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st Madrid, 14. Nov. Die sterblichen lieber- reste des Ministerpräsidenten wurden ge stern nachmittag nach dem Panteon üb er ge­führt. Der König folgte dem Leich enw a genzuFuß. Mit ihm Angen die Jnfänten Carlos und Fernando. Eine überaus zahlreiche Menschen­menge umsäumte den Wegs des Trauerzuges. Schon eine Stunde vor Beginn der Ueberführung hatten alle Handelshäuser und auch die Cafes in der Hauptstadt und in den Vororten geschlossen. Ganz Madrid steht im Zeichen eines nationalen Trauer­tages. Gestern abend wurde hier ein Jndivi- dium, wahrscheinlich ein Ausländer, verhaftet, der auf der Calle Taledo laute Rufe ausgestoßen hatte, mit denen er die Mordtat rühmte. Polizeimann- schaften mußten den Uebeltäter gegen die Wut der Menge schützen.

Ein Schifssunglück auf der Donau.

* Bukarest, 14. Nov. Auf der Donau kippte eine Schaluppe, die 50 Soldaten vom Grenzer- Regiment nach Ostrqw bringen sollte, um. 24 Soldaten und fünf Schiffs leuche ertran­ken.

Vermischtes.

ß Kaiser Wilhelm 2. in Paris. Es ist oft ge­nug erzählt worden, wie bei uns in den Kine- tnatographentheater die Mordgeschichten und Sen­sations-Dramen mit viel mehr Begeisterung an­gestaunt werden, als wünschenswert ist. Darum ist auch für die Jugend der Eintritt zu diesen Tem­peln der modernen Schaulust vielfach von oben herab geregelt worden. Demgegenüber ist es von Interesse, darauf hinzuweisen, daß in Paris der deutsche Kaiser ein Held dieser Schaustätten ist, das will sagen, daß das Publikum mit besonderem Interesse solche Vorführungen sieht, in denen Kai­ser Wilhelm in der Oeffentlichkeit erscheint. Mit großen Augen sehen die Leute auf den Film, und wenner" erscheint, ist des Flüsterns kein Ende. Wer einer solcher Vorführung beigewohnt hat, kann bestätigen, daß auch ganz gewöhnliche Leute mit größter Achtung vom Oberhaupt des Deutschen Rei­ches sprechen, von dem mitunter die Pariser Zeit­ungen mehr zu erzählen haben, wie von ihrem eigenen Landesvcher. Die französischen 'Politiker, deren hervorragende Vertreter der Kaiser zum nicht geringen Teile auf seinen sommerlichen Nordlanb- fäh'rten kennen gelernt hat, da sie gern Norwegen als das Ziel ihrer Ferienausflüge wählen, und na­mentlich die Offiziere haben schon lange eine be­sondere Anteilnahme an der Perlon des Monarchen bekundet. Es ist ja nur eine Aeußerlichkeit, daß Viels Militärs in Frankreich dieselbe Barttracht wie Kaiser Wilhelm 2. tragen, aber nicht wenige Of­fiziere haben auch klipp und klar geäußert, die französische Armee könnte sich glücklich schätzen, wenn sie einen Chef hätte, der dieJnteressen'dcr Armee nicht den Pariser Advokaten opferte." Es ist ja in der Tat vorgekommen, daß die Offiziere sich aus politischen Gründen zu einer Auffassung bequemen mußten, bei der der militärische Schneid zum Kuckuck ging. Das Hineintragen der Politik in die Armee hat jedenfalls bei unseren Nachbarn die Kameradschaftlichkeit ebenso wenig gefördert, wie bei den Türken. Die Geschäftswelt an der Seine hat mehr als einmal den Wunsch ausgesprochen, der deutsche Kaiser möchte zum Besuch kommen, dann würde es eine Goldernte geben. Dann er­hoben aber sofort die Revancheleute in den Zeit­ungen ein Wutgebrüll, und der Gedanke verschwand wieder von der Tagesordnung^ Kaiser Wilhelm hat schon mehr als einmal bei Metz nach vor­heriger Anfrage in Paris französischen Boden be­treten, wenn es sich bei Manövern darum han­delte, Wegstrecken abzuschneiden: er wurde auch von der Bevölkerung stets höflich begrüßt, aber ein Besuch von Paris ist doch etwas anderes. Die heute bestehende Sympathie für den deutschen Kai­ser könnte dann leicht von ein paar Hundert Het­zern ins Gegenteil umgjewandelt werden, man weiß ja, wie die Franzosen ihre eigenen Herrscher be­handelt haben. Wie groß die heutige Sympathie i!t, zeigte sich auch im letzten Winter in bemer­kenswerter Weise, als der Kaiser beim französischen Botschafter Cambon in Berlin gespeist und dort boeuf braisee" (Schmorbraten > serviert erhalten hatte. Da entrüsteten sich die Pariser Köche und Köchinnen, indem sie feierlich konstatierten, ein solches Gericht gehöre nicht auf eine kaiserliche Tafel. Sie beruhigten sich erst wieder, als sie vernahmen, daß dieser Tafelgangj zu den Lieb­lingsspeisen des Kaisers gehöre, daß ihm der­selbe also hochwillkommen gewesen sei.

Z Nene deutsche Opfer der französischen Frem­denlegion. Das Organ der französischen Heeres­verwaltungLa France militaire" berichtet in einer seiner letzten Nummern, daß während des un längst vollendeten Monats Oktober 34 Ausländer auf dem Rekrutierungsbureau in Mezieres für die Fremdenlegion anaeworben worden sind. Unter diesen 34 Unglücklichen, die, wahrscheinlich in einer

durch häusliches Ungemach hervorgerufenen und durch reichliche Alkoholspenden gesteigerten Stim­mung französisches Handgeld genommen haben, be­finden sich 1 Holländer, 2 Schweizer, 2 Luxembur­ger, 3 Belgier, 3 Oesterreicher und 2 3 Deutsche! Diese Zajhlen sp rechen für sich. Es ist wahrhaftig die höchste Zeit, daß der mit den Grundsätzen des Völkerrechts und der Bölker- moral in unvereinbarem Gegensatz stehenden Er­gänzung der Fremdenlegion Frankreichs durch Söhne "Deutschlands ein Ende b erei>tet werde.

Z Neble Folgen von Gefälligkeitswechseln. Acht große Firmen der Lederindustrie Böhmens sind durch Gefälligkeitswechsel teilweise in Zahlungs­schwierigkeiten und teilweise in Konkurs geraten. Die Passiven der einzelnen Firmen überschreiten die Summe von dreiviertel Millionen Kronen.

Handel und Verkehr.

Berlin, 14. Nov. In der heutigen Sitzung des Zentralausschusses ' der Reichsbank führte Präsident Hovenstein aus : Die Berste i-fu n g des internationalen Geldmarkts infolge der Ereig­nisse auf der Balkanhälbinsel hat sich weiter fort­gesetzt und hat zu weiteren Erhöhungen der Ra­ten von Zentralnotenbanken und in unseren großen Nachbarländern auch zu Privatdiskontsätzen geführt,

VerzweifltnrgsWmpfe um Adrianopel.

* Mustafa Pascha, 15. Nov. Der Hauptstoß richtete sich auf Ekmektfchiköi und Kacabula (beide nördlich Kadinköi, zwischen Maritza und Tundja-. Die bulgarischen Batterien antworteten mit einer ohrenbetäubenden Kanonade, deren Echo ebenso wie das .Knattern des Gewehrfeuers in den Häusern von Mustafa Pascha hörbar war. Am dunklen Himmel waren Reflexe vom Aufblitzen der Schüsse zu sehen. Erst nach Mitternacht erstarb das Feuer. Die Türken gingen mit großen Ver­lusten zurück.

Bor den Toren Monastirs.

* Belgrad, 15. Nov. In hiesigen unterrichte ten Kreisen verlautet, daß der Kampf bei Mona- stir, wenn er nicht schon gestern begonnen hat, heute oder spätestens morgen entbrennen wird, da nunmehr die Konzentration der serbischen Strei!- krüste um Monastir beendet ist. In der Stadt und den umliegenden Befestigungen sollen noch 90 000 Türken mit 10 Geschützen stehen. Die Ser­ben, und zwar die erste Armee unter dem Krön- vrinzen, und ein Teil der dritten Armee unter General Jankowitsch sollen etwa 120000 Mann und 100 Geschütze stark fein. Die Serben beherr­schen bereits eine günstige Stellung bei Monastir, die sie nach dem siegreichen Gefecht von Prilep eroberten, als sie die nach Monastir flüchtenden Tücken energisch verfolgten.

Bulgarische Verluste.

* Sofia, 15. Nov. Es verlautet, die Ver­luste der Bulgaren an Toten und Verwundeten betrage bis jetzt zwischen 60 000 und 80000. Von den 220 000 Mann, die ins Feld rückten, seien nur noch 160000 Kämpfer. Am meisten habe die In­fanterie gelitten, manche Regimenter seien auf die Hälfte zusammengeschmolzen. Die Kavallerie sei ganz vernichtet, die Artillerie fei weniger betrof­fen. Zur Füllung der Lücken seien Burschen von 16 bis 18 Jahren eingestellt worden.

Tie Friedensvcrhend lungen.

* Sofia, 15. Nov. Die Friedensverhandlungen sind in Gang gekommen infolge eines von Kia- mil durch Vermittelung der bulgarischen Regier­ung an König Ferdinand gerichteten Friedens­ansuchens. Der heutige Minister rat befaßte sich mit dem Komplex der Waffenstillstands- und F ri e d e n s b e d i n g u n ge n, die endgültig noch nicht festgelegt wurden, da die Zustimmung des Königs einzuholen ist. Unter den ersteren erwähnt mm die Kapitulation oder die Entfernung der Tichataldscha-Armee unter Bewachung durch bul­garische Truppen, die Räumung von Adrianopel, Sentaria, Monastir, Janina: unter den letzteren die Kriegsentschädigung, die Abtretung der erober­ten Gebiete, die Jnternakionalisierung von Kon stantinopel, freie Dardanellendurchfahrt, die Be­stimmung Salonikis zum Freihafen.

Ter Vermittlungsvorschlag der Großmächte.

* Belgrad, 15. Nov. Die Beantwortung der Mediationsdemarche der Großmächte durch die ser­bische Regierung wird nach Mitteilung des stell­vertretenden Sektionschefs im Ministerium 'des Neußern im Einvernehmen mit dem serbischen Ar- meekommando und mit den' verbündeten Regierun­gen erfolgen. Man 'äst 'hier der Meinung, daß die Antwort ablehnend sein wird.

die ungewöhnlich hoch sind und zum Teil über den Satz des deutschen Marktes hinausgehen. Die Rück­wirkung dieser Verhältnisse auf unseren Geldmarkt hat nach wie vor angehalten. Der deutsche Geld­markt übt weiterhin starke Zurück h a lt u n g, -tzx hat aber auch die Geldflüssigkfeit, die erden ganzen Oktober hinaus aufwies, ein gebüßt und sich offensichtlich verengt. Die Verschlechterung: des Standes der Reichsbank im'Vergleich zum Vorjahr hat sich infolgedessen auch seit der letzten Diskont­erhöhung fortgesetzt. Im Vergleich mit dem Vor­jahre ergibt sich feit dem 23. Okt. eine Vtzry schlechterung des Gesamtstandes der Reichsbank um 151 Mill. Mark, gßgsen den 31. Okt. eine solche um 85 Mill. Mark. Hierzu tritt, daß die Devisen­kurse eine Höhe erreicht haben, die ebenso Vor­sicht und Vorbeugen rätlich erscheinen läßt, wie die Gestaltung der Verhältnisse am heimischen Geld­markt. Das Reichsbankdirektorium ist deshalb der Meinung, daß es nicht anhängig sei, von einer weiteren Heraufsetzung des Banksatzes noch länger abzusehen und hält angesichts der Verschlechterung des Standes der Reichsbänk seit dem Ultimo eine Erhöhung um 1 Prozent für geboten. Der Zentralausschuß erklärte sich mit diesen Ausfüll­ungen einstimmig einverstanden.

Verantwortlicher Redakteur: Ludwig Lauk.

Druck und Verlag der A>. R eker'schcn Buchdruckerei in Mensteig.

Durchbrechung der Tschatal-schalinie.

* Sofia, 15. Nov. Die Tschataldschalinie wurde bei Hademköi Vvn den Bulgaren durchbro­chen. Man erwartet morgen den Einmsarsch der Bulgaren in K o n st a n ti n o p e l. Der Gene- ralkommandierends und der Generalstabschef find in Tschatald s ch a.

Tie Lage in Konstantinopel.

* Konstautinopel, 15. Nov. Unter der Besatzung der Tschataldschalinie wütet die Cholera und die Heeresleitung erweist sich als unfähig, der Aus­breitung der Seuche zu steuern. Von

2886 Cholers-Kranken

sind bereits 40 Prozent dem Tode verfallen. Die Kadettenschule in Konstantinopel wurde wegen der Cholera geschlossen. Die Zahl der Erkrankungen in der Zivilbevölkerung ist sicherlich weit grö­ßer, als amtlich angegeben wird. Das jungtür- tische Komitee wird scharf bewacht. Es verlautet, daß der Exsultan Abdul Hamid vergangene Nacht aus dem Palast Beglerbeg weg gebracht wurde und daß auch der Hof zur U eb e r s i ede hu n g nach Brussa in Kleinafien Vorkehrungen trifft, wohin auch die Botschafter der Mächte folgen sollen. In Stambul geht das Gerücht, daß die türkischen Stadtteile bei dem Herannahen der bulga­rischen Truppen in Brand gesteckt werden sollen. Die Sofie moschee soll bereits unter­miniert sein und soll in die Luft gesprengt werden. In diplomatischen Kreisen ^glaubt man, daß es nur dann zu Mord und Brandstiftung in Konstantinopel kommen werde, wenn es der Mili­tärverwaltung nicht gelingt, bei einer neuerlichen Flucht der türkischen Armee nach Konstautinopel die Soldaten vor den Toren der Stadt abzuhalten.. Jedenfalls wäre nicht nur das Leben der Euro­päer, sondern auch das der Mitglieder des Hofes und der Regierung bedroht.

Tie Cholera in der Türkei.

Der Ausbruch der Choler a in Konstanti­nopel wird nunmehr auch amtlich zugegeben. Seit Sonntag tragen die den abgehsnden Schiffen aus­gehändigten Papiere den Vermerk:Cholera herrscht in Konstantinopel". Die amtliche Cholera­statistik bietet aber natürlich nur unbedeutende Ziffern. Für die Zeit von Sonntag abend bis Montag abend gibt sie 15 neue Erkrankungen und drei Todesfälle an. Der wirkliche Stand der Epidemie ist zweifellos viel schlimmer. In allen Hauptspitälern liegen Cholerakranke; auch die Isolierbaracke des deutschen Krankenhauses in Pera ist mit Cholerakranken belegt, unter diesen befinden sich deutsche Angestellte der Orientbahn. In den Massen der Flüchtlinge in Stambul werden täglich neue Fälle festgestellt. Jeder Zug von Tschataldscha bringt cholerakranke Soldaten mit. In Tschataldscha selbst waren bis Sonntag 200 Soldaten an Cholera erkrankt, 120 sind gestorben. Gestern sollen mehr als 500 Er­krankungen vorgekom-men, viele von ihnen tödlich verlaufen sein. Die Krankheit ist durch Redifs aus Asien herüber ge schleppt worden. Ein Be­amter der anatolifchen Bahn erzählt, 20000 Re« difs des Wilajets Adana, die bereits nach Ru-- melien unterwegs waren, hätten eiligst wieder zu­rückbefördert werden müssen, da unter ihnen 200 Cholerafälle täglich vorkamen.