Aus dem Gerichtssaal.
> ss Stuttgart, 28. Okt. Am Sonntag, den 11. August nachts gtMN 10 Uhr wurde bei der Re- traitestraße ein Grenadier vom Regiment Nr. 119 vom Vorderperron eines die Neckarstraße aufwärts fahrenden Straßenbahnwagens erfaßt, zu Boden geschleudert und so schwer verletzt, daß er noch in der Nacht im Lazarett starb. Er hatte einen Schädelbruch erlitten. Der Getötete Hatte sich rückwärts schauend dem Gleis genähert und zweifellos weder das Herannahen des Straßenbahnwagens bemerkt, noch die Glockenzeichen gehört. Der Wagenführer wurde vor Gericht zitiert, wek7 ihn nach der Anklage ein Verschulden insofern treffen soll, als er bei der Kreuzung der Retraitestraße die Fahrgeschwindigkeit nicht ermäßigt und nicht gebremst habe. Die Strafkammer konnte jedoch ein Verschulden nicht feststellen und erkannte daher auf Freisprechung.
Lus dem Reiche.
st München, 28. Okt. Die Kammer der Abgeordneten beriet heute das Gesetz über den Kriegszustand, das eine /Lücke in dem bestehenden Recht ausfüllen soll. Das ganze Gesetz wurde mit ckllen Stimmen gegen die der Sozialdemokraten angenommen,
st Berlin, 28. Okt. Im Reichsamt des Innern fand heute unter der Leitung des Staatssekretärs des Innern Dr. Delbrück die Schlußkonferenz zur Beratung der Sicherheitsmaßnahmen für die überseeische Personenbeförderung üatt, an der Vertreter der beteiligten Behörden, der Bundesregierungen, sowie von Körperschaften und Vereinen, insgesamt 50 Personen teilnahmeu. Das Ergebnis der Konferenz wird die Unterlage für die Stellungnahme der deutschen Delegierten auf der später in London stattfindenden internationalen Konferenz abgeben.
»uslsndisches.
st Wien, 28. Okt. Wie die Neue Freie Presse aus Bukarest meldet, hat der gestrige Ministerrat mit Rücksicht auf die auswärtige Lage bedeutende Kredite für dias Heer beschlössen.
st Rom, 28. Okt. Im Lateran fand heute eine große Gedenkfeier statt zur Erinnerung an den Sieg des Kaisers Konstantin über Maxentius am 28. Okt. des Jahres 312, der den Sieg der christlichen Kirche bedeutete. Die Feier leitet die Reihe der Konstantinschen Feste ein.
Der BMMrieg.
Vom bulgarisch-türkischen Kriegsschauplatz.
st Sofia, 28. Okt. Bunar Hissar, wohin sich die Garnison von Kirk-Kilifse zurückgezogen hatte, ist von bulgarische«: Truppen genommen worden. Der aus 10 Wagen bestehende Zug, der von den Bulgaren in dem Bahnhof von Baba-Eski erbeutet wurde, wird nach Kirk-Kilifse gebracht werden.
st Wien, 28. Okt. Unter der Beute, dis bei Kirk-Kilifse gemacht wurde, befindet sich auch die ganze Bagage des Generals Mahmud Muktar Pascha, des Sohnes des Großwesirs. Hierbei wurde auch der mit Brillanten besetzte Ehrenfäbel, den der Sultan Muktar Pascha geschenkt ha!, erbeutet. ^
st Konstantinopel, 28. Okt. Die Eisenbahnverbindung zwischen Konstantinopel und Kirk-Kiliste, die unterbrochen war, weil das Eisenbahnpersonal während der Räumung der Stadt flüchtete, wird heute oder morgen wieder ausgenommen. Dü Direktion der Eisenbahnlinie wird neues Personal anstellen. Jede Station wird militärisch bewacht werden. Gegenwärtig ist die Linie frei.
Das Vordringen Serbiens.
ss Belgrad, 28. Okt. Wie verlautet, wird König Peter mit dem Ministerpräsidenten Pasitsch morgen den feierlichen Einzug inUesküsb halten.
st Belgrad, 28. Okt. Die Türken ziehen sich von Uesküb gegen Belesch (Köprülü) zurück. Die Bevölkerung von Uesküb befindet sich im Aufstand Segen die Türken und bemächtigte sich der Waffen erus den türkische«: Magazinen. Die serbischen Vorkruppen trafen abends in Uesküb ein.
st Belgrad, 28. Okt. Nach privaten Meldun- Sen haben die serbis chen Truppen Köprülü und Uesküb eingenommen.
st, Belgrad, 28. Okt. Einem amtlichen Bericht zufolge, hat sich eine nach Detovo (Kalkandelen) geflohene türkische Kolonne der sie verfolgenden serbischen Kavallerie ergeben und die Waffen nie- dergelegt. Auf der Strecke Uesküb—Tetovo wurden weitere 125 türkische Geschütze erbeutet.
Ter Angriff der Montenegriner auf Skutari. st Rjeka, 28. Okt. Der Angriff auf Skutari dauert fort. Die Brigade Wukotitsch ist bis zur Höhe von Rodschaj vorgedrungen und hat damit eine wichtige Stellung vor Uesküb bezogen.
Aegypten und der Krieg, st Konstantinopel, 28. Okt. Me Zeitung „Sa- bah" meldet: Die ägyptische Regierung hat dis Beziehungen mit dien Balkanistaaten abgebrochen und deren Konsuln die Pässe zustellen lasser:. Sobald die Möglichkeit eines Angriffs durch die griechische Flotte beseitigt ist, wird Aegypten, falls die Pforte es für notwendig bezeichnet, 18000 Mann auf den Kriegsschauplatz entsenden.
Die Hinrichtung zweier um die Revolution in China verdienter Generale.
Aus China wird uns von nahestehender Seite folgender Vorgang ausführlich geschildert, den wir f. Zt. kurz telegr. -gemeldet hatten:
Die chinesische Bolksstimmung ist während der letzten Tage, wenigstens in Peking, Shanghai und Wuchcmg, :n ungeheure Aufregung versetzt worden, und es hat den Anschein, als ob das Ereignis, das diese Aufregung hervorgssrufen hat, für die weitere Entwickelung der Dinge unter der chine- fifcken Republik von schwerwiegender Bedeutung fein wird. Dieses Ereignis ist die standrechtliche Erschießung der Wuchanger Generale Chang-Chen- wu und Fang-Wei in Peking auf Befehl des Präsidenten Hüan-Shih-kai.
Die Vorgänge werden erst verständlich durch einen Rückblick auf die Tätigkeit des Hingerichteten Chang-Chen-wu und seines Freundes und Genossen Fang-Wei während der Revolution. Chang war bis zum Ausbruch der Revolution Lehrer an einer Elementarschule in Wu-chang, er gehörte der Koming-tang an und war einer von deren Führern, die in jenen denkwürdigen Oktobertagen den Aufstand in Wu-chang zum Ausbruch brachten. Neben Huang-Hsing waren Chang-Chen-wu und in geringerem Maß Fang-Wei Hie treibenden Kräfte in der Weiterentwickelung der Bewegung! und o:e'Führer in de«: Kämpfen um Hankau und Han-Yang. Alle drei Parteigänger, Huangl-Hsing nicht minder als Chang und Fang sahen sich in der Folge durch den ruhigen und klarblickenden Li-Wan-Hung um den Lohn ihrer Tätigkeit gebracht, insofern nicht sie, sondern Li-Man-Hung den Oberbefehl in Wu- chang erhielt und dieser sich trotz aller ihrer Anstrengungen, ihn zu verdrängten, dort behauptete. Während aber nach dem Fäll 'von tFanchäng, Huang-Hsing rasch entschlossen nach Nanking und Shanghai eilte, sich dort den maßgebenden Einfluß in der neu gebildeten revolutionären Regierung sicherte und nun Li-Maug-Hnug auf einen Platz zweiten Grades herabzudrücken wußte, blieben Chang und Fang in Wu-chang zurück. Es ist im wesentliche«: wohl ihren Machenschaften zuzuschre:-- ben, daß seitdem :n Wu-chang niemals dauernde Ruhe geherrscht hat. Eine,: klaren Einblick in diese Dinge gewährt der Befehl des Präsidenten Aüan- Shih^kai an den Chef der Pekinger Gendarmerie, den Man-Shih-kai dieser Tage zur Rechtfertigung, der standrechtlichen Erschießung veröffentlicht hat. Er lautet im Auszug wie folgt:
Mir ist das folgende Telegramm des Vizepräsidenten Li-Mcmg-Hung zugegangen:
„Chang-Chen-wu war ein Elementarlehrer in Wu-chang, er hat sich beim Ausbruch der Revolution wesentliche Verdienste um die Republik erworben und ist zum General und Unterkommis- sar für militärische Angelegenheiten aufgestiegen. Trotz seiner großen Verdienste hat er sich beständig durch erheblichen Mangel an Ehrerbietung gegen seine Vorgesetzte«: und durch seine Unfähigkeit fick unterzuordnen, sowie dadurch, daß Pr nach dem Alleinbesitz der obersten Gewalt strebte, gefährlich gemacht. Als er sich nach Shanghai begab um Waffen anzulaufen, hat er sich großer Unterschlagungen und Veruntreuungen schuldig gemacht. Zweimal hat er versucht in Wu-chang Ausstände gegen die bestehende Regierung anzufachen. Das erste Mal versuchte er insgeheim die Offiziere zun: Aufruhr anzustiften, die sich jedoch zum Glück nicht von ihm beeinflussen ließen. Ich, Li-Man-Hung, habe ihn mehr als einmal geschont. Ich empfahl ihn dem Präsidenten für einen Posten an der Grenze und der Präsident Man-Shrh-ka: ernannte ihn zum Kommissar an der mongolischen Grenze. Dieser Posten gefiel aber Chang nicht; er kehrte nach Wu-chang zurück und versuchte, dort einen Aufruhr der gemeinen Soldaten anzuzetteln. Er hat ein Herz wie ein wilder Wolf und er hat die Parteiorganisation wie die Presse dazu mißbraucht, eine gefährliche Empörung gegen die Regierung zu entfachen. Nur durch die Wachsamkeit meines Nachrichtendienstes und die Treue meiner Offiziere und Soldaten sind seine Pläne vereitelt worden. Bei de,: jetzigen ungeordneten Zuständen des Landes wäre es verhängnisvoll und gefährlich, ihn länger am Leben zu lassen, ihn zu lieben ist unmöglich u. ihn zu schonen,
wage ich nicht. Ich bitte daher, ihn nebst seinem Mitverschworenen Fang-Wei hinrichten zu lassen. Trotzdem bleiben seine großen Verdienste um die Republik bestehen. Ich werde daher für sein Begräbnis, für seine Familie und für seine Hinterbliebenen sorgen."
Nach sorgfältiger Ueberlegpng komme ich, der Präsident, zu dem gleichen Schluß wie der Vizepräsident: Ihn zu lieben, ist unmöglich, aber ihn zu schonen, wage ich nicht. Ich befehle daher der Pekinger Gendarmerie den Befehl des Vizepräsidenten auszuführen. Sein Begräbnis soll mit alten einem General zulommenden Ehren stattfinden.
Daraus geht hervor, daß Chang dauernd mit den Unruhen, die Wu-chang heimgesucht haben, in Verbindung gestanden und insbesondere den letzten Aufstand Anfang August hervorgerufen hat und ferner, daß Li-Man-Hung anscheinend nicht gewagt hat, selbständig diesen mächtigen Parteigänger und Genossen Huang-Hsing hinrichten zu lassen. Er gab sich vielmehr den Anschein, als hege er keinerlei Verdacht gegen Chang; und dessen Freund Fang. Nachdem er zuerst vergeblich versucht hatte, ihn an die Grenze abzufchieben, sandte er Chang unter dem Vorgeben, er solle einen hohen Orden und eine der ersten Stellen im Bureau des Präsidenten erhalten, nach Peking und zwar zusammen mit der Militärkommission, die über die Auflösung der Truppen und die Versöhnung von Nord und Süd mit dem Präsidenten beraten sollte. Der Sonderzug traf um 9 Uhr in Peking ein. Chang und Fang wurden mit allen Ehren ausgenommen und zugleich mit der Kommission vom Präsidenten in Audienz empfangen. Changs eigener Adjutant aber war der Ueberbringer des Uriasbriefes Li-Man- hungs an den Präsidenten, in dem dieser gebeten wurde, ihm einen ehrenvollen Tod zu geben. Li- Man-Hung schlug in diesem Brief auch alle Einzelheiten des Vorgehens vor, welchen Vorschlägen Man-Chih-kai einfach nachgekommen ist. Chang und Fang zu Ehren wurde ein großartiges Festmahl im Hotel des Waggons Lits veranstaltet, an dem General Kiang-Knei-t: als Vertreter des Präsidenten teilnahm und auf dem in zahlreichen Trinksprüchen die Verdienste beider gefeiert und die ihnen zu verleihenden weiteren Ehrungen besprochen wurden. Als aber die Tafel aufgehoben war, die Versammlung sich getrennt hatte und Chang und Fang in ihren Wagen in die dunkle Nacht hinausgeführt waren, wurden sie unterwegs angehalten und auf Karren nach der Gendarmerie geschafft, wo ihnen sofort das Todesurteil vorgelesen wurde. In diesem heißt es kurz: Me Republik ehre ihre Verdienste, indem sie ihnen den Tod eines Helden gewähre; würden sie länger am Leben bleiben, so würden sie eine Schande für die Republik werden. Unmittelbar nach Verlesung des Urteils erklang der Befehl zum Feuern, eine Salve machte dem Leben von Chang und Fang ein Ende und Chang hatte gerade noch Zeit, einen letzten Fluch auf die Republik auszustoßen.
Handel und Verkehr.
* Calw, 38. Okt. Hausverkauf. Färbereibesitzer Schoenlen hier hat das Pfleider'sche Haus in der Vorstadt zum Preise von 30 000 Mk. gekauft.
js Stuttgart, 28. Okt. (Börse.) Der Getreidemarkt verkehrte in abgelaufener Berichtswoche in fester aber vollständig abwartender Haltung, da infolge der ungeklärten politischen Lage und der sich täglich widersprechenden Kriegsberichte vom Balkan jede Unternehmungslust fehlte, dazu kommt noch, daß die Großmühlen für nächste Zeit gedeckt sind und auch andererseits die Zufuhren in Landware wieder stärker waren. Auf heutiger Börse, sowie auch unter der Woche war in Weizen wenig Geschäft und wurde in der Hauptsache nur etwas Landware gehandelt.
Wir notieren.per 100 treide und Saaten ohne Sc und Lieferzeit:
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württ. neu 21.00—23.00 fränk. 22.00—23.00 bayr. 22.00—24.00
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, fränk. 32.50—23.00
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Mais Laplata 15.35 -16.50
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28.— bis 28.50 (ohne Sack netto Kassa.)
Voraussichtliches Wetter
am Mittwoch, 30. Oktober: Vorwiegend bewölkt, mäßig kühl, Regenfälle.
Verantwortlicher Redakteur: Ludwte Laut.
Truck und Verlag der M. Rceler'jchen Buch .u^-rel in Alürg.eiz.