NeLamen

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

88. Jahrgang.

weile: «mal wöchentlich. Anzeigenpreis : Im Ober-mtS- >ic einspaltige Borgiszeile 10 Pfg.. außerhalb d-Sf-lben ILPfg., ' Schluß für Jnscratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon s.

Donnerstag, den 2. Januar 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post­

bezugspreis für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.2V, im Fernverkehr Mk. 1.36. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., m Bayern und Reich 42 Pfg.

mtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung.

die Festsetzung der durchschnittlichen Jahresar- beitsverdienste der landwirtschaftlichen Arbeiter.

Die Beträge der durchschnittlichen Jahresarbeits- verdienste der landwirtschastlichen Arbeiter im Sinne des Paragraphen 936 der Reichsversicherungsordnung sind vom K. Ministerium des Innern durch Erlaß vom 11. Dezember 1912, Nr. »I. 6014 (Amtsblatt S. 425) für die Zeit vom 1. Januar 1913 ab bis aus weiteres in folgender Weise festgesetzt worden:

1. fiir Versicherte über 21 Jahre:

a) männliche 800 -K

d) weibliche 570 <N

2. für Versicherte zwischen 16 und 21 Jahren:

n) männliche 650 -N

d) weibliche 480 Z(

3. für junge Leute zwischen 14 und 16 Jahren :

u) männliche 420 »ll

b) weibliche . ' 350 -N

4. für Kinder unter 14 Jahren:

g) männliche 200 -tl

b) weibliche 570

Die vom K. Ministerium unterm 14. Dezember

1908 (Min.-Amtsblatt S. 374) bekanntgcmachte Fest­setzung der durchschnittlichen Jahresärbeitsverdienste der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter gilt nur bis zum 31. Dezember 1912.

Calw, den 30. Dezember 1912.

K. Oberamt.

Amtmann Rivpmann.

Balkangreuel.

DieWiener Sonn- und Montags-Zeitung" teilt aus dem Briese einer Dame aus Kawalla vom 9. Dezember an deren in Wien wohnenden Bruder folgende Schilderungen der Greueltaten der bulgarischen Komitadschi und Soldaten in Kawalla und Umgegend mit: Genau heute vor einem Mo­nat kamen in der Frühe um 8 Uhr fünf Komitadschi herein- gcsprengt, nahmen den Gouverneur der Stadt gefangen und erklärten diese für bulgarisch. Die edlen Griechen hier er­hoben ein großes Jubelgeschrei, scharten sich um diese Ban­diten und benahmen sich wie besessen. Nachmittags kamen weitere 25 bis 30 solcher Räuber und kündigten die Ankunft eines bulgarischen Regiments an. Also am 10. ging ihnen die ganze Stadt entgegen, sie schleppten den griechischen Bischof mit, die Frauen steckten jedem Soldaten und jedem Bandi­ten eine Blume in den Eewehrlauf, die sämtlichen Glocken wurden geläutet und abends war dann festliche Beleuchtung. Den andern Tag ging dann die Türkenjagd los. Leute, die kein anderes Verbrechen begangen hatten, als eben Jslami- ten zu sein, und zwar die Vornehmsten der Stadt, wurden ge­fangen genommen und ohne alle Prozedur auf die grau­samste Weise hingerichtet. Um Mitternacht wurden die Ge­fangenen geweckt, bis auf Hemd und Unterhose entkleidet, je drei und drei zusammengebunden, zuerst mit dem Bajonett in alle Weichteile, Bauch, zwischen die Rippen, ins Gesäß ge­stochen, sodann derr Gewehrkolben umgedreht und die armen Teufel niedergeschlagen wie die tollen Hunde. Da waren alle Alters- und Rangklassen vertreten. Die erste Nacht wurden 39 hingerichtet, die zweite 15. die dritte 8, dann wieder 30 usw. Im ganzen sollen sie 115 nur hier von Kawalla ge­mordet haben. In Seeres, einer Nachbarstadt, setzten sich die Türken zur Wehr und schossen zwei Soldaten nieder. Da zog deren Offizier seine Uhr heraus und sagte:Jetzt ist's 1 Uhr, bis morgen um diese Zeit könnt ihr mit den Türken machen, was ihr wollt!" Diese Bestien ermordeten in den 24 Stunden 1200, nach andern gar 1900 Türken. In Tanthie, einer anderen Stadt, flüchteten die Leute in die Moscheen, die Bluthunde nach, metzelten sie nie­der und zerhackten sie in Stücke. In Drama schlugen sie einem reichen Türken den Kopf ab, dann stellten sie ihn auf eine Kiste und steckten ihm eine Pfeife in den Mund. Nach­dem sie hier (in Drama?) schon alle Türken niedergemacht hatten, ging's gegen die Juden los. Natürlich nur gegen die reichen. Sie wurden nach Scherisaban geschleppt, sechs Tage lang dort torturiert und bann gegen ein Lösegeld von 11000 Pfund freigelassen, aber wie? Natürlich glaubten sie, ihr letztes Stündlein sei gekommen, und waren schon vor Schrecken halb tot. Als sie nun wußten, daß sie frei wären, baten sie, sie doch bis tzini Morgen dort zu lasten. Nein, um Mitternacht mußten sie den weiten Weg, ungefähr sieben Stunden, bei strömendem Regen zu Fuß machen; darunter ein achtundsiebzigiähriger Greis. Unterdessen ermordeten sie die ganze männliche Bevölkerung von Scherisaban, ein türkisches Dorf' wo nur drei Männer am Leben blieben. Hierher (nach Kawalla) kamen aus den umliegenden Dörfern Flüchtlinge.

Diese veranlagten sie (die Bulgaren), zurückzukehren und ver- ! sprachen ihnen freies Geleite. Von ihnen sollen auch die mci- j sten niedergemacht sein. Am 21. November wurdcnJici einem ! Freudenfest wegen eines falschen Gerüchts vom Fall Kon- ! stantinopels wieder achtzehn Türken gemordet. Dann wurden ; alle Moscheen für christliche Kirchen erklärt und sofort mit der ! Demolierung der Minarets begonnen: auch die türkische»

! .Kirchhofmauern, Gräber und Grabsteine wurden auf die ! empörendste Art dcvasticrt, die meisten Grabsteine in Stücke ' zerschlagen. In die Türkenhäuser, wo die Männer geinordet waren, brachen sie dann ein und schändeten die Frauen. Einer von ihnen schnitten sie die Nase und die Brüste weg und töteten vor ihren Augen ihr Kind. Nun aber haben die Griechen schon ihre Befreier satt, denn sie sind von einer Bru­talität sondergleichen. Neulich schlug so ein Komitadschi einen Architekten zweimal übers Gesicht. Den Konsuln sagten sie, sie seien niemand, und wenn sie sich rühren, kann's ihnen er­gehen wie den Türken. Der unsere (österreichisch-ungarisches hat auch gleich das Hasenpanier ergriffen und ist schleunigst nach Wien ausgcrissen. Momentan sind die Briganten fort, nachdem sie ungeheure Schätze weggetragcn haben, und jetzt ist eine Militärdiktatur im Land, aber der Kommandant hat schon gedroht, daß bei der geringsten Widersetzlichkeit der Jn- kulpat nach Drama vors Kriegsgericht gestellt wird. So eine Sprache sind die Griechen natürlich unter demdrückenden" Türkenjoch nicht gewohnt gewesen, und sagen, wenn das Land bulgarisch bleibt, so wandern sie alle aus . . . Der Khedive schickte bereits zweimal Mehl, einmal 4500 und das andere Mal bei 1000 Säcke, und nahm ungefähr 3000 Türken mit, um sie in Aegypten anzusiedeln . . . Diese 5500 Säcke Mebl ließ er an die arme Bevölkerung Kawallas ohne Unterschied der Religion verteilen, trotzdem er wußte, welche Greuel man an seiliew-Glaubensgenossen verübt hatte . . .

Stadt, Bezirk und Nachbarschaft

Calw, 2. Januar 19l3.

Vom Rathaus.

Oeffentliche Sitzung des Eemeinderats unter dem Vorsitz von Stadtschultheiß Conz am Montag, 30. Dez. von nachmittags 4 Uhr ab. Anwesend sind 9 Eemein- deräte. Der Gemeinderat hielt Montag nachmittag seine letzte Sitzung im alten Jahr. Die noch herbeizu­führende Entscheidung über die Verbesserung oder Ver­änderung des Hirsauer Weges hat den Vorsitzen­den veranlaßt, die Mitglieder der Eemeinderats auf 2 Uhr zum Augenschein nach dem Hirsauer Weg zu be­stellen. Der Augenschein hat, wie vom Vorsitzenden ge­legentlich einer Anfrage von E.-R. Schlatterer erwähnt wurde, das Ergebnis gehabt,daß man zusammenkomme in der Gegend der Brücke, nicht so weit unten in der Wiese." Auf der Tagesordnung war die Beratung die­ser Frage nicht vorgemerkt. Sie drehte sich um im großen und ganzen unbedeutende Gegenstände: Die Fir­ma Blank und Stoll kommt um Abgabe von Prügel­holz aus den städtischen Waldungen ein. Der Ver­kauf wird zu dem vorgeschlagenen Preise genehmigt. Stadtpfleger Dreher hat zusammen mit Easmeister Eohl die Gas-Ausstellung in Stuttgart besucht, er legt einen kurzen Bericht über sie dem Gemeinderat vor, Len der Vorsitzende verliest. Der Gewerbeober­schulrat hat den Beitrag zur Gewerbeschule (wie beantragt) auf 2157 Mark festgesetzt, die Hälfte des berechneten Defizits. Die Handwerkskammer Reut­lingen will die Meisterprüfung für Metzger hier ab­halten. 5 Gesellen werden geprüft werden. Der Eemein- derat stellt gerne das erforderliche Lokal, in dem die theoretische Prüfung abgehalten werden kann, zur Ver­fügung. Die Eebäudebrandversicherungsanstalt teilt mit, daß der Oberschätzer hier dienstlich nicht an der Ausübung seiner Feuerwehrpflicht verhindert ist. Bei Gelegenheit erkundigt sich G.-R. Stauden­meyer nach dem Ergebnis der Milchkontrollen im hie­sigen Bezirk. Stadttierarzt G.-R. Kleinbub erklärt, daß die kontrollierte Milch in der Regel einwandfrei be­funden werde; ein Unterschied im Fettgehalt trete wohl zutage. Im Kranken- und Armenhaus kamen bei 17 324 Verpflegungstagen im Jahre 1911 auf eine Person 69 Pfennig, im Vorjahr 70 Pfennig. Privat­personen wurden 223 verpflegt mit einem Aufwand von 9 682 Mark. Am Schluß der Sitzung wünscht Stadtschultheiß Conz den Herren einen guten Ueber- gang ins neue Jahr und G.-R. Schlatterer brachte seinen Glückwunsch der Presse gegenüber in Form einer Beschwerde über den Redakteur dieser

Zeitung an, mit dessen Rathausberichten er nicht zu­frieden ist, weil sie unrichtig seien. Niemand, auch Herr Schlatterer selbst nicht und mit ihm das gesamte Rathauskollegium, wird diese Behauptung, in dieser allgemeinen Form aufgestellt, als zutreffend anerken­nen. Herr Schlatterer stützt sich mit seinem Vorbringen auf den letzten Rathausbericht, in dem zu lesen ist, Bür­gerausschußobmann Wagner habe für den oberen Hohen Felsenweg gesprochen, während das Gegenteil der Fall sei und er und Bürgerausschußmitglied Deyle hätten nicht gesagt, im unteren Kirchhof verwesen die Leichen langsamer, sondern im oberen. Diese beiden Un­richtigkeiten, an denen keineswegs ausschließlich der Rathausberichterstatter Schuld trägt, sollen den Beweis liefern,die Rathausberichte seien unrichtig." Solche Angriffe lassen wir natürlich nicht auf uns sitzen und weil sie in öffentlicher Sitzung erhoben wurden, weisen wir sie auch öffentlich zurück. Wir erwähnen die Sache namentlich auch deshalb, damit Herr Schlatterer ja kei­nen Grund haben soll, seine weirere, für ein Gemeinde- ratsmitglied sehr merkwürdige Bemerkung, zu wieder­holen: es sei schon manches von dem, was verhandelt wurde, in den Rathausberichten verschwiegen worden.

Sylvcsterabend. Richtig kalt und verfroren legte er sich um unser Tal; er versöhnte damit manchen, der dem Wcihnachtsmcttcr zu grollen ein R>'cht zu haben meinte. In vielen Häusern ward Jahreswende, festlich begangen. Der Christbaum wurde nocheinmal entzün­det und in die Mitternachtsstunde hinein klangen die Singstimmcn:Ach wiederum ein Jahr verschwunden, ein Jahr und kommt nicht mehr zurück." Wie üblich, grüßten die Musiker oer Stadtkapelle vom Turmumgang herab mit dieser Melodie. Recht lebhaft waren Frö­sche, Schwärmer und andere Knallmittel den Abend über in Tätigkeit getreten. Leider ging der Abend aber nicht vorüber, ohne eine recht unliebsame Erin­nerung in einem hiesigen Geschäftshause zu hinter­lassen. In einem Galanterie- und Spezereiwarenladen, in dem Feuerwerkskörper zum Verkauf ausgelegt waren, flog von der brennenden Zigarette eines Käufers ein Funke auf die Feuerwerkskörper. Unter gewaltigem Krachen und Donnern, das weithin hörbar war, ent­zündeten sich diese, das Ladenlokal, in dem sich eine Anzahl Käufer befanden, mit Blitzeseile in eine un­durchdringliche Rauchwolke hüllend. Der ganze Feuer­werksvorrat ging in die Luft und beschädigte sämtliche Verkaufsgegenstände so, daß die große Mehrzahl kaum mehr zum rcelen Wert angebracht werden kann. Dem Besitzer gingen auf diese Weise schätzungsweise 1000 Mark Wert zu Grunde. In dem Hause, in dem das Unglück sich ereignete, bemächtigte sich der Bewohner in­folge des Getöses eine begreifliche Erregung. Hilfelei­stend eilten sofort Nachbarn herbei, denen es zu danken ist, daß das Feuer nicht über den Ladenraum hinaus­griff und die Benzin, Terpentin- und Spiritusfässer zur Explosion brachte. Vor dem Haus entstand ein großer Auflauf. Bei allem Unglück ist doch wenigstens was einem Wunder gleichkommt, niemand körperlich zu Schaden gekommen, auch ist der materielle Verlust des Ladeninhabers so ziemlich durch Versiche­rung gedeckt.

Weihnachtsspenden für die Witwen und Töchter ge­storbener Veteranen von 1813 15. Der deutsche Krie­gerbund hat, wie alljährlich, auch in diesem Jahre aus den eingegangenen freiwill. Geldspenden Witwen ver­stört». Veteranen mit einer Weihnachtsgabe erfreut u. zwar erhielten 20 Witwen, von denen die älteste 97 alt ist und etwa 600 Töchter, dtrunter eine 100jährige, zu­sammen rund 19 000 Mark. Die Gewißheit, manche Not gelindert zu haben, wird allen Gebern der beste Dank sein.

Antialkoholausstellung. (Einges.) Wie in einer Reihe von anderen Äädten, so ist nun auch hier in Calw im Laden des Consumvereins in der Badstraße eine Schaufenster-Ausstellung zur Belehrung über die schädlichen Wirkungen des Alkohols zu sehen. Wenn