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87. Jahrgang.
Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw
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Brscheinungswetse: Smal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im OberamtS- »ezirr Talw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg.. Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 0
Montag» de« 9. Dezember 1912.
Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich. Poft- bezugspreis für den Orts- und Nachbarortsoerkehr Mk. 1.20. irr» Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.
Amtliche Bekanntmachungen.
Bekanntmachung.
Der Vieh- und Schweincmarkt in Calw am Mittwoch, den 11. Dezember d. I., ist unter der Voraussetzung gestattet worden, daß die im Bezirke herrschende Maul- und Klauenseuche bis zu dem Markttage eine weitere Verbreitung nicht findet.
Die angeordneten Schutzmaßregeln bleiben im übrigen in Kraft.
Der Besuch des Marktes durch Personen ans dem Sperrbezirk ist strengstens verboten; desgleichen darf Vieh aus Gehüsten, in denen in den letzten 6 Monaten die Seuche herrschte, nicht zugetrieben werden.
Calw, den 9. Dezember 1911.
K. Oberamt:
Amtmann Nippmann.
Der Dreibund erneuert.
Berlin, 7. Dez. Der zwischen den Souveränen und den Regierungen von Deutschland, Oesterreich-Ungarn und Italien bestehende Vundesvertrag ist ohne jede Aen- derung erneuert worden.
Zur Erneuerung des Dreibundvertrages schreibt die Nordd. Allgem. Zeitung: Der Dreibund hat sich seit seiner Errichtung als dauernder Faktor in der Gruppierung der europäischen Mächte eingelebt und sich durch seine Festigkeit als ein entschiedenes Friedenselement bewährt. Seine Erneuerung dürfte nirgends eine Ueber- raschung bieten. Immerhin können wir es als ein erfreuliches Anzeichen betrachten, daß seine formelle Erneuerung gerade jetzt erfolgt ist. Es ist dies ein Beweis, daß die drei Verbündeten von seiner Wirksamkeit befriedigt waren. Die Zeitungen der Dreibundstaaten verzeichnen die Erneuerung des Bundes durchweg mit großer Befriedigung. Auch die Presse Englands, Frankreichs und Rußlands begleitet sie mit ruhigen, sachlichen Aeußermigen.__
Stadt, Bezirk und Nachbarschaft.
Talw, 9. Dezember 1912.
X Vom Schwarzwaldverein. Seinen alljährlichen Ausflug nach Hirsau veranstaltete der Schwarzwaldverein diesesmal gestern unter Teilnahme einer erfreulich großen Anzahl von Mitgliedern. Neue und schon bekannte Gesichter traf das Auge, ein Zeichen da
für, daß diese Hirsau-Wanderung an ihrer Beliebtheit ! nichts eingebüßt hat. Der Spaziergang führte über den Schillerweg ins Gasthaus zum „Löwen", dessen geräumiger Saal bald erfüllt war von angeregter Unterhaltung, die belebt wurde durch gemeinsam gesungene Lieder, Deklamationen und Sologesänge. Als Schwarzwaldverein- ler aber reizte und lockte uns die gestrige Naturstimmung vielleicht doch noch mehr als das „gemütliche Beisammensein" im Löwen. Wer gestern mit offenen Augen und empfänglichem Herzen durch die Landschaft schritt, dem schien es, als sei rings um ihn ein Wunderland erblüht: Der Rauhreif hatte seit einigen Tagen die Wiesen und Bäume mit seinem kunstvollen, schimmernden Gewände angetan, frisch und klar zeichneten sich die Berge in die winterliche Luft und wiesen die schlanken Tannen in die Höhe und von den Bergen sprangen kühl lebendig die rauschenden Bächlein, ihre Ufer gesäumt mit zarter, weißer Randung. So schritt sichs erhebend und fröhlich Sorge verlöschend, Freude erweckend schaute das vom größten Künstler geschaffene Bild den Wanderer an, der ergriffen bekennen mußte: „Groß ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht!" Und am Abend, als die Heimat wieder ausgesucht wurde, begleiteten uns viele tausend vom nachtblauen Himmel kristallen funkelnde Sterne, still u. mild, neben uns donnerte der Zug seine fauchenden Grüße und verschwand wieder in die Nacht hinein, frohe Heimwürtsklänge aus Jugendkehlen schwangen sich in die Weiten, liebliches Echo weckend — das alles gab den Erlebnissen des Tages einen schönen Ausklang. — Möchten sich doch immer recht viele Mitglieder finden, die mittun, wenn der Verein ruft; die größeren und kleineren Ausflüge bieten stets so vielfache Schönheiten und gute Unterhaltung für jedermann. — Führer war gestern Apotheker Hartmann.
Oesfentliche Wählerversammlung. Auf die heute abend 8 Uhr im Hotel Waldhorn stattfindende öffentliche Versammlung werden die Landtagswähler hiemit noch besonders aufmerksam gemacht. In dieser Versammlung wird als einer der Kandidaten, welche die Deutsche Partei zu den am 18. Dezember vorzunehmenden Landesproportionalwahlen aufgestellt hat, Stadtpfarrer L a m p a r t e r - Stuttgart, Vorsitzender der evangelischen Arbeitervereine Württembergs, zu den Wählern sprechen. Nachdem die Deutsche Partei des Bezirks Calw bei den letzten Reichstags- und Landtagswahlen den Kandidaten der Volkspartei vertragsmäßige Treue geleistet hat,
ist es für die Angehörigen dieser Partei eine Genugtuung, daß es ihnen durch die Proportionalwahlen ermöglicht ist, innerhalb des Bezirks auch die Grundlage der eigenen Partei wieder zur Geltung zu dringen. Wir werden nicht fehl gehen in der Annahme, daß sich die Mitglieder der Deutschen Partei und des evang. Arbeitervereins Calw zu der heutigen Wählerversammlung recht zahlreich einfinden werden. (Einges.)
xi. Die Weihnachtsferien für die höheren Schulen beginnen Samstag, 21. Dez. vorm. 12 Uhr. Der Thomäsfeiertag ist also nicht als schulfreier Tag zu behandeln. Der Unterricht beginnt wieder Mittwoch, 8. Januar.
scb. Mutmaßliches Wetter. Für Dienstag und Mittwoch ist zeitweilig trübes und mit Schneefällen verbundenes Wetter zu erwarten.
U. Eechingen, 7. Dez. Am vergangenen Freitag hielt Herr Pfarrer Wagner von Neuhengstett hier einen Vortrag über die Friedensbewegung, ihre Entstehung, ihre Entwicklung und ihre Bestrebungen. Mit ganzer Aufmerksamkeit folgte die Versammlung, die aus etwa 150 Männern und Frauen bestand, den packenden Ausführungen des Redners. Einige wenige Entgegnungen aus der Mitte der Versammlung veranlaßten denselben nach dem Vortrag noch zu weiteren Ausführungen, in deren Verlauf er treffend und überzeugend die da und dort noch herrschenden unrichtigen Ansichten über die Friedensbewegung widerlegte.
(!) Oberhaugstett, 5. Dez. Heute abend (^8 Uhr hielt Oberamts-Baumwart Widmann von Calw auf seiner Visitationtour im Löwen einen Vortrag über Baumeinkauf, Baumsatz, Pflege derselben. Zahlreiche Anfragen der Anwesenden beantwortete der Redner. Am Schlüsse wurde ihm von Mitglieds für seinen lehrreichen Vortrag mit dem Wunsche, der Dank ausgesprochen, daß das Gehörte im nächsten Frühjahr hier praktisch vorgeführt würde. Die Versammlung war von ca. 25 Personen besucht, wovon 6 auf Einladung dem Calwer Bezirks-Obstbauverein beilraten.
X Aichhalden, 7. Dez. Gestern fand auf Einladung von Herrn Stadtschultheiß Müller-Neubulach
Die Schule des Lebens.
3) Roman von Herbert v. Osten.
Trotzdem folgte sie bereitwillig der Bitte ihres Bruders, mit ihm heimzukehren und sprengte, gefolgt von wohl einem Dutzend diensteifriger Kavaliere, zur Reitbahn hinaus.
Heiße Röte aber stieg jäh in ihr Gesicht, als ein junger Husarcnoffizier um die Straßenecke bog und mit leichtem Gruße zu ihr hinüberritt. —
„Percy Hochstraten!" rief Achim freudig überrascht aus, als er den Näherkommenden erkannte, „das ist eine gute Vorbedeutung, daß ich dich gleich am eisten Tage meines Hierseins begrüßen darf.'
Herzlich schüttelten sich die beiden Männer die Hände, während Achim dem Jugendfreunde von deinen Reisenabenteuern und seiner überraschenden Heimkehr erzählte, zügelte Toska ihr feuriges Tier zum Schritt, um, wie sie entschuldigend zu ihren Begleitern sagte, sich nicht zu weit von dem Bruder zu entfernen.
Wieder aber schoß die verräterische Vlutwelle ihr heiß bis an die Schläfen, als Hochstraten sich init einigen herzlichen Worten von Achim verabschiedete und seinen Rappen an ihre Seite drängte.
Achim bemerkte mit Erstaunen, wie plötzlich alle Keckheit und der knabenhafte Uebermut, der sonst so lebhaft aus seiner Schwester Zügen strahlte, verschwunden war, wie sie in diesem Augenblicke nichts schien wie ein Mädchen, das den Frühlingstraum der ersten Liebe träumt. Er sah auch den heißen Blick, der aus Percys Augen zu der Schwe
ster hinüberflammte, und er wußte selbst nicht, woher es kam, daß ihn bei dieser Wahrnehmung ein unruhiges, banges Gefühl beschlich.
War es Egoismus von ihm, daß er den kostbarsten Schatz seines Elternhauses keinem anderen geben wollte und sei dieser andere auch sein bester Freund? Oder dachte er an die Gespräche zurück, die er während seiner Jünglingszeit oft mit dem früheren Schulkameraden über die Eigenschaften der zukünftigen Lebensgefährtin geführt, und fürchtete er, daß seine verwöhnte junge Schwester dem hohen Ideale einer deutschen Hausfrau nicht entsprechen würde, was Percy damals von seiner einstigen Gattin entworfen?
Torheit! Mit 28 Jahren mußte er doch genug vom Leben kennen, um zu wissen, daß man gewöhnlich gerade das später liebt, was man früher am urteilt. Es war sicher nur häßlicher Egoismus, der ihn hinderte, sich an Toskas Glück zu freuen, denn ein Glück war es selbst für eine Toskas Weyherr, die Braut des Grafen Salm, Salm-Hochstraten, zu heißen. —
Als die kleine Kavalkade endlich vor der eleganten Villa hielt, die Graf Weyherr mit seiner Familie bewohnte, forderte Achim den Freund mit herzlichen Worten auf, ihnen bei ihrem einfachen Mittagessen Gesellschaft zu leisten. —
Hochstraten aber schüttelte den Kopf. „Ich komme später," sagte er.
„Die erste Wiedersehensfreude mag ich nicht stören; weiß ich ja aus eigener Erfahrung, daß man die ersten Stunden nach langer Trennung gern allein in der Familie verlebt und leider," fügte er mit
einem bedeutsamen Blicke auf Toska hinzu, „habe ich bis jetzt nicht das Glück, mich zu der Familie des Grafen Weyherr zählen zu dürfen."
„Nun, wie du willst, aber komme nicht zu spät," antwortete Achim, dem herbeieilenden Diener sein Pferd übergebend. Im Grunde genommen, verlangte es ihm selbst danach, die Eltern allein begrüßen zu dürfen.
Mit schnellen Schritten eilte er ins Haus, während sich Toska von den andern Offizieren verabschiedete. „Vater, lieber Vater," jubelte Achim laut auf, als in dem Türrahmen der Parterrewohnung die elegante Gestalt des Obersten erschien.
Dieser schloß den Sohn fest und innig an sein Herz. „Willkommen daheim, mein lieber, alter Junge," sagte er herzlich, „und nun geh schnell hinein, die Mutter zittert schon vor Sehnsucht nach dir, ich werde auf Toska warten."
Achim kannte des Vaters unbegrenzte, fast göt- tische Liebe für die so viel jüngere Schwester und deshalb befremdete es ihn durchaus nicht, daß derselbe auch in diesem Augenblicke Zeit fand, an Toska zu denken. Stürmisch öffnete er die Tür die zu der Mutter Boudoir führte, wo, wie er wußte, ihn der wärmste Willkomm in der Heimat erwartete.
Schwere grüne Sammetvorhänge ließen die Sonnenstrahlen nicht ein, die an diesem frühlings- warmen Spätsommertage die Erde mit täuschendem Schimmer überhauchte, sondern hüllten das ganze elegante Zimmer in ein ungewisses, magisches Halbdunkel.
(Fortsetzung im 2. Blatt.)