Kreisen des auswärtigen Amts wurde nicht verhehlt, daß die Entscheidung bereits vor der Abreise Poincares von Kronstadt getroffen wurde. Wie die maßgebenden Kreise, so bewahrte auch das Publikum Optimismus. Am Mittwoch, bei der Rückkehr Poincares und Vivifanie (aus Rußland) wurde diese Zuversicht sofort vernichtet. Dem nationalistischen Empfang am Bahnhof wurde durch die Abendblätter Bedeutung beigelegt, woraus zu schließen war, daß Anweisung an die Presse ergangen war, die geringfügige nationalistische Kundgebung zu ausgedehnter Stimmungsmache zu benutzen. Am Donnerstag abend traf der Corre- spondent mit einem jungen Mitarbeiter Vivianis zusammen, der auf Fragen erwiderte, es liege noch kein Grund vor, zu verzweifeln, aber er sagte das mit einem Ausdruck der Beklemmung. Da ich ihn fragend ansah, fügte er hinzu: Gewiß, es kann sich alles noch arrangieren, aber leider hangt die Entscheidung weder von Paris, »och von Berlin ab. — Man sieht auch daraus, wie haltlos die Verdächtigungen Frankreichs Rußlands und Englands sind, welche Deutschland als den Friedensstörer hinzustellen suchen. Die Entscheidung über Krieg und Frieden lag allein bei Rußland und das hat den Krieg gewollt.
Ausländische Lügen und -er deutsche Schiffsverkehr.
ss Berlin, 16. Aug. Die im neutralen Ausland verbreitete Ansicht ist unzutreffend, daß die deutschen Häfen blockiert und der Schiffsverkehr mit Deutschland unterbunden sei. Kein Hafen ist blockiert. Dem Schiffsverkehr neutraler Staaten ' mit Deutschland steht nichts im Wege. Die englischerseits ausgestreuten Behauptungen, die Nordsee sei deutscherseits mit Minen verseucht, ist unrichtig. Neutrale Schiffe für die deutschen Nordseehäsen haben bei Tag einen Punkt zehn Seemeilen nordwestlich von Helgoland anzusteuern. Dort ist deutscherseits für Lotsen gesorgt, die die Schiffe in deutsche Häfen geleiten. Ostseehäfen haben neutrale Schiffe direkt anzulaufen. Vor jedem Hafen sind Lotsen. Das Kohlenausfuhrverbot ist nicht auf Bunkerkohlen ausgedehnt und die Kohlenversorgung gewährleistet.
Uniformen, die der Bevölkerung nicht bekannt sind.
K Berlin, 15. Aug. Die Einberufung der Reserve, der Landwehr und des Landsturms kann zum Anlaß werden, daß Uniformen auftreten, die der Bevölkerung weniger bekannt sind. Aeltere Männer werden des Königs Rock anlegen. Es kann der Verdacht austreten, daß die Uniform unberechtigt oder zu staatsfeindlichen Zwecken getragen werde. Es darf aber nicht Vorkommen, daß ehrenhafte Männer verdächtigt oder belästigt werden und daß der Dienst, in dem sie stehen, dadurch leidet. Deshalb wird erneut daraus hingewiesen daß jeder Verdacht der Polizei mitzuteilen ist. Das Publikum soll sich jedoch jeden Angriffs enthalten, Ruhe und Ordnung bewahren und nur dann eingreifen, wenn Gefahr droht.
TMs Schicksal der Deutschen in Rußland.
* Stockholm, 15. Aug. Dem Stockholmer „Dag- blad" berichten aus Rußland heimgekehrte Schweden, daß alle in Rußland zurückgebliebenen Deutschen im Alter von 18 bis 42 Jahren als Kriegsgefangene behandelt werden. Als viele davon sich nach Finnland begeben wollten, wurden sie in einen Zug gesetzt und an das Weiße Meer nach Archangelsk gebracht.
Die Oesterreicher dringe» in Russisch-Polen vor.
Aus Krakau wird dem „Berliner Tageblatt" berichtet, daß die österreichische Armee die Gouvernementstadt Kjelce r>m 7. August besetzt hat.
Art läßt nicht von Art.
Roman von H. Hill.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
Ms er ein paar Stunden später in der Stadt ange- kommen war, fuhr er sofort in jene abgelegene, vornehme Straße, die er wegen ihrer Stille und wegen der alten Gärten, die sich hinter de« Häusern dehnten, bei der Wahl seiner Wohnung bevorzugt hatte. Da er sich keinen Diener hielt, und da seine drei Junggrsellenzimmer während seiner häufigen Abwesenheit einfach abgesperrt zu werden pflegte», bediente er sich bei der Heimkehr sonst immer eures Schlüssels. Diesmal aber klopfte er statt dessen «mi eine ganz eigentümliche Weis« dreimal an die Wohnun-stür. Eine Monte »«ging, dann näherten stch von drinnen männliche Schritte, und der gut« Genbarmeriewachtmeifter Roth würde sicherlich seine Auaen iedr weit aäaeristen haben, wenn er hatte jeher» rönnen, wer es war, der dem Ankömmling da die Tür seiner Behausung öffnete.
„Hallo, Odemarl* rief der Freiherr, während er eintrat. „Befolgen Sie so Ihre Instruktionen und die Mahnungen zur Vorsicht, die ich Ihne« hinterlassen?*
„Sie meinen, ich hätte eine Wiederholung des Zeichens abwnrte« sollen? Aber ich wußte ja, daß nur Sie es sein konnten. Und es hat während der ganze« Zeit niemand »ersncht, Einlaß zu erhalten als die Wäscherin. Hat sich etwas Neues ereignet?* fügte er in fieberhafter Spannung hinzu. „Ist irgend etwas entdeckt worden?*
Er war während der wenigen Tage, die fett seiner nächtlichen Abreise von Donnersberg verstrichen waren, bleich und hager geworden, und man sah es ihm unschwer an, von einer wie starken inneren Unruhe er verzehrt wurde.
Der Freiherr antwortete ihm nicht sogleich, und erst, «ls er die Schwelle seines Arbeitszimmers überschritten hatte, «widerte er:
„Ich bin gekommen, weil ich ein paar ernste Worte mit Ihne» zu reden habe. — Aber Sie haben wirklich hier an »einem alten Schreibtisch gearbeitet?* unterbrach er sich.
Die Mobilmachung in Oesterreich.
ss Wie«, 16. August. Die im Kriegsfälle vorgesehene Einberufung der Rekruten und Ersatzreseroisten dieses Jahres wird, soweit sie noch nicht befohlen ist, in acht bis zehn Tagen verfügt werden. Ebenso erfolgt für einen etwas späteren Zeitpunkt die Einberufung aller noch nicht einberu- fenen gedienten Landfturmleute. Da schließlich auch die Erntearbeiten ihrem Abschluß nahegebracht sind, werden die zu diesem Zweck verwendeten Mannschaften wieder zur militärischen Dienstleistung zurückberufen.
Italien.
ss Berlin, 15. Aug. Mit Rücksicht auf hier umlausende Gerüchte, daß Italien eine wenig freundliche Haltung gegenüber Deutschland und Oesterreich-Ungarn einnehme, hat die italienische Regierung den hiesigen Geschäftsträger beauftragt, diesen falschen Gerüchten entgegenzutreten. Der italienische Geschäftsträger hat in Erfüllung dieser Aufgabe das Auswärtige Amt ersuchl, diese Ausstreuungen für unbegründet zu erklären.
England kapert Norweger.
js Kristiania, 13. August. Die norwegische Bark „Kyle- more", von Trinidad nach Rotterdam unterwegs, wurde, wie ihre in Kristiania befindliche Reederei meldet, von einem englischen Kriegsschiff aufgebracht und nach London geschleppt.
Der Schiffsverkehr mit London.
ff Rotterdam, 15. August. Der Schiffsverkehr zwischen Rotterdam, Harwich und London ist wieder hergestellt.
Frankreich-England »rrd die Türkei.
ss Rom, 15. August. Nach dem „Corriere d'Italia" haben offizielle Kreise keine Bestätigung von einem an die Türkei gerichteten französisch-englischen Ultimatum. Es habe sich dabei nur um das Ersuchen um Aufklärung gehandelt.
Zur Verletzung des Völkerrechts durch Rußland.
ff Amsterdam, 15. Aug. In einem längeren Artikel verurteilt das hiesige Handelsblatt scharf die flagrande Verletzung des Völkerrechts der russischen Regierung durch die Verhaftung des österreichisch-ungarischen Vizekonsuls in Petersburg, der dort zurückgelassen worden war, um die diplomatischen Archive zu schützen und dessen Sicherheit das russische Auswärtige Amt zugesagt hatte. Das Blatt sagt, die Maßnahme ist vielleicht russisch, steht aber vollkommen im Widerspruch zu dem Begriff des Kriegsrechts. Es war der russischen Regierung beschieden, ein Beispiel zu geben einer bisher beispiellosen Verletzung des Versprechens einer Regierung für die Sicherheit und Freiheit eines Diplomaten.
Rußlands Defensive.
ff Berlin, 15. August. Aus Bukarest wird der „Natio- nal-Zeitung gemeldei: Die russische Mobilmachung geht sehr langsam vor sich, Russische Offizierskreise erklären, Rußland „habe keine Eile", weil es keine aggressiven Absichten hege, sondern das Haupigewicht auf eine starke Defensive lege. Das Problem der Verpflegung sei für den einfallenden Feind unlösbar. Die russischen Truppen werden sich zurückziehen und Stadt und Land vor dem einsallenden Feind in Brand stecken.
Muselmanische Frauen demonstrieren.
ff Wien, 16. Aug. Das Wiener Corr.-Bureau meldet aus Konstantinopel vom 14. ds.: Gestern fanden sich etwa 100 muselmanische Frauen vor dem Sommersitz der englischen Botschaft am oberen Bosporus ein, um gegen die Beschlagnahme der Dreadnougths Sultan Osman und Reschadie zu demonstrieren. Eine Deputation von 4 Damen wurde von
indem er aus die beschriebenen Blätter deutete, die das grüne Tuch bedeckten. „Ich glaube, es ist das erstemal, daß dies ehrwürdige Möbel etwas so Unerhörtes erlebt hat. — Ob sich etwas ereignet hat, wollen Sie wissen? O ja! Etwas, das gewisse unabweisbare Folgen nach sich ziehen muß. Die Folge nämlich, daß ich im Begriff bin, auf die Polizei zu gehen und Sie als den mutmaßlichen Mörder meines Onkels verhaften zu lassen, falls Sie mir nicht heute bessere und erschöpfendere Auskünfte geben können, als Sie es bisher getan haben."
Der Schriftsteller war in großer Bestürzung um einen Schritt zurückgewichen. Aber er faßte sich schnell, richtete sich hoch auf, und sagte voll ruhiger Würde :
„Das ist wahrhaftig ein sehr überraschender Frontwechsel, Herr Baron!"
Von Reckenburg zuckte die Achseln.
„Eine eigentümliche Verkettung von Geschehnissen hat ihn veranlaßt. Und Sie wissen ja: Umstände verändern die Sache. Ich kann Ihnen zu meinem Bedauern nun mal keine andere Wahl lassen, als die, entweder rückhaltlos zu sprechen, oder sich auf Ihre Einsperrung gefaßt zu machen. Da Sie aber einstweilen noch mein sehr geschätzter Gast sind, ersuche ich Sie, Platz zu nehmen und fich's nach Belieben bequem zu machen, während Sie hören, was ich Ihnen zu erzählen habe.*
24. Kapitel.
Es fiel dem Baron nicht leicht, die rechten Worte zu finden. Denn er war mit sich selbst keineswegs ganz im reinen darüber, wie er sich diesem Manne gegenüber zu verhalten habe, dem er sein Geheimnis herauszulocken wünschte, und dem er aus keinem anderen Grunde, als aus diesem, auf seiner für ihn noch immer völlig rätselhaften Flucht aus freien Stücken ein sicheres Obdach in seinem eigenen Hause geboten hatte.
Denn er war keineswegs ein so schlechter und unzuverlässiger Aufpaffer gewesen, wie der Gendarmeriewacht- meifter es hatte glauben müssen. Nicht für einen einzigen Moment hatte er in seiner Wachsamkeit nachgelassen, und der Beobachtete hatte es ihm nicht einmal schwer gemacht, ihn im Auge zu behalten. Die Wände im Gasthof zum «Goldenen Löwen* waren ziemlich dünn, und Doktor
dem emglilchen Geschäftsträger empfangen und bat ihn, die englische Regierung von der Kundgebung zu benachrichtigen und sie von der Trauer in Kenntnis zu setzen, welche die muselmanische Frauenwelt über die Beschlagnahme der türkischen Kriegsschiffe empfinde.
Eine türkische Prehstimme.
ss Koustantiuopel, 16. Aug. Sämtliche hiesige Zeitungen haben ihr Format wegen Papiermangels verkleinert. — In einem Leitartikel, in dem er die Anschuldigungen der französischen Presse zurückweist, wonach Oesterreich-Ungarn und Deutschland für den Krieg verantwortlich seien, setzt der „Tanin" auseinander, daß die Tripleentente auf dem Balkan offen gegen den Dreibund gearbeitet habe. Schließlich habe Oesterreich-Ungarn festgestellt, daß Serbien ein ihm gefährliches Element sei, und das Deutsche Reich habe sich immer bemüht einen Konflikt zu vermeiden, aber Frankreich habe alle Zeit eine Revanchepolitik getrieben. Nicht nur wir, sagt der „Tanin", sondern auch viele Franzosen haben es bedauert, daß Frankreich derart ein Werk eng Rußlands wurde. Wahre französische Patrioten haben geweint, als sie sahen, wie die französischen Milliarden nach Rußland wandelten und wie Frankreich zum S k l a v e n Ruß lan d s wurde. Die Tripleentente sei der Anlaß zum Kriege geworden. Oesterreich- Ungarn habe in den letzten Jahren vollkommene friedliche Gefühle an den Tag gelegi. Jeder Unparteiische muß anerkennen, daß der Grund, der es gegen Serbien marschieren ließ, ein wirklich zwingender war.
Landesnachrichlen.
Wlenrteig. 17. August 1814.
* Postsache. Für die Bezirke der Oberpostdirektionen Trier, Königsberg (Pr.), Daipzflg' Bromberg, Posen, Brecht au und Oppeln, in denen nach früherer Bekanntmachung daF Postan- weisungs-, das Postkreditbries-, das Pvstnachnahme und das Postauftragsverfahren sowie der Einzah- lungs- und Auszahlungsvertehr im Postscheckdienst eingestellt worden ist, wird der Postcmweisungs-, Zahltarten- und Zjsthlungsanweisungsvertehr mit der Maßgabe wieder zugelassen, daß die genannten Ober- postdirettionen berechtigt sind, in Grenzteilen ihrer Bezirke, wo es die Sicherheit erfordert, den Verkehr durch Verfügung an die Postanstalten auszuschließen. Da es nach Lage der Verhältnisse nicht angängig ist, von solchen Ausschließungen die anderen Postanstalten zu benachrichtigen, müssen die Absender von Postanweisungen nach Orten im Grenzgebiete die Gefahr in Kauf nehmen, daß. die Auszahlung nicht möglich ist. Die Postanweisungen und Zahlungsanweisungen werden in solchen Fällen mit Angabe ' des Grundes zurückgeleitet. — Das Postkreditbries-, das Nachnahme- und das P ostaustragsverfähren in den genannten Ober-Postdirektionsbezirken kann noch nicht wieder zugelassen werden. Hinsichtlich der Ober-Postdirektionsbezirke Straß.bürg flMs-p M e tz und Gumbinnen bleiben die in der früheren Bekanntmachung angeordneten Verkehrsbeschräntun- gen weiter voll in Kraft.
* Feldpostlarten und Feldpostbriefe sind portofrei. Formulare sind an den Postschaltern und b« den Postboten zu haben, 2 Stück zu 1 WenniK
* Verbesserter Fahrplan. Auf den meistens Streiten fahren wieder ein bis zwei weitere Züge und auch die Fahrzeit ist gekürzt worden. Nur Schnell- und Eilzüge verkehren noch Nicht. Zwischen Mühl-
Odemar hatte veim onnpaaen seiner Effekten nicht die Vorsicht gewahrt, die ihm durch die Umstände eigentlich hätte aufgenötigt werden sollen. Außerdem hatte er sich bei dem letzten Diner, das er in Gesellschaft des Freiherrn eingenommen, ein paar Worte entschlüpfen lassen, die darauf hindeuteten, daß er mit einer baldigen Veränderung seines Aufenthalts rechne. Und die Folge war gewesen, daß von Reckenburg in der fraglichen Nacht gar nicht aus den Kleidern gekommen war, sondern in einem Lehnstuhl der Dinge gewartet hatte, die möglicherweise kommen würden.
Als er nach Mitternacht, zu einer Zeit, wo alles im Hause nach ländlichem Brauch bereits im tiefsten Schlaf lag, ein verdächtiges Geräusch auf der Treppe gehört hatte, war er leise hinausgeschlichen und hatte sich mit der Gewandtheit und Behutsamkeit eines erfahrenen Be- ! rufsdetektivs an die Fersen des Flüchtlings geheftet, in dem er auf den ersten Blick den jungen Schriftsteller erkannt hatte. Ohne daß der andere etwas von der Ler- folgung ahnte, hatte er seine Spur bis zur Eisenbahnstation festgehalten und war im allerletzten Augenblick, als die Räder des Zuges sich bereits in Bewegung zu ^ setzen begannen, zu ihm ins Abteil gesprungen. s
Doktor Odemars Üeberraschung bei seinem Anblick war k natürlich eine gewaltige gewesen, und der Freiherr hatte > nicht den geringsten Versuch gemacht, ihn über den wAen Charakter dieses unvermuteten Wiedersehens zu täuschen. Offen hatte er ihm ins Gesicht gesagt, daß nach seiner Ueoe^ l zeugung irgendein Zusammenhang bestehen müsse zwischen s seiner Person und dem auf Schloß Donnersberg verübten Verbrechen. Und nicht nur nach seiner eigenen Uever- zeugung, sondern auch nach der Ansicht der Kriminalpolizei, die ihn infolgedessen Tag und Nacht habe über- i wachen lasten, um sich über seine Beziehungen wie «o« » sein Lan-e» Tun Md Last en Klarheit, zu verschaffen. - !
(Fortsetzung folgt.) ^