10. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.
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«rscheinung-welsk: Smal wöchentlich. SnzeigenpreiS : Im Oberamt«. »Hbrk Lalw für die einspaltige Borgt «-eile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., Reklamen 2S Psg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon g.
Dienstag, den 14. Januar 1913.
Bezugspreis: In der Stadt mit Lrägerlohn Mk. 1.28 vierteljährlich, Post- bezugSpreiS für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.
Amtliche Bekanntmachungen.
Bekanntmachung,
betreffend die Umlage des Sebäudebrandschadrns für 1913.
Unter Hinweisung auf die Verfügung des Ministeriums des Innern vom 27. Dezember 1912, Reg.-Bl. S. 922, werden die Ortsvorsteher veranlaßt, dafür Sorge zu tragen, daß die vorgeschricbenen Verzeichnisse über die im Gebäudekataster vorgekommenen Aenderungen
bis spätestens 15. Februar ds. Is. dem Oberamt in Vorlage gebracht werden.
Die Umlage für das Kalenderjahr 1913 wurde in der Weise bestimmt, dag bei den Gebäuden der 3. Klasse, welche die Regel und die Grundlage für die Berechnung des Beitrags in den höheren und niederen Klassen bildet, der Beitrag von Einhundert Mark Brandversicherungsanschlag zwölf Pfennig
zu betragen hat.
Calw, den 11. Januar 1913.
K. Obcramt:
Amtmann Rippmann.
standen, ich betrachte die Autonomie Elsaß-Lothringens als die Lösung, die zur Lage des Augenblicks paßt, aber es soll gestattet sein, Glauben an die Zukunft zu haben. Wir vergessen nicht, daß in unseren Adern keltisches Blut fließt und auf dieses Elsaß trinke ich." — Alle nationalgesinnten Deutschen werden den Schlußworten der Straßburger Post zustimmen, die schreibt: Es handelt sich um einen Skandal, der unerträglich ist, unerträglich für die Interessen Elsaß-Lothringens, für die Würde des Deutschen Reiches, das die Ehre, ihm anzugehören, nicht einem Manne gewähren darf, der sie beschmutzt und verrät, und unerträglich auch für das Ansehen des deutschen Reichstages, der in seiner Mitte nicht einen Lästerer des Deutschtums dulden kann.
Parlamentarisches.
Berlin, 13. Januar.
Aus dem Reichstag.
Zur Beratung steht der erste Entwurf eines Gesetzes über das Verfahren gegen Jugendliche. Staatssekretär Lisco leitete die Beratung ein, indem er ausführte, daß trotz sinken- der Tendenz die Zahl der jugendlichen Verbrecher immer noch eine erstaunliche Höhe erreiche. Die Vorlage soll eine Art besondere Gerichtsbarkeit für Jugendliche, Personen unter 18 Jahren, Herstellen. Stadthagen (S.): In den Zwangserziehunganftalten werde den guten Elementen die Menschlichkeit ausgeklopft. Er beantragt Verweisung an eine Kommission, von Lalker (N.) ist enttäuscht darüber, daß dem Staatsanwalt die Entscheidung überlasten bleiben soll, ob Strafe oder Zwangserziehung einzutrcten habe. Für zweckmäßig hält er die Zulassung von'Frauen zum Schöfsen- amt. — Dafür ist nun Eiese (Kons.) nicht, u. Liszt (V.): Eine allgemeine Reform des Strafrechts könne nicht abgewartet werden; die entsprechenden Vorlagen an den Reichstag kämen vor 1917 nicht heraus,, da bis 1913 das große Werk nicht fertiggestellt sei. Die wichtigsten Dilltz« müßten deshalb vorweggenommen werden. Die Schaffung von Jugendgefängnissen sei notwendig; bei den Oberlandesgerichten obligatorische Jugendgerichte. — Pospicch (Pole): Die Jugenderziehung ist eine Wohltat recht zweifelhafter Natur. Die Vorlage geht an eine Kommission von 28 Mitgliedern. — Eine llgliedrige Kommission berät über die am 2. Juni 1911 in Washington Unterzeichnete Pariser Uebereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums. — Es folgt die zweite Lesung des Etats des Reichsamts des Innern. 6 Resolutionen liegen vor. Die Debatte beginnt beim Titel: Gehalt des Staatssekretärs. Fischer (S.): Die deutsche Sozialpolitik habe nicht gehalten, was in den Februarerlassen des Kaisers versprochen worden sei. Alle bürgerlichen Parteien wollen von der Sozialpolitik nichts mehr wissen. Staatssekr. Delbrück: Ohne auf Einzelheiten einzugehen, will ich nur erklären, daß der Abg. Fischer sich auf ein Votum in der Frage der Wahlurnen gestützt hat, das ich als
preußischer Staatsminister an das Staatsministerium gerichtet habe und das nur durch einen groben Vertrauensbruch (lebh.: hört, hört und großer Lärm) in seine Hände gekommen sein kann. Ich muß mich dagegen verwahren, daß Material, das auf diese Weise in die Hände des Reichstags gelangt ist, gegen die Regierung verwendet wird. Fischer (Soz.): Diese Erklärung habe ich vorausgesehen. Der Vorwurf des Vertrauensbruchs trifft mich nicht. Ich weiß nicht, von wem ich das Material habe (Lachen), ich würde den Einwand gelten lassen, wenn nicht von der Regierung in nichts- würdiger Weise die Steuermittel verwendet würden, um solche Akten von uns zu bekommen. Präsid. Kämpf rügt den Ausdruck nichtswürdig gegenüber einer Maßnahme der Regierung. Weiterberatung Dienstag 1 Uhr. Vorher kurze Anfragen. Schluß gegen 6 Uhr.
Stadt, Bezirk und Nachbarschaft
Calw, 14. Januar 1913.
(?) Die Gänsediebe erwischt. Einem hiesigen Bürger kamen im Oktober vier schöne Gänse weg und allen Nachforschungen zum Trotz, stellte sich nicht heraus, wie diese Tiere abhanden kommen konnten. Jetzt ist es Schutzmann Proß gelungen, die Gänsefreunde, 14 junge Leute, ausfindig zu machen. Sie sind bereits verhört worden. Die „Herren" fingen sich die weißgefiederten Vögel bei ihren Vergnügungsfahrten auf der Nagold und schlugen sie mit dem Ruder tot — um sie gebraten zu verspeisen! Die erste Spur der frechen Diebereien fand sich anläßlich der Vorstellungsübung der hiesigen Sanitätskolonne, bei der eine Schachtel mit Eansfedern und einem blutigen Taschentuch in der Nagold gefunden wurde. Das führte zur Entdeckung. Die Tiere scheinen auf eine ganz rohe Art gerupft worden zu sein. Wie es möglich war. daß die duftenden Gänsebraten so unauffällig verspeist werden konnten, ist vorderhand noch ein Rätsel und wird erst nach gründlicher Untersuchung herauszubringen sein. Zunächst muß mit Befriedigung festgestellt werden, daß Schutzmann Proß der Flußpiraten habhaft wurde und es steht zu hoffen, daß denen der Gansbraten nachträglich mit einer ordentlichen, wirkungsvollen Portion verpfeffert wird. Schutzmann Proß erhält nun die von dem Bestohlenen seinerzeit ausgesetztc, wohlverdiente Belohnung.
^ Bezirkspserdeversicherungsverein. Die Mitgliederversammlung des Bezirkspferdeversicherungsvereins Calw am Sonntag war schwach besucht, wohl eine Folge der schlechten Witterung und zugleich auch ein Beweis dafür, daß innerhalb des Vereins alles in Ordnung ist und keine besonderen Wünsche vorzubringen sind. Der Vorsitzende, Schultheiß B r a u n-Althengstett, begrüßte die Anwesenden, unter denen auch Regierungsrat Binder war. Der Rechner des Vereins, Oberamtspfleger Fechter, gab die Jahresrechnung bekannt. Ihr war zu entnehmen, daß der Verein in seinem ersten Betricbsjahr nur einen Schadensfall zu begleichen
Auch ein Reichstagsabgeordneter.
Schöne Sachen deckt die „Straßburger Post" auf. Daß die eksätzischen Zentrumsabgeordneten sehr gern nach Frankreich schielen mit einer heimlichen Sehnsucht . . . das geht aus allen ihren Reden hervor. Und daß der Zentrumsabgeordnete Wetter! e, Pfarrer von Berus, der unverhohlen dickste Franzosenfreund ist, darüber ist sich jedermann klar. Er hat das aufs nachdrücklichste aber und aufs unverschämteste getan am vergangenen Dienstag in Le Haverc in Frankreich, wo er vr dem Landelsgeographischen Verein einen Vortrag über Elsaß-Lothringen und seine Verfassung hielt. Wetterle, der dieses Thema in einer Reihe von Städten Frankreichs behandeln wird, leitete dieses in Le Havre damit ein, daß er sagte: er wolle seinen Vortrag ablesen, weil er seinem Herzen und seiner Umgebung mißtraue, d. h. Wetterle wollte verhüten, daß er im Feuer der Rede nicht allzudeutlich mit seinem Kummer über die Zugehörigkeit Elsaß-Lothringens zu Deutschland herausrücke. Eine feige, aber von seinem Publikum sehr verständnisvolle und stürmisch behuldigte Schlußwendung krönte den Vortrag: „Unsre Sache ist gut und wird siegen, wofern ..." Schluß. Tosender Beifall. „War es die äußere Vorsicht, die der deutsche Reichslagsabgeordnete im Auslande übte, oder war es die innere Scham, die der Diener des Herrn am Ende eines Vortrags empfand, in dem er die nationale Leidenschaft eines fremden Volkes gegen das Vaterland wachgerufen hatte?" fragt die „Köln, Zeitg.". — In Rouen erwiderte Wettcrlh auf die Begrüßung der dortigen Elsäßer u. a.: „Wohlver-
Die Schule des Lebens.
29) Roman von Herbert v. Osten.
„Wir wollen es hoffen," sagte der Gcheimrat, und herzlich drückte er Colonnas Hand.
Dieser verabschiedete sich bald und kehrte in seine Wohnung zurück. Zorn und Empörung kämpften in feiner Seele, als er ungestüm in Toskas Zimmer trat.
Mit eisernem Griff umspannte er ihre Schulter, während er leidenschaftlich ausrief: „Also dadurch beweisest du die tief empfundene Dankbarkeit, die du so oft im Munde geführt, daß du hinter meinem Rücken Intrigen spinnst, mich kompromittierst in den Augen des einzigen Mannes, der mir mit warmer, aufrichtiger Herzlichkeit entgegengekommen. Aber nimm dich in acht, lieber schlage ich dich tot, als daß ich dir den Weg zur Freiheit wiedergebe." --
Draußen läuteten die Adventglocken. Sanft und leise hallten ihre Klänge durch die stille, reine Winterluft und „Friede auf Erden" riefen sie mit ehernen Zungen in die Welt.
Weihnachtsabend war es geworden. Vom Himmel wirbelten die Flocken. Leise pochten sie an das Fenster, vor dem Toska in ihrem Rollstuhle lag und mit müden Augen hinausftarrte.
Träne auf Träne rann über ihre Wangen, wie sie hinter allen Fenstern der gegenüberliegenden Häuser die Lichter an den Weihnachtsbäumen aufstrahlen sah.
In der dritten Etage stimmten fröhliche Kinderstimmen „Stille Nacht, heilige Nacht" an. Friedeverheißend klangen die schönen Worte zu der einsam Lauschenden hinab. Sie sprachen mit sanfter Mahnung auch zu Adrians verhärtetem Gemüt.
Er hatte sich in einen Stuhl des Musikzimmers geworfen. Die Stirn in die Hand gedrückt, dachte er nach über sein verfehltes Leben.
Da tönte plötzlich schrill die Entrecglocke. Die Tür wurde aufgeriffen und mit ausgebreiteten Armen und dem jubelnden Ausrufe: „Adrian, mein geliebter Adrian!" flog ein junges Mädchen über die Schwelle.
Ihre hohe, kräftige Gestalt umgab ein dunkler, pelzgefütterter Reisemantel, und unter einem weißen Schal blickte ein südlich gebräuntes Gesicht hervor, verschönt durch tiefe wunderbar strahlende Augen.
Adrian war von seinem Platze aufgesprungen und stand wie erstarrt der Fremden gegenüber.
„Bcatrice," stammelte er, „Beatrice, bist du es wirklich?"
„Freilich," lachte das Mädchen, und schlang beide Arme um seinen Hals.
„Mein Adrian, wie habe ich mich auf diese Stunde gefreut all die langen, langen Jahre."
Adrian ließ traumverloren die Hand über den Scheitel des sich dicht an ihn schmiegenden Mädchens gleiten, aber er beugte sich nicht herab auf die ihm entgegenlachenden roten Lippen.
Beatrice sah befremdet auf seine blassen, abgespannten Züge.
„Wip krank du aussiehst, sagte sie zärtlich.
Er zog die Brauen finster zusammen. „Ich bin auch krank, Beatrice, krank an Leib und Seele."
Sie erschrak, dann aber schlug sie die Arme inniger um seinen Hals und flüsterte kosend: „Ich will dich wieder gesund machen, Adrian."
,,Aus dem himmelanstrebenden Künstler," fuhr er fort, „der die Welt mit seinem Ruhme füllen wollte, ist ein armseliger Musiklehrer geworden. Deshlb schrieb ich dir und der Mutter auch nicht mehr, ihr solltet mich daheim für tot halten."
Er löste sich heftig aus den ihn umstrickenden Armen des Mädchens: „Laß uns von etwas anderem reden, Beatrice, und vor allem lege Hut und Mantel ad, ich will indessen meine Frau holen," fügte er, den Blick unsicher zu Boden senkend, hinzu.
„Deine Frau!" rief Beatrice, indem sie unwillkürlich einen Schritt von ihm zurücktrat, und stürmisch die Hand auf ihre wogende Brust drückte:
„Du bist verheiratet?"
„Ja," antwortete Adrian kurz, ohne die Augen zu dem Mädchen zu erheben, über dessen glückdurchleuchtetes Antlitz sich r!-i unk >mlich starrer Ausdruck breitete. Alles den war bei jenem inhaltschweren Worte aus Beatrices Zügen gewichen, wie im Kampf zitterten die erb' '.ten Lippen und nur die Augen