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^rZa'utio» u. 11er- iaginWtenrteig.
UnabhängiSe Tageszeitung für die Oberamtsbezirke Nagold, Zreudenstadt und Lalw.
Ne. 49
Ausgabe i« Altensteig - Sradt.
SamsLag» den L8. AeLruar.
Amtsblatt für Pfalzgrafemvciler.
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Tannenblatt.
19L4
Sonntags-Gedanken.
Daheim.
Unsere Zeit ist eine Zeit des Hustens geworden. Alles drängt und treibt. Alles ist auf die Minute berechnet. Wozu inan ehedem sich Tage lang Zeit ließ und auch meist Zeit genug lassen konnte, das muß heutzutage in Stunden erledigt werden. Tie Epoche des Dampfes, der Elektrizität, des Benzins kann keine Zeitverluste brauchen. Mehr, denn je gilt der Spruch des praktischen Angelsachsen, daß Zeit Geld sei. Gewiß ist dieser Umstand mit daran schuld, daß in neuerer Zeit durch manche Volkskreise etwas wie ein Sichbesinnen geht, ein Sichbesinnen auf die Stelle, wo ein Ausruhen möglich ist vom Tageskampf, vom Hasten und Treiben des grauen, oft bleischwer lastenden Einerlei: — auf das Daheim! Es ist kein Zweifel darein zu setzen, daß unser Geschlecht ein in mancher Beziehung andersgeartetes geworden ist, daß die Sucht nach Genuß und die Freude am glitzernden Anßenschein das Gediegene da und. dort überwuchert hat, und es hat sich vielfach auch die Anschauung Bahn gebrochen, daß es daheim zu „langweilig" sei, daß man sein „Amüsement" draußen suchen müsse. Nun soll zugegeben sein, daß man von Zeit zu Zeit auch etwas anderes sehen und erleben muß, als die vier Pfähle des eigenen Hauses und was sie umschließen. Aber es' hieße doch übertreiben oder falsche Schlußfolgerungen ziehen, wenn man damit den allgemeinen Vergnügungstaumel parallelisieren wollte. Das Daheim ist der feste Grund jeder gesund den Volks kraft und muß es auch bleiben. Aus ihm lassen sich immer und imtner wieder, wie Antens von seiner Mutter Erde stetige Kraft erhielt, neue 'Quellen der Ausdauer und Unbesieg- lichkeit erschließen. „Hier sind die starken Wurzeln Deiner Kraft" — das scheint man heute instinktiv zu empfinden. Man findet dies Gefühl innerhalb der führenden Kreise in der Sorglichkeit, ein seßhaftes, ein gesundes Volkstum zu erhalten, das nicht um Scheingüter und inhaltlich hohles Getue sich verzettelt und seine Kraft vergeudet^ — man findet es innerhalb der selbstinteressierten Kreise in dem Instinkt, daß eben nichts Fremdes, und sei es noch so in die Augen ' fallend und schätzenswert, ein gediegenes Daheim ersetzen kann.
Wie war und ist das Zentrum.
Von Dr. H.
Motto: Nichts ist beständig als der Wechsel.
„!Tas Zentrum soll bleiben, wie es war und ist." So lautet der wichtigste Satz in dem „Aufruf des Reichsausschusses der deutschen Zentrumspartei" vom 8. Februar l.914 aus Anlaß der ^Verwirrung der Geister, welche einzelne Personen und Preßorgane anzurichten versuchen." — In seinen Anfängen reicht das Zentrum bis ins Frankfurter Parlament zurück, indem sich dort katholische Abgeordnete zu einer „katholischen Partei" znsam- menschlossen und sich als solche u. a. gegen die Wahl des protestantischen Königs von Preußen zum deutschen Kaiser erklärten. Als Fortsetzung dieser Partei kann die 1860 im preußischen Abgeordnetenhaus sich bildende Gruppe katholischer Abgeordneter unter Führung von P. und A. Reichen- sperger angesehen werden. Wie diese auf Grund des katholischen Bekenntnisses gewählt worden waren, so verpflichten sie sich, auch bei NeuchaWen nur solche Männer aufzustellen, welche sich der katholischen Gruppe anschließen wollten. Wie weit die am 18. Juli 1870 auf dem 'Vatikanischen Konzil zu Rom ausgesprochene Unfehlbarkeit des Papstes, wodurch dieser ein von den Konzilen fortan unabhängiger absoluter Herr der Kirche wurde, die Weltanschauung dieser Abgeordneten beeinflußte, läßt sich nicht gut bestimmen. Dien ihnen zum Vorwurf gemachten ultramontanen Charakter zeigten sie erst, als nach der Besetzung Roms durch
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! unsere täglich erscheinende Leitung „Bus Sen Lau «erst« 2» erhslten wünscht unü sie noch nicht bestem hat, her rögere nicht uns bestem unsere Leitung sofort!
die Italiener A. Neichensperger am 30. März 1871 im Namen der Partei im Reichstag die Erklärung abgaö, „daß er dem Heereszug Deutschlands über die Alpen nicht das Wort reden, ihm aber auch durchaus keinen Riegel vorschieben wolle." Etwas später äußerte sich Windthorst, welcher noch am 17. Juni 1869 an dem „antiifalsibittstischen Laien- tonzil" in Berlin lebhaften Anteil genommen hatte, in seiner freimütigen Weise dahin, daß ein gläubiger Katholik auch ultramontan sein müsse, und in den späteren katholischen Volksversammlungen, welche unter der Leitung von Aügssordneten dieser sich nun Zentrum nennenden Gruppe standen, erscholl bald der Ruf, den in brutaler Gefangenschaft schmachtenden Papst zu befreien und in seine ewigen Rechte einzusetzen. Auch sang man ein Lied mit dem Kehrreim:
Mie verleugn' ich meine Fahne,
Ja, ich bin Ultramontane! und die in solchen Versammlungen ausgebrachten Trinksprüche galten stets in erster Linie dem Papst. In den offiziellen Kundgebungen des Zentrums freilich war man vorsichtiger, und so heißt es in dem Aufruf vom 9. Juni 1871 ganz zahm: „Tie Fraktion stellt sich zur Ausgabe, für Ausrecht- erhaltung und organische Fortbildung verfassungsmäßigen Rechts im allgemeinen und insbesondere für Freiheit und Selbständigkeit der Kirche und ihrer Institutionen einzutreten." Wie dies gemeint war, können wir in einer Rede lesen, welche Freiherr v. Hertling (Februar 1876) in Münster hielt: „Wir müssen auch unsererseits erklären, daß wir alle Unterrichtsanstalten für die vornehmsten Objekte des Kampfes hielten und schon jetzt als Siegespreis die Befreiung der Schule und des Unterrichts 'aus der Zwangsgewalt des Staates erfassen müssen." —
Während des Krieges gegen Frankreich und der auch in der Folge auf seinen Schultern ruhenden Arbeitslast hatte Bismarck dem Unfehlbarkeitsdogma und seinen Wirkungen trotz der Vorstellungen des Gesandten v. Arnim nur wenig Beachtung geschenkt; bald wurde er aber aufmerksam und übertrug 1872 dem Kultusminister Falk die Aufgabe, die Hoheitsrechte des Staates der katholischen Kirche gegenüber geltend zu machen. Obwohl dieser bedeutende Jurist sich — wie der technische Ausdruck der Verwaltungsbeamten lautet — „in diese ihm fremde Materie hineingearbieitet" zu haben glaubte und die Annahme seiner sogenannten Maigesetze im Reichstag durchsetzte, so gelang es ihm doch nicht, den Widerstand des katholischen Klerus und Volkes zu brechen. Im Gegenteil hatten seine Gesetze sowie der ziemlich gleichzeitige Versuch des gelehrten Döllinger in München, den unfehlbaren Papst und seine Anhänger als „Neukätholiken" hinznstellen und die „Altkätho- liken" in Deutschland um sich zu scharen, vor allem den bleibenden Erfolg, daß das katholische Volk, sein Klerus und das Zentrum zu dem heute noch stolz emporragenden „Zentrumstnrm" zusammenge- schweißt wurde. Von diesem Zentrumstnrm aus schossen die Abgeordneten im Reichstag und Landtag ihre scharfen Pfeile gegssn Falk und Bismarck ab und suchten mit ihren Kilsstrnppen: den Welfen, Polen, Französlingen und Sozialdemokraten die Regierungsmaschine ins Stocken zu bringen. Selbst die von Frankreich drohende Gefahr hinderte sie nicht, in der schärfsten Opposition zu verharren. Dort war 1873 der „glorreich besiegte General" Mac Mahon auf 7 Jahre zum Präsidenten der Republik gewählt und die Armee wieder 'kriegsbereit gemacht. Zum Schutze des Friedens verlangte nun Bismarck im Reichstag die Erhöhung der Friedensstärke des deutschen Heeres auf 402000 Mann, und zwar entsprechend der Dauer der Prä
sidentschaft Mac Mahons, auf 7 Jahre lSeptennat.) Mit den Polen, Dänen, Welfen, Sozialdemokraten und Französlingen stimmte das Zentrum geschlossen dagegen. Allerdings blieb es in der Minderheit. Aber staunen muß man, wie die Fühvsr desselben ihre Leute, unter denen die schärfsten politischen Gegensätze vertreten waren, sicher zusam- menznhalten und im Interesse der Parteidisziplin oder der Kirche die radikalsten Radikalen für die realtionärchen Anträge zu erwärmen wußten. Ob der Zug nach rechts oder links ging, der Turm blieb in sich fest geschlossen und unerschütterlich. Auch die kath. Wähler folgten den von Klerus und Zentrum gegebenen Weisungen blindlings und stimmten, wie ihnen befohlen war. So kam es. daß die Zahl von Bismarcks Gegnern sich stetig mehrte und ihm auch unter den Liberalen und sogar unter den Konservativen (z. B. Gerlach,. Bruel, protestantische Mitglieder des Zentrums') unbequeme Gegner erstanden. Nun hatte der nach dem Tode Pius 9. zum Papst gewählte Leo 13. gemäßigte Kardinäle ernannt und mit den weltlichen Machthabern wieder persönliche Beziehungen angetnüpft, um über streitige Fra,gen „eine die Prinzipien unberührt lassende Verständigung" her- beizuführen. Bismarck andererseits fand für seine neue Zoll- und Wirtschaftspolitik bei der seitherigen Mehrheit des Reichstags nicht das erwünschte Verständnis. Denn man verwechselte in jenen Tagen im Volk vielfach Freihandel mit Freisinn. Da brach Bismarck mit den widerstrebenden Liberalen, ging auf die Verhandlungen mit Leo 13. ein, trat zu diesem feindiplomatischen Mann in fast freundschaftliche Beziehungen und näherte sich dem Zentrum. Gegen mancherlei Zugeständnisse (Falk nahm den Abschied) erreichte er,sein Ziel. Als er aber später eine neue Septennatsvorlage an den Reichstag gelangen ließ, war d'as Zentrum dagegen, obwohl Leo 13. an das Zentrum das Verlangen stellen ließ,, dafür zu stimmen. Dem päpstlichen Nuntius in München ,'erklärte damals der^ Vorsitzende des Zentrums Freiherr v. Frankenstein, daß sich das Zentrum in kirchlichen Dingen den Weisungen des heiligen Stuhles füge. In rein weltlichen Fragen aber das Zentrum zu beeinflussen, würde für dieses und zugleich für den Heiligen Stuhl unangenehme Folgen haben. Interessant ist es für den Laien, daß der päpstliche Staatssekretär Jacobini Herrn v. Frankenstein im Auftrag des Papstes die Antwort zugehen ließ (Januar 1887), daß das Septennat mit Fragen von moralischer und religiöser Bedeutung Zusammenhänge. (Die im Westen versammelten Bischöfe haben sich jetzt zur Gewerkschaftsfrage ähnlich geäußert. D. Schriftl.) Daher dürfe das Zentrum, dem als einer politischen Partei volle Handlungsfreiheit eingeräumt sei, die Interessen der Kirche nicht nach eigener Anschauung vertreten. Die Mehrzahl des Zentrums fügte sich nicht, sondern stimmte gegen das Septennat.
Es folgten seitdem mannigfaltige Schwankungen des Zentrums für und gegen die Regierung, Annäherungen an die Konservativen, Fort- 'schrittler, Sozialdemokraten und Reichsfeinde. Zn aller Erinnerung lebt wohl noch das im Dom zu Speyer unter Mitwirküng eines Bischofs zwischen Zentrum und Sozialdemokratie abgeschlossene Wahlbündnis, welches ebenso erfolgreich für das Zentrum wie beschämend für die Sozialdemokratie ausging. — Und nun ist plötzlich alles wieder anders geworden. In dem am Eingang angeführten Ausruf vom 8. Februar 1914 wird von den Zentrumswählern verlangt,- daß sie gegen „die staats- und religionsfeindlichen Sozialdemokraten" einig bleiben müssen. Ohne daß sich in der Sozialdemokratie etwas gegen früher geändert hat, werden die nun noch kürzlich als Bundesgenossen umworbenen Sozi für die bösesten Vaterlandsfeinde erklärt und die Liberalen' geschmäht, die bei den Nachwahlen mit den Sozialdemokraten Wahlabkommen treffen.
Dias ist das Zentrum von heute!