Deutscher Reichstag.

(Sitzung vom 26. Februar.)

Vizepräsident Tr. Paas che eröffnet die Sitzung !mn 1.20 Uhr. Am Bundesratstisch ist niemand erschienen. Erster Punkt der Tagesordnung ist die Beratung des nationalliberalen Antrages auf Vorlegung eines Ge­setzentwurfs zur Regelung des Submis­sionswesens im Deutschen Reich. Auf Antrag des Wbg. Schultz (Reichsp.) wird ein von der Reichspartei «gestellter Initiativantrag, der sich in der gleichen Rich­tung bewegt, mit zur Diskussion gestellt.

Mg. Frhr. v. Richthofen (natl.): Bei einer künf­tigen Regelung des Submissionswesens müßte als Grund­regel festgestellt werden, daß es den Behörden freige- lassen wird, bei kleineren Werten den Weg der freihän­digen Vergebung zu wählen. Bei Objekten von 5000 Mk. an sollte unbedingt dagegen die Submission geboten sein. Ausnahmen sollen nur gemacht werden bei eiligen Liefe­rungen für Heer und Marine. Tie Annahme des billigsten Preises führt stets, wenn es auch am bequemsten ist, zu den übelsten Konsequenzen, indem manche Firmen unter Preis liefern, nur um mit den Behörden ins Geschäft zu kommen. Wir verlangen deshalb eine reichsgesetz-- kiche Regelung dieser Sache und die Einsetzung eines Reichssubmissionsamts als Kontrollstelle. Ich bitte, den Antrag einer Kommissionsberatung zu unterziehen.

Abg. Warmuth (Reichsp.): Wir bitten, auch un­seren Antrag einer Kommissionsberatung zu unterziehen. Mit der gegenwärtigen Regelung des Submissionswesens rst dem Handwerkerstand keineswegs gedient. Tie Unter­bietung ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen groß- gezvgen worden zum Schaden des Handwerkerstandes. Ten Verordnungsweg halten wir für genügend. Vor allen Tingen müssen kleinere Lose vergeben werden.

Abg. Hüttmann (Soz.): Tie ungeheuren Miß­stände zu beseitigen, sind wir gern bereit. Aber auch die Interessen der Arbeiterschaft sind zu berücksichtigen. Ein großer Fehler ist, daß in die Submissionsbedin­gungen eine Streikklausel ausgenommen worden ist.

Auf Antrag des Mg. Graf Carmer -Zieserwitz wird ein das gleiche Thema behandelnder Antrag der Konser­vativen mit zur Debatte gestellt.

Mg. Irl (Z.): In eigener Regie des Staates Arbeiten auszusühren, liegt nicht im Interesse des Hand­werks, legt uns aber die Regierung einen entsprechenden Gesetzentwurf vor, so sind wir zur Mitarbeit gerne bereit.

Auf Antrag des Mg. Mumm (W. V.) wird ein von seiner Partei gestellter Antrag gleichfalls in die Be­ratung hineingezogen. (Heiterkeit.)

Abg. Graf C a r m e r-Zieserwitz (kons.): Daß die reichsgesetzliche Regelung nicht durchführbar ist, haben schon die Verhandlungen des preußischen Abgeordneten­hauses ergeben.

BartsKat (Fp.): Mit der Forderung, dak die Behörden mehr als bisher die Arbeiten in eigene Regie nehmen sollen, sind wir nicht einverstanden.

Tombeck (Pole): Wir wünschen eine reichsgesetz­liche Regelung des Submissionswesens. Bedingung bei der Vergebung der Arbeiten müßte sein, daß die Firmen die tarifmäßigen Löhne zahlen.

Werner (W. V.): Ter Gedanke, den Begriffan­gemessene Preise" in die Snbmissionsbedingungen einzu­setzen, ist durchaus gut und durchführbar.

Tie Anträge werden einer besonderen Kommission von 28 Mitgliedern überwiesen. Der Antrag der Kon­servativen auf Schaffung kleiner Garnisonen wird von der Tagesordnung abgesetzt. Es folgen Petitionen, zu­nächst eine solche aus den Kreisen der Zündwarenindustric

auf Aenderung der Zündwarensteuervorlage. Tie Kom­mission beantragt Neberweisung zur Berücksichtigung, so­weit die Petition Schadloshaltung der geschädigten Ar­beiter verlangt, Neberweisung zur Erwägung, soweit die Petenten eine Kontingentierung verlangen. Im silbrigen beantragt die Kommission Uebergang zur Tagesordnung, namentlich hinsichtlich Schaffung einer Steuer auf Her­stellung von Schwedenschachteln, sowie der Aufhebung der Zündwarensteuer. Nach kurzen Bemerkungen des Mg. Sp erlich (Z.) wird die Petition gemäß dem Kvmnris- sionsantrag erledigt. Tie Petition eines Veteranenvereins aus Gewährung einer Veteranen-Beihilfe wird an die Kommission zurückverwiesen. Bei der Petition von An­gehörigen des kaufmännischen und gewerblichen Mittel­standes aus Rheinland-Westfalen auf Abänderung des Schutzes über gewerbliche und wirt­schaftliche Genossenschaften und Verbot des Handels der Beamten, beantragt die Kommission Ueber- weisung als Materien.

Abg. Feuerstein (Soz.): Die Petenten wollen eine Aenderung des Gesetzes zu ungunsten der Konsumver­eine. Er beantragt Uebergang zur Tagesordnung. Die Konsumvereine seien in unserem heutigen Wirtschafts­leben notwendig. Ein Verstoß gegen das Wirtschafts­gesetz sei ihnen noch nicht nachgewiesen worden.

Abg. Chrysant (Z.): Die gegen die Konsumver­eine angeführten Mißstände sind nicht zu leugnen. Der gewerbliche Mittelstand erfährt durch sie manche Schä­digungen.

Abg. Hahn (Soz.): Es ist sonderbar, daß sich dieser gegen die Konsumvereine gerichteten Petition eine Anzahl von Vereinen angeschlossen hat, die dasselbe Ziel ver­folgen.

Bei der Abstimmung über den sozialdemokratischen Antrag auf Uebergang zur Tagesordnung bleibt das Resultat zweifelhaft. Es muß Hammelsprung stattfinden. 90 Mgeordnete stimmen dafür, 41 dagegen, das Haus ist also beschlußfähig. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr, Fortsetzung der Etatsberatung. Petitionen. : WH M Uhr.

Ultenrteig, L7. Februar IV13.

* Nationalspende zum Kaiserjubiläum. Dem

deutschen Kaiser soll zu seinem bevorstehenden 25- jährigen Negierungsjubiläum eine Nationalspende für die christlichen Missionen in unfern Kolonien und Schutzgebieten überreicht werden. Zu diesem Zweck ist von dem Zentralkomitee in Berlin ein Ausruf ergangen, den wir an der Spitze unseres Blattes nochmals wiedergeben. Die Redaktion die­ses Blattes hat sich auf besonderen Wunsch hin bereit erklärt, Gaben für die National­spende in Empfang zu nehmen und öffentlich hierüber zu quittieren. Da diese Nationalspende einer Sache zufließt, die tatkräftiger Unterstützung würdig und bedürftig ist, so zweifeln wir nicht, daß alle Kreise der Bevölkerung ihren Teil zur Sammlung beitragen.

ep. Ein württ. Landeskomitee für die Nativ- nalspende. Zum Zweck der Konstituierung eines württ. evang. Landeskomitees für die National­spende zum Kaiserjubiläum hatte sich im Vortrags­saal des Landesgewerbemuseums in Stuttgart ein ansehnlicher Kreis leitender Persönlichkeiten aus den verschiedensten Berussständen zusammengefunden. Reg.-Dir. Dr. v. Hieber, der die Versammlung

begrüßte, knüpfte an die bedeutsamen geschichtliche« Beziehungen dieses Jubiläumsjährs an, das -man allenthalben im Deutschen Reich nicht bloß durch eine vorüberrauschende Feier, sondern durch eine bleibende Stiftung zur Förderung einer großen Sache zu begehen wünsche, und legte die Vorge­schichte, den Zweck und die Bedeutung einer Jubi- Läumsspende für die Missionen dar. Dr. P. v. Lechler gab hieraus einen Ueberblick über die aus­gedehnten und immer mehr erweiterungsbedürß- tigen Aufgaben der Mission, besonders auf dem Gebiet der Schule und des missionsürztlichen Dien­stes. Nachdem England und Amerika schon lange die großartigen Werte erkannt habe, die die Mis­sion durch ihre Pionierarbeit auch der Heimat leiste, sei zu hoffen, daß die Jubiläumssammlung auch bei uns allseitige Anteilnahme finden und sich zu einer eindrucksvollen Volksspende gestalten werde. In ihr soll sich die Dankbarkeit kund ge­ben für das 25jährige FrieLensregiment des Kai­sers, das blühenden Aufschwung auf allen Ge­bieten gebracht habe. Unter lebhafter Zustimmung der Anwesenden wurde sodann einwürtt. evang. Landeskomitee für die Nationalspende zum Kai­serjubiläum" ins Leben gerufen. Die Mitteilung, daß Graf von Zeppelin das Ehrenpräsi­dium übernommen habe, wurde mit freudigem Beifall ausgenommen. Zum Vorsitzenden wurde Dr. P. v. Lechler, zum stellvertr. Vorsitzenden Regt-Dir. v. Hieber gewählt. Ferner wurde ein Arbeitsaus­schuß gebildet: endlich konnte die erfreuliche Mit­teilung gemacht werden, daß ein ungenannt sein wollender Geber die Spende mit einein Beitrag von 5000 Mk. eröffnet habe. Möge der schöne Gedanke dieser Jubilänmsgabe auch in unserem Schwabenland überall kräftigen Wiederhall finden!

* Gompelscheuer, 27. Febr. Christian Kallfaßi zum Lamm hat sich in geistiger Umnachtung durch Erschießen entleibt.

- Calw, 26. Febr. Die Talmühle, welche in dem Besitze des Gemeindeverbands Elektrizitäts­werk Calw sich befindet, wird gegenwärtig nur als Wirtschaft betrieben, da das Fabrikgebäude noch keine Verwendung gefunden hat. Es soll nun ernA- lich an die Ausführung des unterirdischen Ka­nals von der Talmühle bis zum Elektrizitätswerk gegangen werden. Gegenwärtig wird mit den Ver­messungen und Vorarbeiten begonnen. Mit der Ausnützung der Wasserkraft bei der Talmühle und dem Hofgut wird der Gemeindeverband das Elek­trizitätswerk noch viel rentabler gestalten können. lieber die Gestaltung der Hirsauer Brückenver- hältnisse ist, entgegen anders lautenden Nachrichten, noch keine endgültige Entscheidung getroffen.

si Reuenbürg, 26. Febr. In Pfinzweiler ist heute nacht das Gasthaus zur Sonne samt der Scheune und dem Wohnhaus des Sägers Gauß vollständig niedergebrannt. Der Schaden wird anß 80 000 /Mk. geschätzt.

js Neuenbürg, 26. Febr. (Waldbr.and.) Ge­stern nachmittag 4 Uhr brach vermutlich infolge' Brandstiftung im Wald auf Gemarkung Oberlengen­hardt, htes. Oberamts Feuer aus, das sich beL der jetzigen Dürre und dem starreu Wind schnell verbreitete und zwei Morgen Bestand, dem Marthw Großmann von Schömberg gehörig, vernichtete. Der Schaden ist 23000 Mk. Die Feuerwehr von Oberlengenhardt rückte aus und dämmte den Brand ein.

>M Uh-

Innere Schätze beglücken. Dir im Inneren lieget Edel­stein und Gold: da grabe in den Grüften. Von außen suchst du ewig Ruhe vergebens.

Herder.

Der tote rlamyyr.

Roman von H. Hill.

(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)

Vor allen Dingen aber mußte er tun, was in seinen Kräften stand, um Melneck zu beruhigen, denn ein Zu­sammenbrechen des Kaufherrn gerade jetzt, womöglich eine Krankheit mit Fieber und Delirien, konnte von den ua- berechenbarsten Folgen sein.

Nun," sagte er daher heiter,die Kerle haben uns eine Mühe erspart, und zum Dank dafür müssen Sie sich schon entschließen, den pekuniären Verlust zu tragen."

Melneck klammerte sich sofvrt an diesen Äusspxuch.

Das will ich gern," meinte er,haben mir doch die Dieb« den Gefallen getan und die Kastanien für mich au» dem Feuer geholt! Man sollte denken, der Himmel hätte sie herbeigeschickt, um mich zu retten. Und da fällt mir ein, das erklärt ja auch Lehmann« Beschwerde. Sie haben die Kiste genommen, um um »das" hinein­zupacken."

Und in abgebrochenen, geflüsterten Worten, von krampfhaftem nervösen Lächeln begleitet, erzählte er Harald von dem Verschwinden der Kiste für die Muster nach Singapore.

Der junge Arzt beobachtete ihn ängstlich: den» die Reaktion konnte ebenso nachteilige Folgen für Melnecks Gesundheit haben, wie die Angst und Aufregung vorher. Gr mußte jetzt eingreifen.

Das ist eine ganz belanglose Sache," sagte er,das wichtigste ist jetzt, daß wir etwas für Sie tun, Ihre Nerven sind ja ganz herunter. Am besten würde es sein, wenn Tie den Schauplatz der gestrigen Vorgänge auf einige Zeit verließen. Wie wäre es, wenn Sie anstatt im August schon jetzl nach Westbücht gingen?"

Dieser Vorschlag kam Melneck außerordentlich gelegen. Er hatte das Gefühl, daß er wahnsinnig werden müßte, wenn er Tag für Tag in diesem Raum mit den gräßlichen Erinnerungen zubringen sollte. Aber dort in Westbucht, umweht von der frischen salzigen Brise, umtost von dem Donner der Brandung, dort mußte es ihm gelingen, Ruhe zu finden und vielleicht auch, wenn eine gewisse Zeit vergangen war, Vergessenheit.

Um die Angelegenheit sofort in die Wege zu leiten, klingelte er und ließ Herrn Mössinger bitten, einen Augen­blick herüberzukommen.

Er stellte die Herren einander vor.Dr. Schetzler," sagte er,ist mein ärztlicher Berater. Ich habe mich in der letzten Zeit gar nicht wohlgefühlt, und er hat mich nun gründlich untersucht. Er hat es hier getan, weil ich meine Leute zu Hause nicht beunruhigen wollte. Doktor Schetzler meint nun, ich solle eine Zeitlang ganz aus- spannen, und zwar am besten sofort. Liegt irgend etwas vor, das meine Gegenwart hier für den Augenblick nötig macht?"

Der Geschäftsführer beeilte sich zu versichern, daß dies durchaus nicht der Fall sei. Er bedauerte das Unwohlsein des Chefs außerordentlich und meinte, dessen angegriffenes Aussehen sei ihm schon heute morgen ausgefallen. Herr Melneck könne aber ganz ruhig schon jetzhUrlaub nehmen,

es uege gar mcyrs «eionoeres vor, uno er, Mössinger, werüe schon dafür sorgen, daß alles im gewohnten Geleise gehe.

Sollte sich irgend etwas Außergewöhnliches ereignen," -fügte er hinzu,so kann ich mir ja telegraphisch schnell Rat holen."

Melneck nickte, und Mössinger, der dies für ein Ent­lassungszeichen hielt, ging, doch nicht, ehe er Harald einen heimlichen Wink gegeben, ihm ins Hauptbureau zu folgen, was dieser auch tat.

»Ich sehe wohl," erklärte Mössinger draußen,daß der Chef kränker ist, als er zugsben will, und deshalb wollte ich ihn .nicht mit einer Kleinigkeit belästigen. Es ist nämlich ein Mann da, der durchaus nicht wieder fort- gehen will, ohne Herrn Melneck gesprochen, zu haben. Mir kommt er betrunken vor, er will sich aber nicht ab­weisen lassen. Vielleicht, wenn Sie ihm sagen, daß Herr Melneck krank ist und niemand empfangen kann, geht er fort, ohne eine unangenehme Szene zu machen. Dort drüben steht er am Zahltisch."

Hat er Ihnen gesagt, in welcher Angelegenheit er kommt?" fragte Harald, einen Blick hinübsrwerfend.

Er ist Kunstschlosser, wie er sagt, und ganz besonders bewandert im Reparieren von Geldschränken. Herr Melneck würde sicher etwas für ihn zu tun haben," meinte er.

Harald erbebte bis ins Innerste bei dieser Antwort. Also der Kampf fing bereits an; da galt es, sich zu wappnen. Sein Gesicht war unbeweglich, als er auf die andere Seite des Tisches trat, wo ein Mann in Arbeiter- kleidung, einen Sack mit Werkzeug über der Schulter, sich in einer Haltung rekelte, die an Frechheit nichts zu wünschen übrigließ.

Sie können Herrn Melneck heute nicht sprechen," sagte Schetzler,er ist nicht wohl. Und nun verlassen Sie. gefälligst das Lokal, sonst könnte sich die Polizei hin­einmischen."

Ach so!" erwiderte der Mensch in frechem Ton.Krank is der jnädige Herr! Ick hatte jehofft, sein Geldschrawk wäre krank, un ick kennte ihm kurieren."

Und dabei grinste er und zeigte eine Reihe Zähne, die so auffallend plombiert waren, daß der witzige LcH- bursche ihn nachherden Mann mit die Blechzähne" nannte, denn selbstverständlich waren es keine Gold-, sondern Amal­gamplomben.

Dem Geldschrank fehlt nichts," mischte sich Mössinger jetzt ein,ich weiß zufällig, daß Herr Melneck ihn heute morgen schon geöffnet hat, und daß alles in Ordnung war."

Und wenn etwas nicht stimmte, so würde er natürlich zu dem Fabrikanten schicken," fügte Harald hinzu.Und jetzt hinaus mit Ihnen!"