Gegründet
1877.
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«r. 27»
Ausgabe in Altensteig-Stadt.
Mittwoch, da« 2V. November.
Amtsblatt für Psalzgrafenweiler.
IMS.
Mtttkiches.
Kurs für Kanflente und Angehörige der Kleiderindustrie.
Für Prinzipale und Gehilfen von Manufakturwarenhandlungen, sowie von Kleiderkonfektions- und Matzneschäft n wird im Fall genügender Beteiligung ein Kurs zum Zweck der Unterweisung in Wsren- und Materialienkunde am K. Technikum für Textilindustrie in Reutlingen abgehalten werden. Der Kurs wt,d am 7. Jan ar 1813 beginnen und drei Wochen dauern Der Unterricht findet an allen Werktagen in den Stunden von 10 Uhr vormittags bis 7 Uhr nachmittags statt. Die Teilnehmer haben ein Unterrichts geld von 20 M. zu entrichten. Die Anmeldungen, aus welchen Name, Beruf, Wohnort und Alter der Angemeldeten, sowie die Firmen, denen sie «wehe en, ersichtlich sein sollen, müssen bis spätestens 30. Dezember 1912 bei der Zentralstelle für G-werbc und Handel in Stuttgart eingereicht werden.
Des Kaisers Freund.
In dieser Woche kommt wieder der österreichische Thronfolger Erzherzoge Franz Ferdinand, der älteste Neffe des Kaisers Franz Joseph, nach Berlin, um einer Jagdeinladung nach Springe in Hannover zu entsprechen. Diese Begegnungen des Oberhauptes des Deutschen Reiches und des ihm eng befreundeten künftigen Leiters der Geschicke der habsburgischen Monarchie finden schon seit längerer Zeit alljährlich statt, und sie gelten, wie allbekannt ist, weniger dem Weidwerk, als einem politischen Meinungsaustausch der beiden Männer, für den auch ein Wunsch des alten Kaisers in Wien vorliegt. Selbstverständlich werden hier keine politischen Entschließungen gefaßt oder neue Pläne entworfen, es handelt sich nur um Aussprachen, wie sie guten Freunden stets willkommen sind. Auch diesmal wird umsonst von wichtigen Beschlüssen gefabelt; was in dieser Beziehung zu tun wäre, das ist bereits geschehen, und eine Ergänzung ist nicht erforderlich. Prinzipiell ist wohl schon beim ersten Konflikt mit Serbien zum Beginn von 1909 das erforderliche festgelegt worden. Unser Kaiser stand dem einzigen Sohne Kaiser Franz Joseph, dem 1889 in dem unheilvollen Drama von Meherling bei Wien erschlagenen Kronprinzen Rüde:, s. Zt. sehr nahe. Die beiden jungen Prinzen, ne sich häufig sahen, haben wohl zusammen manche schöne Zukunftspläne geschmiedet, deren gemeinsame Verwirklichung der Tod vereitelte. Diese Jugendfreundschaft zwischen den beiden Thronerben hat sich in eine Mannesfreundschaft zwischen Wilhelm 2. und Franz Ferdinand umge- tvandelt, der an die Stelle des Kronprinzen Rudolf getreten ist. Der heutige österreichische Thronfolger ist gerade so verkannt, wie König Edward 7. Die Wiener Witzblätter hatten den Erzherzog in seinen jüngeren Jahren zur Zielscheibe ihrer Späße in wenig taktvoller Manier gemacht, in der sie ihn wegen seiner mangelnden Fähigkeiten sogar von der Thronfolge ausgeschlossen wünschten. Heute sind sie sehr still; der Nesse des Kaisers hat in seinen Augen einen sprechenden Blick, der sagt: „Ich weiß, was ich will, und ich führe durch, was ich will!" Thronfolger enttäuschen oft als Herrscher; im vorliegenden Fall ist das nicht zu erwarten, weil der Erzherzog nicht von vornherein Kronprinz war, und sein Wesen sich erst seit der Uebernahme dieses Ranges 'herausgebildet hat. Der alte Kaiser hat sein- Interesse für die Reichs- Politik gewünscht, und der Erzherzog! hat es in militärischen, wie bürgerlichen, in inneren, wie auswärtigen Angelegenheiten betätigt. Von irgend Melcher „Nebenregierung" kann natürlich keine Rede sein. Für uns ist das von Bedeutung, denn jeder weiß, wozu wir durch das deutsch-österreichische Bündnis verpflichtet sind, und da ist es nicht gleichgültig, ob der künftige Kaiser von Oesterreich ein Feuerkopf oder ein bedachtsamer Mann ist. Erzherzog Franz Ferdinand ist, geradeso wie Kaiser Wilhelm 2 ., vor seiner Thronbesteigung! ein Zukunfts-Eroberer genannt, der nach Italien, wie nach der Balkanhalbinsel hin seine Fahnen tragen möchte. Wahr ist nur, daß der Erzherzog nach allen Seiten hin klare Zustände und keine verschwommenen Verhältnisse wünscht, die iu der häbs- ourgischen Monarchie ohnehin mehr wie reichlich
vorhanden sind. Kaiser Franz Joseph ist immerzu gut gewesen, den heißblütigen magyrischen Politikern vollen Ernst zu zeigen, wenn er ja auch in wichtigen Lebensfragen nie nachgab. Sein Neffe hat den Herren in Budapest sofort die trockene Wahrheit gesagt, indem er bei der ersten ungarischen Reichstagseröffnung, der er beiwohnte, kaltblütig den Parteileitern, die so viele Stürme im Parlament verursacht hatten, sagte: „Meine Herren, Sie haben .sich vor Europa wirklich nicht mit Ruhm bedeckt." Das schlug ein, und seitdem hat zwar in der ungarischen Volksvertretung der Skandal noch nicht aufgehört, aber es hat dabei doch auch fortlaufend gearbeitet werden können. Uns kann es nur angenehm sein, wenn des Kaisers Freund das Rückgrat der habsburgischen Monarchie stärkt. Im übrigen bürgt der deutsche Kaiser für seinen Freund, der mit seinen 49 Jahren denn doch bereits ein ernster Mann geworden ist.
Der deutsche Reichstag nimmt am nächsten Dienstag, nachmittags 2 Uhr, seine Beratungen wieder aus. Ein glücklicher Stern leuchtet ihm insofern, als bei dem diesmaligen Zusammentritt alle seine Mandate besetzt sind. Beim Beginn eines neuen Sessiansabschnitts ist das eine recht seltene Erscheinung. Der deutsche Reichstag hat sich 1912 zwar verjüngt. Die Zahl seiner zwischen 40 und 50 Jahren stehenden Mitglieder war auf 143 angestiegen, während sie in früheren Jahren nur !20 bis 130 betrug. Alte Herren sind gleichwohl genug vertreten; nicht weniger als 75 Abgeordnete stehen in den sechziger, 13 in den siebenziger Jahren. Wäre der Reichstag, wie cs vielfach gefordert worden war, frühzeitiger einberufen worden, dann hätte es dagegen mit dem Präsidium gehapert. Nur der zweite Vizepräsident Herr Dove wäre zu haben gewesen. Der erste Vizepräsident Herr Paasche kehrt dieser Tage erst von seiner Weltreise in die Heimat zurück und einen ersten Präsidenten gibt es zur Zeit überhaupt nicht, nachdem der inzwischen zum Abgeordneten wiedergewählte Herr Kämpf Mandat und Präsidentenwürde niedergelegt hatte.
Die sozialdemokratischen Friedensreden, die am Sonntag in allen Hauptstädten Europas gehalten wurden, bewegten sich in ihrem sachlichen Teil in den von den verantwortlichen Staatsmännern verfolgten Bahnen. Die Monarchen und Regierungen aller europäischen Großmächte sind einig in dem Bestreben, es des Balkanwirrwars wegen zu keinem allgemeinen Kriegsbrand kommen zu lassen. Daß die ausländischen Sozialdemokraten, die in Berlin sprachen, den ungeteilten Beifall ihrer Genossen und Landsleute fanden, kann man von den Ausführungen des französischen Sozialisten- sührers Jaures jedenfalls nicht sagen. In Frankreich, wo die Wogen der Revanchekriegsbegeisterung zurzeit bekanntlich sehr hoch gehen, ist man keineswegs erbaut von der Erklärung des Herrn Jaures, daß die gesamte französische Arbeiterschaft in Frieden und Freundschaft mit Deutschland leben möchte. Wer Gelegenheit hat, sich durch persönliche Beobachtung ein Urteil zu bilden, der weiß auch, wie sehr die Franzosen, ohne Unterschied des Standes, deutsche Ein- ricbtungen und Sitten zu bespötteln und den Reoanchc- g^-..ken zu nähren sich bemühen. Angesichts dieser Tatsache ist es geradezu beschämend, daß man unter den Auslagen der vornehmsten Berliner Kunsthandlungen mehr Bilder und Büsten des ersten Napoleon als solche Angehöriger der deutschen Fürstenhäuser erblickt, wie soeben ein Hauptmann im „Tag" fesistellte.
Oesterreicher an Bismarcks Gruft. Am Sonnabend vor dem Totensonntag werden auch in diesem Jahre unter Führung Schönerers etwa 50 alldeutsch gesinnte Bismarckverehrer aus Wien, Ober- und Niederösterreich, Böhmen, Tirol usw. in Friedrichsruh eintreffen, um in der fürstlichen Gruft am Sarge Bismarcks eine Totenfeier abzuhalten. Nach einer Rede Schönerers werden Kränze niedergelegt. Abends vereinigt der jungdeutsche Bund die ostmärkischen und Hamburger Bismarckverehrer zu einer gemeinsamen Gedenkfeier im großen Saal des patriotischen Gebäudes.
Oesterreichisch-serbische Differenzen. Die dauernde Gefangenhaltung des österreichischen Konsuls Prochaska in Prizrend durch die Serben hat die österreichische serbische Spannung verschärft nnd zu einem ernsten Nom'"tsrausch k
zwischen den Kabinetten von Wien und Belgrad geführt. Das österreichische Auswärtige Amt hat die serbische Regierung aufgefordert, amtlich bevollmächtigten Personen freies Geleit nach Prizrend zur Erhebung des Tatbestandes zu erteilen, und ihre Aufforderung so gehalten, daß Serbien nicht wird ausweichen können. Die gesamte Wiener Presse nennt das Vorgehen Serbiens eine böswillige Verletzung des Völkerrechts und verlangt immer energischer Repressalien. Die Zurückhaltung des Konsuls findet bekanntlich deshalb statt, weil der Beamte Zeuge der barbarischen Grausamkeiten serbischer Soldaten an Albanesen war und verhindert werden soll, vor dem Friedensschluß die serbischen Scheußlichkeiten Europa bekannt zu geben. Die Ausflucht der serbischen Regierung, dem Konsul gehe es gut, und es liege kein Grund zu irgendwelchen Besorgnissen vor, genügt dem Wiener Kabinett mit Recht nicht mehr.
Die angebliche Fahrt des Marineluftschiffs „L. 1" «ach England kam am Montag im englischen Unterhause zur Sprache. Dabei wurde u. a. erklärt, daß am 14. Okt. in der Dunkelheit ratsächlich ein Luitschiff über dem Hafen von Sherneß gehört worden sei. Die Marinebehörden von Eaftchurch hätten sogar ein Feuerwerk auf dem Landungsplatz für Luftfahrzeuge abgebrannt in der Meinung, daß sich ein englisches Flugzeug verirrt habe. Festgestellt sei aber, daß kein englisches Luftfahrzeug irgendwelcher Art an dem fraglichen Abend über Sherneß hinweggeflogen sei, ebenso sei keine französische Maschine unterwegs gewesen. Es kann sich hier bekanntlich nur um die 31-Stundenfahrt des »L. 1" handeln, der zwar über die Nordsee hinweggeflogen ist, aber keinen Kurs auf das britische Hnselreich genommen hat. Der eigentliche Zweck der Interpellation scheint der gewesen zu sein, die englische Marineverwaltung zu veranlassen, ebenso leistungsfähige Luftschiffe wie die Zeppelmkreuzer zu bauen. Die englischen Marinenbehörden haben bekanntlich mit ihren Luftschiffen kläglich Fiasko gemacht.
Landesnachrichten.
Hitenrtelg, 20. 'November 1812 .
* Die Helferinnen des Roten Kreuzes, die in den letzten Wochen hier ihre theoretische Ausbildung durch Herrn Dr. Richard Vogel erhalten haben, werden morgen einer Prüfung unterzogen. Bei dieser wird, wie wir erfahren, auch Ihre Kaiser!, und König!. Hoheit die Frau Herzogin Robert aus Stuttgart anwesend sein.
* Vcrjälhrungsfristen auf Jahresfchlutz. Es beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist 30 Jahre, diese ist aber in vielen Fällen ganz wesentlich abgekürzt. So gelten besonders kurze Fristen z. B. für die Rechte eines Käufers auf Gewährleistung des gekauften Gegenstandes, für den Anspruch auf die Rücknahme eines gekauften Stückes Vieh, für die Ersatzansprüche für Mieter und Vermieter, des Verpfänders und Pfandgläubigers von beweglichen Sachen; es gibt sodann ein-, zwei-, dre'i- und fünfjährige Festen. Das, bürgerliche Gesetzbuch hat nun aber G seinen W 196 und 197 für Ansprüche aus den Geschäften des täglichen Lebens ganz besondere Verjährungsfristen, zwei- und vierjährige, geschaffen. Die in diesen Paragraphen geregelte Verjährung rechnet sich von Kalenderjahr zu Kalenderjahr. Das Nähere wird in Folgendem ausgeführt werden. Der zweijährigen Verjährungsfrist unterliegen namentlich die Forderungen von Kaufleuten, Fabrikanten, Handwerkern, Nahrungsmittelliesernng gegenüber ihren Kunden, Wirtschastsschulden, die meisten Lohn- und Honorarforderungen. Der vierjährigen Verjährungsfrist unterliegen, wie die Ansprüche auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen, die Forderungen von Kaufleuten und dergl. untereinander. Es lieferte z. B. ein Weinhändler e Wirt 20 Hektoliter Wein in dessen Wirtschaftsbe-r rJ also zum Wiederverkauf, und gleichzeitig 3 Hektoliter für des Wirts Privatha . -lt. In diesem Falle verjährt die Forderung des erstereu Postens in 4, des letzteren in zwjei Jahren. Die Ver-, jährung (die zwei- und vierjährige) beginnt mit dem Schlüsse des Jahres, in dem der Anspruch fällig geworden ist. Ist z. B. eine Forderung «m