Montag ist etwas milderes, zeitweilig trübes und zu vereinzelten Niederschlägen geneigtes Wetter zu erwarten.
8. Hirsau, 3. Jan. Dem Maurer Friedrich Kling hier wurde von der Handwerkskammer Reutlingen für 27jährige treue Dienstleistung bei Eottlieb Weber, Maurermeister hier, die Ehren-Uhrkunde verliehen.
. Eechingen, 2. Jan. Wie schon seit ein paar Jabren wurde auch am verflossenen heiligen Abend eine Weihnachtsfeier für die Kleinkinderschüler in der Kirche veranstaltet, wobei auch die Alten sich zahlreich einfinden und mit den Kleinen sich freuen. Im Verlauf der Feier fragte nun der Herr Pfarrer die Kleinen, was nun auch sie dem Christkind geben würden. Prompt erwiderte zum allgemeinen Ergötzen ein schlagfertiger, kleiner Junge: „Brötla!" Am Schlüsse aber ging auch er mit seinem Päckchen hochbefriedigt heim, um seine Brötchen jedenfalls selbst zu verzehren. — Das alte Jahr hat vor seiner Scheiden sich scheints noch in bleibende Erinnerung bringen wollen. Am Silvesterabend, kurz vor sieben Uhr, wurde hier ein ziemlich heftiger Erdstotz, allerdings von sehr kurzer Dauer, verspürt, wobei Türen und Fenster klirrten. Das Jahr zuvor mutzte die große Dürre und Trockenheit die Ursache der Erdbeben sein: was aber wäre nun diesen Winter schuld, wenn Mutter Erde sich wieder empört?
Württemberg.
Ständisches.
Der König hat als Vertreter des Handels und der Industrie den Geheimen Kommerzienrat Adolf Schiedmayer in Stuttgart und den Geheimen Kommerzienrat Albert Melchior in Nürtingen, als Vertreter der Landwirtschaft den Oekonomierat Rudolf Schund auf dem Platzhof, Oberamt Oehringen und den Oekonomierat Hugo Farny in Dürren, Oberamt Leutiirch und als Vertreter des Handwerks den Flaschnermeister Julius Lorenz in Stuttgart je für die Dauer der neuen Wahlperiode zu Mitgliedern der Ersten Kammer ernannt. Die Erste Kammer hält am Freitag, den 10. Januar, 11 Uhr vormittags ihre erste Sitzung mit der Tagesordnung: Bericht über das vom Ständischen Nusschutz vvrgenommene Legitimationsgeschäft, Vizeyräsidentenwahl, Wahl der Schriftführer und es Legitimationsausschusses.
Stuttgart, 2. Jan. Eine Abordnung des Liederkranzes hat gestern dessen langjährigem musikalischen: Leiter, Musikdirektor Pros. Förstler. das Diplom der! Ernennung zum Ehrenmusikdirektor überbracht. l
Stuttgart,. 2. Jan. Im Neckar bei Hofen wurde durch! zwei Ulanen des 20. Ulanenregiments in Ludwigsburg ein ' seit 0 Wochen bei diesem Regiment vermitzter Soldat ge- s ländet, der eine schwere Wunde am Kopfe aufwies, die man! für Säbelhiebe hält. Man nimmt an, das; die Leiche noch! nicht lange im Wasser lag. — Es handelt sich, laut Cann- tter Zeitung, um den am 12. Mai 1802 in Binsdors bei Sulz geborenen Josef Kraft, der seit 11. November von seinem Regiment abgängig war. Nach Mitteilung aus seinem Heimatort hatte er etwa 1800 eigenes Vermögen. Die nnlitärgerichtliche Untersuchungskommission ist heute nachmittag in Hofen eingetroffen.
Leonberg, 4 .Jan. In Eltingen stattete gestern die Fahndungsmannschaft einen Besuch ab und beschlagnahmte bei dem Fahrradhändler Behringer 20 Fahrräder. B. wurde verhaftet: die Fahrräder sind durch ihn auf unrecht- mätzige Weise von einem Stuttgarter Vertrauensmann erworben worden.
Waiblingen, 2. Jan. In Neustadt haben trotz der alljährlichen Warnungen einige junge Leute das Neujahr angeschossen und dieses Geschäft so ungeschickt besorgt, dag der verheiratete Polizeidiener Ernst Falkenstein eine Kugel in den Unterleib erhielt, an der er in lebensgefährlichem Zustand im hiesigen Krankenhause darniederliegt. Der Landjäger hat sich der Schützen bereits angenommen. Einer davon soll, wie es heißt, sogar eingestanden haben, daß er aus den Polizeidiener gezielt habe.
Aus dem Lande, 3. Jan. Schießen und Stechen hat in der Sylvesternacht nicht ganz gefehlt. Außer den bereits aus anderen Orten gemeldeten Unglücksfällen und Raufereien wird noch berichtet: In Aalen erhielt der 19 Jahre alte Sohn der Witwe Buck von einem gleichaltrigen Burschen mehrere Stiche in die Schulter. Wie >
es scheint, hatte es der Messerheld auf einen anderen abgesehen^ Der junge Buck schwebt heute noch in Lebensgefahr. Der Täter ist verhaftet. — In Möhringen a. F. wurde em Karabiner zerrissen, mit dem der 28 Jahre alte Grabarbeiter August Schlayer das Neujahr an- sthiegen wollte. Der Unfall kostete dem Schlayer den Daumen der linken Hand. Er wird von Glück sagen können, wenn im Stuttgarter Krankenhaus, wohin er sich mit einem Notverband begeben mußte, nicht noch weitere Teile der Hand amputiert werden müssen — Bei dem schon gemeldeten Schießunglück in Neustatt Oberamt Waiblingen wurde außer dem 19 Jahre alten Taglöhner Albert Weyda, der den Schuß auf den Poli- zeldiener Falkenstein abgab, auch der ledige Taglöhner Schmalzried verhaftet, der Weyda zu dem Schuß angestiftet haben soll. Dem Polizeidiener wurde im Waiblinger Krankenhaus bereits eine Anzahl Schrotkörner aus dem Leibe entfernt. Ein Mantelknopf, an dem das größte Bleistück abprallte, hat ihm das Leben gerettet. — Der als Hilfsschutzmann verwendete Schuhmacher Maule in Biberach ist noch nicht ganz außer Lebensgefahr. Die Kugel, die er von dem inzwischen verhafteten Schützen erhielt, sitzt in der Brust. Schließlich wurde in Burgberg, Oberamt Heidenheim der -'chreinergeselle Frühsommer beim Schießen durch eigene Unvorsichtigkeit so schwer verletzt, daß zunächst zwei Finger verloren gingen und nachträglich die schwer verstümmelte Hand vollständig abgenommen werden mußte.
Eßlingen, 2. Jan. Die Erbauung des schon lange geplanten Krematoriums neben der Leichenhalle des hiesigen Friedhofes ist dem Regierungsbaumeister Klotz hier übertragen worden. Die Kesamtkosten werden auf 41 000 Mark geschätzt. Der Verein für fakultative Feuerbestattung steuert 10 000 Mark bei. Die Leichenverbrennungsanstalt wird aus städtische Kosten erbaut und betrieben.
Tübingen, 8. Jan. In die hiesige chirurgische Klinik ist ferner der 18 Jahre alte Packmeister Dillinger aus Metzingen eingeliefert worden, der bei der Neu- jahrsschießerei in Glems bei Metzingen sich eine schwere Verletzung an der Hand zugezogen hatte und wahrscheinlich operiert werden muß.
Rottenburg, 8. Jan. Zur Eewerkschaftsfrage teilt die Diözesanleitung des Verbandes der katholischen Arbeitervereine in der Diözese Rottenburg mit, daß sie in ihrer letzten Sitzung nach eingehender Beratung einstimmig beschlossen habe, für Württemberg an der von dem verstorbenen Diözesanpräses Eckard mitbegrllndeten und seither bei uns eingelebten, bewährten christlichen Eewerkschaftsorganisation unbedingt feftzuhalten. Den beteiligten Kreisen wird in einigen Tagen eine eingehende Begründung dieses Beschlusses zugehen.
Oehringen. 8. Jan. Der Veteran von 1870/71 und ehemalige Schuhmachermeister Brüuninger in Hessel- Lronn ist so unglücklich die Treppe im Hause seines Schwiegersohnes hinabgestürzt, daß er bald darauf starb.
Neresheim, 2. Jan. Wie nunmehr auch der Staatsanzeiger bestätigt, ist der ganze Bezirk, ebenso wie der Nachbarbezirk Heidenheim amtlich als pockenfrei erklärt worden, da nur ein einziger, in voller Genesung begriffener Pockenkranker sich im hiesigen Bezirkskrankenhaus befindet.
Ulm, 3. Jan. Der Wllrtt. Eläubiger-Schutzverband gibt seinen Jahresbericht heraus. Am deutlichsten steht man die erfolgreiche Tätigkeit des Schutzverbandes daraus, daß er durch energisches Eingreifen ein Mehr von 135 000 Mark bei den betreffenden Konkursverfahren herauswirtschaftete, als von den Schuldnern angeboten war. Es gelang ihm auch oft, eine Quotenerhöhung bis zu 70 Prozent zu erzielen. Aus diesen wenigen Zahlen geht hervor, wie es der Verband verstanden hat, in praktischer Selbsthilfe dafür zu sorgen, daß der Gläubiger den Machinationen eines raffinierten Schuldners nicht machtlos gegenüber steht. Damit aber die Gläubigernot, die durch die Mängel der Gesetzgebung immer größer zu werden droht, nicht noch mehr an Umfang gewinnt, sollten sich alle Firmen jeglicher Branche den Eläubiger-Schutzverbänden anschließen.
im Kriegsfälle eine mißliche Lage ist. keine genügende Anzahl Transportdampfer zur Verfügung zu haben, denn der Schiffsverkehr der Nordamerikaner beschränkt sich hauptsächlich auf den Binnen und Küstendienst. Das Streben nach Schaffung einer eigenen Uebersee- flotte ist vorhanden, an Kapital mangelt es nicht, und hier muß ebenfalls die Zukunft Lehrmeister werden.
Was den hauptsächlich in deutschen Händen befindlichen Segelschiffsverkehr nach der Westküste von Südamerika betrifft, so begegnet man meist der Ansicht, daß er keine Störung durch den Kanal erleiden werde, da sein Ersatz durch Dampfer direkt über Panama aus mehreren Gründen ausgeschlossen sei.
Berücksichtigt man noch, daß der Panamaweg Deutschland eine von England unabhängige Verbindung mit seinen Südseekolonien und mit Kiautschou gestattet, so bleibt nur noch anzudeuten, daß infolge der durch den Panamaweg geschaffenen direkten Verbindung mit Kalifornien, die deutschen Kolonien an der Westküste Afrikas, die schon jetzt von dorther Petroleum und eingemachte Früchte einführen, in vermehrte Handelsbeziehungen treten dürften. Damit sind die hauptsächlichsten Punkte flüchtig erwähnt, auf die man zunächst nach Eröffnung des Panamakanals sein Augenmerk in Deutschland wird richten müssen.
Inwieweit die Fundamentierungen des Eatun- beckens, die Regelung der Wasserverhältnisse und die für die nächsten Jahre vorausgesagten vulkanischen Störungen in Mittelamerika Hoffnungen und Befürchtungen, die sich an den neuen Wasserweg knüpfen, in Einklang bringen werden, auch das muß die Zukunft lehren.
Stadt, Bezirk und Nachbarschaft.
Calw, 4. Januar 1913.
b. Erscheinungofest. Das Erscheinungsfest ist eines dec: ältesten kirchlichen Feste, seine Spuren finden sich seit dem Ende des 2. Jahrhunderts, zunächst im Orient, dann auch in Gallien und Spanien. Seitdem das Geburtsfest Christi auf den 2ä. Dezember verlegt war, wurde Epiphania zum Fest der Offenbarung Christi an die Heiden, als deren Symbol die Anbetung der Magier aus dem Morgenlande galt. Die protestantische Kirche gedenkt an diesem Feste der Hciden- mission. Auf dem Lande wird am Dreikönigstag Kreide und Salz geweiht. Mit der geweihten Kreide wird über Hausund Stubentüre geschrieben zum Schutz gegen das Treiben der Heren. Im Oberamt Tettnang wird das geweihte Drci- königssälz dem Vieh aufs Futter gestreut, damit es gedeiht. Im Oberamt Urach ist das Erscheinungsfest allgemein der „Sterntag". Es werden „Sterne" aller Größen^gebacken und geschenkt, auch im Wirtshaus ausgespielt. Im Oberamt Neresheim geben die Wirte ihren Gästen an diesem Tag unentgeltlich einen Fcstschmaus, die Krapfenzeche.
^ Tod eines jungen Calwer Sohnes in der Fremde. Da ist er, seinem Schwabendrange gehorchend, hinausgezogen in die Ferne, um draußen sein Glück zu wagen. Und so freudig man in der Heimat vernimmt, wenns den Jungen draußen wohl ergeht, so aufrichtig trauert sie mitz wenn Unglück über den einen oder andern hereingebrochen ist. Aus Herisau in der Schweiz kommt die Kunde, daß dort in einem Alter von 2.', Jahren der Schriftsetzer Paul Dingler von hier gestorben ist. Dingler ag am Weihnachtsabend in einer Herisauer Wirtschaft sein Abendbrot, als ihm plötzlich unwohl wurde und er im Freien in den Armen eines Kollegen verschied. Man dachte zunächst an einen Schlaganfall: die Sezierung der Leiche ergab aber, daß der junge Mann an einem Stückchen Wurst erstickt war. Die polizeiliche Oeffnung der Koffer führte zur genauen Feststellung der Personalien des Verstorbenen, der hier in Calw eine Großmutter, außerdem einen Bruder und eine Schwester, beide auswärts, hinterläßt. Diese Verwandten kommen auch in den Genuß der Hinterlassenschaft des Dingler. Dingler ging bei der A. Oelschlägerschen Buchdruckerei in die Lehre und griff dann zum Wanderstab. Sein Arbeitgeber in Herisau stellt ihm in einem Brief an einen hiesigen Kollegen, der sich über den Fall bei der Herisauer Firma erkundigte, das ehrenvolle Zeugnis eines pflichtbewußten und jederzeit bereitwilligen Gehilfen aus. — So mußte er plötzlich und unerwartet auf diese tragische Weise aus dem Leben gehen und die stillen Schweizerberge schauen auf sein frühes Grab. Ehre dem Andenken des Calwer Sohnes.
8cd. Mutmaßliches Wetter. Für Sonntag und
einzige von ihren vielen Freunden, der Ihnen treu geblieben in dieser schweren Zeit, und das gibt mir den Mut, Sie zu bitten: Gewähren Sie mir das Recht, Sie zu beschützen, wie Ihr Bruder es getan haben würde, wenn er jetzt der Ihnen wäre, Toska," rief er leidenschaftlich aus, „fort will ich dich führen, weit, weit fort aus diesen engen Grenzen, deren drückende Fesseln auch ich nur ertragen konnte, aus Liebe zu dir! Komm mit mir in mein Heimatland. Dort lacht der Himmel blauer, süßer duften alle Blumen und Heller leuchten ihre Farben im Purpurglanze unserer heißen Sonne — alles atmet und glüht in wonniger Lebenslust, und auch du wirst dort gesunden. In der Bergeseinsamkert der Apenninen wollen wir unser Heim gründen, kein Ton, kein Laut aus jener kleinen Welt von Neid und Intrige, in der du bisher gelebt, soll dein Ohr treffen. Dort, gegenüber den Zeugen der Geschichte, den großartigen Trümmern längst vorübergerauschter Jahrhunderte, wirst du die Tücke und Bosheit dieser unbedeutenden Menschen verschmerzen lernen, dieser kalten Herzen, die nicht lieben können, die eingezwängt in die Vorurteile ihres Standes, keiner wahren, opferwilligen Hingebung fähig sind. Auftun wird sich deine Seele groß und weit für eine neue Welt, der Kunst und der Musik. Rastlos will ich schaffen und wirken im Dienste dieser Kunst, dein Anblick wird mich begeistern zu großen, hohen Werken.
Mit dir wird das Glück, das mich so lange floh, zu mir zurückkehren, ich fühle es. Sonnenflug wird meine Seele nehmen, Lorbeeren werde ich dir zu Füßen legen. Und, glaube mir, nur dein Freund und Beschützer will ich sein, dessen höchstesGlück ist, dir zu dienen, jeden Wunsch von deinen Augen zu lesen."
„Nie werde ich dir mit meiner Liebe lästig fallen, sondern geduldig des Augenblicks harren, wo dein Herz sich freiwillig dem meinen zuneigt. Toska. vertraue mir, versuche es wenigstens." fügte er dringend hinzu, als das Mädchen noch immer schwieg, „jeden Tag, an dem du begehrst, in die Welt zurückzutreten, gebe ich dir die Freiheit wieder, ob
wohl mir mit dir das einzige Licht meines sonnenlosen Lebens erlischt!"
Toska sah lange in die regelmäßigen, edlen Gesichtszüge des sich tief zu ihr hinabbeugenden Mannes: „Und schwören Sie mir, bei Ihrer Seligkeit, daß Sie nie mehr von mir verlangen wollen, wie tiefe Dankbarkeit für Ihre selbstlose Liebe!"
Einen Moment schien Adrian zu schwanken, dann aber zuckte ein entschlossener Zug um seinen Mund. Langsam erhob er die Schwurfinger und sagte fest: „Ich schwöre es, Gräfin Toska!"
Da legte das Mädchen mit tiefem Atemzuge die Rechte in seine Hand: „Ich vertraue Ihnen, führen Sie mich fort in Ihre Heimat, ich fühle es selbst, daß ich nur gesunden kann in ganz anderen Umgebungen, in tiefster, weltabgeschiedener Einsamkeit und," fügte sie in Gedanken hinzu, „wo ich niemals fürchten muß, wieder in sein kaltes, stolzes Gesicht zu sehen."
Draußen sang der Nachtwind sein schauriges Lied. Wie wehmütig trauerndes Klagen tönte es aus dem rauschenden Park in das stille Zimmer hinein und dann fuhr wieder heulend der Sturm um das einsame Gebäude, daß die Fenster leise klirrten und die Wetterfahne aus dem alten Turme sich kreischend bewegte.
Toska stand die ganze Nacht auf dem Balkon ihres Stübchens und ließ den rauhen Hauch der Sturmesnacht ihre fiebernde Stirn umwehen.
Sie fühlte, wie Eiskälte ihr lähmend durch die Glieder schlich, näher, näher ans Herz hinein, dessen Schläge immer unruhiger und stockender wurden.
O, wollte es doch ganz aufhören zu schlagen! Sie sehnte sich so nach Ruhe. Erkannte sie doch jetzt, nachdem Adrians tönende Worte, welche ihr liebeverwöhntes Gemüt mit ihrem weichen Klang gefangen nahmen, verhallt, daß es ihr unmöglich war, ihr Versprechen zu halten, daß ihr das Leben an dieses fremden Mannes Seite unerträglich werden würde.
Am Altar der kleinen Stiftskapelle flammten die Ker
zen und durch die hohen Bogenfenster huschte dann und wann ein matter Sonnenstrahl hinein, der scheu, wie mitleidig, das tiefgesenkte Haupt der jungen Braut streifte, welche auf dem dunklen Samt der Altarstufen kniete.
Kein Leben schien in diesen Zügen zu pulsieren, und als der Geistliche die Frage an sie stellte, ob sie den Signor Adrian Colonna zu ihrem Gatten wolle, schien sie den Sinn seiner Worte gar nicht zu verstehen, denn ohne daß sich ihre Lippen öffneten, hob sie mit matter Bewegung das myrtengeschmückte Haupt empor, während die dunklen Augen mit nrem Blick an dem Geistlichen vorüber ins Leere schweiften.
Er mußte seine Frage lauter wiederholen, da erst schreckte sie auf und von ihren zuckenden Lippen rang sich ern leises, tränenersticktes „ja".
Als der Prediger den bindenden Ring an ihren Finger streifen wollte, sank ihre Hand schlaff herab und klirrend rollte der kleine Goldreif über den Steinboden der Kapelle.
Die Stiftsfräulein, welche in ihren rauschenden, schwarzen Seidenkleidern als Zeuginnen dieser seltsamen Trauung beiwohnten, erschraken ob der grausigen Vorbedeutung- Adrian Colonna aber hielt sein ohnmächtiges Weib m den Armen.
Durch Rheinlands grüne Fluren brauste der Kurierzug der fernen Reichshauptstadt zu. In einem Coupee zweiter Klasse, matt gegen die Polster des Waggons gelehnt, daß Toska Colonna. .
Schwer, sehr schwer war es gewesen, sie wieder rns Leben zurückzurufen und noch immer schien ihr Geist nicht zu vollständiger Klarheit erwacht zu sein.
Abwesend starrt sie hinaus auf die saftig grünen Wiesen, die rauschenden Wälder, die silbernen Flüsse, die, rm Mondlicht flimmernd, an ihr vorüberflogen. Fröstelnd zuckle sie von Zeit zu Zeit zusammen und in die bleichen Wangen streg langsam eine flackernde, glühende Röte. Wie verschmachtet öffneten sich die Lippen und die fest rm Schoß gefalteten Hände lösten sich plötzlich, um in heftiger Bewegung nach dem Herzen zu greifen. (Fortsetzung folgt.)