Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw

88. Jahrgang

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orschetnungswels«: Smal wSchentllch. »nzelgenprei«: Im OberamtS« »ezkl Lalw für di« einspaltige Borgiszeile 10 Pfg.. außerhalb derselben 12 Pfg., Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Leleson g.

Samstag, den II. Januar 1913.

Bezugspreis: In der Stadr mit Lrägerlohn Mk. 1.W vierteljührlich, Post­bezugspreis für den OrtS- und Nachbarortsverkekr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., m Bayern und Reich 42 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen.

K. Oberamt Calw.

Die Gemeindebehörden

werden darauf aufmerksam gemacht, daß die K. Straßen­bau-Inspektion Cannstatt in der Lage ist, eine Benzin­walze aus der Fabrik I. Foroler in Magdeburg im Ge­wiss von 6,5 t (mit Wasserfüllung 7,5 t) mietweise auch an Gemeinden abzugeden. Für die Verwendung der Benzinstraßenwalze wären 4 Mark 30 Pfennig pro Arbeitsstunde zu bezahlen.

Die näheren Bestimmungen können bei dem Unter­zeichneten oder der K. Straßcnbauinspektion Calw er­fahren werden.

Den lO. Januar 1913.

K. Oberamt:

Reg.-Rat Binder.

K. Oberamt Calw.

Die Eemeiudekollegien werden noch ausdrücklich auf den ihnen am 7. ds. Mts. zugegangenen hektographier- ten oberamtlichen Erlaß, betreffend die stückweise Anlage von Feldwegen, zur Nachachtung hingewiesen.

Den 10. Januar 1913.

Negierungsrat Binder.

Parlamentarisches.

Berlin, 10. Jan. 1913.

Aus dem Reichstag.

In seiner Sitzung vom Donnerstag wurde im Reichstag die Besprechung der sozialdemokratischen In­terpellation über den Wagenmangel im Ruhrrevier beendet. Der Präsident des Reichseisenbahnamtes, Wackerzapp, erklärte bestimmt, daß die Güterwagen nicht aus militärischen Gründen zurückgehalten worden seien. Im Anschluß daran gelangten Wahlprüfungen zur Verhandlung. Zur Beratung stand dann die Denk­schrift über die Beamtenorganisation der Reichspost- und Telegraphenverwaltung. Dabei warf der sozial­demokratische Redner, Ebert, dem Staate vor, bei der jetzt beabsichtigten größeren Verwendung weiblicher Hilfskräfte handle es sich um eine Lohndrückcrei schlimmster Art. Die heutige Sitzung begann mit Anfragen. Fehrenbach (Ztr.) fragte wegen des Verbots eines Vortrags eines Jesuiten in Pforzheim.

Staatssekretär Delbrück gab zu, daß im vorliegenden Falle die Auslegung des Bundesratsbeschlusses vom 28. Nov. 1912 als Verschärfung gewirkt hat, daß aber Un­gleichheiten in der Handhabung der Vorschriften keine Fassung, wie immer sie lauten möge, verhindern könne. Werner- Gießen (W. Vgg.) wünscht Auskunft über die Ausländerfrage auf den deutschen Universitäten. Das sei Sache der Einzelstaaten, wurde ihm entgegnet. Hoch (Soz.) verlangte Aufklärung über die Typhusepidemie beim Eisenbahnregimeut Hanau. Generaloberarzt Schulz: Daß die Epidemie wegen Unreinlichkeit in der Küche entstanden sei, treffe nicht zu; sie sei wahr­scheinlich eingeschleppt worden und anfänglich seien nur die Atmungswerkzeuge erkrankt. Bei Beratung der Denkschrift betr. die Organisation der Reichspost- und Telegraphenverwaltung verlangt Kuckhofs (Ztr.) Ausbesserung der Gehälter sür die Unterbeamten auf mindestens 12001800 Mark. Von Beck (natl.) wird gewünscht, daß der Reichstag für die Assistenten die Mittel bewillige, um denen das Vorwärtskommen nach besseren Stellen zu ermöglichen. Der Arbeitsfreundlich­keit der Beamtenschaft gezieme auch ein auskömmliches Gehalt. Oertel (kons.) steht theoretisch gleichfalls aus dem Standpunkt der Ausbesserung, zu prüfen bleibe aber, wie sie in die Praxis umgesetzt werden soll. Er hat Wünsche für die Postagenten, die immer noch nicht Beamte seien und sür die Postverwalter nach Gleich­stellung mit den gehobenen Assistenten. Nicht einver­standen sei seine Partei mit der Annahme von 18 000 weiteren Postgehilfinnen, die je nach dem 16 000 Män­nern die Stellung verhindern. Huberich (Vp.) fin­det die Besoldung der Postbeamten in Vergleich zu der anderer Veamtenkategorien ungenügend. Die Ueber- schüsse würden auf Kosten der Beamten gemacht. Eamp (Rp.) unterstützt die Gleichstellung der Landbriefträger mit den Schaffnern. Staatssekretär Krätke freut sich über die allseitige Anerkennung der Tätigkeit der Post­beamten. Im übrigen findet er die scharfe Kritik Hubrichs unzulässig. Das verbittet sich der Abg. Hub- r i ch: Seine Rede als unzulässig zu kritisieren stehe nur dem Präsidenten zu. Als dann der Staatssekretär sei­nen Vorwurf aufrecht erhält, greift Präsident Dr. Kämpf ein und bezeichnet die Haltung des amtie­renden Vizepräsidenten, der nicht gegen Hubrichs Rede eingeschritten ist, als völlig begründet. Die Denk­schrift geht an die Budgetkommission. Es folgt die erste Lesung der Novelle zum Handelsgesetzbuch (Kon- kürrenzklaufel. Staatssekretär Lisko anerkennt, daß sehr erschwert. Sie soll zukünftig nur angewandt wer­

den, wenn eine unbillige Erschwerung des Fortkommens der Gehilfen ausgeschlossen ist. Nächste Sitzung Sams­tag 1 Uhr.

Aus dem L a nd t a g.

Stuttgart, 10. Jan. Erste Kammer. Die erste Sitzung wurde heute 11 Uhr vom Präsidenten Fürst zu Hohenlohe-Barten st ein mit einer Begrü­ßung eröffnet. Aus dem Eeschäftseinlauf ist zu be­richten, daß das aus Lebenszeit ernannte Mitglied Prä­sident a. D. Dr. v. Länderer nachsuchte, seinen Rücktritt als lebenslängliches Mitglied in die Wege zu leiten. Auch von dem in den Ruhestand getretenen Prälaten v. Braun lag ein Abschiedsschreiben vor.Von dem Rechte zur Entsendung von Stellvertretern haben wieder Ge­brauch gemacht der Fürst zu Hohenlohe-Oehringen, Fürst zu Hohenlohe-Langenburg, Fürst zu Bentheim und Steinfurt und Fürst von Quadt zu Wykradt und Jsny. Vertreter sind Prinz Max zu Hohenlohe-Oehringen, der Erbprinz zu Hohenlohe-Langenburg, der Erbprinz zu Bentheim und Steinfurt, sowie der Erbgraf von Quadt zu Wykradt und Jsny. Zum Vizepräsidenten wurde gewählt Staatsrat a. D. o. Buhl, zum 2. Vizepräsi­denten Staatsrat a, D. Frhr. v. O w - Wachendorf. Die Wahl der Schriftführer und des Legitimationsausschusses erfolgte durch Zuruf. Nächste Sitzung Samstag 11 Uhr.

Stuttgart, 10. Jan. Zweite Kammer. In der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer, die um 11 Uhr von dem Alterspräsidenten Tau sch er eröffnet wurde, erstattete zunächst der Abg. v. Kiene (Z.) den Bericht des Ständischen Ausschusses über das Legiti­mationsgeschäft. Darauf wurden sämtliche Abgeordnete als legitimiert erklärt. Nachdem die vier neuen sozialde­mokratischen Abgeordneten Westmeyer, Sperka, Hoschka und Engelhardt den Eid in die Hand des Altersprä­sidenten abgelegt hatten, wurde durch Namensaufruf die Anwesenheit von 90 Mitgliedern (mit dem Präsi­denten 91) festgestellt; der Abg. Reihling (Vp.) fehlte. Bei der darauf folgenden Präsidentenwahl (vgl. Nr. 7 des C. Tagbl.) wurden für Kraut (BK.) 45, sür Hauß- mann (F.V.) 32, für Dr. v. Hieber (natl.) 9, für Dr. v. Kiene (Z.) 1, sür Wieland (natl.) 1, für Liesching (F.V.)1 Stimmzettel abgegeben. 1 Stimmzettel war unbeschrieben, v. Kraut ist somit zum Präsidenten der Zweiten Kammer gewählt. Er nahm die Wahl dankend an und versprach, wie sein Vorgänger, die Geschäfte gerecht und unparteiisch zu führen. Mit Worten des Dankes an den Alterspräsidenten Tauscher übernahm

Die Schule des Lebens.

26) Roman von Herbert v. Osten.

Gott Lob! Er selbst war reich genug, um auch ein­mal aus Freundschaft eine Kranke behandeln zu können und nun wollte er vor allem dem jungen Künstler Un­terrichtsstunden verschaffen. Zu seiner Freude gelang ihm dies über Erwarten gut. Führte ihn doch sein Be­ruf täglich, in zahllose Familien und nirgends ver­säumte er es, seinen Schützling warm zu empfehlen.

Hier ließ er, wie zufällig ein Wort Uber den talent­vollen, jungen Künstler fallen, dort sprach er von dem interessanten, schönen Mann, den Frauen und Müttern lobte er den aufopfernden, zärtlichen Gatten und über­all ereichte er seinen Zweck, man interessierte sich für Adrian Colonna.

Dann gab er eine kleine Gesellschaft, in der er seinem Protege den Freunden und Freundinnen seines Hauses vorstellte.

Adrians vornehme Erscheinung, die weltmännische Eleganz seines Auftretens bezauberte alle, und in kur­zer Zeit hatte er mehr Musikstunden zu erteilen, wie ihm lieb war.

Bald war er in den vornehmen Kreisen der Haupt­stadt Mode geworden, wie einst in dem kleinen W. Auch zu Gesellschaften suchte man den jungen Mann heranzu­ziehen.

Er machte eine gute Figur, war so bequem zum Be­gleiten für alle Sänger und Sängerinnen und konnte so liebenswürdig zuhören, wenn man von sich oder den Talenten der eigenen Kinder erzählte wirklich ein höchst angenehmer, unterhaltender Gesellschafter!

Das geheimnisvolle Dunkel, das Colonnas Ver­gangenheit, seine Herkunft, seine Zünglingszeit um­hüllte, erhöhte das Interesse an seiner Person.

Er sprach nie von sich selbst, im Gegenteil, er lehnte jede höflich lobende Anerkennung seiner Begabung, jede ausgesprochene Hoffnung auf seine Zukunft in fast schrof­fer Weise ab. Auch seiner jungen Frau erwähnte er niemals.

Man wußte nur durch den Eeheimrat eine höchst romanhafte Geschichte von seiner Heirat mit einer Grä­fin aus vornehmem Hause, die er während langer Krankheit hingebungsvoll gepflegt, und deren noch im­mer leidender Zustand ihn an der Rückkehr in seine Heimat hinderte.

Viele der neugierigen, jungen und alten kunstlie­benden und unterhaltungsbedürftigen Damen hätten Frau Colonna, von deren märchenhafter Schönheit Berg nicht genug erzählen konnte, gar zu gern kennen gelernt.

Adrian lehnte aber jede diesbezügliche Andeutung sehr bestimmt ab, indem er erklärte, seine Frau sei so krank, daß sie das Zimmer nicht verlassen und auch keinen Besuch annehmen dürfe.

Wirklich lag Toska, um deren Besitz monatelang Tod und Leben gekämpft, noch immer hilflos wie ein Kind in ihrem Rollstuhl, von den ungeschickten Händen einer mißlaunigen Dienerin gepflegt, denn Adrians Hilfe an­zunehmen war ihr viel zu peinvoll, und dann hiel­ten ihn ja auch seine Unterrichtsstunden fast den ganzen Tag über von Hause fern.

Wie er, der die Geliebte auf die Höhen der Kunst hätte führen wollen, darunter litt, wieder in den Fron­dienst um das tägliche Brot niedergedrückt zu sein, war unbeschreiblich. Die zahllosen falschen Töne, die die zum Teil recht talentlosen Schüler dem Klavier oder der Violine entlockten, waren eine wahre Marter sür sein musikalisches Ohr, abgespannt und niedergeschlagen kehrte er meist erst am späten Abend nach Hause zurück.

Toska empfand tiefes Mitleid mit ihm, der sich ihretwillen so quälte und mühte und dem sie doch nie

das gewähren konte, was er hoffte. Sie zwang sich da­zu, wenigstens in den kurzen Stunden, die er bei ihr war, ihm ein freundliches Gesicht zu zeigen, ein teilneh­mendes Wort an ihn zu richten.

Seine Dankbarkeit für jede, auch die geringste Freundlichkeit, die sie ihm erwies, rührten Toska und sie zürnte sich selbst, daß diese hingebende Liebe sie so vollständig kalt ließ, ja, daß sich immer wieder Zwei­fel an seiner Aufrichtigkeit in ihr regten.

Adrian indes hoffte sich seinem Ziele nahe. Sein Herz schlug höher, wenn er seine Lippen auf ihre Stirn drücken, sich in der Dämmerstunde einen Sessel zu ihren Füßen rollen u. sein Haupt an ihre Hände lehnen durfte. Diese Augenblicke entschädigten ihn sür alle Mühen und Enttäuschungen seines Lebens, er hätte ihre Wonnen sür keine Fürstenkrone hingegeben. Mit tausend zarten Aufmerksamkeiten überschüttete er die Geliebte und war überglücklich, wenn sie mit ihrem müden Lächeln zu ihm aufsah, oder seine Hand erfassend, sagte:Du bist so gut, Adrian!"

Und eines Abends, als er, atemlos vom schnellen Gehen, in ihr Zimmer trat und mit leuchtenden Augen einen herrlichen Rosenstrauß in ihren Schoß legte, wäh­rend er lebhaft ausries,Ein Gruß meiner Heimat, Toska,sie sind in Italien erblüht!" da ließ sie leise die Hand auf sein tief zu ihr niedergebeugtes Haupt sinken und sah mit rührendem Ausdrucke in sein freude­strahlendes schönes Gesicht:Armer Adrian!"

Arm?" rief er glühend.Mit keinem König macht ich tauschen!"

Sag das nicht!" wehrte Toska sanft.Du weißt ja gar nicht, wie schlecht und undankbar ich bin."

Du, schlecht und undankbar? Nimmermehr!" flammte er auf.

(Fortsetzung folgt.) _