Landesnachrichten.
ZMenrteig, 18. November 1912.
* Todesfall. Heute mittag starb im Krankenhaus in Nagold unser hochverdienter städt. Oberförster Pfister hier.
* Der auf gestern angekündigte Lichtbitdervor- trag des hiesigen Schneeschuhvereinss konnte leider nicht stattfinden, da Herr Luther aus München nicht eingetroffen war und es unterlass»»: wurde, den hiesigen Verein rechtzeitig von seinem Ausbleiben zu verständigen. Hoffentlich findet der Vortrag noch später statt. Die zahlreichen Besucher von hier und auswärts wurden dadurch entschädigt, daß sich hiesige und auswärtige Kräfte zur Verfügung stellten und den Gästen durch, Mufkk- und Gesangsvorträge, sowie durch Deklamationen und humoristische Vorträge erfreuten.
ff Schwäbischer Humor. Ein wegen seiner Derbheit bekannter Landarzt ließ in seinem Pferdestall eine Kleinigkeit bauen. Bald darauf bekam er ein Strafmandat von 3 Mk. wegen Bornahine von baulichen Veränderungen ohne baupolizeiliche GenehinigunA Im nächsten Frühjahr wollte er einen Starkasten im Garten anbringen. Von ein»m Baumeister ließ er Grund- und Aufriß, Vorder- Seiten- und Hinteransicht ausführen, schickte das dicke Paket mit Zeichnungen an die Büubehörde und ersuchte um die Genehmigung! zum Baue. Da bekam er ein Strafmandat von 10 Mark.
ss Obertalheim, OA. Nagold, 16. Nov. (Un- glückssall. ) Gemeinderat Kreidler war an der Dreschmaschine beschäftigt. Er wollte an einer Leiter emporsteigen. Diese rutschte, Kreidler fiel rücklings auf den Boden und blieb bewußtlos liegen. Man brachte den Verunglückten in ein Nachbarhaus, wo ihm die erste Hilfe gebracht wurde.
ss Freudeustadt, 17. November. (Ein treffliches Werk.) Die großen Bauten des Erholungsheim, das die Firma Bräuninger zum Großfürsten in Stuttgart auf dem Zollernblick bei Loßburg-Rodt errichtet, schreiten rüstig voran. Die ganze Anlage mit den Wohngebäuden, Stallungen, Vorratsräumen usw., verspricht eine Zierde der Gegend zu werden. Sie geht im nächsten Jahre ihrer Vollendung und Eröffnung entgegen.
ss Reutlingen, 17. Novbr. (Handwerkskammerwahl.) Das Ergebnis der diesjährigen Neuwahl zur Handwerkskammer des Schwarzwaldkreises ist folgendes: Zu Mitgliedern gewählt sind von den Handwerkerinnungen Bildhauermeister Teufel jr. in Tuttlingen, Bäckermeister W. Zech in Reutlingen, Metzgermeister Dietrich in Nürtingen. Glaser- mrister Frey in Tübingen, Wagnermeister Berstecher in Nagold. Von den Gewerbevereinen wurden gewählt Metallgießermeister Beck in Ebingen, Zimmermeister Burgbacher in Trossingen, Zinngießermeister Greiß in Herrenberg, Flaschnermeister Henne in Tübingen, Flaschnermeister Mehne in Schwenningen. Außerdem wurden zu Ersatzmännern gewählt von den Handwerkerinnungen Friseurmeister Keck in Tübingen, Schuhmachermeister Nuding in Tübingen, ferner von den Gewerbevercinen Zimmermeister Feßmami jr. in Nürtingen, Rotgerbermeister Beck jr. in Altensteig, Glaser- meifter Grözinger in Schömberg.
ss Stuttgart, 16. Nov. (Familiendrama.) In der Hackstraße 76 wohnte der Schreiner Schräg mit seiner Frau und vier kleine!» Kinder zusammen, bis vor fünf Wochen die Eheleute sich wegen fortgesetzter Zwistigkeiten trennten. Heute nachmittag 4 Uhr ging Schräg in seine Wohnung und verlangte von seiner Frau die Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaften. Als sie sich weigerte, bedrohte er sie. Die Frau schrie laut um Hilfe, aber Schräg zog einen Revolver und gab mehrere Schüsse ans sie ab, von denen einer in den Kopf ging. Blutüberströmt brach die Frau zusammen. Ihre Hilferufe waren aber gehört worden und ein starkes Polizeiaufgebot rückte heran. Als Schräg, sah, was er angerichtet hatte, zielte er mit der Waffe auch gegen sich und brachte sich eine schwere Schußverletzung bei, der er eine Viertelstunde svä- rer eriag. Die Frau wurde ms Karl Olgakrankenhaus geschafft.
Ausland.
Scheidemann in Paris.
Paris, 17. Nov. In einer heute vor den Toren von Paris in Saint-Gervais abgehaltenen sozialistischen Protest Versammlung gegen den Krieg erklärte der brutsche R e i ch s t a g s a b g e o r d n e t e Scheide- Mann, daß im Falle eines Krieges das deutsche Proletariat nicht auf seine französische Brüder schießen weide.
Tie Ermordung desspanischen^Mtnister^äsidenten.
* Madrid, 16. Nov. Die durch des Ministerpräsidenten Josee Canalejas y Meendez gewaltsamen Tod hervorgerufene Bestürzung ist unbeschreiblich. Es ist keine nekrologische Uebertreib- ung, vielmehr die einfache Wahrheit, wenn man wgt, daß in der dichten Menge, die aus der
Puerta del Sol sich drängt, auf allen Mienen die aufrichtigste Trauer, in allen Gesprächen bas herzlichste Mitleid mit dem liebenswürdigen Manne sich kundgibt, zu dessen gastfreiem Haus der Geringste aus dem Volk so leichten Zutritt fand wie der Grande; mit dem klugen, vom edelsten Willen beseelten Staatsmann, dem Spanien zum mindesten eine dreijährige Periode innerer Ruhe verdankt, deren zeitweilige Unterbrechungen er auf die versöhnlichste Art zu überwinden bemüht war; man braucht sich nur an die Affäre von Cullera zu erinnern, um zu wissen, unter welchen Schwierigkeiten, er zu kämpften hätte. „Was hat es ihm genützt", so hört man in der Menge sagen, „daß er mit dem Chato de Cuqueta Mitleid hatte: die anarchistischen Konventikel, die ohne Zweifel den Mörder entsandten, haben kein Mitleid mit ihm gehabt!" Weder mit ihm, noch mit dem unglückseligen Land, das sich durch des Manuel Pardinas Sarrato Tat vor einen Abgrund gestoßen sind, dessen Gefahren heute niemand zu ermessen vermag, von dem aber zu befürchten steht, daß er der von Canalejas eingeleiteten Methode friedlichen Fortschritts auf Jahre hinaus ein Ende bereitet. Schon um deswillen, weil aus der liberalen Partei kein Name hervorragt, der sich der öffentlichen Meinung als natürlicher Erbe des Ermordeten aufdrängen würde. Dann über bedeutet Canalejas' Tod eine Art Rechtfertigung für die Konservativen, die nicht müde wurden, die ans Versöhnung der Gegensätze gerichtete Regierungsweise, deren Erfolge sich gleichsam als persönliche Beleidigungen empfanden, hämisch zu bekriteln, die geringste Ausschreitung, gelegentliche Heftigkeiten revolutionärer Redner, irgend einen Straßentumult mit einem schadenfrohen „Das kommt davon! . ." zu begrüßen. Die republikanischen Führer waren mit unter den ersten, die der Leiche Ehre erwiesen, ohne daß man dieser Kundegbung bedurft hätte, um den mindesten Verdacht einer Mitschuld von der Hand zu weisen. Doch herrscht kein Zweifel darüber, daß unverzüglich die „moralischen Verantwortlichkeiten" auf der Bildfläche erscheinen werden, der beliebig dehnbare Begxiff den die Reaktion von jeher virtuos zu handhaben verstand. Wird der König, aNf den in dieser schwarzen Stunde aller Augen gerichtet sind, 'sich nicht gerade von der aufrichtigen Trauer des Volkes belehren lassen, daß der Ermordete den rechten Weg beschrttten hatte? Konnte er doch eben diese Lehre aus der herzlichen Ovation entnehmen, die ihm selber von der nach Tausenden zählenden Menge
bereitet wurde, als er die Leiche des Mannes verließ, den wir nach der dem Monarchen schier ab- gerungenen Begnadigung der Ausrührer von Cullera mit bebender Stimme sagen hörten: „Ueber mein Verdienst oder Unverdienst mögen andere richten, doch dessen bin ich gewiß, daß kein spanischer Staatsmann mehr als ich bemüht war, seinem König die Achtung und Liebe des Volkes zu erwerben!"
humoristische Ecke.
Moderner Komfort. Die Freundin: „Absr, meine arme, teure Lueile, warum hättest Du denn diese kompromittierenden Briefe nicht verbrannt?"
Lucile: „Ja, wie konnte ich denn? Wir haben doch Dampfheizung! ..."
Der Wer.t klassischest Bildunsg. „Papa, wozu muß ich denn dieses dumme, schwere Griechisch lernen?" — „Wozu, Du dummer Bengel, wozu? .. . Na, und wenn Du nun zum Beispiel im nächsten Orientkriege Kriegskorrespondent werden wolltest?"
Die Ausnahme. Der Schöngeist spricht im Salon von dem Problem der Frau und erklärt: „Eine charakteristische Eigenschaft der Frauen ist, daß sie alle Dinge immer persönlich nehmen. „Wie können Sie das sagen?" fährt die Gastgeberin entrüstet aus. „Ich tue das gewiß nicht!"
Handel und Verkehr.
Il St»ttz«rt. 16. Nov. (Schlachtviehmarkt.) Zugetriedrn: 145 Großvieh, (44 Ausland) 89 Kälber, 341 Schweine. Erlös auS Vs Kilo Schlachtgewicht: Ochsen 1. Qual.
a) ausgemästete von — bis — Pfg., 3. Qual. l>) fleischige und ältere von —bis — Pfg.; Bullen (Farren) 1. Qual.
b) vollfleischig«, von 90 bis 92 Pfg., 3. Qualität d) ältere und weniger fleischige von 86 bis 89 Pfg., Stiere und Jungrinder 1. Qual, a) ausgemästete von 97 bis 100 W. 3. Qualität S) fleischige von 94 bis 96 Pfg., 3. Qualität v) geringere von 90 bis 94 Pfg.; Kühe 1. Qual, s.) jung« gemästete von — bis — Pfg., 3. Qualität b) älter« gemästete von — bis — Pfg., 3. Qualität o) geringer« von — bis — Mg., Kälber: 1. Qualität») beste Saugkälber von 105 bis 108 MS- 2. Qualität b) gute Saugkälber vonlOO bis 104 Pfg. 3. Qualität v) geringere Saugkälber von — bis — Pfg., Schweine 1. Qual, s) junx» fleischige 88 bis 89 Pfg-, 2. Qualität b) jüngere fette vs» 87 bis 88 Pfg., 3. Qualität o) geringere von — bis — Ms.
Verantwortlicher Redakteur: Ludwig Lauk.
Druck und Verlag der M. Rieker'schen Buchdruckeret in Altenstrig.
Waffenstillstand. Internierung des österr. Konsuls.
Waffenruhe.
An der Ts ch a t a l d s cha li nst e scheint, ohne daß formell ein Waffenstillstand geschlossen ist, tatsächlich Waffenruhe i eingetreten zu sein. Nach dem furchtbaren Blutvergießen der letzten Wochen und bpi der vollständigen Zwecklosigkeit weiteren Kämpfen» kommt diese Nachtricht als eine Erlösung, und es schließt heute nur der eine Wunsch sich a-n, daß aus der Kampsespause ein wirklicher Waffenstillstand und recht bald der Friede hervorgehen möge! -
* Konstantinopel, 17. Nov. Bis Mitternacht dauerten die Verhandlungen, welche der russische Botschafter von Giers mit der Pforte führt, um einen Was f en ststllstaü d msit Vulgärsten zu vermitteln. Sie hatten bis jetzt kein greifbares Ergebnis. Man erwartet ein solches bis Montag, andernfalls sollen die Kämpfe sofort wieder ausgenommen werden.
Ter Balkanbund und der Friede.
* Sofias 17. Nov. Sobald die Bedingungen aller Baltanstaaten eingetrofsen sind, wird man nach Konstantinopel schicken und eine Bedenkzeit von 24 Stunden geben. Die Präliminarantwort an Kiamstl erfolgte durch Geschow, obgleich die Anfrage an König Ferdinand gerichtet war, weil der König direkt vom Sultan begrüßt werden muß. Heute fand ein lebhafter Depeschenwechsel zwischen den Balkanstaaten statt.
* Sofia, 17- Nov. Der Gedankenaustausch zwischen den Verbündeten über die Beantwortung von Kiamils Ansuchen wird fortgesetzt. Man nimmt an, daß bis morgen der Pforte die Friedensbedingungen mitgeteilt werden können. Die Bulgaren beanspruchen das Gebiet bis an die Tscha- tal s ch a-Linie. <Konstantinosp el soll der Türkei überlassen bleiben.
Internierung des Oesterr.-ung. Kosnls.
ss Wien, 17. Nov. Wie die „Neue Freie Presse" meldet, itt der ö st err eichisch - unga rische K o nsu l in Mitrowitza, Ladislaus von Tachy heute in Budapest augekommen. Er konnte sich nur nach Ueberwindung großer Schwierigkeiten und nicht ohne Gefahr aus Mitrowitza flüchten und die Grenze der Monarchie erreichen. Die serbischen Miltär- behörden hatten den Kosulin Mitrowitza
interniert. Die Ursachen sind nicht bekannt, doch dürste die Verfügung der serbischen Militärbehörden durchaus nicht blos auf auf militärische Gründe zurückzuführen sein. In voller Uebereinstimmung mit den bisherigen Berichten erzählt auch Herr von Tachy von den Verfolgungen, denen die albanische Bevölkerung in Mitrowitza ausgesetzt sei. Der Konsul hat mit eigenen Augen eine große Anzahl Leichen den Fluß hinunterschwimmen sehen.
An der Tschataldscha-Linie.
Sofia, 17. Novbr. Die Zeitung .Mir" erklärt: Alle Zeitungsmeldungen über Kämpfe an der Tichataldscha- Linie sind reine Erfindungen, da dort bisher nur Vorpostengefechte staltgesunden haben. Amtliche Nachrichten besagen, daß die bulgarischen Truppen vor der türkische« Verteidigungslinie konzentriert sind.
Konstantinopel, 17. Novbr. Heute Morgen begann zwischen drei türkischen Divisionen und den bulgarischen Streitkräften bei den Positionen von Mahmud Pascha, Hademköj-Tschiltepe und Bojuk-Tschekmedsche eine Schlacht, die noch im Gange ist.
Die Cholera.
Konstantinopel, 17. Nov. Die Cholera nimmt in der türkischen Armee einen ungeheuren Umfang an. Aus dem türkischen Hauptquartier eintreffende Personen bezeichnen die Zustände als trostlos. Täglich sollen etwa tausend Soldaten erkranken oder sterben.
Die Borgäuge in Konftantinopel.
Konstantinopel, 17. Nov. Hier sind bereits über 300 Personen aus politischen Gründen verhaftet worden
Ei« Munitiousdepot in die Luft gesprengt!
Saloniki, 17. November. Türkische Soldaten sprengten vergangene Nacht das Munitionsdepot bei den Artillerie-Kasernen von Schitinlik in die Luft. Infolge der Explosion wurden 100 unbewaffnete türkische Soldaten, die in der Umgebung des Munitionsdepot lagerten, getötet oder verwundet. In der Stadt entstand eine Panik. Griechische Truppen mußten beim Vardator von der Waffe Gebrauch machen, da die Türken auf Soldaten schossen.
Belagerungszustand in Saloniki.
Saloniki, 17. Novbr. Ueber Saloniki wurde der Belagerungs st and verhängt. Die Bevölkerung kann sich infolge der Anwesenheit der großen Truppenmaffen nur schwer beruhigen.
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