st Stuttgart, 28. Dez. (Minister und Presse.) Der bisherige Minister des Innern, Herr v. Pischek hat an sie Presse geschrieben: Ich brauche kaum hervorzuheben, welch reichliche Gelegenheit ich während meiner amtlichen Tätig­keit gefunden habe, die gar nicht hoch genug ein­schätzbare Bedeutung der Presse für die Gestaltung und Entwicklung unseres öffentlichen Lebens auf allen seinen Gebieten kennen und insbesondere würdigen zu lernen, wieviel fruchtbare und dan­kenswerte Anregung und Förderung für die Re­gierung und wieviel Gutes für die Allgemeinheit eine von Sachkunde, von ehrlicher Ueberzeugung und von patriotischer Gesinnung getragene Presse zu vermitteln und unmittelbar zu wirken vermag. Ich halte es daher für eine selbstverständliche,, zugleich durch das eigenste Interesse gebotene Pflicht jeder Regierung, einer solchen Presse, un­abhängig von ihrem sonstigen Parteistandpunkt und ebenso der Standesinteressen und dem Ansehen ihrer Vertreter jede mögliche Förderung angedeihen zu lassen. Nach dem herzlichen Dank für die ihm gegenüber betätigte wohlwollende und freund­liche Gesinnung schließt der Minister mit der Ver­sicherung:Insbesondere wird mir die vorherr­schende überaus günstige Beurteilung, die über alles Verdienst hinaus meine Amtstätigkeit bei meinem Scheiden aus dem aktiven Dienst gefun­den hat, für den Abend meines Lebens eine in­nige mit tiefer Dankbarkeit empfundene Freude und Genugtuung sein."

st Oberstenfeld, OA. Marbach, 28. Dez. Es geht das Gerücht, daß der Schwindler nach dem Muster des Hauptmanns von Köpenik, der s. Zt. in Billensbach die Kasse der Gemeindepflege revi­dierte und mitnahm, durch Zufall entdeckt wor­den sei. Es soll ein Notariatsgehilfe aus der Um­gebung von Heilbronn sein, den der Aiywalt von Billensbach anläßlich amtlicher Geschäfte bei dem betr. Notariat wieder erkannt haben soll.

st Heitbronn, 28. Dez. Heute früh ist der Rek­tor des hiesigen Karlsgymnasiums, Georg Lech­ter, nach langer Krankheit gestorben. Er stand als Nachfolger von Oberstudienrat Dr. Dürr seit 1911 an der Spitze des hiesigen Gymnasiums und hatte vorher längere Jahre das Kgl. Pensionat verwaltet.

js Göppingen, 28. Dez. (Der Fall Kinkel.) Der Kgl. Verwaltungsgerichtshof hat die Entscheid­ung des Gemeinderats der Stadt Göppingen, der gegen den früheren Landtagsabgeordneten und der­zeitigen Gemeinderat, Krankenkontrolleur Kinkel auf kündigungslose Entlassung erkannte, bestätigt. Kin­kel und der Ortskrankenkassenvorstand hatten gegen die Entscheidung des Gemeinderats Beschwerde beim Oberamt und gegen dessen beim Gemeinderat bei­tretenden Entscheidung Klage beim Verwaltungsl- gerichtshof eingereicht.

Das Kgl. Landesversicherungsamt am Schlüsse seiner Tätigkeit.

js Stuttgart, 28. Dez. Das Kgl. Landesver- sicherungsamt hielt heute seine letzte Sitzung ab. Am Scklusse der Sitzung hielt der Vorsitzende des K. Landesversicherungsamtes, Präsident v. Nestle, folgende Ansprache:Ich schließe hiermit die heu­tige Sitzung und mit ihr die letzte. Nach 25- jährigem Bestehen wird das K. Landesveriicherungs-

O L«s-frucht. A

Zu stehn in frommer Ellern Pflege,

O welch ein Segen für ein Kind!

Ihm sind gebahnt die rechten Wege,

Tie andern schwer zu finden sind.

Ludwig Uhland.

UrbrrWtndrndr Kirbe.

Erzählung von B. v. Winterfeld.

(Fortsetzung.) Nachdruck verboten.

Eines Abends, als man sich schon .Gute Nachb ge- wünscht und jeder sein Zimmer aufgesucht hatte, fiel es Hilde ein, daß sie im Eßzimmer einen Schal vergessen. Sie eilte leise herunter, ihn zu holen. Auf dem weichen Smyrnateppich verhallten ihre leichten Schritte.

Die Tür zu ihres Onkels Zimmer war nur angelehnt, und wider Willen hörte Hilde die Worte, die er zu seiner Frau sagte:Du findest Heideck stiller als sonst? Mir geht es ja ebenso. Aber ich bin sicher, er ist im Begriff, sich Edith zu erklären, und da ihr Stolz und ihre Sprödig­keit bekannt genug, so wird ihm der Entschluß nicht leicht, die Entscheidung herbeizuführen. Ich kann versichern, ich gebe mein Kind niemand lieber, als diesem Mann!"

Mit blassem Gesicht und bebenden Lippen eilte Hilde lautlos hinaus und auf ihr Zimmer.

Am anderen Morgen bemerkte die Gräfin das bleiche Aussehen ihrer Nichte. Der Graf stimmte ihr zu und fragte besorgt, was Hilde fehlen möge?

Ich glaube, es ist die Berliner Luft, die ich schlecht

amt nun mit dem 31. Dez. 1912 aufgehoben. Wir werden abzuwarten haben, welches Urteil über die Tätigkeit des K. Landesversicherungsamts gefällt wird. In dem Bewußtsein, nach bestem Wissen und Gewissep gerichtet zu haben, legen wir unsere Arbeit nieder. Wir werden vor dem ewigen Rich- terstuhl Rechenschaft zu geben haben, über unsere Tätigkeit, möge uns hier ein gnädiger Richter beschicken sein. Im Namen des Königs haben wir Recht gesprochen, Gott schütze, Gott segne unseren König!" Stehend hörten die Mitglieder des Lan- desversicherungsmntes, die an der Sitzung teil- nahmen, di e eindrucksvollen Worte des Präsiden­ten an. Mit der Aufhebung des K. Landesver­sicherungsamtes findet ein Stück Württembergscher Geschichte seinen Abschluß. Seit Bestehen der So­zialversicherung, seit 25 Jahren konnte ganz be­sonders die ländliche Bevölkerung, die Bauarbei­terschaft, die Arbeiter der Staatsbetriebe und der Amtskörperschaften vor dem K. Landesversicher­ungsamt als die letzte Instanz in Unfallrenten­streitsachen ihr Recht suchen. Von Vorteil war, daß die Leute, persönlich- an der mündlichen Verhand­lung teilnehmen konnten und gehört wurden. Das K. Landesversicherungsamt hat unter der bewähr­ten Leitung des jetzigen und früheren Präsidenten als soziale Institution viel Gutes gewirkt und mancher Verletzte wird es später als einen un­gesunden Zustand empfinden, daß seine Renten­streitsache nicht mehr in Stuttgart, sondern in Berlin entschieden wird und er an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen kann. Von diesem Gesichtspunkt aus, ist die Aufhebung des K. Lan­desversicherungsamt sehr zu bedauern.

Kiderlen-Wächter -f-.

* Stuttgart, 30. Dez. Der Staatssekretär des Auswärtigen Kiderl-ew-Wachter ist heute früh 7.50 Uhr bei seiner Schwester, der verw. Freifrau von Gemmingen-Guttenberg an einer Herzlähurung ge­storben. Staatssekretär Kiderlen-Wächter weilte, wie alljährlich, seit dem heiligen Abend bei seiner Schwester. Seit einigen Tagen war er erkrankt.

Mit großem Bedauern wird man im ganzen Deutschen Reich von dem plötzlichen Ableben des Staatssekretärs Kenntnis nehmen. Er war ein fähiger Diplomat und sein plötzlicher Tod wird gerade jetzt bei der Lösung der Balkankrise eine empfindliche Lücke reißen.

Alfred von Kiderlen-Wächter ist ein Schwabe. Er wurde am 10. Juli 1852 in Stuttgart gebo­ren. Als junger Einjährig-Freiwilliger zog er ge­gen Frankreich ; dann vollendete er seine juristischen Studien und trat (1879) in das Auswärtige Amt ein. 1894 ging er dann als Gesandter nach Hamburg, 1895 wurde er nach Kopenhagen und 1900 nach Bukarest versetzt. Er mußte seine Tätig­keit in Bukarest mehrmals unterbrechen, um den Botsckaster in Konstantinopel zu vertreten. Im November 1909 kam er auch nach Berlin, um in Vertretung des erkrankten Staatssekretärs von Schoen die Leitung des Auswärtigen Amtes vor­übergehend zu übernehmen. Im Jahre 1910 wurde er Staatssekretär.

vertrage, lieber Onkel; wenn ich Vars, möchte ich euch bitten, mich nach Eichenrode zurückzulassen."

Aber Kind, was willst du denn in der verschneiten Einsamkeit jetzt um diese Jahreszeit!" riefen Onkel und Tante wie aus einem Munde.Das ist ja ganz un­möglich !"

Aber liebe Tante, es ist doch gar nicht einsam! Mamsell ist ja da, die für mich sorgt, und im Dorf sind so viele Kranke und Alte, die sich gewiß über meine Rückkehr freuen werden! Bitte, erlaubt es doch l"

Nach längeren Bitten und Vorstellungen gelang es Hilde, die Bedenken ihrer Verwandten zu zerstreuen, und es wurde beschlossen, daß sie noch in dieser Woche nach Eichenrode zurückkehren dürfe. Vorher wurde an Mamsell geschrieben, daß sie alles vorbereiten und Hildes Zimmer wohl durchwärmen sollte.

Welche Freude rief die Nachricht in Eichenrode hervor! Die Kranken, die Armen im Dorf, die Hausleute, alle sahen mit glücklichen, Hellen AugenFräulein Hildes" Kommen entgegen.

Auch einer, dessen Leben in emsiger, tüchtiger Arbeit still im Walde hinfloß, er hatte gehört, daß das junge Mädchen, von dem ihm nur allein Licht und Glück aus­zugehen schien, heimkehre, sein Herz schlug schneller, und sein Entschluß reifte rasch, um endlich die entscheidende Frage zu tun, von der sein Lebensglück abhing.

Einige Tage später, als Edith bei einem Diner neben Heideck saß, bemerkte er:Ihre Cousine sieht in letzter Zeit nicht gut aus, als ob sie krank ist."

Sie kann, wie es scheint, die Berliner Luft nicht vertragen, weshalb sie gestern aufs Land zurückkehrte," er­klärte Edith, indem sie ihn aufmerksam beobachtete. Es entging ihr nicht, daß er die Farbe wechselte und fast er­schrocken fragte:

Sie ist allein in Eichenrod« jetzt mitten im Winter 7*

Sie wünschte es selber dringend und bat meine Eltern so lange, bis sie es erlaubten. Wer weiß, wozu es gut ist," setzte sie schelmisch hinzu.Uebrigens mochte Hilde

Deutsches Reich.

* Hanau, 28. Dez. Beim ersten Bataillon des Eisenbahnregiments hat sich seit gestern die Zahl der Typhus kranken von 225 auf 221 redu­ziert, ebenso die Zahl der Schwerkranken von 12 auf 8. Ein neuer Todesfall ist nicht zu verzeichnen!

* Leipzig, 28. Dez. Heute mittag fand auf der Grabstätte der in der Schlacht bei Leipzig gefalle­nen 22 000 russischen Krieger die feierliche Grund­steinlegung der im Bau befindlichen russischen Ge- dächtniskirche statt. Anwesend war u. a. der rus­sische Kriegsminister Suchomlinow.

st Triest, 29. Dez. Gestern nachmittag brach im Vorderschiff des Lloyddampfers Cleopatra, der im Vorhafen vor Anker liegt, aus unbekannter Ursache Feuer aus, das gegen 40 Waggonladungen Zucker, sowie andere Waren, darunter Teppiche und Manufakturwaren vernichtete. Die Löscharbeiten dauerten bis zum späten Mend. Das brennende Magazin wurde aus 14 Schlauchleitungen mit Was­ser ungefüllt, weshalb sich das Schiss etwas vorn­über neigte. Der Schäden ist in seinem ganzen Umfang noch nicht festgestellt, ist jedoch sehr be­trächtlich.

* Belgrad, 28. Dez. Nach einem offiziellen serbischen Berichte würden gestern von dem unga­rischen Donauufer gegen die serbische Schiffssta­tion bei Grotzka 15 scharfe Schüsse abgegeben. Die serbische Regierung ließ durch ihren Wiener Ge­sandten die österreichisch-ungarische Regierung von dem Zwischenfall in Kenntnis setzen.

st Paris, 29. Dez. Um die zum Schutz der sranz. Sparer, insbesondere gegen die Auswander­ung des sranz. Kapitals, getroffenen Maßnahmen noch wirksamer zu gestalten, hat Justizminister Bri- and angeordnet, daß eine Untersuchung gegen die Angestellten ausländischer Unternehmungen einge­leitet werde, die dem Publikum die von diesen Unternehmungen im Ausland ausgegebenen Wert­papiere anbieten. Dem Auftrag des Justizmini­sters entsprechend, wurde gegen den hiesigen Ver­treter eines Londoner Hauses, der ein kanadisches Wertpapier hier unterbringen wollte, eine straf­rechtliche Untersuchung eingeleitet.

* Petersburg, 28. Dez. Der Rücktritt des Mi­nisters des Innern Makarow ist vorgestern vom Kaiser bewilligt worden. Als Grund wird ge­schwächte Gesundheit angegeben. Makarow verreist morgen ins Ausland.

st Moskau, 29. Dez. Heute früh Hst ein Haus, in dem Arbeiter der Alexanderbahn wohnten, ab­gebrannt. 14 Leichen sind geborgen worden.

st Buenos Aires, 29. Dez. Der Kapitän und die Mannschaft des englischen DamvsersSouth Atlantic" aus Cardiff sind an Bord des Dampfers Liberian" hier eingetroffen. Sie erzählten, die South Atlantic" fei am 9. ds. Mts. 'an den Klippen der Insel Brava, 120 Meilen von Kap Verde entfernt, infolge Nebels gescheitert. Die ganze Mannschaft wurde gerettet.

nie in48erlin sein, und dann hängt sie auch so an den Dorfleuten zu Hause, und sorgte sich hier schon immer, daß sich nun niemand um die Alten und Kranken kümmern würde."

Das ist aber doch eine herrliche Charaktereigenschaft an Fräulein von Steinberg," sagte er.Man findet bei vornehmen Damen so selten warmes Herz für die Not der Geringeren."

Oh," rief Edith, die um keinen Preis in seiner Meinung sinken wollte,ich habe sehr viel Herz für alle Armen und Kranken! Mir fehlt nur das Talent, mich mit ihnen unterhalten, sie besuchen zu können. Die Menschen sind doch einmal verschieden."

Sie sah so wunderschön aus, ihre großen, dunklen Augen, die meist etwas müde blickten, sahen so warm und innig zu ihm auf. Er fühlte sich zu ihr hingezogen. Seit er wußte, daß Hildes Herz so gut wie sicher dem Oberförster gehörte, war eine große Vereinsamung über ihn gekommen, wie früher, und er sehnte sich mit Allgewalt nach einer Seele, die ganz ihm gehörte. Er sah und fühlte Ediths Hingebung, er empfand die warme Freundlichkeit von Ediths Eltern als Wohltat, er dachte an den letzten Brief seiner Tante, die ihm geschrieben:Als deine un­vergeßliche Mutter bereits krank lag, sagte sie mir:wenn unsere lieben Freunde, die Eichens von Eichenrode, eine Tochter haben sollten, so wünschte ich, daß mein Sohn sie einmal heiratet. Der Graf würde ihm ein Vater sein." Und dennoch zögerte er immer wieder, und eine leise Stimme fragte in seinem Innern: Ist die schöne Edith auch die richtige Lebensgefährtin für dich? und er seufzte und sagte sich: die Ideale, die man erwünscht, sind einem versagt, und sie liebt mich doch, das sehe und spüre ich ja. Wenn sie mich liebt, muß sie mich ja glücklich machen. Und doch war in ihm kein Helles Glück, weil er sich selbst nicht versichern konnte:ich liebe siel"

Nach einigen Tagen fuhr Heideck nach Hause, um dort einmal nach dem Rechten zu sehen. Wie er kante.