Der Landtagsabgeordnete Eugen Roth( Dp.) tritt zurück.
Der aus der Proporzwahl als Sieger hervorgegangene volksparteiliche Abg. Eugen Roth-Stutt- gart hat bei einer am Samstage in Aalen statt- gesundenen Eisenbahnertagung, nachdem er über das Verhältnis des Landtags zu den Eisenbahnerwünschen ein übersichtliches Referat erstattet hatte, sein Amt als Sekretär des alten Eisenbahnerverbandes niedergelegt und, da er den Eisenbahnern seine Wahl in den Landtag in erster Linie verdankt, auch auf sein Landtagsmandat verzichtet. i - , ! - .
" Der Landtagsabgeordnete Roth stand seit Jahren als Sekretär des Eisenbahnerverbandes im Kampfe mit seinen Gegnern. Es bildete sich aus den beiden Lagern des großen Eisenbahnerverbandes ein solcher Zwiespalt, daß die eine Richtung einen neuen Verband gründete, so daß ein alter und ein neuer Eisenbahnerverband besteht. Aber auch in der Folge erfuhr Roth manche Anfeindung. Bei den Landtagsverhandlungen trat der Abg. Roth tapfer für die Wünsche der Eisenbahner ein, wofür ihm auch bei der Aalener Tagung Dank und Anerkennung ausgesprochen wurde. Die nächste Generalversammlung des Verbandes, der nntteilen konnte, daß er im letzten Jahr um über 1100 Mitglieder zugenommen habe, soll in Mühlacker stattfinden. Der Nachfolger in der Führung des Verbandes wird der bekannte volksparteiliche Landtagsabgeordnete Fischer sein.
Ter Nachfolger im Landtag
ist Professor Nägele-Tübingen, der bei der letzten Proporzwahl unter den Kandidaten der Volkspartei die nächsthöchste Stimmenzahl (42 482) erlangt hat, und von Roth als Landtagsabgeordneter verdrängt wurde. Von den volksparteilichen Proporzkandidaten des 2. Landeswahlkreises sind jetzt die beiden Gewählten ausgeschieden, Roth freiwillig, Reihling durch Tod. Reihlings Nachfolger wurde Haux-Ebin- gen.
, Aus dem Gerichtssaal.
ff Tübingen, 6. Juli. (Der Mordprozeß Weiß.) Das Schwurgericht hat nach wiederholter und zweitägiger Verhandlung den 22 Jahre alten Bauernsohn Wilhelm Weiß von Alt Heng st ett zum Tode und zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Er hat, wie erinnerlich, am 0. März an der Calw-Stuttgarter Bahnlinie beim Bahnwart- haus, um Geld zur Abreise ins Ausland in dis Hand zu bekommen, den bejahrten und vermög- lichen Bahnwart Löffler mit einem Prügel totgeschlagen und, nachdem er in das Haus.eingedrungen war, die Frau des Bahnwarts zu erdrosseln gesucht. Da sie mit ihm fertig, wurde, mußte er ohne Beute abziehen. Löffler war nicht gleich tot, sondern starb erst acht Tage später an den Folgen des Schlages im Krankenhaus in Calw. Die Untersuchung des Angeklagten aus feinen Geisteszustand, deretwegsn die erste Verhandlung vor dem Schwurgericht in der letzten Periode abgebrochen werden mußte, ergab seine strafrechtliche Verantwortlichkeiten. Die Geschworenen überzeugten sich von der Schuld des Weiß und bejahten dis 2!'.f Raubmord und versuchten Raub lautenden Schnld- fragen. worauf das Todesurteil gefällt wurde, Der Angeklagte nahm es gelassen und ohne besondere Erregung entgegen. ' ,
Sie sprachen von der Gräfin Wassilewska, zu der sie unverkennbar in nahen persönlichen Beziehungen standen, und waren unerschöpflich in Ausdrücken der Bewunderung für die Schönheit der Polin.
„Wenn diese Münchener nicht ganz mit Stumpfheit geschlagen sind, werden sie morgen nichts anderes sehen als sie," sagte die Eine. „Ist es nicht, als ob eine ganze Welt zwischen ihr und all diesen deutschen Frauen läge?"
„Ja. Und ich kann nicht verstehen, daß sie sich bereitgefunden hat, all dem zusammengelaufenen Volk zur Augenweide zu dienen. Sie, die von jeder europäischen Hofgesellschaft mit offenen Armen empfangen wird!"
„Oh, die Erklärung ist nicht gar so schwer zu finden. Wenn man von irgendeinem exzentrischen Entschluß der Gräfin Wassilewska hört, muß man immer fragen: Wer ist der Mann, der dahintersteckt? Und hier braucht man nicht lange nach ihm zu suchen."
„Sie glauben also, daß dieser Maler, der den Antonius machr-?"
„Aber gewiß! In der gestrigen Soiree bei dem Prinzen Alfons wurde schon davon ^gesprochen wie von einem öffentlichen Geheimnis. Des Vormittags geht sie zu ihm, um ihm für ein Porträt zu sitzen, und die Nachmittage verbringt er dann aus Erkenntlichkeit bei ihr, um ihr die Kleopatra einzustudieren. Wie man heute sehen kann, muß es ein sehr gründlicher Unterricht gewesen sein; denn man braucht nuk einen Blick auf die beiden zu werfen, um sich zu überzeugen, daß sie den Antonius und seine Herzliebste an diesem Abend nicht zum ersten Male agieren."
„Der Aermste! — Sie wird ihm nicht besser mitspielen als der großen Zahl seiner Vorgänger, Ist er übrigens von anständigem Herkommen?"
„Nein — ein Bauernsohn oder etwas dergleichen. Und obendrein jung verheiratet — wie man mir erzählt hat, mit einer sehr schönen und vornehmen Frau. Unsere liebe Pola wird sich da vermutlich wieder die Verantwortung kür eine kleine Ebetraaödie auf das Gewissen laden."
ff Heilbronn, 4. Juli. (Ein dummer Streich. 1 Die Fälschung einer öffentlichen Urkunde und versuchter Betrug brachten gestern den 22 Jahre alten ledigen Schlossergesellen Wilhelm Bestle von Cannstatt vor das Schwurgericht. Der junge Mann war in Neckarsulm in einer Fabrik beschäftigt und wollte dort ohne Kündigung die Arbeit abbrechen, um eine andere Stellung anzunehmen. Um nun das ohne Lohnaussall zu ermöglichen, ließ er sich von seinem Heimatort eine Bescheinigung kommen, daß sein Vater gestorben sei. Das war auch tatsächlich der Fall, aber schon mehrere Jahre vorher- Die erhaltene Bescheinigung versah er nun mit einem neuen Datum und zeigte dies dann dem Werk- fühter vor. Für diese Fälschung .erhielt der unvorsichtige Schlossergeselle 3 Monate Gefängnis, aus die 18 Tage der erlittenen Untersuchungshaft angerechnet werden.
Deutsches Reich.
Personalveränderungen im Heer.
* Berlin, 5. Juli. Das „Militärwochenblatt" meldet: Freiherr v. d. Goltz, Generalseldmarschall und Generalinspekteur der zweiten Armeeinspektion, wurde aus sein Gesuch von dieser Stellung enthoben und ist in das Verhältnis der Offiziere zur Disposition übergetreten. Er verbleibt im Verhältnis als Chef des Infanterieregiments' v. Bohen (5. Ostpreuß.) Nr. 41 und wird auch ferner in der Dienstaltersliste der Generale geführt."
* »
Der Rücktritt des Freiherrn v. d. Goltz, an dessen Stelle der bisherige Kriegsminister v. Heeringen tritt, war schon vor einiger Zeit angekündigt worden. Er iß bekanntlich von 1883 bis 1895 in der türkischen Armee tätig gewesen. Dann wurde er Divisionskommandeur in Frankfurt a. Q„ 1898 Geueralinspekteur des Ingenieur- und Pionierkorps und der Festungen, 1902 Kommandeur des ersten Armeekorps, 1907 Generalinspekteur der 6. Armeeinspektion, 1911 Generalseldmarschall. Voraussichtlich kommen noch weitere Personalveränderungen, sobald der neue Kriegsminister ernannt sein wird. '
Von Nah und Fern.
Uebersall auf emen russische« Konsul. Wie aus
Urmia (Persien) gemeldet wird, wurde der russische Konsul, der sich in Begleitung von 40 Kosaken und 40 Kurden befand, von einer großen kurdischen Räuberbande überfallen. Es entspann sich ein heftiger Kamps. Als dem Konsul eine russische Truppenabteilung zu Hilfe kam, wurden die Räuber vertrieben. Sie hinterließen zahlreiche Tote und Verwundete. Bon den Russen wurden zwer Kosaken getötet, ein Offizier und sechs Mann verwundet.
Ausland,
Unruhen im Randgebiet.
In Johannis bürg verursachten die Streikenden ganz bedeutende Unruhen, so daß die Truppens charf schossen. 6 0 Personen siollen getötet oder verwundet worden sein. Der Streik ist beendet.
^ „Nun, sie wird nicht allzu schwer daran tragen. Aber ich fange jetzt an, zu verstehen, warum die Liaison einen Reiz für sie hat. Sie hat ja nun einmal ein Faible für dramatische Komplikationen."
Helga hörte von dem Folgenden nichts mehr, denn es war plötzlich wie das Rauschen einer Meeresbrandung in ihren Ohren, und bis in den Hals Hinauf fühlte sie den wilden Schlag ihres Herzens. Die Luft, die sie atmen mußte, legte sich ihr mit einem Male erstickend schwer auf die Brust, und für einen Moment fürchtete sie, von einer Ohnmacht befallen zu werden. Aber ihr Wille war stark genug, die Schwäche des Körpers zu überwinden. In demselben Augenblick, wo sich drunten im Saale alles in ein ausgelassen lärmendes Bacchanale löste, wo Männer und Frauen jauchzend das auf seinem erhöhten Thronsitz zärtlich aneinander geschmiegte Liebespaar umtanzten, erhob sich die junge Frau von ihrem Stuhl und wandte sich der Treppe zu. Langsam, aber hoch aufgerichtet, und mit statuenhaft ruhigem Antlitz schritt sie die Stufen hinab, ließ sich in der Garderobe, in die sie unbemerkt gelangt war, ihren Mantel geben und trat auf die Straße hinaus.
Eiskalt fegte ihr der Münchener Wind ein widriges Gemisch von Regen und Schnee in das Gesicht; aber sie dachte nicht einmal daran, ihren Schleier herabzuziehen, wie es ihr nicht einfiel, sich einer der vor dem Künstlerhause haltenden Dryschsen zu bedienen, -
'Hal^ mechanisch die wohlbekannte Richtung verfolgend, legte sie zu Fuß den weiten Weg bis »ach Bogenhausen zurück, und sie war völlig durchnäßt, als sie die Villa erreichte.
Sie mußte die Glocke ziehen, da sie keinen Schlüssel bei sich trug, und sie wollte mit kurzem Gruß an der Dienerin vorüber, die ihr geöffnet hatte. Aber das Mädchen hielt sie durch seine Anrede zurück.
„Gnädige Frau wollen verzeihen — während der Abwesenheit der Herrschaften ist eine Dame angekommen — eine Dame mit einem Koffer. Wenn ich recht verstanden habe, ist es eine Verwandte der gnädigen Frau."
Fortsetzung folgt.
Der neue Balkankrieg.
lieber den neuen Balkankrieg liegen eine Menge Nachrichten vor, die aber wenig zuverlässig sind, so daß er nutzlos ist, sie alle zu verzeichnen Ein Situationsbericht aus Uesküb ist vielleicht der Wahrheit am nächsten. Er lautet:
Die jüngsten Meldungen aus Mazedonien berichten von wechselndem Schlachtenglück, doch ist im ganzen ein stetiges, langsames Vordringen der Bulgaren sestzustellen. Die Verluste an Toten und Verletzten gehen auf serbischer wie aus bulgarischer Seite in die Zehntausende. Die Kämpfe werden mit furchtbarer Erbitterung geführt.
Die Beziehungen abgebrochen.
ss Belgrad, 6. Juli. Der serbische Geschäftsträger in Sofia wird heute die bulgarische Regierung mittels einer Note davon verständigen, daß infolgt des tückischen Ueber- falls der bulgarischen Armee vom 30. Juni Serbien es als vollkommen erwiesen betrachte, daß die bulgarische Regierung, von unbegreiflichem Haß und Feindseligkeit gegen Serbien ohne Kriegserklärung eröffnet und hiermit den Bund und das Freundschaftsbündnis zerrissen habe. Von heute ab betrachte daher die serbische Regierung alle Beziehungen mit Bulgarien als abgebrochen und rufe ihren Gesandten ab.
ss Sofia, 5. Juli. Der griechische Gesandte hat heute vormittag Sofia verlassen. Er reist über Rustschuk. Der Schutz der griechischen Interessen wurde der französischen Gesandschast übertragen.
ss Sofia, 5. Juli. Infolge der Abreise des griechischen Gesandten Panas ordnete die Regierung gestern an, daß der bulgarische Gesandte in Athen, Hadji Mischern, seinen Posten verlassen und die Archive der russischen Gesandschast anvertrauen solle.
js Athen, 5. Juli. Ter bulgarische Gesandte wird heute oder morgen vormittag abreisen.
Die griechische Regierung.
fs Athen, 6. Juli. Die griechische Regierung hat den Kriegszustand erklärt. Neutrale Schiffe, die nach den bulgarischen Häfen im Schwarzen Meer bestimmt sind, werden einer Durchsuchung wegen Kriegskontrebande unterworfen.
Die Rumänen.
* Berlin, 5. Juli. Von der rumänischen Mobilmachungsordre sind in Berlin ungefähr zweihundert junge Rumänen betroffen worden, in der Mehrzahl Studenten. Für die zurzeit zu ihver Ausbildung in der preußischen Armee dienendes rumänischen Offiziere ist bereits die Entlassung aus dem preußischen Heeresverbande zugesagt worden.
s s Bukarest, 5. Juli. Die rumänische Eisenbahnen haben am Samstag nachmittag um einhalb 6 Uhr den gesamten Privatverkehr eingestellt und den für die Mobilisierung vorgesehenen Fahrplan in Kraft treten lassen.
Much die Türkei bereitet sich vor.
Zwar wünscht die Türkei nach einer offiziösen Mitteilung Neutralität zu bewahren. Daneben bereitet sie sich aber auf Eventualitäten vor, wie aus folgender Meldung hervor-
geht: ' „ . ^ ^ / I
ä K?"ftÄntinopet, 6. Juli. Der Militärgouverneur hat allen beurlaubten Offizieren und Soldaten der Tschataldscha- armee und der Westarmee, soweit sie zur Tschataldschaarmee kommandiert sind, die Rückkehr in ihre Korps befohlen.
Handel und Verkehr.
Mitteilungen der Zeutralvermittluugsstelle für Obstverwertung in Stuttgart, Eßlingersrraße 15. Ausgegeben am 5. Juli.
Tafelo bst preise auf dem Stuttgarter Engros-Markt. Erdbeeren, Garten 30—60 M., Erdbeeren, Wald 70—80 M., Himbeeren 40—45 M., Stachelbeeren 25—30 M., Johannisbeeren, rote 20—25 M., Johannisbeeren, schwarze 26—30 M., Heidelbeeren 30—35 M., Kirschen 25—45 M., Weichseln 35- 45 M. p. 50 üg.
Die Zufuhr war ganz bedeutend, leider der größte Teil ausländische Ware. Es tritt, seit die Haupterdbeerernte vorüber ist, keine Obstart besonders in den Vordergrund, es gibt von allem etwas. Die Preise sind dem schlechten Ernteergebnis entsprechend hoch, sind aber für Walderdbeeren, Stachelbeeren, Johannisbeeren und geringe Kirschen um ein geringes gesunken; die italienischen Aprikosen zogen dagegen erheblich an. Die Heidelbeerernte im Mainhardter Wald zeigt sich nicht ergiebig, die erste Blüte war erfroren; vom Schwarzwald wird eine mäßige Ernte erwartet, die in 8 bis 10 Tagen zum Versand kommt.
Die Ernteaussichten im Lande werden mit Ausnahme von Zwetschen immer geringer, während über die Most- und Tafelobsternten des Auslandes, besonders Italiens und Frankreichs, bessere Nachrichten eintreffen; mit diesen beiden Ländern sind schon feste Abschlüsse für Lieferung von Mostäpfeln im Oktober zu mäßigen Preisen abgeschlossen worden. Die Schweiz berichtet über durchaus schlecht« Aussichten, eine Einfuhr von dorther in Mostobst sei nicht zu erwarten.
Voraussichtliches Wett«.
am Dienstag, den 8. Juli: Etwas Aufheiterung, mäßig warm, kein ernstlicher Niederschlag.
Verantwortlicher Redakteur: Ludwig Lauk.
Druck und Verlag der W. Rieker'schen Buchdruckerei AltErig.