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Kr. 227

Ausgabe in Altensteig-Stadt.

Dienstag» den 29. September.

Amtsblatt für Psalzgrafenweiler.

1914.

Der Krieg.

Eine bedeutende Kundgebung der deutschen Crwerbsstände.

Berlin, 28. Sept. (W.T.B. Nichtamtlich.) Die heutige gemeinsame Sitzung des Deutschen Handelstages, des Deut­schen Landwirtschaftsrats, des Kriegsausschusses der deutschen Industrie, sowie des Deutschen Handwerks- und Gewerbe- kammertagcs nahm bei überaus starkem Besuch einen erhe­benden Verlauf. Einmütig wurde folgende Erklärung angenommen:

Ein frevelhafter Krieg ist gegen uns entbrannt. Eine Welt von Feinden hat sich verbündet, um das Deutsche Reich politisch und wirtschaftlich zu vernichten. Voll Zorn und Begeisterung hat, um seinen Kaiser geschart, das deutsche Volk sich einmütig erhoben. Jeder unserer Krie­ger in Heer und Flotte weiß, daß es sich um Sein oder Nichtsein des Vaterlandes handelt. Daher haben unsere Waffen ihre glänzenden Erfolge errungen, daher wird ihnen der Sieg beschieden sein, hierfür bürgt auch die Stärke und Gesundheit unserer Volkswirtschaft, der beispiellose Erfolg der mit fast 4Vs Milliarden gezeich­neten Kriegsanleihe. Wohl hat der Krieg uns schwere wirtschaftliche Lasten auferlegt. Freudig sind sie für das Vaterland übernommen. Zu jedem weitere« Opfer be­reit, sind alle Teile des deutschen Wirtschaftslebens, Industrie, Handel und Handwerk einmütig entschlossen, bis zu einem Ergebnis durchzuhalten, das de» unge­heuren Opfer« dieses Krieges entspricht und dessen Wiederkehr ausschließt. Dann wird die gesicherte Grund­lage gegeben sein für neue Blüte, neue Macht und neue Wohlfahrt des deutschen Reiches.

Dann wurde beschlossen, folgendes Telegramm an den Kaiser abzusenden:

S. M. den deutschen Kaiser, Großes Hauptquartier. Ew. Majestät bringt eine vom Deutschen Handelstag, Deutschen Landwirtschaftsrat, Kriegsausfchuß der deutschen Industrie und Deutschen Handwerks- und Gewerbekammer­tag veranstaltete große Versammlung ehrfurchtsvolle Hul­digung dar. Im Zorn über den frevelhaft gegen uns entflammten Krieg, einmütig in der Zuversicht auf den Sieg nnserer Waffen, einmütig im Gefühl unserer wirt­schaftlichen Kraft bekunden die Vertreter aller Teile des deutschen Wirtschaftslebens, von Landwirtschaft, Industrie, Handel und Handwerk die feste Entschlossenheit, durchzuhalt en bis zu einem Ergebnis, das den unge­heuren Opfern dieses Krieges entspricht und dessen Wieder­kehr ausschließt. Dann wird unter seinem glorreichen Kaiser das Deutsche Reich auf sicherer Grundlage zu neuer Macht und Wohlfahrt gelangen. Dr. Kämpf, Graf Schwerin-Löwitz, Roetger, Friedrichs, Plate.

Berlin, 28. Sept. (W.T.B.) Bei der heute Vormittag im Großen Konzertsaal der Philharmonie veranstalteten Kund­gebung des Deutschen Handelstsges, des Deutschen Land- wirtschastsrats, des Kriegsausschusses der deutschen Industrie und des Deutschen Handwerker- und Gewerbekammertages waren etwa 7000 Vertreter des deutschen Er­werbslebens aus allen Teilen des Reiches zugegen. Bald nach 10 Uhr eröffnete der Reichstagspräsident Dr. Kämpf die Versammlung, in der man neben den Vertretern des deutschen Wirtschaftslebens viele Reichstags­und Landtagsabgeordnete sah. Die Eröffnungsrede hielt Reichstagspräsident Dr. Kämpf. Er erinnerte daran, daß die Worte des Kaisers, er kenne keine Partei mehr, sondern nur Deutsche, in der denkwürdigen Sitzung des Reichstags, eine glanzvolle einmütige Antwort des ganzen Volkes ge­funden haben. Schwere Lasten seien der Gesamtheit aufer­legt, Sorgen habe jeder einzelne zu tragen, wer aber glaube, durch die Drohung, den Krieg in die Länge zu ziehen, das deutsche Volk und das deutsche Wirtschaftsleben mürbe zu machen, der habe sich verrechnet. (Lebhaftes Bravo.) W i r halten aus, schloß der Redner, bis das Ziel dieses Riesenkampfes erreicht ist, das Ziel: Ellen­bogenfreiheit für unsere politische und wirt­schaftliche Entwickelung für allle Zeit. Ein dreifaches Hoch auf Kaiser und Reich schloß sich diesen Worten an. Als erster Verhandlungsredner betrat der Geh. Kom­

merzienrat Di. NevenDuMont-Koeln die Tribüne. Er schilderte die Lage des Wirtschaftslebens Deutschlands, ging auf die Tätigkeit der Industrie ein, schilderte unter brausendem Beifall der Versammlung die Taten eines Zeppelin und eines Krupp und legte dar, daß die Hoffnung Englands, uns aushungern zu können, elend scheitern werde, was auch der Ausfall der Kriegsanleihe beweise. Während alle anderen Länder, selbst neutrale, nur durch Aufstellung von Moratorien ihre wirt­schaftlichen Verhältnisse zu regeln vermochten, seien in Deutschland ohne solche Hilfsmittel die Geldverhältnisse in Ordnung geblieben. Wenn auch dieser furchtbare Krieg alle unsereKräfte b i sz u m A e u ßersten anspanne und nicht von kurzer Dauer sein wird, so müsse und werde doch ein Frieden vorliegen, der allewirtschaftlichenSchädi- gungen ausgleiche und dieseWunden schließe. Mit lautem Jubel begrüßt, gab der Präsident des Abge­ordnetenhauses Graf von Schwerin-Löwitz namens der gesamten landwirtschaftlichen Körperschaften Deutschlands in seiner Eigenschaft als Präsident des Deutschen Landwirt­schaftsrats eine Erklärung ab, in der es heißt: Wenn auch die deutsche Landwirtschaft nicht minder hart als die übrigen Erwerbsstände von dem uns ausgezwungenen Kriege betroffen sei, so sei ste sich doch ihrer großen vater­ländischen Pflicht bewußt, Heer und Volk auch während der ganzen Dauer des Krieges ausreichend zu versorgen und das Volk vor jeder ungebührlichen Verteuerung der Lebensmittel zu bewahren. Der Vorsitzende des Zentralverbandes Deutscher Industrieller, Landrat a. D. Rötger, führte aus, die Ueberzeugung, daß wir siegen werdenundmüssen, koste es, was es wolle, werde auch von der Industrie geteilt und zwar auch in den zahlreichen Geschäftszweigen, denen der Krieg schwere Sorgen gebracht habe. Eins flaue Ver­ständigung gebe es nicht. Die deutsche Industrie werde nur in einem siegreichen Deutschen Reiche fortbestehen. Kommerzienrat Friedrichs, Vorsitzender des Bundes der Industriellen, hielt den Worten des englischen Schatzkanzlers Lloyd George, daß der Krieg mit der letzten Milliarde gewonnen werde, entgegen, daß bei dieser charakteristi­schen Berechn»" gsart nicht der Faktor der Hingebung der! ganzen Nation zur Verteidigung ihrer höchsten Güter berück­sichtigt sei. Auch die Exp o rtind ustrie, die vielleicht am meisten gelitten habe, sei bereit, alle Opfer auf sich zu nehmen, um dem Deutschen Reich einen dauernden Frieden zu erkämpfen. Obermeister Plate-Hannover, Mitglied des Herrenhauses, führte namens des Deutschen Handwerker- undGemerbe- kammertages aus, auch der H a n d w e r k e r wisse, daß eben so wichtig wie die kriegerische Abwehr, die Aufrechter­haltung des deutschen Wirtschaftslebens sei. Die Früchte der Siege unserer Heere könnten nur in einem ehrenvollen Frieden geerntet werden, der die dauernde Gewähr für die ruhige und stetige Weiterführung der deutschen Wirtschaft biete. In dem Gesühl der wirt­schaftlichen Zusammengehörigkeit aller Erwerbständs werde auch das deutsche Handwerk seinen Platz ausfüllen um allen Opfern zum Trotz im Kampfe um den Sieg der deutschen Wirtschaft auszuhalten. Reichsrat von Miller-München schilderte in begeistert aufgenommener Rede die Kriegs st immung in Bayern, das dem Kaiser immer neue frische Heere zur Verfügung stellt, die mit dazu beitragen, einen auch noch so schwer zu erkämpfenden Sieg herbeizuführen, zu dem die Deutschen es nicht nötig hätten, wilde Völkerschaften heranzuholen. Das bayerische Volk, bei dem der Standesunterschied nie besonders groß gewesen sei, zeige sich jetzt als eine einzige Familie. Geh. Oberfinanzrat Müller, Direktor der Dresdener Bank, hob die großen Vorteile des Reichsbankpräsidenten Haoenstein hervor, dessen Organisations­kunst der Riesenerfolg der Kriegsanleihe zu danken sei. Endlich werde jetzt, wie die Landwirtschaft, so auch die für das Vaterland mobil gemachte Kraft des Kapitals allgemein gewürdigt. Als letzter Redner schilderte Generallandwirtschaftsdirektor Dr. Kapp-Königsberg die schweren Leiden Ostpreußens, das aber, allen schweren Prüfungen zum Trotz, unverzagt und voller Zuversicht bleibe. In seiner Schlußansprache wies

Präsident Kämpf auf unseren einzigen treuen Bundesgenossen Österreich-Ungarn hin, das mit uns den uns auf­gezwungenen Krieg durchzuführen gewillt sei, um die Existenz der beiden großen Staaten. Die vorgeschlagene Resolution fand begeisterte einstimmige Annahme, ebenso der Vorschlag, das bereits veröffentlichte Huldigungstelegramm an den Kaiser abzusenden. Um fts12 Uhr schloß Präsident Dr. Kämpf mit brausendem dreifachen Hoch auf den Kaiser die Versammlung, die nach dem Gesang Deutschland Deutschland über alles" auseinanderging.

Die Belagerung von Verdun.

Berlin, 28. Sept. Das Schließen detz eisernen Ringes um Verdun wird von verschiedenen Blättern besprochen. Im Lokalanz." läßt sich ein alter preußischer Offizier wie folgt vernehmen: Unsere vorzügliche Artillerie wird allerdings durch die Vernachlässigung der schweren Artillerie durch die Franzosen in den letzten Jahren in den langen 120 inm­und 160 mm-Kanonen keinen ebenbürtigen Gegner finden und die veraltete 138 mm-Kanone wird den Verteidigern auch wenig nützen. Was die Mörser anbetrifft, so haben die schwersten französischen Mörser kein größeres Kaliber als 27 cm. So wird Verdun seinen Todeskampf mit wenig An­recht auf Erfolg äufnehmen. Daß es sich aber tapfer ver­teidigen wird, steht außer Frage; denn die Franzosen haben sich bisher im allgemeinen vorzüglich geschlagen. Weil sich die Festung aber tapfer verteidigen wird, möchten wirs raten, nicht unverständig früh ein Resultat der 42 cm-Mörser zu verlangen. Sollte dies aber bald kommen, so werden wir es gewiß mit Dank annehmen, aber wir wollen es andererseits nicht vergessen, daß unsere Feldgrauen an dieser Stelle der Maas ein ganz besonders schweres Stück Arbeit zu bewältigen haben.

EineTanbe" über Paris.

Paris, 27. Sept. EineTaube" flog heute vormittag 11 Uhr unter dem Schutze des herrschenden Nebels über Paris und warf in der Umgegend des Eifelturms mehrere Bomben. Eine von ihnen fiel in die Avenue Trocadero und tötete einen Greis und verwundete seine Tochter. Man glaubt, daß die Bomben für die Funkenstation aus dem Eiffelturm bestimmt waren.

Die Flucht aus Paris.

Paris, 28. Sept. Mit Rücksicht auf eine mögliche Be­lagerung von Paris, während der Bücher zur Kontrolle der den einzelnen Familien durch dis Intendantur zur Verfü­gung gestellten Proviantmengen ausgegeben werden sollen, wurde eine Zählung vorgenommen die ergab, daß noch 761 200 Familien in Paris sind, also 362 434 weniger, als im Jahre 1911. Ein Drittel aller Familien hat dem­nach Paris verlassen. Die Einwohnerzahl beträgt 1 026 307, statt normal 1 807 044. Also nur 60 Prozent der Bevöl­kerung sind in der Stadt geblieben.

Die deutschen Gefangenen in Frankreich.

Bordeaux, 28. Sept. (W.T.B.) Amtlich wird gemeldet: Der Botschafter der Vereinigten Staaten in Paris hat, von seinem Delegierten in Bordeaux begleitet, die Lager von Flere im Ornedepartement und Blaye in der Gironde besich­tigt, wo die deutschen Gefangenen und Verwundeten unter­gebracht sind. Aus den Erklärungen des Botschafters geht hervor, daß die Organisation ausgezeichnet ist und daß die Interessenten über die Behandlung und Pflege, die ihnen zuteil wird, sehr befriedigt sind

Versendung von deutschen Verwundete»

«ach Algier?

Nach einer Meldung desTimes"-Korrespondenten in Bordeaux, die derNieuwe Rotterdamsche Courant" wieder­gibt, sind in Bordeaux viele verwundete Deutsche angekommen, die zum größten Teil nach Algier geschickt werden sollen. Daß die Franzosen zu dieser Maßregel greifen, ist nicht unwahrscheinlich, zumal auch im 70er Kriege ein Teil der Gefangenen nach Nordafrika geschafft wurde. Wenn unsere Landsleute in Algier gut behandelt und verpflegt werden und man von der Verschiffung Schwerverletzter ab­sieht, so wird man gegen einen derartigen Schritt wenig einwenden können. Die Vsrpflegungsfrage und die Unge­wißheit, in welchem Teil Frankreichs die Gefangenen sicher aufbewahrt werden können, mag als Grund ausreichen.