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Hecksktion u.ver- isglv Altenrtelg.

Unabhängige Tageszeitung für die OberanrLsbezirke Nagold, Zreudenstadt und Lalw.

Telegramm-Mr.,

Lsnnenblatt.

Nr. 97

i

Ausgabe i« Alteusteig - Stadt. Dienstag, de« 28. April. ^ Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.

1914.

Die Wahlen in Frankreich.

Am vergangenen Sonntag hatte der französische Bürger wieder einmal nach vierjähriger Pause Gelegen­heit, durch die Ausübung des Wahlrechts seiner politi­schen Meinung Ausdruck zu verleihen. In einem parla­mentarisch regierten Land wie Frankreich ist dieses Recht noch etwas bedeutungsvoller als bei uns, denn in Frank­reich rekrutiert sich nicht nur das Kabinett aus den Mit­gliedern der Kammermehrheit, hier nimmt auch die Kam­mer selbst einen viel wesentlicheren Anteil an der aus­übenden Regierungsgewalt als es selbst in England, das auf eine lange parlamentarische Vergangenheit zurück­blicken kann, der Fall ist. Diese Entwicklung war freilich von den Schöpfern der französischen Verfassung nicht be­absichtigt und es gibt heute in der Republik weite Kreise, die damit gar nicht zufrieden sind und darauf dringen, dieFünfzehntausend-Francs-Männer" wieder ihrer ur­sprünglichen und wichtigsten Aufgabe, der Gesetzgebung, Zuzuführen. Von Herrn Poincars hat man eine Förde­rung dieser vernünftigen Bestrebungen erwartet, er selbst hat auch vor seiner Wahl feierlich erklärt, darauf hinarbei­ten zu wollen. Er hat aber bisher wenig Erfolg gehabt. Auch unter dem Regime Poincarö haben die Deputierten das Budget nicht rechtzeitig verabschiedet, auch unter ihm hat man den alten Brauch, durch halbe Maßnah­men das immer größer werdende Defizit zu decken, nicht gebrochen. Zwar wurde von dem Ministerium Barthou der Anlauf zu einer durchgreifenden Finanz­reform, die durch die Lasten des Trcijahrsgesetzcs beson­ders dringlich wnrde, gemacht mit welchem Erfolg ist bekannt. Als das Kabinett Doumergue-Caillaux ans Ruder kam, lagen die Dinge so, daß zwar das Drci- jahrsgesetz angenommen, eine Deckung der großen Kosten aber noch nicht gefunden war. Nm den dringendsten Geld­bedarf zu schassen, gab Caillaux kurzfristige Schatzanwei­sungen aus und vertröstete im übrigen das Land auf die kommende Steuergesetzgebung, die auf einem Einkom­menssteuergesetz basiert war. Seine Pläne wurden ihm durchkreuzt und zwar in erster Linie durch die Revolver­schüsse seiner Gattin. Durch die Aushebung der drei­jährigen Dienstzeit die Finanzen zu verbessern, daran hat das radikale Kabinett Doumergue, trotz des dahingehen­den Beschlusses der Radikalen auf ihrem Parteitag in Pan, nicht einen Augenblick gedacht.

Nicht nur über die Frage der dreijährigen Dienstzeit hatte also das französische Voll durch seine Abstimmung am Sonntag zu entscheiden, sondern auch darüber, ob das demokratische Frankreich demokratisch sein soll auch in der Steuerpolitik, was bisher bekanntlich durchaus nicht der "Fall war. Nach den Resultaten der Wahl, die infolge des neuen Wahlverfahrens dieses Mal später als sonst bekannt wurden, zu urteilen, ist über keine dieser beiden wichtigsten Fragen der inneren Politik Frankreichs eine Entscheidung herbeigeführt worden und zwar ans dem einfachen Grunde, weil die Kandidaten der ausschlag­gebenden Parteien während des Wahlkampfs ängstlich vermieden haben, hierzu in klarer und unzweideutiger Weise Stellung zu nehmen. Die Radikalen schienen den so stolz verkündeten Beschluß ihres Parteitags, für die Aufhebung der dreijährigen Dienstzeit einzutreten, gänz­lich vergessen zu haben, und empfanden es als reichlich Unbequem, als ihr Freund Pelletan, der ehemalige Ma- rineminister, sie mehr deutlich als höflich daran erinnerte. Nicht klarer war das Programm der von Briand gegründetenVereinigung der Linken". Zwar haben die Mitglieder dieser Vereinigung einer Einkommensteuer, wie sie Caillaux wollte, in der Kammer den denkbar -schärfsten Widerstand entgegengesetzt, haben in her Oef- fentlichkeit gegen den Vater dieses Gedankens gestritten Unt einer Gehässigkeit, die durch sachliche Gründe nicht mehr zu rechtfertigen war im Wahlkampf aber ver­sicherten die Herren, von der blassen Angst um ihr Man­dat gepackt, auch sie seien radikal, auch sie wollten eine Einkommensteuer. Auf diese Zerklüftung der ausschlag­gebenden Parteien ist es znrückzuführen, wenn die Mehr- heitsverhältnisfe in der neuen Kammer ebenso schwankend Und unsicher sind, wie in der alten, die ja in nicht gerade «hebender Weife ihre Tage beschlossen hat. Die Par­teien, mit Ausnahme der 'äußersten Linken, sind nicht mit einem festen und scharf nmrissenen Programm vor die Wählerschaft getreten, man liest mit sich handeln und hängte den Mantel nach/dem Wind, der das französische

StaÄZschiff schon seit langem ins nationalistische Krhr- waffer getrieben hat. So ist es nicht verwunderlich, daß das Gesicht der Kammer sich kaum verändert hat. Caillaux kehrt wieder und auch Herrn Briand behielt es nicht. Die neue Kammer wird im ansangen können, wo die alte anfgehört hat und sich wahrscheinlicki nicht einmal im Ton von dieser unterscheiden.

Landesnachrichten.

Mtenrtelg, 28. April 1814

* Ernannt wurde Freiherr v. Gülllingen, Major, beauf­tragt mit der Führung des Ulanen-Regiments König Karl Nr. 19, zum Kommandeur dieses Regiments. Der Ab­schied, ausnahmsweise mit der Erlaubnis zum Tragen der bisherigen Uniform, wurde bewilligt dem Rittmeister der Reserve Freiherr v. Gültlingen (I Stuttgart) des Dragoner­regiments König Nr. 26.

* Ebershardt, 28. April. Ein Unglücksfall, der für die Bauersleute zur Warnung dienen kann, hat sich hier er­eignet. Letzter Tage fiel ein 2 Mjähriges Kind in eine offene Güllengrube und nur mit größter Mühe gelang es dem ge­rade nach dem Vorfall ankommenden Arzt das Kind ins Leben zurückzurufen. Eine Lungenentzündung hat es gleich­wohl davongetragen. Beim Güllensühren sollte die Grube nach der Füllung des Fasses stets sofort wieder bedeckt werden.

X Epsendorf OA. Oberndorf, 27. April. (Tragisches Familienschicksal.) Die Familie des Bierbrauereibesitzers und Gasthofinhabers Joh Sanier z. Krone hier wird'von einem unerbittlichen Schicksal verfolgt. In den letzten Jahren sind der Familie von 8 Kindern 7 dahingestorben, darunter 5 Erwachsene im Alter von 1625 Jahren stehend, in sehr rascher Folge. Jetzt ist gestern mittag auch das Oberhaupt und der Vater der Familie im Alter von 58 Jahren gestorben. Ein schmerzliches Nieren- und andere innere Leiden haben den von Kraft strotzenden, starken Mann in kurzer Zeit dahingerafft. Von der Familie haben den Verlust eine Witwe und noch ein Sohn zu tragen.

(-) Schrmnberg, 27. April. '(Erfroren.) Am Samstag abend machte der in den 50er Jahren stehende verheiratete Uhrmacher Bernhard King, der an Herz­schwäche gelitten hatte, noch einen Spaziergang, von dem er nicht mehr zurückkam. Seine besorgten Angehörigen suchten die ganze Nacht nach ihm, konnten ihn aber nicht finden. Erst am Sonntag vormittag 8 Uhr wurde er aus dem Bühlberg am Wegrande halb bewußtlos ausge­funden und von der Sanitätskolonne in das Spital ver­bracht, wo er uni Mittag verschied. Tie kalte Reifnacht bat sein Ende beschleuniat.

(-) Stuttgart, 27. April. (Der Eilbotenlauf.) Am Oberen Anlagensee wurde gestern unter der Beteiligung von je 12 Läufern und 12 konkurrierenden Vereinen der Eilbotenlauf zum Rosensteiu und zurück ausgetragen. Die Läufer hatten je 100 Meter zurückzulegen. In der kur­zen Zeit von 10 Minuten 41 Sekunden kam ein Läufer des Männertnrnvereins durchs Ziel gefolgt von einem Vertreter des Turnerbundes. Weiterhin wurde als Sieger ausgerufen Turnverein Cannstatt, Tnrngcsellschaft Stutt­gart, Turnerbund Ostheim und Stuttgarter Turnverein. Die gesamte Beteiligung betrug MO Läufer. Wie ver­lautet, wird der Tnrnerbund Stuttgart gegSn das Ergeb­nis Einsprache erheben, weil ein Läufer des Männerturn- vereius den Stab verloren und durch Vermittlung eines Zuschauers zurückerhalten hat.

(-) Stuttgart, 27. April. (Verkehrsstörung.) Heute vormittag s/^li Uhr sind auf der Eisenbahnlinie Stutt­gartCannstatt beim Rosenstein einige Güterwagen ent­gleist. Verletzt wnrde niemand. Da aber zunächst Mr ein Gleis benutzbar blieb, entstand eine Verkehrsstörung, die sich über Mittag empfindlich bemerkbar machte. Ver­schiedene Züge erlitten Verspätungen und einige Lokal­züge mußten ganz ausfallen. Bereits in den ersten Nach- mittagsstnnden war die Verkehrsstörung wieder beseitigt.

(-) Marbach, 27. April. (Erhängt.) Im Gewand Hümmelsberg bei Rielingshausen wurde an einem Baum erhängt der von hier geborene, in Karlsruhe wohnhafte Schneidermeister namens Bäuerle, gefunden. Er hatte noch am Abend vorher in heiterer Stimmung Besuche bei Verwandten gemacht und sich mit dem Bemerken, er gehe nach Kirchberg, verabschiedet. Was den Mann in den Tod getrieben hat, ist nicht bekannt.

(-) Heidcnheinr, 27. April. (Aus Furcht in den Tod.) Gestern nacht hat sich der Schreiner Baurer aus, Fleinheim hier auf seiner Bühne aus Furcht vor einer Operation erhängt. Er hinterläßt eine Frau mit drei Kindern.

(-) Pfaffenhofen (OA. Brackeuheim), 27. April. (Einen Ort zu Grabe getragen.) Hier ist der Totengräber Biedermann gestorben, der 46 Jahre lang das Amt des Totengräbers versah und als solcher mehr als 1100 Personen beerdigte. Das ist etwas mehr als die hiesige Gemeinde Einwohner zählt.

. (-) Simmrittgen, OA. Mergentheim, 27. April. (Ein Kcltengrab.) Gegenwärtig findet hier unter Leitung des Landeskonservators auf einem Acker des Gutsbesitzers Heim, wo nach der Volkssage früher ein Schloß ge­standen sein soll, eine Ausgrabung statt. Die Ansicht der Sachverständigen, daß es sich um ein Grab aus der Kelten­zeit handle, fand ihre Bestätigung. Ter große Umfang der Grabstätte und die bis jetzt zutage geförderten Funde (ein menschlicher Schädel, Pferdekuochen und Eisenteile eines Wagens) weisen auf ein sog.Fürsteugrab" hin. Es scheint aber, daß das Grab schon einmal geöffnet und zum großen Teil ausgeraubt worden ist. Die Ausgrabung, die heute zu Ende geführt wird, verdankt ihr Zustande­kommen dem Gemeinsinu des Besitzers und der übrigen Bürger, die die Grabarbeiten unentgeltlich übernommen haben und so ihr Interesse für Heimatgeschichte bekunden.

'(-) Wolpertswende (OA. Ravensburg), 27. April. (Brand.) Im Dornacher Riet ist gestern nachmittag ans bis jetzt unaufgeklärte, Weise ein Brand ausgebrochen, dem in kurzer Zeit etwa 30 Morgen Streu, Gras und Buschwerk Kum Opfer gefallen sind.

Pforzheim, 27. April. Die hiesige Bank Creb und Frühauf m. b. H. ist insolvent geworden. Der Platz Pforzheim ist kaum beteiligt. Die Ursache wird auf Effekten- verlusts zurückgeführt. Die beteiligten Banken in Frankfurt a. M., Paris und London gelten als gedeckt, das Kapital dagegen wahrscheinlich als verloren.

Deutsches Reich.

* Die Beerdigung von Frau Dr. Williin Tie

Breslauer Morgenpost meldet: Am Sonntag nachmittag wurde di« Gattin des verstorbenen Medizinalrats Or. Willim, geborene Prinzessin von Württem­berg auf dem katholischen Mauritiusfriedhof beerdigt. Biele Tausende Personen gaben der durch ihre Zuge­hörigkeit zur Sozialdemokratie bekannten Frau das Geleite. Unter den zahlreichen Kranzspenden bemerkte man einen Kranz des Königs von Würt­temberg.

* Einheitliches Angestelltenrecht. Ein äußerst

stark beschickter Kongreß sür einheitliches Angestelltenrecht, der von 12 deutschen Angestelltenverbänden einberufen war, tagte am Sonntag in Berlin. Der wichtigste Punkr der Tagesordnung war die Notwendigkeit eines einheit­lichen Angestelltenrechts, wozu nach längerer Debatte einstimmig eine Entschließung angenommen wurde, in der auf die UnHaltbarkeit der Zersplitterung des Dienstvertragsrechts der Angestellten in 6 Reichsgesetzen und über 50 Landesgeietzen hiuge- wiesen und die Notwendigkeit der Schaffung eines einheit­lichen .nrechts unbeschadet der Berücksichtigung

der einzelnen Angestelltenschichten und ihrer Besonder­heiten betont wird. Tie Entschließung macht mit beson­derem Nachdruck geltend, daß es sich nicht um eine bloße formale Zusammenfassung der Rechtsvorschriften handle, sondern vor allem um eine durchgreifende Re­form der Rechtsverhältnisse im sozialen Sinn als Vorstufe zu einem allgemeinen Arbeitsrecht.

* Berlin, 27. April. Wie dieNordd. Mg. Ztg."

schreibt, hat der Reichskanzler eine Sachverstän­digenkommission eingesetzt zur Untersuchung der Zustände auf dem Gebiet des Immobiliarkredit? in Städten und sonstigen Industriezentren sowie deren Umgebung und zur Gewinnung nmr Vorschlägen zur M- stellung hervorgetretener Mißstände. Vor dieser Kom­mission, deren Vorsitzender Staatssekretär Delbrück ist, sollen Sachverständige vernommen werden, unter Be­rücksichtigung der verschiedenen Richtungen der Wissen­schaft und der Praxis. Die Kommission wird am 28. April zu der konstituierenden Versammlung znsammen- treten. . .. .. -