte ein Bein amputiert werden.
pp. FreuLenstadt, l. Febr. Die Firma I. M. Eenßle u. Co., Kunstmühle in Neuenbürg, verkaufte dir früher Haas'sche Bäckerei hier an Hugo Schmid, Kaufmann und Friedrich Faust, Schuhmacher, beide von hier.
Stuttgart, 2. Febr. Nach einer Bekanntmachung der städtischen Fleischpreisfestsetzungskommission gelten vom 1. Februar ab neue Sätze, denen zufolge das Ochsenfleisch um 2 Pfg., Kalb- und Schweinefleisch um je 5 Pfg. das Pfund abgeschlagen haben.
Warthaufen OA. Viberach, 3. Febr. Bei der Einfahrt des Schnellzugs gestern vormittag 11.40 Uhr ereignete sich an der Lokomotive ein Maschinendefekt. Um nachzusehen, wollte der Lokomotivführer Kunz die Feuerungstüre öffnen. Im selben Moment riß sich diese von selbst auf. Von den herausströmenden Gasen wurde der Führer betäubt, stürzte ab und geriet unter den Tender. Es wurde ihm der linke Unterschenkel vollständig abgefahren. Der Schwerverletzte konnte mit dem gleichen Zuge nach Biberach geschafft werden, wo ihn Vahnarzt Dr. Schlichte verband. Zn einer fahrbaren Trage wurde Kunz von Mitgliedern der freiwilligen Sanitätskolonne in das Bezirkskrankenhaus verbracht.
gehenden Zug wartete, zermarterte er sich immer wieder deck Kopf, wie dies alles möglich gewesen. Er dachte an Toska zurück, wi sie neben ihm aufgewachsen war, das elfenhaft zarte, holde Wesen, das vom ersten Augenblick an des großen Bruders ganzes Herz beherrscht, das so süß zu schmeicheln und so reizend zu trotzen wußte. Seine verwöhnte, stolze Schwester, der vergötterte Liebling seines Eltenhauses, auf deren junge Schönheit er so stolz gewesen! Sie, für die kein Fürstenthron ihm zu hoch gedünkt, und deren Besitz er kaum dem ritterlichen Freund gönnte, sie sollte jetzt das Weib dieses armen Musiklehrers sein, den sie nicht liebte, und der vielleicht aus Rache dafür sie schlecht behandelte!...
Erleichtert atmete Achim auf, als der Zug nach Mariaheil heranbrauste — nun würde er wenigstens hören, wo er die Schwester finden konnte!
Das alte Fräulein war nicht wenig erstaunt und bestürzt, als der totbeweinte Neffe so urplötzlich vor ihr stand, Achim aber wehrte all ihre Liebkosungen fast rauh ab.
„Sage mir nur, wo Toska sich aufhält, und wie du es dulden konntest, daß sie diesen Colonna heiratete!" rief er ungeduldig aus.
„Du sollst mir lieber Dank dafür wissen, daß ich Toska gezwungen habe, sich dem Manne antrauen zu lassen, der seit Jahr und Tag ihr Liebhaber gewesen'," antwortete die alte Dame, gekränkt über des Neffen unfreundliches Wesen. Dir kann es doch gewiß nicht gleich sein . . ."
Aus Wett und Zeit.
Berlin, 3 .Febr. Ein schwerer Südweststurm, der besonders am Nachmittag die. Stärke eines Orkans annahm, Machte gestern den Resten des Schneefalls vom Freitag schnell ein Ende. Vielfach richtete der Sturm an Dächern, Schornsteinen, Bäumen und Kähnen starken Schaden an. In der Lindenstraße wurde ein Teil des Schutzdaches am Neubau der „Viktoria" umgerissen und auf die Masten der elektrischen Straßenbahn geworfen. Im Tiergarten wurden alte Eichen umgelegt, im Grunewald zahlreiche Kiefern entwurzelt. Auf dem Rummelsburger See kenterte ein mit zwei Personen besetztes Boot. Die Insassen konnten nur mit größter Mühe gerettet werden. An der evangelischen Kirche in Pankow drohte ein großes Gerüst einzustürzen. Mit knapper Not konnte eine Katastrophe verhütet werden. Auf dem Spandauer Schiffahrtskanal ist beim Schlittschuhlaufen'der 18jährige Gymnasiast Schuster durch das morsche Eis gebrochen und ertrunken. Wie aus Trier berichtet wird, droht dort Hochwasser, da das Wasser der Mosel stündlich um 10 Zentimeter wächst. In Kolberg wurde der Arbeiter Fisz, als er im Schneesturm den Bahnkörper überschreiten wollte, von einem Zuge erfaßt, überfahren und getötet. Ganz enorm sollen die Schäden sein, die von einem Schneesturm angerichtet wurden, der gestern in ganz Schottland herrschte.
Bern, 3. Febr. In Seebach bei Zürich erfolgte heute nachmittag in der elektro-thermischen Fabrik eine gewaltige Explosion. In dem Augenblick, als der Direktor Kühne damit beschäftigt war, einen Versuch mittels Wasserstoffgases vorzunehmen, explodierte der Rezipiend. Kühne war sofort tot. Das Gebäude wurde durch den Brand völlig zerstört. Der Schaden wird auf 100 000 Franks geschätzt.
Wien, 1. Febr. Wie das „Fremdenblatt" vernimmt, wird Oberstleutnant Gottfried Prinz zu Hohenlohe sich in den nächsten Tagen als Träger eines Handschreibens Kaiser Franz Josefs an den Kaiser von Rußland nach Petersburg begeben. Der direkte Verkehr zwischen den beiden Monarchen entspreche den freundschaftlichen Beziehungen, die zwischen den Höfen von Wien und Petersburg bestehen.
Sofia, 3. Febr. Wenn die Regierung um 7 Uhr abends nicht davon verständigt ist, daß die Türkei die Kollektivnote der Mächte unverändert annimmt, werden vor Adrianopel unverzüglich die Feindseligkeiten wieder beginnen. Die Häfen Warna und Burgas werden für die Handelsschiffahrt als geschlossen erklärt, da in der Nähe der beiden Häfen schwimmende Minen ausgelegt sind.
Niederländisch-indische Reise-Skizzen.
Von W. Vöhringer, Gechingen.
Der blendend weiße Leib der „Zeanne dÄrc", eines französischen Dreimasters, badete sich in den im herrlichsten Blau schimmernden Fluten der Molukken-See, wie dieser zwischen dem Nordosten der Insel Celebes und den Molukken, (bekannt als Eewürzinseln), gelegene Teil des Großen Ozeans genannt wird. Das Meer war spiegelglatt, die glühende Tropensonne brütete auf dem Wasser, und die schon Wochen anhaltende Windstille ließ die Segel schlaff an den Masten und Raaen herabhängen. Demgemäß war auch die Stimmung von Kapitän und Mannschaften verdrossen, denn bei günstigen Winden hätten wir schon fast an dem Ausgangspunkt unserer Reise, in Makassar, der Hauptstadt von Celebes, wieder zurück sein können. So stand dem Schiffe, welches noch einen Hafen an der Nordostküste von Celebes anlaufen mußte, eine Fahrt von noch etwa einem Monat bevor. Meine Firma in Makassar hatte den französischen Segler gechartert und mich beauftragt, auf drei Inseln im Norden von Celebes und einem Hafenplatz im Osten dieser großen Sunda-Jnsel
„Halt ein," unterbrach Achim drohend die erregten Worte seiner Tante, indem er die Hand schwer auf ihre Schulter legte. „Ich dulde es nicht, daß die Unglückliche, die du ins Elend getrieben, auch noch beschimpft wird. Vor meinem Vater dort oben wirst du es zu verantworten haben, daß du deine Macht über das hilflose, verlassene Kind so schmählich mißbraucht. Hat Toska dir gesagt, daß jener Mann ihr Geliebter war?"
„Sie nicht, aber Herr Colonna stellte es durchaus nicht in Abrede."
„So hast du den Worten eines Lügners geglaubt, denn ein frecher, hinterlistiger Lügner ist Colonna, wenn er das behauptet! Ich kenne Toskas Charakter mit all seinen Schwächen und Fehlern, für ihre Wahrhaftigkeit aber bürge ich mit meiner Mannesehre."
„Wenn sie den jungen Künstler geliebt, so hätte sie es frei und offen vor aller Welt bekannt. Durch irgend eine Unvorsichtigkeit wird sie das Gerede wachgerufen haben, und dieser Colonna hat dann absichtlich ihre unbedachte Güte sich zunutze gemacht, um sie an sich zu reißen, denn welche anderen Beweise für ihre Schuld besitzest du, außer Colonnas Aussage?"
„Tausend! Zunächst das Zeugnis der Zungfer ..."
Achim lachte gellend auf:
„Also auf Dienstbotengeklatsch hin hast du die Tochter deines Bruders von dir gestoßen? Pfui, du verdienst es nicht, die Schwester meines edlen, vertrauenden Vaters zu heißen."