ordnung, Oberamtsarztgesetz, Proporzgedanken, liberales Bündnis, nahm Herr Kauffmann die Stellungnahme der Volkspartei in Schutz. Er hielt dann neben anderm den Sozialdemokraten vor, wie sie mit ihren anerkannt guten Führern umspringt, wie sie wohl eifrig an diesen und jenen Gesetzen mitarbeitet, hinterher aber die Etats ablehnt, die Abhängigkeit der Landtagsfraktionen und der des Reichstags von den Parteitagen usw., u. ging auf die prinzipiellen Gegensätze zwischen dem Liberalismus und der Sozialdemokratie ein, um dann mit einer, von den anwesenden Anhängern der bürgerlichen Parteien beifällig aufgenommenen Aufforderung zu schlichen, dem insechsjährigertreuerArbeiterprobten Abgeordneten Staudenmeyer die Stimme wiederum zu geben. Stadtpfleger Dreher stellte die Anfrage an den Vortragenden, wie sich seine Partei zu der Forderung der Eewerbevereine, Handwerkerorgani­sationen und Innungen stellt, die Eemeindeeinkommen- steuer auf einen höheren Satz als 50 Prozent der staat­lichen Einheitssätze zu erhöhen. In seiner Erwiderung ging Heymann auf die Entgegenhaltung des erstgenann­ten Diskussionsredners sehr nachdrücklich ein, verteidigte die Ablehnung der Etats damit, dah er sagte, die abge­lehnten Etats seien zustandegekommen auf Grundlagen, die die Sozialdemokraten durchaus nicht billigen können. Sozialpolitik sei im württembergischen Landtag über­haupt erst mit dem Eintreten von Sozialdemokraten in den Landtag getrieben worden. Weil er aber den sozialpolitischen Fortschritt nicht gewollt habe, habe z. B. der hiesige Bezirksvertreter im Landtag gegen das Oberamtsarztgesetz gestimmt. Die Vorgänge inner­halb der Sozialdemokratie dürften in ihrer Partei- und allgemeinpolitischen Bedeutung nicht überschätzt werden, zumal die künfige Landtagsfraktion in ihrer Arbeit sich von der seitherigen nicht unterscheiden werde. Die Frage Stadtpflegers Drehers beantwortete Heymann schließlich dahin: wir sind für das Recht der Gemeinden, die Ge­meinde-Einkommensteuer über den bisherigen Einheits­satz der Staatssteuer von 50 Prozent zu erhöhen. Der gegenwärtige 50prozentige Zuschlag auf die Staatssteuer reiche für die Gemeinden nicht aus. Es mühten aber die Eemeindefinanzen auf eine andere Grundlage ge­stellt werden. Das Ertragssteuersystem bilde eine sehr ungerechte Belastung gerade des Mittelstandes, der Ge­werbetreibenden. Nach einer kurzen Erwiderung Herr Kaufmanns und der Widerrede Herr Heymanns schloß Herr Störr die Versammlung, nachdem er mitgeteilt hatte, dah am 15. November der sozialdemokratische Kan­didat des Bezirks, Reichel, in Calw sprechen werde.

X Hausverkauf. Färbereibesitzer Schoenlen hier hat, wie wir erfahren, das Pfleiderer'sche Haus in der Vorstadt zum Preise von 30000 Mk. angekauft. Die Uebernahme wird auf 1. April nächsten Jahres erfolgen.

scd. Mutmahliches Wetter. Der Einfluh eines von Südwesteuropa wieder auf den Kontinent vorgedrun­genen Hochdrucks wird bereits durch einen neuen aus dem Atlantischen Ozean im Nordwesten auftauchenden Luftwirbel bedroht. Für Dienstag und Mittwoch ist deshalb zwar vorwiegend trockenes, aber wieder wech­selnd bewölktes und mäßig kühles Wetter zu erwarten.

r. Gechingen, 25. Oktober. Wenn eine liebende, nur für das Wohl der Ihrigen treubesorgte Gattin und Mutter oder ein fleißiger, sparsamer Hausvater und Gatte in den besten Jahren der Familie jäh entrissen worden wäre, hätte die Anteilnahme der ganzen Ge­meinde nicht aufrichtiger und herzlicher sein können, als sie sich heute beim Abschied unsres verehrten Herrn

Pfarrers Beutter zeigte. Obgleich er für eine offizielle Abschiedsfeier sich im voraus bedankt hat, konnte er doch nicht hindern, dah wohl die gesamte Einwohnerschaft an der Straße Spalier bildete, um ihm wenigstens noch einen Abschiedsgruh zuzuwinken und im herzlichBehüt Gott" zuzurufen. Und welch stattliche Anzahl von Wagen war nötig, um die Bürger alle zu faßen, welche es sich nicht nehmen liehen, ihm das Geleite bis zum Bahnhof Eärtringen zu geben! Deshalb wurde es auch mit sehr gemischten Gefühlen beurteilt, dah unser Ortsvorsteher sich gar nicht sehen lieh, noch viel weniger dabei be­teiligte. Für den guten Ruf unsrer Gemeinde wird dieser, unter so seltsamen Umständen zuweggebrachte Wegzug unseres Seelsorgers nicht von Vorteil sein. Insbesondere wenn es sich bewahrheitet, dah schon ein Schreiben in seine neue Heimat gekommen sei, in dem man ihn als gemeingefährlich hinzustellen sucht und sich verpflichtet fühlt, die in Bodelshausen vor ihm zu war­nen. Sollte dies sich bewahrheiten, so spricht sich der Schreiber desselben in aller Augen selbst das Urteil. Der allgemeine Wunsch ist blos, dah ein solcher Ränkeschmied dort gar kein Gehör finde. Wir aber rufen unserem Pfarrer auch auf diesem Wege ein herzlichesBehüt dich Gott" zu.

Württemberg.

Evangelisch-Sozialer Kongreß.

Tübingen, 26. Oktober. Unter reger Anteilnahme aus dem Lande fand gestern hier der evangelisch-soziale Kongreh Württembergs statt. In der nicht öffentlichen Versammlung wurde der Jahres- und der Kassenbericht mitgeteiltz über die weitere Vereinsarbeit Beschluß gefaßt und dem Vorsitzenden, Prof. Dr. Eötz - Tübingen, der Auftrag erteilt, Pfarrer Traub-Dortmund, dessen so­ziales Wiken in Württemberg noch unvergessen ist, einen Eruh zu übermitteln. In der öffentlichen Versammlung sprach dann Prof. D. Baumgarten- Kiel überDer ethische Individualismus und seine Gefährdung durch den Staatssozialismus". Der Vortragende rekapitu­lierte zunächst den Verlauf der Essener Tagung, deren Eindruck nicht derart war, wie man es wünschen mochte. Denn in gewissen Kreisen las man aus den Verhandlun­gen heraus, dah auch in bisher der sozialen Fürsorge bis ins letzte ergebenen Kreisen nun doch eine gewisse Für­sorgemüdigkeit Platz gegriffen habe. Diese Auffassung sei ein krasser Irrtum, denn der evangelisch-soziale Kon­greß sehe es heute noch als seine oberste Pflichj an, das Pflichtgefühl der Allgemeinheit gegenüber den im Wirt­schaftsleben schwächer Gestellten zu heben und zu schärfen. Die mißverständliche oder eitelgewollte Aufastung konnte nur Zustandekommen dadurch, dah man einerseits in der Luft liegenden Fragen nicht ins Auge sah, andererseits infolge Zeitmangels die aufgeworfenen Fragen nicht so erörtern konnte, wie man es wünsche. Der Vortragende erörterte dann in ungemein geistvoller Weise alles, was gegen eine weitere Verbreitung des Staatssozialis­mus vorgebracht werde: Erschütterung des Aerztestandes durch die Krankenversicherung, Züchtung eines Simulan- tentums durch die Kassen, Verringerung des Spartriebes und des Verantwortlichkeitsgefühls, Anwachsen des Be­amtentums u. a. mehr. Diese Schäden als vorhanden angenommen, dürfe man nicht erlahmen im weiteren Ausbau der sozialen Fürsorge. Dann ging der Vor­tragende ein auf den Streit Vernard-Brentano, in dem er mit letzterem sympathisiert. Denn Brentanos Theorie sei unbedingt richtig, dah auch die berufliche Organisa­tion, selbst wenn sie dem Individuum nicht freien Spiel­raum lasse, einen gewaltigen Fortschritt, auch in ethi­scher Hinsicht, bedeute. Allerdings möchte man gewisse

Kautelen gegen den manchmal von den beruflichen Orga­nisationen gegen Außenstehende ausgeübten Druck nicht missen, doch dürfe sich das Verlangen darnach zu dem Ruf nach Zuchthausvorlagen etc. nicht «ersteigen. Der Redner schloh mit dem Hinweis darauf, daß auch die idealste soziale Einrichtung durch den täglichen Ge­brauch verlierend müsse, dem könne aber begegnet werden durch Schärfung des Gefühls dafür, dah der Staat nicht die Wünsche des Einzelnen zu erfüllen, sondern für Alle, im besonderen die unter dem Druck des Arbeitsverhält­nisses Stehende zu sorgen habe. Diesem Prinzip könne dienen, wer die Menschenwürde nicht darnach beurteilt, wie der Einzelne seine Stellung ausnützt, sondern dar­nach, was er tut, um dem großen ganzen vorwärts zu helfen. Redner richtete dann die Mahnung an die aka­demische Jugend, sich an den sozialen Bestrebungen zu beteiligen, sie sei berufen, den Wein ungetrübter Be­geisterung zu ziehen in das durch Erfahrung manchmal trübe gewordene Master. In der Diskussion sprach zu­nächst Arbeitersekretär Fischer-Heilbonn, der zum Ausdruck brachte, dah bei den gegen den Staatssozialis­mus erhobenen Bedenken vielfach Uebertreibungen un­terlaufen. Dah der Berufs-Sozialismus auch das Recht des Individuums ertöte oder beschränke, sei zuzugeben, aber dieser Weg war der einzige auf dem überhaupt der einzelne Arbeiter wieder Persönlichkeit werden konnte, auch sei eine Bewegung im Gange, die darauf hinaus­laufe, dem gewerkschaftlich oder politisch Organisierten mehr individuelles Recht als bisher zu verschaffen. Dah Schäden zutage treten, mißt der Redner nicht zuletzt der Marxistischn Lehre zu, deren trügerischen Versprechungen naturgemäß die Enttäuschung folgen muhte. Das hatte zur Folge, dah jeder jetzt den Staat als eine Einrich­tung ansehe, von der er profitieren könne. Professor Dr. Fuchs- Tübingen machte geltend, dah man gegen eine Verstaatlichung oder Kommunalisierung weiterer Unter­nehmungen freilich ethische Bedenken haben könne, es könnte aber ein Zeitpunkt kommen, wo sich die Verstaat­lichung oder Kommunalisierung werbender Einrichtun­gen aus zwingenden Gründen notwendig erweise, wie sich die Uebernahme von Eisenbahnen, Post usw. in Staatsbetrieb notwendig erwiesen habe. Heute sei diese Notwendigkeit nicht gegeben, sie könne aber z. B. hin­sichtlich der Kohlenbergwerke eines Tages kommen. Eine Gefahr für eine gesunde, soziale Betätigung sei damit aber auch noch nicht gegeben, denn dem Ganzen zum Se­gen könnten auch solche Maßnahmen gereichen, wenn man notwendig werdende Formen und Organisationen mit neuem Geiste erfülle. In seinem Schlußwort wies Professor Baumgarten darauf hin, dah eine völlige Aufklärung über wirtschaftliche Gesetze und neue wirt­schaftliche Formen und die Erfüllung der im Evangelium aufgestellten Ziele möglich sei, wenn die zur Herbeifüh­rung geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse Berufenen und die eine Berücksichtigung des ethischen Momentes fordernden Kreise Zusammenarbeiten.

Der Stand der Lebensmittelpreise.

In den Mitteilungen des Königl. Statistischen Lan­desamts findet sich eine wertvolle Untersuchung über den Stand der Lebensmittelpreise, die zugleich die Fort­setzung einer früheren Untersuchung über die Höhe der Fleischpreise bildet. Aus der mit reichen statistischen Tabellen ausgestatteten Darlegung ist nicht zu verken­nen, dah die zum Teil starke Teuerung der Lebensmittel über die schon im vorigen Jahr geklagt wurde, auch Heuer wahrzunehmen ist. Aber was von der Teuerung des Vorjahres gesagt wurde, gilt auch von derjenigen des heurigen Jahres: die Teuerung ist nicht, wie viel-

seit einer halben Stunde ergangen sein. Bald war die Frist abgelaufen, die er ihr gegeben hatte, und noch im­mer war keine Antwort da; man hörte nur ein ängst­liches Hin- und Herrennen in der Stadt, aus welchem man weder gute noch böse Zeichen deuten konnte.

Der Herzog ritt zu den Landsknechten vor, die er­wartungsvoll auf ihren Hellebarden und Donnerbüchsen lehnten. Die drei Ritter, welche sie führten, standen am Graben und hielten durch ihre Anwesenheit die Knechte in Ruhe und Ordnung. Beim Schein des Mon­des betrachtete Georg ängstlich Illerichs Züge. Die Ader auf seiner Stirne war aufgelaufen, eine tiefe Röte lag auf seinen Wangen, und seine Augen brannten in düste­rer Glut.

Hewen! Laßt Leitern anschleppen," sagte er mit dumpfer Stimme.Der Donner und das Wetter! Es ist mein eigen Haus, vor dem ich stehe, und die Hunde wollen mich nicht einlasten. Ich lass' noch einmal blasen, machen sie dann nicht sogleich auf, so schmeih' ich Feuer in die Stadt, dah ihreKäfige zusammenbrennen."

Basta manelka, waz mich daz freut!" sagte der lange Peter, der in der ersten Rotte neben dem Herzog stand, leise zu seinem Kameraden.Jetzt werden Lei­tern herbeigeschleppt, wie die Katzen wir hinauf, mit den Hellebarden über die Mauer gestochen, dah die Kerle herunter müssen, mit den Büchsen drein gepfeffert, Canto cacramento!"

Dat will ik meenen!" flüsterte der Magdeburger,

und dann hinunter in die Stadt, angezündet an allen Ecken, geplündert, gebürstet, da will ik man ooch bei sin."

Um Gottes willen, Herr Herzog," rief Georg von Sturmfeder, welcher die Reden des Herzogs und die greuliche Freude der Landsknechte wohl vernommen hatte.Wartet nur noch ein kleines Viertelstündchen, es ist ja Eure eigene Residenzstadt. Sie beraten sich vielleicht noch."

Was haben sie sich lange zu beraten?" entgegnete Ulcrich unmutig.Ihr Herr ist hier außen vor dem Tore und fordert Einlah. Ich habe schon zu lange Ge­duld gehabt. Georg! Breite mein Panier aus im Mond­schein, lah die Trompeter blasen, fordere die Stadt zum letztenmal auf! Und wenn ich dreißig zähle nach dei­nem letzten Wort, und sie haben noch nicht aufgemacht, beim heiligen Hubertus, so stürmen wir. Spute dich, Georg!"

O Herr! Bedenket eine Stadt, Eure beste Stadt! Wie lange habt Ihr in diesen Mauern gelebt, wollt Ihr Euch ein solches Brandmal aufrichten? Gebt noch Frist."

Ha!" lachte der Herzog grimmig und schlug mit dem Stahlhandschuh auf den Brustharnisch, dah es weit­hin tönte durch die Nacht.Ich sehe, dich gelüstet nicht sehr, in Stuttgart einzuziehen und dein Weib zu ver­dienen. Aber bei meiner Ungnade, jetzt kein Wort mehr, Georg von Sturmfeder. Schnell ans Werk! Ich sag', roll' mein Panier aus! Blast, Trompeter, blast! Schmettert

sie auf aus dem Schlaf, dah sie merken, ein Württember­gs! ist vor dem Tor und will trotz Kaiser und Reich in sein Haus. Ich sag', fordere sie auf, Sturmfeder!"

Georg folgte schweigend dem Befehl. Er ritt bis dicht vor den Graben und rollte das Panier von Würt­temberg auf. Die Strahlen des Mondes schienen es freundlich zu begrüßen, sie beleuchteten es deutlich und zeigten seine Felder und Bilder. Auf einer grohen Fahne von roter Seide war Württembergs Wappen eingewoben. Der Schild zeigte vier Felder. Im ersten waren die württembergischen Hirschhörner angebracht, im zweiten Würfel von Teck, im dritten die Reichs­sturmfahne, die dem Herzog als Reichsbannerträger zu­kam, und im vierten die Fische von Mömpelgard, der Helm aber trug die Krone und das Uracher Jägerhorn. Der junge Mann schwenkte das schwere Panier in der starken Hand, drei Trompeter ritten neben ihm auf und schmetterten ihre wilden Fanfaren gegen die ver­schlossene Pforte.

Im Tore öffnete sich ein Fenster; man fragte nach dem Begehr. Georg von Sturmfeder erhob seine Stimme und rief:Illerich, von Gottes Gnaden Herzog zu Würt­temberg und Teck, Graf zu Urach und Mömpelgard, for­dert zum zweiten- und letztenmal seine Stadt Stuttgart auf, ihm willig und sogleich die Tore zu öffnen. Widri­genfalls wird er die Mauer stürmen und die Stadt als feindlich ansehen.

(Fortsetzung folgt.)