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88. Jahrgang.

Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw.

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«richkinungrwris«: Smal wSchentlich. «nzeigenprei« : Im OberamtS- < 5Llr! Eaüv für die einspaltige Borgtszeile 10 Pfg-, außerhalb desselben 12 Psg-, »l»Kamen 25 Psg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Mittwoch» den 22. Januar 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1LS vierteljährlich. Post» bezugSpreiS für den OrtS- und Nachbarortsverkehr MI. 1.29. im Fernverkehr Mk. 1.39. Bestellgeld in Württemberg 89 Psg., in Bagern und Reich »2 Psg.

Ich bin ein Deutscher!"

Von Dr. E. Jäckh.

(Schluß.)

Noch ein Erlebnis: Mitten in Kleinafien halten wir auf der karstigen Höhe des Tauruspaffes; und wie wir in stiller Einsamkeit sinnen über die wechselvolle Geschichte, die durch diese jahrhundertealte Heerstraße dahingeschritten, dahcrgc- stürmt ist, im Rhythmus des brausenden Wasserrauschens durch die tosende Schlucht und im Echo der widerhallendcn Wallwände griechische und römische Feldherren, byzantini­sche Kaiser und arabische Kalifen, ein Barbarossa und deutsche Kreuzfahrer da weckt uns das Wiehern einer Kamel- tarawane, und mit ihr treten zu uns armenische Wanderer aus den Ebenen vom Euphrat und Tigris, und sie bitten um Zeltgenossenschast, und wir lagern beisammen . . . und die homerische Frage hebt an: wes Landes wir sind? Aus Deutschland!Wirkliche Deutsche?" Gewiß! Aber was soll das heißen: wirkliche Deutsche?!Also keine Fran­ken?" Nein! Deutsche!-Da stellt es sich heraus und

da bestätigt es sich, daß bisher Deutschland wie Europa überhaupt im Orient einfach und vieldeutig alsFranken- kank/' gegolten hat gemäß dem traditionellen Eindruck der französischen Kultur und ihrer älteren Arbeit; daß aber jetzt seit wenigen Jahren die Eigenart und die Selbständigkeit des deutschen Volkes und des deutschen Kulturwerks ins deut­liche Bewußtsein dieser fernen und fremden Stämme einge­drungen ist. Aus dem bisherigen mißverständlichen Begriff desFranken" ragt jetzt klar und scharf der Charakter des Deutschen" hervor . . .Ich bin ein Deutscher!" . . .

Wieder einmal war ich auf der Heimfahrt, durchs Mit- telmeer und schließlich in der italienischen Eisenbahn, von Genua aus heimwärts. Ich lese und schreibe . . . und will mich nicht stören lassen durch das ausfragende Geschwätz, meines neugierigen Gegenübers, eines Italieners. Ich tue, als ob ich sein Italienisch nicht verstehe, und sage nur, kopf­schüttelnd und abwehrend:Ich bin ein Deutscher!" Der Ita­liener ist mir aber überlegen-erst recht bricht er jetzt los

und sein Wortschwall schilt mich und ruft die andern Insassen zum Zeugnis auf:wer in Italien reise, der müsse auch ita­lienisch sprechen können! Das sei eine Anmaßung, die ita­lienische Sprache zu ignorieren . . .!" Und so fort! . . . Als der Mann in Mailand den Wagen verließ, war ich boshaft genug, ihn mit meinen italienischen Kenntnissen zu über­raschen, indem ich ihm zum Abschied in italienisch gesetzter Rede die Bitte mitgab, doch einmal auszurechnen, wie die italienischen Finanzen aussehen würden, wenn die Deutschen sein Gebot befolgten, daß nur solche Deutsche in Italien reisen dürften, die auch die italienische Sprache beherrschen . . . Ader insgeheim Hab' ich von diesem ans alte Rom erinnern­den Nationalstolz dieses modernen Italieners ein gesundes Maß doch manchem Deutschen gewünscht, daß wir mehr und mehr uns bewußt werden:Ich bin ein Deutscher!" . . .

Später habe ich Gelegenheit gehabt, einem Diplomaten des Auswärtigen Amtes diese und andere bulgarische und griechische, türkische und italienische Beispiele zu erzählen, und zu bekennen, daß diese Erlebnisse erst mich dazu erzogen haben, auch im Alltag und auch in Kleinigkeiten die Mah­nung zu bestätigen:Gedenke, daß du ein Deutscher bist!" Aber nicht nur; um so daheim anzufangen, sondern auch, um es draußen fortzuüben. Da erwiderte mir dieser Vertreter des Auswärtigen Amtes:So halte ich es schon seit Jahren: Wo immer ich draußen im Ausland bin, und ob ich in einem Gasthof absteige oder in einem Geschäft kaufe ich beginne mit Deutsch! Und wo immer es war, da hat der kaufmänni­sche Leiter in französischer oder englischer Sprache sich ent­schuldigt, er selbst könne zwar noch kein Deutsch, aher er werde sofort jemand kommen lassen (einen Kellner oder einen Verkäufer), der Deutsch spreche . . . Und so geschah's auch immer!

Ich bin überzeugt, wenn jeder einzelne dieses Muster

übernehmen und wiederholen würde-der wirtschaftliche

wie der politische Gewinn würde nicht ausbleiben, würde sich steigern. Der deutsche Gedanke in der Welt wird auch auf diesem Wege vorwärtskommen, und etwas vom weitgreifen­den Kulturinhalt des selbstbewußten WortesLivis Romanus sum!" kann geschaffen werden durch die treue Pflicht:Ich bin ein Deutscher!"

Parlamentarisches.

Berlin, 21. Jan. 1913.

Aus dem Reichstag.

In der heutigen Sitzung wurde die zweite Be­ratung des Etats fortgesetzt. Im Namen der Etats­kommission empfiehlt Graf Westarp (Kons.) die Annahme einer Resolution gegen die durch die Valo- nsation herbeigeführte künstliche Verteuerung des Kaffees. Für sie trat gleicherweise der Zentrums­abgeordnete Nacken ein, von dessen Partei die Reso- ?" 2 ging. Staatss. Dr. Delbrück: Auch die verbündeten Regierungen beklagen die durch die Va- lortzanon eingetretene Verteuerung des Kaffees.

Ich werde die Sache weiter im Auge behalten. Mol­ke n b u h r (Soz.): Hinsichtlich der Fleisch- und Ee- treideverteuerung müßten die gleichen gesetzlichen Maßnahmen vorgenommen werden. Die Resolution wird angenommen. Beim Kapitel Seefischerei wer­den 500 000 ^l, 125 000 mehr als im Vorjahr, ge­fordert. In der Debatte bedauerte v. Böhlendorff, daß die deutsche Seefischerei inbezug auf staatliche Unterstützung unter allen Nationen an letzter Stelle stehe. Preuß (Ztr.) fordert Förderung der Fi­scherei in den Kolonien. Noske (Soz.): Wenn der Fischeinfuhr von dort das Wort geredet werde, sollte auch die Fleischeinfuhr erleichtert werden. Die Ab­geordneten Struve (Vp.) und Richthofen (Natl.) unterstützen die Forderung nach Hebung der Fischerei in den Kolonien, bezw. Verbesserung der Transportmittel für Fische. Das Kapitel wird an­genommen, ebenso eine Resolution auf Erhöhung des Fonds im nächsten Etat. Angenommen wird eine Resolution der Nationalliberalen auf Erhöhung des Fonds zu Titel: Unterstützung deutscher Seemanns­heime im Auslande; ferner eine Entschließung, die Einsetzung einer Kommission zur Prüsung der Be­schwerden der Winzer; eine ähnliche, von den Sozial­demokraten eingebrachte, wird abgelehnt. Schluß

Uhr. Fortsetzung Mittwoch 1 Uhr.

Stadt» Bezirk und Nachbarschaft

Calw, 22. Januar 1913.

Schiffsliste für billige Briefe nach den Verei­nigten Staaten von Amerika (10 ^ für je 20 x.) Die Portoermäßigung erstreckt sich nur auf Briefe, nicht auch auf Postkarten, Drucksachen usw., und gilt nur für Briefe nach den Vereinigten Staaten von Amerika, nicht auch nach anderen Gebieten Amerikas, z. B. Canada.Amerika" ab Hamburg 23. Jan,Bork" ab Bremen 25. Jan.,Kaiser Wilhelm ll" ab Bremen 4. Febr.,Kaiserin Auguste Viktoria" ab Hamburg 6. Febr.,George Washing­ton" ab Bremen 8. Febr. Postschluß nach Ankunft der Frühzüge. Alle diese Schiffe sind Schnelldampfer oder solche, die für eine bestimmte Zeit vor dem Abgänge die schnellste Beförderungsgelegenheit bieten. Es empfiehlt sich, die Briefe mit einem Leitvermerke wiedirekter Weg" oderüber Bremen oder Hamburg" zu versehen.

b. Mißbrauch von Bierflaschen. Da immernoch Bierflaschen zur Aufbewahrung von Oel, Essig, Spiritus, Benzin, Lack, Säuren, Petroleum, Schmier­öl und dergl. mißbraucht werden, besteht eine ständige Gefahr für das Publikum. Die mutwillig zertrümmerten Flaschen gefährden ferner durch ihre Scherben die Tiere ebenso wie die Menschen. Ueberdies erleiden die Brauereien jahraus, jahr­ein eine schwere Schädigung. Die Stuttgarter Brauereien allein mußten im Jahre 1911 3 Mill. neue Flaschen im Werte von 360000 Mk. anschaffen. Die Handelskammer Stuttgart empfiehlt deshalb die allgemeine Einführung einer genügend hoch bemessenen Leihgebühr seitens der Brauereien und der Mineralwasserfabrikanten und eine möglichst einheitliche Form.

b. Von der Baugewerkschule. Vor dem 1. Feb­ruar haben die Anmeldungen für das Sommer­semester an der K. Baugewerkschule zu erfolgen, da später eintreffende Aufnahmegesuche keinerlei An­spruch auf Berücksichtigung haben.

scb. Mutmaßliches Wetter. Für Donnerstag und Freitag ist zunächst mildes, dann naßkaltes Wetter zu erwarten.

X Hirsau, 20. Jan. Der auf gestern vom hiesigen Zweigverein des Evangelischen Bundes in den Easthof zumRößle" einberufene Eemeindeabend erfreute sich aus allen Kreisen eines zahlreichen Besuchs. Der Vor­stand, Forstmeister Dr. Harsch, bemerkte in seiner Begrüßungsansprache, daß die ultramontanen Bestre­bungen immer mehr auf konfessionelle Absonderung des

katholischen Volksteils von dem evangelischen Hinzielen. Werden doch die interkonfessionellen Gewerkschaften, welche in erster Linie die wirtschaftliche und geistige Hebung des Arbeiterstandes bezwecken, durch eine päpst­liche Enzyklika bekämpft, welche von den katholischen Arbeitern fordert, daß, wer einer interkonfessionellen Gewerkschaft angehören will, zugleich auch einem katho­lischen Arbeiterverein angehören soll. Stadtpfarrer Schmid von Calw wies sodann darauf hin, daß es unter den gegenwärtigen Verhältnissen dringend not­wendig sei, daß wir furchtlos und treu zur Sache des Evangelischen Bundes stehen, der die Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen und die Abwehr der römisch-katholischen Uebergriffe auf seine Fahne geschrie­ben hat. Der Hauptredner des Abends, Pfarrer Schi l- tach aus Berlin, Generalsekretär des Evangelischen Bundes, führte aus, daß religiöse Innigkeit und natio­nale Erweckung immer Hand in Hand miteinander ge­gangen seien, so zur Zeit der Befreiungskriege im Jahre 1813 und ebenso vor 40 Jahren bei Aufrichtung des deutschen Kaiserreichs. Bismarck ist nach seiner eige­nen Angabe auf Luthers Schultern gestanden, so hat immer eine religiöse Glut auch die nationalen Helden begeistert und den religiösen Funken des vaterländi­schen Feuers entfacht. Schon der alte Blücher hat Gott den Alliierten der Deutschen genannt und der alte Kai­ser Wilhelm hat die unvergeßlichen Worte gesprochen: Welch eine Wendung durch Gottes Fügung." Religiöse und vaterländische Begeisterung, Elaubenstiefe und Heimattreue haben sich immer miteinander verbunden. "" Dies sehen wir am besten bei den Helden der Freiheits­kriege: Eneisenau, Scharnhorst, Blücher, Körner, Stein u. a. Wenn der Evangelische Bund zur Einigkeit auf- ruft, so appelliert er auch zugleich an das nationale und das religiöse Bewußtsein. Dadurch hebt sich der Evangelische Bund weit über den llltramontanismus empor, während tausende im Banne des llltramon.ta- nismus stehende katholische deutsche Männer in allen Lagen, auch in rein wirtschaftlichen Fragen, von Rom ihre Richtlinien holen. Nicht nur eine religiöse, sondern auch eine vaterländische Gefahr droht von Rom, wenn auf katholischer Seite auch auf wirtschaftlichem und ge­sellschaftlichem Gebiete katholische Vereine gegründet werden (kath. Sportvereine wie kath. Ruderklubs, kath. Atlethenklubs, kath. Eärtnerschulen, kath. Ziegenzucht­genossenschaften, kath. Tanzklubs usw., und neuerdings auch noch katholische Militärvereine). Auf diele Weise wird der katholische Volksteil von dem evangelischen immer mehr abgeschlossen und zwischen beiden Konfes­sionen eine immer höhere Mauer errichtet. Eine große Verantwortung trägt die katholische Kirche, wenn sie auf diese Weise das deutsche Volk in zwei Hälften aus­einanderreibt, doppelt groß in einer Zeit wie der gegen­wärtigen, wo das deutsche Volk nach außen geeinigt dastehen sollte; eine furchtbare Gefährdung deutscher Kameradschaft und Volksgemeinschaft ist die Folge. In den Pausen und zum Schluß erfreute der Kirchenchor die Versammlung durch frischen Vortrag einiger er­hebender geistlicher Lieder. Den Schluß bildete der ge­meinsam« Gesang vonDeutschland, Deutschland über alles", und nachdem der Vorstand sämtlichen Mitwirken­den den verdienten Dank und den Wunsch ausgesprochen hatte, daß der Abend zur Stärkung des deutsch-protestan­tischen Bewußtseins beigetragen haben möge, wurde die Versammlung geschloffen, von der sämtliche Teilnehmer hochbefriedigt nach Hause gingen. Auch dieser Abend führte dem Zweigoerein weitere Mitglieder zu, so daß die Zahl derselben nunmehr über 70 beträgt.

<Ä) Bad Liebenzell, 20. Jan. Statt des Männer­abends fand in letzter Woche die Generalversamm­lung des Krankenpflegevereins statt. Bis voriges Jahr hatten wir die Vergünstigung, zusammen­hängend mit der durch Frl. Schlayer dem Stuttgar­ter Diakonissenhaus gemachten Stiftung, eine Kran­kenschwester unentgeltlich zu erhalten. Durch den Verkauf der Schlayerburg mit Pilgerhiitte sind die Verhältnis aber andere geworden und wir müssen nunmehr für oi-. Schwester selbst sorgen. Zu diesem Zweck bildete sich Krankenpflegeverein, der laut Geschäftsbericht 1. Vorsitzenden gegenwärtig 212 Mitglieder zählt. Der Mindestbeitrag beträgt zwei Mark. Die zur Einrichtung der Station nöthn-n